Protocol of the Session on April 27, 2005

Der Gesetzentwurf ist ein wesentlicher Beitrag zur mittelfristigen Einsparung von 908 Stellen bei den Regierungspräsidien.

Meine Damen und Herren, das ist die eigentliche Triebfeder Ihres Gesetzentwurfs.

Auch der zweite Satz unter der Überschrift „Finanzielle Auswirkungen“ wird uns sicherlich noch in der Anhörung beschäftigen.

(Zuruf des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

Herr Kollege Haselbach, es freut mich immer, wenn Sie wieder aufgewacht sind. Ich glaube, Sie haben sich zu Wort gemeldet und können das hier gleich alles vortragen.

(Zuruf des Abg. Rudi Haselbach (CDU))

Meine Damen und Herren, dieser zweite Satz unter der Überschrift „Finanzielle Auswirkungen“ handelt von der Konnexität. Das wird uns in der Tat in der Anhörung beschäftigen. Da wird sich die Frage stellen, wie die kommunale Familie dazu steht.

Sie sagen – es ist bezeichnend, wie Sie mit dem Konnexitätsprinzip umgehen –: Es handelt „sich um Aufgabengebiete, in denen die Kommunen bereits bisher tätig sind.

Ihr Aufgabenspektrum wird insoweit nur komplettiert...“ Meine sehr verehrten Damen und Herren,das ist der Umgang dieser Hessischen Landesregierung mit den hessischen Kommunen. Sie verlagern die Kosten auf die hessischen Kommunen und schreiben das auch noch so in die Vorbemerkungen zum Gesetzentwurf hinein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich habe es gerade gesagt. Die Konnexität hat uns bei der Kommunalisierung beschäftigt. Ich bin gespannt, wie lange sich die kommunale Seite diesen Umgang der Landesregierung mit der Konnexität noch gefallen lässt. Wir werden das im Einzelnen in der Anhörung besprechen. Ich habe immer noch die Auffassung, dass man in Anhörungen noch das eine oder andere dazulernt. Allein, mir fehlt der Glaube, dass Sie Ihre Beratungsresistenz aus dem ersten und dem zweiten Verwaltungsstrukturreformgesetz überwunden haben.

Ich will ein paar Punkte ansprechen, die – wie ich meine – demnächst in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielen werden. Das wird zum einen das Widerspruchsverfahren sein. Wir haben die erste Auseinandersetzung im Bereich der Widerspruchsverfahren eigentlich schon gewonnen.Eigentlich wollten Sie die ganz abschaffen,wenn man sich den alten Entwurf anschaut. Insofern haben wir zumindest diesen Punkt gewonnen. Sie wollten den gesamten Widerspruch abschaffen. Aber was Sie jetzt machen, ist die Abschaffung der Widerspruchsverfahren bei den Regierungspräsidien. Das bleibt ohnehin Intention Ihres Gesetzentwurfs.Mit der Abschaffung des Devolutiveffektes – das Wenden an die jeweils höhere Ebene – verlagern Sie die Kosten der Arbeit auf die kommunale Seite ohne Finanzausgleich.

Die einen Bescheid ausgebenden Behörden sollen demnächst für die Entscheidung der Widersprüche zuständig sein. In der Vergangenheit hat sich aber gezeigt, dass eine Fülle von Widerspruchsverfahren Erfolg hatte. Es ist fraglich, ob die im Gesetz vorgeschlagene Regelung nicht dazu führt, dass sich viele Menschen wieder gezwungen fühlen, vor hessische Gerichte zu ziehen. Nachher beschweren Sie sich darüber, dass es im Bereich der Verwaltungsverfahren eine Fülle von Verfahren gibt, die anhängig sind, und dass Kosten entstehen. Das ist eine Verlagerung von Aufgaben. Das ist auch eine Verlagerung von Kosten, die diese Landesregierung an diesem Punkt betreibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deswegen sollten Sie Abstand von diesem Vorhaben nehmen. Im Übrigen haben Beispiele aus Bayern, die das schon einmal gemacht haben, gezeigt, dass die das genau aus diesem Grund wieder rückgängig gemacht haben,weil die Abschaffung der Widerspruchsverfahren zu einer Fülle von Klagen vor Verwaltungsgerichten geführt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der zweite Punkt, der uns wichtig erscheint, ist der Bereich des Naturschutzes. Beim Hessischen Naturschutzgesetz und bei der Beteiligung von ehrenamtlichem Sachverstand in Beiräten waren Sie – wie ich meine – mit der Kettensäge unterwegs. Naturschutz in Hessen hat für Sie noch nie eine Bedeutung gehabt. Sie sind der Meinung, dass die freie Fahrt für die Betonmischmaschinen sozusagen Intention des Naturschutzgesetzes sein soll.

(Zuruf des Abg. Heinrich Heidel (FDP) – Lachen des Ministers Volker Bouffier)

Jetzt schreiben Sie das zumindest in Teilen in das Gesetz. Es werden verschiedene Maßnahmen genehmigungsfrei gestellt. Herr Minister, das sollten Sie einmal ernst nehmen und durchsehen. Zum Beispiel das Abstellen nicht zugelassener Autos in der freien Landschaft – Sie können demnächst in der freien Landschaft Autowracks abstellen. Das Aufstellen von Zelten – Sie haben hier lustigerweise von Bierzelten geredet, aber z. B. die Frage von wildem Campen ist schon eine Frage, auf die man einmal eingehen sollte.

(Minister Volker Bouffier: Och!)

Mit den Maßnahmen, die Sie demnächst genehmigungsfrei stellen – z. B. Maßnahmen im Bereich der Verkehrssicherungspflicht –, kann man nachher relativ viel begründen. Sie stellen das Aufstellen von so genannten Unterstelleinrichtungen genehmigungsfrei. Ich wünsche gute Verrichtung, wenn wir demnächst wieder die Frage der Gartenhütten in der freien Natur diskutieren wollen. Die Aufschüttung von Ackerflächen stellen Sie genehmigungsfrei. Die Beseitigung von Grünbeständen im baurechtlichen Innenbereich, soweit sie mit keiner Nutzungsänderung verbunden ist, stellen Sie genehmigungsfrei. Das hört sich erst einmal ganz gut an.Wenn aber erst einmal das Grünzeug weg ist, dann lässt sich nachher wesentlich leichter die Änderung der Nutzungsberechtigung begründen.Die Entnahme von Grundwasser bis zu 50.000 m3 im Jahr. Das sind nur einige Punkte Ihrer naturschutzpolitischen Geisterfahrt, die Sie anrichten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ein weiterer Punkt, der für uns wichtig ist und den man in der Öffentlichkeit diskutieren sollte, ist die Frage, wie Sie in Zukunft mit ehrenamtlichem Sachverstand und ehrenamtlichen Naturschutzbeiräten umgehen werden. Da werden die Naturschutzbeiräte in Hessen rasiert. Von dem Vorhaben, die Naturschutzbeiräte auf Kreisebene faktisch ganz abzuschaffen, sind Sie zwar abgewichen, aber die Beteiligungsrechte – auch im Naturschutz – werden stark verändert. Aus „beraten und unterstützen“ im jetzigen Gesetz wird nur noch „beraten“. Aus „allen Angelegenheiten“ werden in Zukunft nur noch „grundsätzliche Angelegenheiten“. Aus „die Beiräte können Anträge stellen und sind auf Verlangen zu hören“ wird demnächst „... rechtzeitig zu unterrichten“.

Meine Damen und Herren, was haben Sie eigentlich gegen einen ehrenamtlichen Naturschutz in Hessen, der sich in der Vergangenheit bewährt hat? Diese Frage müssen Sie hier einmal beantworten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich lese das immer wieder in der Presse und sehe das immer wieder: Sie machen permanent Veranstaltungen zum Ehrenamt. Sie führen die Ehrenamtskarte ein. Sie rufen den Tag des Ehrenamtes aus. Diese Beiräte – Naturschutzbeiräte, Fischereibeiräte, Forstbeiräte – arbeiten ehrenamtlich. Sie sollten demnächst die Veranstaltung zum Thema Ehrenamt absagen, wenn Sie sich den Inhalt dieses Gesetzes anschauen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Die Beiräte sagen es selber, und ich weiß das von Kreisebene – da sind bei uns ganz viele Mitglieder dieser Bei

räte mit dem Naturschutzpreis des Kreises ausgezeichnet worden, weil sie ihren ehrenamtlichen Sachverstand zur Verfügung gestellt haben. Jetzt kommen Sie her und rasieren diese ehrenamtlichen Beiräte in dieser Weise. Das ist wirklich unerhört.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Diese Beiräte haben gerade in der Vergangenheit zum Interessenausgleich geführt. In diesen Beiräten wurde zwischen den verschiedenen Verbänden ein Interessenausgleich organisiert. Das schaffen Sie jetzt ab. Die Teilhabe am ehrenamtlichen Naturschutz ist für Sie eigentlich nur Störfaktor, und das ist der Inhalt dieses Gesetzes. Beim Fischereibeirat ist es genau das Gleiche, ebenso bei den Forstbeiräten. Ich finde, da sollten Sie noch einmal in sich gehen und überlegen, ob das, was Sie gesetzlich organisieren wollen, mit dem zusammenpasst, was Sie ansonsten über das Ehrenamt im Lande erzählen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum gelten alle die Argumente, die Sie für den Fischereibeirat, für den Naturschutzbeirat, für den Forstbeirat hier anführen, eigentlich nicht für die Jagdbeiräte? Warum organisieren Sie die Jagdbeiräte eigentlich anders? Warum lassen Sie die in der jetzigen Form bestehen? – Ich rede nicht dagegen,weil ich glaube,dass im Bereich der Jagd eine ganze Menge an ehrenamtlichem Sachverstand zu Gehör kommt. Aber Sie argumentieren: Bei den Naturschutzbeiräten müssen wir das anders organisieren, bei den Jagdbeiräten organisieren wir das nicht anders. – Meine Damen und Herren, das passt nicht zusammen. Das ist interessengeleitet, was Sie hier organisieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden in der Anhörung genügend Möglichkeiten haben, über diese verschiedenen Probleme zu diskutieren. Sie haben den einen oder anderen Punkt angesprochen, über den man mit Sicherheit nicht streitig diskutieren muss.Aber ich sage Ihnen, die Zielrichtung Ihres Gesetzes, was die Widerspruchsverfahren, den Bereich des Naturschutzes und den Bereich des Ehrenamtes angeht, ist etwas, was mit uns zumindest so nicht zu machen ist. Was Sie im ersten und zweiten Gesetz angefangen haben, das führen Sie jetzt fort. In dieser Richtung wird nach der Devise fleißig weiter gemurkst: Augen zu und durch. – Das werden wir in dieser Form nicht mitmachen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Frömmrich. – Herr Hahn, ich darf Ihnen für die FDP-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Für die FDP-Fraktion möchte ich nur kurz zu diesem Gesetzentwurf Stellung nehmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns in fast allen Ausschüssen des Landtages mit diesem Gesetzentwurf sehr intensiv beschäftigen werden. Ich glaube, es macht wenig Sinn, sich jetzt das eine oder andere herauszupicken, um es so oder so zu beschreiben, da wir alle noch nicht wissen, was die von uns

Anzuhörenden in den einzelnen Themenbereichen sagen werden.

Natürlich ist die FDP-Fraktion dafür, dass eine effektivere und effizientere hessische Verwaltung eingerichtet wird. Natürlich ist die FDP-Fraktion dafür, dass wir Aufgaben privatisieren, dass eine Straffung der Abteilungsund Dezernatsstruktur vorgenommen wird, dass eine Konzentration von Standorten vorgenommen wird, dass ein verstärkter Einsatz der Informationstechnik und Aufgabenverlagerung auf andere Behörden vorgenommen werden. Alles dieses sind Zitate aus der Begründung im allgemeinen Teil dieses Gesetzentwurfes. Deshalb werden wir in der Anhörung jeden einzelnen Punkt darauf abklopfen, ob er tatsächlich dieser Vorgabe entspricht.

Trotzdem sage ich Ihnen, dass wir uns zu dem derzeitigen Zeitpunkt nicht in der Lage sehen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, und zwar aus einem ganz gravierenden Grund. Ich muss gestehen, dass ich das Wort Devolutiveffekt noch lernen musste, weil ich offensichtlich in der Uni bei dieser Vorlesung gerade nicht anwesend gewesen bin; ich weiß, es geht anderen Juristen in diesem Raum auch so, es muss wohl ein Wort sein, das nicht gerade in der Zwangswortwahl für Juristen steht. Mit dem von Ihnen vorgeschlagenen Weg der Abschaffung der Widerspruchsverfahren bzw. des Herunterzurrens der Widerspruchsverfahren erreichen Sie nicht das, was wir uns unter einer bürgernahen und schnell handelnden Verwaltung vorstellen.

(Beifall bei der FDP)

Wir sind der Auffassung – das ist nicht auf unserem Mist, sondern z. B. auf dem Mist des Präsidenten des VGH in Kassel und vieler Verwaltungsrichter in unserem Land gewachsen –, dass mit der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens bzw. der Nutzung des Devolutiveffektes künftig viel mehr gerichtliche Auseinandersetzungen provoziert werden. Herr Innenminister, Sie verlagern eigentlich nur aus Ihrem Ressort in das Ressort von Herrn Justizminister Dr. Christean Wagner.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist in unseren Augen keine Entlastung. Vielmehr handelt es sich da wieder um das Vorgehen, etwas von der linken Tasche in die rechte Tasche zu tun.Das kennen wir schon.Das haben wir allein schon beim Verkauf der Kasseler Wohnungsbaugesellschaft kennen gelernt.

Wir werden dieser Frage also sehr kritisch in der Anhörung und insbesondere auch im Rechts- und Innenausschuss nachgehen.Wir wollen wissen, ob es damit tatsächlich zu einer Entlastung und Effektivierung unserer hessischen Verwaltung kommen würde oder ob es nicht nur zu einer Verlagerung kommen würde, die dann auch noch teurer wäre. Denn wir alle wissen, dass ein Gerichtsverfahren teurer ist als verwaltungsmäßiges Handeln in der zweiten Gewalt. Möglicherweise können dadurch also zusätzliche Kosten entstehen.

Auch, um ein bisschen Zeit wieder hereinzuholen, möchte ich nur noch sagen: Die FDP-Fraktion geht offen in die Anhörung. Den einen Punkt, nämlich die Abschaffung des Anhörungsverfahrens, sehen wir sehr kritisch bis ablehnend. Schauen wir einmal, was die Anhörung ergibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Hahn, danke sehr. – Herr Haselbach, Sie haben sich für die CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der letzten Legislaturperiode haben wir eine breit angelegte Strukturreform der hessischen Verwaltung in Gang gesetzt, die wir in der laufenden Legislaturperiode fortsetzen. Es handelt sich um eine Verwaltungsstrukturreform, die bei den anderen deutschen Bundesländern ihresgleichen sucht.

(Hildegard Pfaff (SPD): Das stimmt!)

Insbesondere handelt es sich um eine, die es im Land Hessen sowohl vom Umfang als auch insbesondere von der Qualität her noch nie gegeben hat.

(Gernot Grumbach (SPD): Das stimmt! – Hildegard Pfaff (SPD): Das kann man unterstreichen!)