Frau Kollegin Fuhrmann, ich freue mich und erkenne an, dass Sie die sozialpolitische Kompetenz der Freien Demokraten ansprechen. Mit Lord Dahrendorf, Karl-Hermann Flach, Friedrich Naumann, Thomas Dehler und Wolfgang Mischnick haben wir viele Personen, die die Sozialpolitik in Deutschland wesentlich mitgestaltet haben. An dieser Stelle möchte ich ein Zitat von Lord Dahrendorf erwähnen, das ein Stück weit die Probleme in dieser Politiklage demonstriert. Lord Dahrendorf hat gesagt: Die Neigung der Politik, jedes Problem mit staatlichen Programmen lösen zu wollen, korrespondiert mit der Neigung vieler Bürger, immer mehr Ansprüche an den Staat zu stellen. Die Trennung zwischen Freiheit und Verantwortung – möglichst viele Rechte und Freiheiten beim Bürger und möglichst viele Pflichten und Verantwortungen beim Staat – führt nicht nur zur Unfinanzierbarkeit dieses Systems, sondern zum Verlust von Freiheitlichkeit und Engagement in unserer Gesellschaft.
Das ist das Kernproblem in der heutigen Situation. Wir haben immer mehr Leistungsgesetze gemacht, das staatliche Angebot immer mehr ausgeweitet und dadurch viel Eigenengagement getötet. Letztendlich sind wir in der Situation, in der wir uns heute befinden. Das wird mit Sicherheit geändert werden, wenn die FDP in diesem Land Verantwortung tragen sollte.
Wenn man die Sozialpolitik ganz objektiv betrachtet, so kann man feststellen – das hat Frau Oppermann meines Erachtens nicht ganz richtig wiedergegeben –, dass das viel gerühmte Sparpaket der Landesregierung relativ wenig Nachhaltigkeit bewiesen hat.Nachhaltigkeit bedeutet, dass etwas länger wirkt als nur einen kurzen Moment. Nachhaltig war dieses Sparpaket bei Weitem nicht, weil Sie das gemacht haben, was wir niemals mitgemacht hätten. Sie haben in einem Bereich der Sozialpolitik Gelder gestrichen, mit denen präventive Ansätze gefördert worden sind.
Für die FDP sage ich ganz klar, dass wir eine Sozialpolitik wollen, die vorne ansetzt, die Prävention fördert, sodass
nicht letztlich sehr viel mehr Geld in die Hand genommen werden muss, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Frau Kollegin Oppermann, es bleibt dabei, dass es falsch ist, Gelder für Erziehungsberatungsstellen zu streichen, weil die Kosten nachher deutlich höher sind, wenn die Kinder erst einmal in staatlichen Transfersystemen und Programmen sind. Wir müssen die Eltern vorne stärken, aber nicht hinten bezahlen.
Wir haben als FDP in unserem Wahlprogramm vorgeschlagen, dass jedes Elternpaar, das in Hessen ein Kind zur Welt bringt, einen Gutschein für eine Erziehungskompetenzberatung erhält, bei der diese Grundlagen geschaffen werden sollen. Dies soll natürlich in Zusammenarbeit mit den sozialen Trägern geschehen. Frau Kollegin Fuhrmann, diese haben das übrigens sehr wohlwollend aufgenommen – dies gilt auch für die Caritas,die Sie so gern bemühen –, sich sehr darüber gefreut und empfinden das als richtig. Wir müssen frühzeitig die Kompetenzen von Eltern stärken, damit sie nicht ihr Kind in eine Maßnahme geben müssen, wenn Probleme auftreten. Darum geht es.
Zur Schuldnerberatung. Bei der Schuldnerberatung geht es darum, Insolvenzen zu verhindern, Menschen sozusagen davor zu bewahren, dass sie in eine Schuldenfalle tappen, in der sie meistens schon stecken, aber um zumindest den schlimmsten Fall zu verhindern.
Frau Kollegin Oppermann,auch in diesem Bereich hat die Landesregierung die Mittel gestrichen.Als Kommunalpolitiker füge ich hinzu, dass die Kommunen das auffangen mussten. Wenn Sie demnächst von Nachhaltigkeit sprechen, sollten Sie daher Ihre Maßnahmen sehr genau überprüfen; denn das war nicht nachhaltig. Was haben wir davon, wenn mehr Leute die Schuldnerberatung wahrnehmen wollen, dies aber nicht können und aus diesem Grund sofort Insolvenz anmelden? Das ist sicherlich der falsche Weg. Hierbei wird mir der Kollege Milde sicher recht geben.
Um das ein Stück weit zu kompensieren haben Sie gesagt, dass Sie die Kompetenzen von Rechtsanwälten heranziehen wollen, die in diesem Bereich beraten. Ich glaube, dass es gute Gründe dafür gibt, dass sich Rechtsanwälte im Bereich der Schuldnerberatung eher defensiv verhalten und diesen Bereich anderen Fachleuten überlassen, wie z. B. den Fachverbänden, der Caritas usw., die in diesem Bereich eine hervorragende Arbeit geleistet haben. Sie leisten diese Arbeit derzeit unter sehr erschwerten Bedingungen. In den kommenden Monaten werden wir darüber reden, wie wir diesen Bedarf anders organisiert befriedigen und damit letztlich eine andere Situation schaffen.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit möchte ich nur noch zwei wichtige Themenkomplexe ansprechen, zum einen das Thema „Politik für Kinder in diesem Land“ und zum anderen das Thema „Politik für die Gesundheit“.
Wenn es um Kinder geht, ist die Landesregierung mit Lob für sich selbst sehr gut dabei. Die PR-Abteilung ist immer dabei, wenn es um eine gute Wortwahl für irgendwelche Aktionen geht. Das ist nichts Neues. Es ist griffig, und die Leute haben es im Kopf, aber nicht immer im positiven Sinne. Das ist das Problem daran. Wenn man über diese ganzen Kampagnen spricht, muss man Folgendes festhal
ten: Sie haben lange Zeit große Probleme gehabt, Ihre eigene Unions-Problematik zu lösen, nämlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu vermitteln.Wir wussten und haben mit ansehen können, wie schwierig die Diskussion in den Parteitagsdebatten der Union zu diesem Thema war. Sie sind halt durch eine klare ideologische Richtung geprägt, sodass es bei vielen Ihrer Parteipolitiker ein Problem ist, dass Frauen mittlerweile auch einen Beruf haben und somit am Erwerbsleben teilhaben und Kinder nicht – –
Frau Ministerin, bei Ihnen bin ich davon ausgegangen, dass das Bild für Sie schon gilt. Ich hatte bei Diskussionen mit Ihren Parteikollegen gelegentlich aber das Gefühl, dass das bei ihnen noch nicht so ganz durchgedrungen ist.
Die hessische Bevölkerung hatte lange unter dieser CDUinternen Diskussion leiden müssen, da Sie sich zu diesem Weg bekannt haben. Gott sei Dank sind Sie mittlerweile einen ganzen Schritt weiter. Fakt ist jedoch, dass wir bei dieser Debatte Jahre verloren haben, bis Sie sich endlich für diesen Weg entschieden haben. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist mittlerweile ein Thema, das von allen vier Fraktionen dieses Hauses mitgetragen wird. Deshalb ist es richtig,dass Sie in Kinderbetreuung investieren, Frau Kollegin Oppermann.
Aber auch in diesem Bereich gilt: Lob immer nur dann, wenn es angebracht ist.Das Geld der Kommunen aus dem KFA zu nehmen und in ein Programm zu stecken, das man BAMBINI nennt, und dann darauf zu verweisen, was man alles Tolles gemacht habe, ist ein Lob, was vielleicht etwas kleiner ausgefallen wäre, wenn Sie es realistisch betrachtet hätten. Es ist also nachvollziehbar und sinnvoll, wenn man das Lob etwas zurückschraubt. Man sollte aber nicht gleich abheben. Es ist ein richtiger Schritt, aber das Lob sollte etwas kleiner ausfallen.
Zu den Themen der Gesundheit von Kindern und der Gewalt gegen Kinder hat dieser Landtag schon viele Debatten geführt.
Zum Abschluss möchte ich noch Folgendes sagen: Frau Ministerin, ich glaube, dass es sinnvoll gewesen wäre, wenn wir diese Diskussion mehr in der Breite geführt hätten. Breite bedeutet für mich, dass gelegentlich auch ein Vorschlag der Opposition aufgegriffen wird. Es macht einfach keinen guten Eindruck, wenn man die Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung als einen richtigen Schritt bezeichnet, das aber nicht mittragen kann, weil der Antrag nicht von der CDU kam. Das sind kleine Botschaften, bei denen ich denke, dass Sie die Leistungsfähigkeit dieses Parlaments verschenken. Es ist einfach schade, wenn wir für den Papierkorb arbeiten, weil Sie nicht über Ihren Schatten springen können. Ab dem 27. Januar werden wir Ihnen aber beim Springen über Ihren eigenen Schatten helfen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Oppositionsfraktionen, es ist schon ganz interessant, wie hier verteilt wird und was Sie unter Sozialpolitik – –
Entschuldigung, Frau Kollegin Wagner. Ich nenne ausdrücklich SPD und GRÜNE. Da würde ich schon einen großen Unterschied machen, da gebe ich Ihnen völlig recht.
Denn wir verstehen Sozialpolitik und Gesellschaftspolitik tatsächlich anders, als Sie sie gestalten wollen. Frau Fuhrmann, Sie haben hier ein Füllhorn ausgestreut nach dem Motto:Wer allen ein bisschen etwas gibt,aber niemandem so richtig etwas gibt und keine Schwerpunkte setzt. – Dazu kann ich nur sagen: wer allen ein bisschen gibt, der macht auch nichts richtig, weil er keine Schwerpunkte setzt.
(Beifall bei der CDU – Petra Fuhrmann (SPD): Sie haben nicht zugehört! – Gernot Grumbach (SPD): Sie geben allen nichts! – Petra Fuhrmann (SPD): Sie nehmen allen weg!)
Was wir 1999 vorgefunden haben, kann man sehr gut als eine konturenlose Streuförderung bezeichnen, ohne dass Schwerpunkte gesetzt wurden, ohne dass es Kennzahlen für irgendetwas gab. Das haben wir ganz klar verändert. Wir haben in der Sozialpolitik Schwerpunkte gesetzt, die eine Brücke für die Zukunft bauen, auch von Jüngeren zu Älteren hin.
Wir haben Schwerpunkte in der Kinderbetreuung, im Kinderschutz, im Kindersprachscreening und in der Ausbildung gesetzt – alles Bereiche, die in den letzten Jahren kontinuierlich gestärkt und ausgebaut wurden –, aber in unserer sich verändernden Gesellschaft genauso den Schwerpunkt auf ältere Menschen gelegt, z. B. mit dem Programm „Erfahrung hat Zukunft“, aber auch bei der Frage: Wie investieren wir in die Altenpflegeausbildung? – Wir haben damals von dem unsäglichen Umlageverfahren auf eine Landesförderung umgestellt und mit dieser Landesförderung zielgerichtet erreicht, dass tatsächlich mehr Ausbildungsplätze in der Altenpflege bereitgestellt werden und nicht nur kontinuierlich Mittel erhöht wurden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und GRÜNEN,ich habe durchaus das Gefühl,dass sich bei Ihnen in den vergangenen Jahren nichts geändert hat. Sie haben nach wie vor keinen Plan, Sie setzen keine Schwerpunkte, Sie verteilen willkürlich ungedeckte Schecks. Für mich ist das Fazit ganz klar: Sie haben nichts dazugelernt.
Auf der anderen Seite sehen wir durchaus – das sind keine Umfragen, die die Landesregierung gemacht hat, sondern Umfragen von unabhängigen Instituten –, den Hessinnen und Hessen geht es im Großen und Ganzen sehr gut. Wir
haben in dieser Zeit die Abiturientenzahl gesteigert, die Hauptschulabbrecherquote gesenkt, und wir haben gerade auf den Bereich, den Sie angesprochen haben, Frau Kollegin Schulz-Asche, ganz klar einen Schwerpunkt gesetzt: das Thema Integration. Auch dort haben wir eine konturenlose Förderung und keine klaren Voraussetzungen vorgefunden,
auch keine Antwort auf die Frage: Was muss man für das Thema Integration tun? Deutschkurse vor der Schule, Deutschkurse im Kindergarten, Mütter- und Elternkurse, Förderung für die Jugendlichen, die erst später zu uns gekommen sind, bis hin zu der Frage einer Förderung mit dem Ziel, dass wir weniger Hauptschulabbrecher haben und Jugendliche überhaupt eine Chance haben – all das sind Schwerpunkte in der Sozialpolitik, aber vor allem Schwerpunkte, sodass Menschen Chancen wahrnehmen können, indem wir Rahmenbedingungen schaffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Sie nennen so gern die „Operation sichere Zukunft“.
Ja, wir haben damals Kürzungen vorgenommen. Man kann über Schwerpunkte dort streiten. Ich muss Ihnen aber eines deutlich machen, weil ich das Gefühl habe, dass Sie Haushaltspläne grundsätzlich nicht lesen, sondern Reden aufwärmen,hier wieder halten und nicht schauen,was auf der anderen Seite gemacht wird.
Bei der „Operation sichere Zukunft“ haben wir in einigen Bereichen gesagt, wir können nicht alles gleichmäßig in eine Dauerförderung hineinnehmen.Wir haben aber auch kommunalisiert, Verträge geschlossen und in diesen Bereichen eine kontinuierliche Steigerung von jährlich 2 % vereinbart, wo wir versuchen, mit den Beteiligten Kennzahlen zu vereinbaren und eine Sozialberichterstattung zu machen, um festzustellen, wie es vor Ort ankommt.
Aber wir haben auch weiter ausgebaut.Wenn Sie sich die freiwilligen Leistungen im Sozialetat anschauen, dann stellen Sie fest, diese sind nicht nur höher, als sie 1999 waren; sie sind auch höher, als sie 2003 waren, und sie sind rund 60 Millionen c höher als nach der „Operation sichere Zukunft“. Dort ist nicht die Kinderbetreuung eingerechnet,sondern die reinen freiwilligen Leistungen,von „Erfahrung hat Zukunft“ über Kindersprachscreening und Sprachförderung für Kinder bis hin zum Ausbau der Pflege, aber auch mehr Mittel im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit.
Ich habe manchmal das Gefühl, Sie haben in den letzten Jahren überhaupt nicht in den Haushaltsplan geschaut; denn dann wären Sie vielleicht wieder einmal in der Wirklichkeit angekommen. Rot und Grün machen sich gar nicht die Mühe, das zu lesen.
Wir halten diese Schwerpunktförderung vom Bereich Gesundheit bis zum Thema Bildung von Kindern und Jugendlichen für die wichtigsten Schwerpunkte für die Zukunft, und wir haben sie deswegen kontinuierlich ausgebaut. Natürlich gehört die Kinderbetreuung als eines der wichtigsten Themen mit dazu,sowohl das BAMBINI-Programm, das Entlasten und Fördern von Eltern als auch