Protocol of the Session on November 14, 2007

Wir sind mit Herrn Minister Banzer gut aufgestellt, was die Justizpolitik anbelangt.

(Nancy Faeser (SPD): Das sind Sie nicht!)

Darauf sind wir stolz. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Beuth. – Das Wort hat nun Herr Abg. Dr. Jürgens.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Justizminister hat mich in einer der vergangenen Debatten angemahnt, auch einmal etwas Positives über ihn zu sagen, wenn ihm etwas gelungen ist. Heute ist es in der Tat so weit. Das betrifft eigentlich nicht den Haushalt, aber ich bin heute Morgen auf dem Weg vom Hotel am Ministerium in der Luisenstraße vorbeigekommen. Ich muss sagen,Herr Minister:Die Fassadenrenovierung Ihres Ministeriums ist außerordentlich gut gelungen. Respekt, das macht etwas her.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Bedauerlicherweise ist das aber auch gleichzeitig ein Symbol für die Rechtspolitik in Hessen. Wir hatten im Laufe der Wahlperiode mit dem Wechsel von Dr.Wagner zu Jürgen Banzer auch so etwas Ähnliches wie eine Fassadenrenovierung. Man könnte sagen: weg von spröder Gotik hin zu mehr barocken Formen. Jedenfalls ist das Problem, dass es eben auch nur eine Renovierung in der Außendarstellung war. Eine Entrümpelung im Inneren war damit nicht verbunden. Hier gibt es für die kommende neue Landesregierung erheblichen Handlungsbedarf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen die Rechtspolitik des Landes Hessen auch inhaltlich renovieren. Dafür gibt es allen Anlass.

Ich beginne mit dem Jugendstrafvollzug.Da setzen Sie die ideologischen Blockaden Ihres Vorgängers fort: kein offener Vollzug, keine eigene Kleidung, sondern Anstaltskleidung, keine Pakete mit Nahrungs- und Genussmitteln, keine Spielkonsolen und Computer,keine wirklichen Mitwirkungsmöglichkeiten, stattdessen ausschließlich geschlossener Vollzug, UN-rechtswidrige Isolationshaft in Form des Arrests, Schusswaffeneinsatz im Jugendvollzug. Das ist Jugendstrafvollzug von gestern, in ideologischen Blockaden verfangen.

Zweites Beispiel. Der europäische Gleichbehandlungsgrundsatz wird von Ihnen permanent ignoriert. Eine Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe lehnen Sie nach wie vor ab. Das ist Gesellschaftspolitik sogar von vorgestern.

(Petra Fuhrmann (SPD): Ja!)

Sie wollen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben mit der Ewigkeitsgarantie versehen. Wir wollen sie abschaffen. Das werden wir ab dem 27. Januar auch tun.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vorschriften gegen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität – das gibt das europäische Recht zwingend vor – werden von Ihnen permanent verweigert. Sie wollen die Diskriminierung von Minderheiten nicht beenden. In dieser Beziehung hat die schwarze Seele in den letzten Jahren nichts dazugelernt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie verweigern den Betroffenen weiter jede Unterstützung im Kampf für ihre Gleichberechtigung. Auch das werden wir komplett ändern.

Sie legen uns heute einen Dringlichen Antrag zum Einsatz von Rechtspflegern in der Justiz vor. Herr Minister und Kollegen von der CDU, ich darf daran erinnern: Meine Fraktion hat bereits mit Datum vom 01.11.2005, also vor ziemlich genau zwei Jahren, einen Antrag vorgelegt, in dem der Einsatz der Rechtspfleger gewürdigt und deren Bedeutung für die Justiz hervorgehoben wurde.Wir haben schon damals gefordert, dass die Übertragung von Aufgaben der Rechtspfleger auf die Urkundsbeamten, also auf den mittleren Dienst, geprüft werden soll. Vor zwei Jahren hat die CDU-Fraktion das abgelehnt. Jetzt ist es plötzlich Gegenstand ihres eigenen Antrags. „Schönen guten Morgen“, kann ich da nur sagen. Herzlich willkommen in der Gegenwart.Was haben Sie denn in den letzten zwei Jahren gemacht? Haben Sie geschlafen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Peter Beuth (CDU): Unglaublich! – Clemens Reif (CDU): Sie erzählen etwas von Schlafen! Sie, der Sie einmal am Tag aufwachen!)

Sie wollen vor der Wahl noch punkten, wo Sie die letzten neun Jahre untätig waren.Aber Sie wissen es:Wer zu spät kommt, den bestraft der Wähler.

Im Übrigen ist dieser Antrag meiner Fraktion von 2005 zu den Rechtspflegern im Augenblick Gegenstand eines aktuellen Falles von Zensur am Amtsgericht Marburg. Der Personalrat hatte dort nämlich eine Kopie genau dieses Antrages an seinem Schwarzen Brett aufgehängt. Nach unserer Information wurden dieses Schriftstück und eine Presseerklärung der SPD-Fraktion aufgrund einer Inter

vention des Justizministeriums vom Direktor des Amtsgerichts abgehängt.

(Petra Fuhrmann (SPD):Was? Das ist ein unglaublicher Vorgang!)

Selbstverständlich ist der Personalrat nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, über Diskussionen im Hessischen Landtag zu informieren, die die Bediensteten unmittelbar betreffen. Diese Form der Zensur ist ziemlich einmalig, sogar bei dieser Landesregierung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Losgetreten wurde das Ganze übrigens durch eine Kleine Anfrage des Marburger Abgeordneten Dr. Wagner, der – ich zitiere – „Schriftstücke parteipolitischen Inhalts“ kritisiert hatte. – Sie können und wollen nicht einmal mehr unterscheiden zwischen Initiativen von Landtagsfraktionen und parteipolitischer Werbung. Herr Justizminister, Ihre Aufgabe wäre es gewesen, die haltlosen Anwürfe Ihres Vorgängers zurückzuweisen. Stattdessen macht sich das Ministerium zum Vollzugsorgan eines wild gewordenen Rechtsauslegers.Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Karlheinz Weimar: Was, was, was? Dum- mes Geschwätz! Was die GRÜNEN im Ministe- rium gemacht haben, war skandalös!)

Das Problem ist: Sie sehen das Land und seine Behörden als Beute der Union. Aber die hessische Justiz hat Besseres verdient als Oberzensoren an der Spitze des Ministeriums. Das werden wir ab dem 28. Januar auch umsetzen. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Jürgens. – Das Wort hat Frau Abg. Beer, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Justizminister,seitens der FDP-Fraktion kann ich Ihnen zunächst einmal bescheinigen, dass Sie das Justizressort seit Ihrer Amtsübernahme in sehr ruhigem Fahrwasser halten. Das liegt meiner Meinung nach an zwei wesentlichen Punkten, zum einen daran, dass Sie es sehr geschickt und geschmeidig verstehen, mit allen Bereichen im Justizressort umzugehen und dort zu agieren, zum anderen aber auch daran, dass Sie aufgrund der gemeinsamen Regierungspolitik in den Jahren 1999 bis 2003 in allen Bereichen eine sehr solide Grundlage vorgefunden haben.

Nichtsdestotrotz ist es unserer Meinung nach sinnvoll und auch notwendig, in der neuen Legislaturperiode wieder einen verstärkten Schwung auch in den Justizbereich hineinzubringen. Wir als FDP-Fraktion möchten das Justizressort, die Justiz und die Justizverwaltung noch viel stärker als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger ausgestalten. Gute Grundlage ist hier sicherlich der gemeinsam begonnene Modernisierungsprozess, den Sie weitergeführt haben, der auch im Haushalt für das Jahr 2008 einen großen Raum einnimmt, was die finanzielle Ausgestaltung betrifft. Es ist wichtig, die Arbeitsabläufe fortlaufend weiter elektronisch auszugestalten. Wir sind auch

froh, dass wir uns mit unserer Forderung durchsetzen konnten, eine elektronische Schuldnerkartei einzurichten. Das alleine reicht uns aber nicht. Wir sind der Meinung, dass hier noch fortgefahren werden muss im Hinblick auf ein voll elektronisches Grundbuch oder ein elektronisches Baulastenverzeichnis.

(Beifall bei der FDP)

Diese Projekte werden es ermöglichen, effektive Justizverwaltung vorzunehmen, die Prozesslaufzeiten zu verkürzen und letztendlich den Bürgern auch im Justizbereich eine bessere Dienstleistung anzubieten.

Des Weiteren möchten wir gerne auch die Qualität der Justiz weiter steigern. Das fängt bei der Ausbildung an. Wir sind der Meinung, dass es Zeit ist, über eine Reform der Ausbildung in der Justiz nachzudenken, Stichwort: Drei-Sparten-Aufspaltung, aber auch im Hinblick auf die an den verschiedenen Ausbildungsstationen stattfindende Referendarausbildung.Hierzu habe ich in den letzten Debatten detaillierte Ausführungen gemacht.

Die Rechtspfleger verdienen sicher unser besonderes Augenmerk, haben sie doch in den vergangenen Jahren eine große Last auch im Zusammenhang mit der neuen Verwaltungssteuerung zu tragen gehabt. Die Vorschläge, die seitens der Rechtspfleger im Hinblick auf weitere Kompetenzverlagerungen aus dem richterlichen Bereich auf die Rechtspfleger, aber auch von den Rechtspflegern auf den mittleren Dienst gemacht werden – ich füge hinzu: auch auf den privaten Bereich –, sind sicherlich welche, die in der nächsten Legislaturperiode angegangen werden müssen.

(Beifall bei der FDP)

Zu einer weiteren Verbesserung im Justizbereich kämen wir unserer Meinung nach, wenn wir die Privatisierung des Gerichtsvollzieherwesens endlich angehen würden. Dies würde nicht nur eine attraktive Ausgestaltung des Berufsbildes und damit eine Lösung unseres Nachwuchsproblems mit sich bringen, sondern auch die Wartezeiten der Gläubiger erheblich verkürzen. Zudem hätte eine solche Privatisierung den doch nicht von der Hand zu weisenden Charme, dass wir eine Entlastung des Landeshaushalts im Umfang von ca.20 Millionen c herbeiführen könnten – Geld, das wir an anderen Stellen, auch im Justizbereich, sehr sinnvoll investieren können.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ich möchte noch einen weiteren Punkt anbringen, durch den wir die Schlagkraft des Justizressorts verstärken könnten, Frau Kollegin Faeser. Die FDP-Fraktion wird auch in der nächsten Legislaturperiode die Forderung aufrechterhalten, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität einzurichten. Ich glaube, es kann nicht nur darum gehen, die – in Anführungszeichen – kleinen Diebe zu verfolgen, sondern wir müssen auch bei der sogenannten Weiße-Kragen-Kriminalität ein effektives Schwert in der Hand der Justiz haben.Herr Minister,hierfür sind die Staatsanwaltschaften nicht ausreichend ausgestattet.

(Nancy Faeser (SPD):Vor allen Dingen personell!)

Auch Ihre Einsatzreserve kann hier kein Ersatz für eine fundiert ausgebildete besondere Organisation sein,vor allem mit einer entsprechenden Anzahl an Staatsanwältinnen und Staatsanwälten.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen das schon von der Ausbildung im staatsanwaltschaftlichen Dienst bis hin zu der Verfolgung entsprechender Prozesse. Ich glaube, wir kämen nicht nur dazu, dass wir auch öffentlichkeitswirksam derartige, zugegebenermaßen sehr komplizierte Verfahren zu einem schnelleren Abschluss bringen würden, sondern wir würden auch hier wiederum ein finanziell positives Geschäft für den Landeshaushalt machen, indem wir nämlich bei der Vermögensabschöpfung, aber auch bei den Geldauflagen und Geldbußen wesentlich mehr für den Justizhaushalt herausholen könnten.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich nun zum Strafvollzug kommen. Hier sind wir als FDP-Fraktion der ganz eindeutigen Meinung, dass die Resozialisierung dem Schutz der Bevölkerung dient. Daher muss Resozialisierung auf der einen Seite – die Ermöglichung eines straffreien Lebens nach der Inhaftierung – ebenso wie auf der anderen Seite die Sicherheit der Bevölkerung, der Schutz der Bevölkerung sowohl im objektiven als auch im subjektiven Sinne, unser Anliegen sein.Hier werden wir ein sehr genaues Augenmerk darauf haben,wie die Umsetzung des neuen Jugendstrafvollzugsgesetzes, das wir in dieser Legislaturperiode noch endgültig beschließen werden, aussieht, gerade auch was den Behandlungsvollzug betrifft, Herr Minister.

Wir hatten sicherlich verschiedene Vorstellungen zu der Vorlage der CDU. Allerdings muss ich schon sagen, Frau Kollegin Faeser, dass sich die Gesetzesform, die nun beschlossen wird, mit unseren Vorstellungen weit mehr deckt, gerade im Hinblick auf die Stringenz des Behandlungsvollzugs, als das mit Ihrem Vorschlag und bei Ihren Ausführungen hier der Fall gewesen wäre.

(Beifall bei der FDP)

Wir glauben allerdings, dass es diesen Bereich um eine evaluierende Begleitforschung zu ergänzen gilt. Denn bei allem guten Willen, den auch die CDU an dieser Stelle zeigt, müssen wir sehr genau überprüfen, ob die einzelnen angebotenen Hilfen wirklich effektiv sind, ob sie einen entsprechenden Erfolg zeitigen, um eventuell nachsteuern zu können.