Protocol of the Session on December 13, 2007

(Beifall bei der CDU)

Frau Faeser, ich muss sagen, Sie leiden wirklich an Realitätsverlust,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Innenminister!)

sich hierhin zu stellen und zu behaupten, das sei kein Erfolg. Was glauben Sie eigentlich, was hier los wäre, wenn der Staatsgerichtshof anders entschieden hätte?

(Zurufe von der SPD – Jürgen Walter (SPD): Dieser Staatsgerichtshof entscheidet niemals anders, als Sie wollen!)

Sie könnten sich gar nicht einkriegen. Deshalb bleibt es dabei: Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs, mit der Sie uns im Zweifel – –

(Zurufe von der SPD – Gegenrufe von der CDU)

Es lohnt sich nicht, auf jede Bemerkung einzugehen, weil der Gegenstand zu ernst ist.

(Fortgesetzte Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

Meine Damen und Herren, es bleibt festzuhalten, das Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität ist vom hessischen Staatsgerichtshof für mit der Hessischen Verfassung vereinbar erklärt worden. Es reiht sich ein in eine ganze Reihe von Entscheidungen des Staatsgerichtshofs – darauf hat Herr Dr. Wagner hingewiesen –, die von der Opposition in diesem Haus außerordentlich bekämpft wurden, zu denen Sie immer prognostiziert haben, dass wir vor dem Staatsgerichtshof verlieren würden.

Ich halte ausdrücklich noch einmal fest: Nicht in einem einzigen Fall haben wir vor dem Staatsgerichtshof verloren, und das zeigt, dass gerade die Wahrung und die Beachtung der Hessischen Verfassung sowohl durch die Landesregierung als auch durch die Mehrheit dieses Hauses in allerbesten Händen sind, und das ist ein Erfolg.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Staatsminister, Herr Abg. Caspar möchte eine Zwischenfrage stellen.

Nein. – In der Kürze der Zeit drei Bemerkungen. Frau Faeser, es ist eben nicht so, dass der Staatsgerichtshof keine grundlegende Entscheidung getroffen hätte. Die hat er schon getroffen. Es ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mitnichten, dass durch Landesgesetz eine Einzelfallentscheidung zu treffen wäre.

Man kann unter Juristen darüber streiten, aber es ist üblich, dass das Verfassungsgericht abstrakt entscheidet und dass im konkreten Fall, ob eine Störung der Beziehungen des öffentlichen Dienstes oder eine Störung des Beamtenrechts vorliegt, zunächst einmal die Dienstbehörde und dann die Fachgerichte zu entscheiden haben. Das ist der Normalfall.

Wir hatten in Hessen z. B. das Thema, als eine Referendarin mit Kopftuch bei Gericht erschien.Da habe ich von Ih

nen nicht all das gehört,was Sie sonst immer erzählen.Wir waren uns doch hoffentlich darüber einig, dass solches vor Gericht nicht sein darf.

Herr Kollege Hahn, ich richte mich jetzt an Sie und alle anderen. Aus meiner Sicht ist es ein Fehler, die Debatte auf das Thema Lehrer und Lehrerinnen zu verkürzen. Ich habe das immer wieder ausgeführt: Im öffentlichen Dienst besteht ein besonderes Dienstverhältnis. – Herr Prof. Isensee hat das so ausgedrückt. Ich zitiere:

Das Amt bildet ein Segment der Staatsgewalt, die im Verhältnis zum Bürger notwendig eingebunden ist in das Recht, abgeschottet gegen private Willkür und individuelle Launen des Amtsinhabers.Amt ist Dienst und nicht Selbstverwirklichung. Diese Askese ist der Preis für die Teilhabe des Amtsträgers an der Staatsgewalt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist ein sehr gutes Zitat!)

Genau das ist die Auffassung der Landesregierung. Ich kann mir nicht vorstellen, ernsthaft eine Debatte darüber führen zu sollen, dass eine Beamtin, die im Sozialamt, in der Ausländerbehörde, im Standesamt, bei Gericht, bei den Staatsanwaltschaften oder wo auch immer tätig ist, unter diesem Blickwinkel anders zu behandeln sein soll als – von mir aus – eine Lehrerin.

Das Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst und allemal das Beamtenverhältnis sind besondere Verhältnisse. Der Inhaber des öffentlichen Amts hat die Pflicht, sogar den bösen Anschein zu vermeiden. Nur damit kann das Grundvertrauen der Bürgerinnen und Bürger, dass der öffentliche Dienst und allemal die Beamtenschaft sachgerecht entscheiden, gewährleistet werden. Dieses Vertrauen ist das Fundament des demokratischen Gemeinwesens.

Genau darum ging es. Darum wird es auch in Zukunft gehen. Deswegen werden wir die Fragen, die damit zusammenhängen, mit Sicherheit noch des Öfteren zu diskutieren haben.

Hessen hat durch den Gesetzgeber eine klare Position bezogen. Diese Landesregierung hat sich dieser Position immer angeschlossen. Es bleibt auch dabei.

Ich will noch eine abschließende Bemerkung machen. Rechtzeitig klare Grenzen zu ziehen ist klug. Zu vermeiden oder sich zu verweigern, rechtzeitig klare Grenzen zu ziehen, mehrt das Übel.

Nach meiner festen Überzeugung kann keine ernsthafte Debatte darüber geführt werden. Das Gesetz nimmt gerade keine Privilegierung einer Religion vor. Mir ist es wichtig, darauf noch einmal sehr deutlich hinzuweisen.

Der Staatsgerichtshof hat ausdrücklich ausgeführt, dass die Bezugnahme in diesem Gesetz auf die christlichabendländliche Tradition dieses Landes keine Privilegierung einer Religion ist. Im Übrigen entspricht das auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Sie haben aber auch ausgeführt, dass diese Bezugnahme ein Hinweis für etwas sei. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat das am 10. Dezember 2007 in einem Artikel so formuliert:

Dies gilt erst recht für den Hinweis im Gesetz auf die „christlich und humanistisch geprägte abendländische Tradition“ des Landes. Dieser sei, so sagt

der Staatsgerichtshof ganz richtig, nicht als Privileg einer Religion zu verstehen.Vielmehr bekräftige er allein die Werteordnung des Grundgesetzes und der Hessischen Verfassung.

Dazu steht die Landesregierung. Wir sind dankbar, dass der hessische Staatsgerichtshof dies so deutlich ausgedrückt hat.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Bouffier, vielen Dank. – Es gibt dazu keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist der Antrag unter Tagesordnungspunkt 58 behandelt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 59 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Kochs trostlose Bilanz: von der Vision 2015 zur Perspektivlosigkeit) – Drucks. 16/8352 –

Das Wort hat Herr Kollege Al-Wazir. Er ist der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Montag dieser Woche hat ein müder Ministerpräsident die Bilanz der Regierungsarbeit dieser Legislaturperiode gezogen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg.Norbert Schmitt (SPD) – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU)

Dass wir am Ende der Legislaturperiode eine Bilanz von der Landesregierung vorgelegt bekommen haben, haben wir zum Anlass genommen, uns noch einmal zu betrachten, womit der Ministerpräsident und die mit absoluter Mehrheit regierende CDU gestartet sind. Sie starteten mit einem großen Programm, das die Überschrift „Verantwortung für heute – Visionen für morgen“ trägt.

Sie werden sich an die Regierungserklärung erinnern können,die am 23.April 2003 in diesem Hause abgegeben wurde. Sie hatte denselben Titel. Da war viel von der „Vision 2015“ die Rede.

Wir haben das alles noch einmal sehr genau nachgelesen und mit dem verglichen,was Roland Koch letzten Montag in seiner Bilanz genannt hat. Herr Ministerpräsident, ich möchte Sie einmal an das erinnern, was Sie im April 2003 versprochen haben.

Sie haben gesagt,Hessen solle Bildungsland Nummer eins werden. Sie kennen die Umfragen dazu. Die Hessinnen und Hessen finden, dass die Bildungspolitik das Problem Nummer eins in Hessen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben am 23. April 2003 zu Ganztagsangeboten erklärt:

Wir werden auch dort das Prinzip der Freiwilligkeit achten und mit dem nachmittäglichen Angebot dafür sorgen, dass Kinder, die in der ganztägigen Betreuung sind, nicht vom Ehrenamt in Vereinen, nicht von den Musikschulen und nicht von den

kirchlichen Freizeitaktivitäten ferngehalten werden.

Sie und Ihre famose Kultusministerin haben es mit der hessischen Variante der Schulzeitverkürzung geschafft, die Gymnasien zu Zwangsganztagsschulen ohne Mittagessen zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Hans-Jürgen Ir- mer (CDU): Das ist ein erbärmliches Niveau!)

Hören Sie gut zu. – Sie haben die Vision verkündet, dass es in Hessen bis zum Jahr 2015 die niedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland geben werde. Inzwischen wissen wir, dass uns das Land Rheinland-Pfalz um Längen abgehängt hat. Hessen liegt inzwischen hinsichtlich der Erwerbslosigkeit über dem westdeutschen Durchschnitt. Das ist ein schlechter Platz, den Hessen zuvor noch nie hatte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben unter der Überschrift „Staufreies Hessen“ erklärt, dass Hessen bis zum Jahr 2015 in den Verkehrsmeldungen nicht mehr vorkommen solle. Jeder, der auf Hessens Autobahnen unterwegs ist, weiß,dass dieses Versprechen ungefähr so viel mit der Realität zu tun hat wie Kühe, die fliegen können.