Herr Präsident,meine Damen und Herren! In Hessen gibt es keine Beamtin und keine Lehrerin, die im Dienst ein Kopftuch trägt. Es gab noch nicht einmal eine Interessentin, die im Dienst ein Kopftuch tragen wollte. Die gab es nicht vor dem Gesetz, und die gab es nicht nach dem Gesetz. Es ist nicht etwa so, dass kopftuchtragende Muslime in Scharen vor den hessischen Behörden stehen und Einstellung begehren.
Es ist also eher ein virtuelles Problem, mit dem wir uns hier beschäftigen. Deshalb konnte der Staatsgerichtshof auch nur in einer abstrakten Normenkontrolle über diese Frage urteilen. Es ging nicht um eine konkrete Person, sondern ausschließlich um die abstrakte Regelung im Gesetz.
Der Titel Ihrer Aktuellen Stunde „Es bleibt dabei: kein Kopftuch in Hessens Behörden“ suggeriert, der Staatsgerichtshof habe bestätigt, dass in Hessens Behörden kein Kopftuch getragen werden darf.Einmal abgesehen davon, dass Sie vermutlich selbst nur das islamische Kopftuch meinen und nicht jedes Kopftuch, das aus welchen Gründen auch immer getragen wird, hat der Staatsgerichtshof nach seinen eigenen Ausführungen in der Tat – Frau Faeser hat es schon gesagt – hierüber gerade nicht entschieden.
Er hat sogar ausdrücklich offengelassen, ob die gesetzlichen Regelungen im Schulgesetz und im Beamtengesetz überhaupt ein Kopftuchverbot enthalten. Der Staatsgerichtshof hat nämlich den Begriff abstraktes Normenkontrollverfahren sehr wörtlich genommen und sehr abstrakt entschieden. Er hat sich jeder Äußerung darüber enthalten, ob ein bestimmtes Bekleidungsstück darunter fällt und, wenn ja, aus welchen Motiven.
Insbesondere prüft er nicht, welche Kleidungsstücke als „islamisches Kopftuch“ zu qualifizieren sind und ob und unter welchen Voraussetzungen ein „islamisches Kopftuch“ objektiv geeignet ist, das Vertrauen in die Neutralität der Amtsführung zu beeinträchtigen oder den Schul- und Dienstfrieden zu stören.
Man mag das bedauern. In der Tat wird dies von fünf Verfassungsrichtern in dem abweichenden Votum ausdrücklich als Fehler der Mehrheitsentscheidung kritisiert. Ich habe das nicht zu kommentieren. Aber feststellen muss man schon: Nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs ist weiter offen, ob die von Ihnen eingeführte Regelung im Schul- und Beamtenrecht überhaupt ein Kopftuchverbot beinhaltet.
Ausdrücklich untersagt ist Beamtinnen und Beamten, Lehrerinnen und Lehrern – ich zitiere aus dem Gesetz – das Tragen von Kleidungsstücken, Symbolen oder anderen Merkmalen, „die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen...“
Ob und unter welchen Voraussetzungen das islamische Kopftuch hierzu zählt, hat das Gericht ausdrücklich offengelassen. Es hat ausdrücklich gesagt, diese Entscheidung obliegt den Behörden und den Verwaltungsgerichten. Sollten diese irgendwann einmal zu dem Ergebnis kommen, ein Kopftuch sei vom Wortlaut des Gesetzes umfasst, müsste erneut geprüft werden, ob diese Interpretation unter Berücksichtigung der konkreten Umstände
verfassungsrechtlich zulässig ist oder nicht – vom Staatsgerichtshof, vom Bundesverfassungsgericht, je nachdem.
Immerhin ist ein Kopftuch zunächst einmal nichts anderes als ein Bekleidungsstück ohne jeden objektiven Erklärungswert. Einen Erklärungswert bekommt es, zu einem Symbol wird es allenfalls dadurch, dass die Motive der Trägerin entscheidend sind.Aber diese sind erfahrungsgemäß so vielfältig wie die Zahl der Kopftuchträgerinnen selbst.
Hierzu hat sich der Staatsgerichtshof jeder Äußerung enthalten. Das Gericht hat sich auf die abstrakte Prüfung beschränkt, ob das Tragen von Kleidungsstücken, die einen weltanschaulichen oder politischen Erklärungsinhalt haben, grundsätzlich untersagt werden kann. Es ist dabei zu dem Ergebnis gelangt: Es kann untersagt werden.
In dieser allgemeinen Form haben wir GRÜNEN das im Übrigen auch nie bestritten. Deswegen kann ich auch nicht verstehen, weshalb hier behauptet wird, das sei eine herbe Niederlage für uns gewesen.Wir waren im Übrigen auch gar nicht am Verfahren beteiligt. Das Verfahren war von der Landesanwältin eingeleitet worden. Deswegen kann ich überhaupt nicht verstehen, weshalb die Entscheidung des Staatsgerichtshofs, die die wesentlichen Fragen völlig unbeantwortet gelassen hat, für uns eine herbe Niederlage sein soll.
Ich verstehe gut die Enttäuschung, die Frau Sacksofsky z. B. in einem Interview geäußert hat, dass der Staatsgerichtshof genau diese an sich entscheidende Frage offengelassen hat. Es war klar, sowohl im Gesetzgebungsverfahren als auch in der Öffentlichkeit, als auch, wie ich gelesen habe, in den Verhandlungen vor Gericht, dass es im Kernbereich um die Frage eines Kopftuchverbotes gehen sollte.
Aber wir haben zu akzeptieren,dass der Staatsgerichtshof hierüber ausdrücklich keine Entscheidung getroffen hat. Die endgültige Entscheidung wurde vertagt. Ob es jemals zu einer solchen Entscheidung kommt, weil eine Beamtin oder eine Lehrerin ein Kopftuch tragen möchte, ist völlig offen.
Ich kann Ihnen versprechen, wir werden uns vonseiten der GRÜNEN bis dahin jedenfalls mit den realen Problemen beschäftigen, die diese Landesregierung den Menschen in Hessen bereitet, und weniger mit virtuellen Problemen, die hiervon eher ablenken sollen. – Danke schön.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Staatsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2007 einen ersten – ich betone: einen ersten – Schritt hin zu mehr Rechtsklarheit in dieser Frage gewagt. Ich sage sehr deutlich, wir hätten uns gewünscht, dass der Staatsgerichtshof etwas mehr Mut bewiesen
Sie wissen, wir haben eine sehr emotionale, eine sehr persönliche Debatte vor zwei Jahren in diesem Hause geführt, Vizepräsidentin Ruth Wagner und Doris Henzler insbesondere für die FDP-Fraktion, viele von Ihnen für Ihre Fraktionen. Wir haben Anhörungen durchgeführt, und wir haben sicherlich einen Grundwert, so hoffe ich, der alle vier Fraktionen in diesem Haus verbindet, dass wir sagen: In einer Gesellschaft in Deutschland, die nun einmal eindeutig ihre Wurzeln im christlich-jüdischen Abendland hat, gibt es Regeln zu beachten, die in den ersten Artikeln unseres Grundgesetzes stehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Regeln machen deutlich, dass wir auf der einen Seite eine Religionsfreiheit haben, und zwar eine aktive und eine passive, wie Juristen das unterscheiden. Das einem normalen Menschen zu erklären halte ich schon fast für nicht möglich.Wir haben darüber hinaus Regeln zu beachten, die etwas damit zu tun haben, dass wir die Freiheit des Einzelnen in den Vordergrund stellen, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz. Dazu gehört natürlich auch die Frage, dass es kein Diskriminierungsverbot geben darf, weder wegen der Religion noch wegen des Glaubens, des Geschlechts oder anderer Dinge.
Hätte man diese Regeln, die auch in unserer Hessischen Verfassung verankert sind, auf das Gesetz angewandt, über das wir gerade diskutieren, so hätte man nach unserer Auffassung auch zu dem Ergebnis gelangen können, dass es insgesamt verfassungsgemäß ist, wenn man sich mit den Fragen auseinandergesetzt und möglicherweise im Wege der sogenannten praktischen Konkordanz einige Auslegungen festgelegt hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass es ganz klar ist, dass ein Kopftuch auf dem Kopfe einer praktizierenden Lehrerin in hessischen Schulen nichts zu suchen hat.
Gut,die Sozialdemokraten,die Union und die Liberalen in diesem Hause sind der Auffassung, dass es nicht geht, dass eine Lehrerin,die lehrt,die auch noch in einem Über/Unterordnungsverhältnis gegenüber den Schülern steht, mit einem Kopftuch vor den Schülern steht.Dies hätte der Staatsgerichtshof nach unserer Auffassung feststellen können und, ich sage, feststellen müssen.
Es ist Aufgabe der dritten Gewalt, Rechtsklarheit zu schaffen. Es war die Möglichkeit vorhanden, Rechtsklarheit zu schaffen. Ich habe überhaupt kein Problem damit, mich in dieser Frage mit dem Staatsgerichtshof in Kritik auseinanderzusetzen. Alle drei Organe, die eine Gesellschaft in einem Rechtsstaat ausmachen,sind wechselseitig der Kritik fähig. Das gilt natürlich auch für die Judikative.
Meine Damen und Herren, auf der anderen Seite hätte der Staatsgerichtshof ebenfalls beurteilen können, dass bei all denjenigen, die im öffentlichen Dienst etwas mit Kunden zu tun haben, etwas mit den Bürgern zu tun ha
ben, die – ich sage das etwas flapsig – am Schalter stehen, sei dies in der Finanzbehörde, sei es im Katasteramt oder wo auch immer, das Tragen eines entsprechenden Kopftuchs als verfassungswidrig anzusehen ist. Auch das ist eine Auffassung, die wir als FDP in diesem Hause mehrfach kommuniziert und auch mehrfach vorgetragen haben.
Dann kommen wir zu dem Konfliktpunkt in dem Gesetzentwurf der Union, zu dem Gesetz, das der Hessische Landtag – –
Moment, es war erst einmal ein Gesetzentwurf der Union, Herr Innenminister. Der Hessische Landtag hat dann diesen Gesetzentwurf zum Gesetz gemacht.
In diesem Falle ist auch die Frage zu diskutieren:Wie ist es mit jemandem, der vollkommen im Innendienst praktiziert? Wo ist da eine Verfassungswidrigkeit zu sehen? Da hätte ich mir eine entsprechend mutige Entscheidung des Staatsgerichtshofs gewünscht, in der gesagt worden wäre: In diesem Falle legen wir im Wege der praktischen Konkordanz das Urteil so aus,dass das nicht möglich ist.– Und schon hätte man den Konflikt, den offensichtlich die Mitglieder des Staatsgerichtshofs hatten, lösen können.
Zusammenfassend: Es ist richtig und jedenfalls von einer großen Mehrheit dieses Hauses auch nie bestritten, dass es in hessischen Schulen, vor hessischen Schülerinnen und Schülern keinen Träger von Kopftüchern geben darf.
Ansonsten wird der Staatsgerichtshof irgendwann einmal, dann nicht im Wege der absoluten Normenkontrollklage, sondern im Wege einer konkreten Verfassungsbeschwerde, die anderen Fragen klären müssen. Er hätte es eigentlich bereits am 10. Dezember tun können. – Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Ich begrüße für die Landesregierung ausdrücklich die Entscheidung des Staatsgerichtshofs. Ich habe das bei der Urteilsverkündung bereits getan. Ich will das hier wiederholen.
Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs ist juristisch zu bewerten. Ich will aber auch eine politische Bewertung vornehmen. Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs stellt im Ergebnis einen großen Erfolg für die CDULandtagsfraktion dar, die den damaligen Gesetzentwurf eingebracht hat, und für die Landesregierung, da sie sich hinter diesen Entwurf gestellt hat.
Lieber Herr Dr.Jürgens,die Kernfrage war,ob das Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität mit der Hessischen Verfassung vereinbar ist oder nicht. Wenn ich mich an die Debatten in diesem Hause richtig erinnere,dann ist die Entscheidung des Staatsgerichtshofs ein großer Erfolg für diejenigen, die dieses Gesetz eingebracht haben, und