Antrag der Fraktion der SPD betreffend Dokumentenmanagementsystem auf den Prüfstand stellen – Drucks. 16/7739 –
Der erste Redner ist Herr Walter für die Fraktion der SPD. Herr Walter, Sie haben nun das Wort. Sie haben eine Redezeit von zehn Minuten.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Wagner, wir reden über die innere Sicherheit, doch kann ich mir eine Bemerkung nicht verkneifen. Ich wusste nicht, dass der Vertreter der Linken, der als Mauerschützenkommunist bereits etwas Öffentlichkeit erregt hat, nun bei Ihnen im Wahlkreis kandidiert. Doch wenn Sie beide aufeinandertreffen – einerseits ein Altkommunist und andererseits ein extremer, fast extremistischer Dampfplauderer, wie Sie es sind –, dann wäre dies kulturhistorisch sicherlich etwas, was es in dieser Republik nur noch selten gibt. Es könnte wahrscheinlich relativ interessant sein, Ihnen beiden zuzuhören.
Herr Wagner, wir befinden uns aber im Parlament des Landes Hessen. Deshalb sollten wir, wenn wir über den Haushalt im Hessischen Landtag debattieren, diesen Unfug sein lassen,über den Sie die ganze Zeit geredet haben.
Herr Ministerpräsident Koch hat in seiner Rede gesagt, dass die SPD-Fraktion in Hessen nicht wolle, dass wir das sicherste Bundesland Deutschlands würden, und dass die SPD-Fraktion so ziemlich alles bekämpft habe, was dazu beigetragen hätte, in diesem Lande mehr Sicherheit zu organisieren. Das ist nicht nur Unfug, sondern es ist auch verantwortungslos.
Wir alle wissen, dass wir seit dem 11. September 2001 in diesem Lande eine neue Sicherheitslage haben, wahrscheinlich in ganz Europa, wenn nicht sogar weltweit.Wir alle wissen, dass es keine konservative Regierung war, sondern eine rot-grüne, sowie ein sozialdemokratischer Innenminister, Otto Schily, die mit den sogenannten Sicherheitspaketen I und II auf diese neuen Herausforderungen reagiert haben.Wir alle wissen, dass sie die eigentlichen Urheber dieser neuen Sicherheitslage in unserem Lande gewesen sind. Daher brauchen wir uns von den Konservativen nichts vorwerfen zu lassen, da es die Konservativen waren, die damals in Berlin das bekämpft haben, was die rot-grüne Bundesregierung beschlossen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir allerdings nicht tun, ist das, was Herr Schäuble in Berlin als Politik der inneren Sicherheit ansieht, nämlich mit der Androhung eines Einsatzes von atomaren Waffen bzw. verschmutzten Bomben den Menschen Angst zu machen. Herr Schäuble jagt den Menschen vor terroristischen Anschlägen Angst ein,um für die CDU-Fraktion Stimmen zu gewinnen. Das gewährt keine innere Sicherheit, sondern das ist verantwortungslos.
Wir können den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes nicht mehr die absolute Sicherheit garantieren.Wenn die Politiker ehrlich sind, dann geben sie zu, dass die öffentliche Hand heute allenfalls noch eine Reduzierung von Gefahren versprechen kann. Hierbei kommt es aber darauf an, wer diesen Bereich am besten regelt.
Herr Kollege, ich würde mir vom Bundesinnenminister wünschen,dass er seine Landesinnenminister gelegentlich daran erinnern würde, dass der beste Schutz gegen Kriminalität sowie gegen Terror ausgebildete Polizeikräfte sind.
Herr Minister Bouffier, als Sie dieses Amt im Jahre 1999 übernommen haben, wies der Haushalt bei der Vollzugspolizei noch 14.564,5 Stellen aus. Der Haushalt für das Jahr 2008 weist gerade noch 13.378 Stellen aus.Wenn man hieraus die Differenz zieht, dann stellt man fest, dass Sie in den achteinhalb Jahren Ihrer Amtszeit bei der Polizei insgesamt 1.186,5 weniger Stellen zu verantworten haben.
Wer bei der Vollzugspolizei insgesamt 1.186,5 Stellen abschafft, der sollte lieber schweigen, wenn es um die innere Sicherheit dieses Landes geht.
Herr Kollege Wagner hat den freiwilligen Polizeidienst angesprochen.Warum sind wir gegen den freiwilligen Polizeidienst? Hierbei stellt sich die Frage, für was der freiwillige Polizeidienst steht. Meines Erachtens erfüllt der freiwillige Polizeidienst für die Landesregierung hauptsächlich den Zweck, eben diese eine Zahl zu verschleiern. Denn dort, wo ausgebildete Polizisten nicht mehr auf der Straße sind, setzt diese Landesregierung den freiwilligen Polizeidienst ein.
Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass es seinen Grund hat, dass ein Vollzugspolizist eine dreijährige Ausbildung braucht.Wir wollen, dass auf der Straße Profis für die Sicherheit sorgen, keine freiwilligen Polizeidienstleister.
Es stellt sich aber das Problem,dass wir diese Stellen nicht sofort wieder besetzen können, weil ein Polizist drei Jahre lang ausgebildet werden muss.Dennoch setzen wir bei der Ausbildung von Polizeibeamten an. Offensichtlich hat auch Herr Innenminister Bouffier erkannt, dass dies das eigentliche Problem ist, und daher hat er für das kommende Haushaltsjahr 150 Ausbildungsstellen mehr vorgesehen. Hier soll etwas getan werden, aber nur in diesem einen Wahlkampfjahr.Wir sagen hierzu: Das reicht nicht.
Wir haben in unseren Haushaltsanträgen vorgelegt, bei der Polizei in der nächsten Legislaturperiode alle fünf Jahre jeweils 200 Ausbildungsstellen zu schaffen. Das würde immer noch nicht alle 1.186,5 Stellen umfassen, die Sie abgebaut haben, aber immerhin wären es rund 1.100 neue Stellen.Wir haben daran, dass Sie diesen Antrag abgelehnt haben, gesehen, wie ernst es Ihnen mit der inneren Sicherheit ist, meine Damen und Herren von der CDU.
Nun zum nächsten Punkt. Wie gehen Sie mit den Polizistinnen und Polizisten in Hessen um? Diese üben unumstritten einen der gefährlichsten Jobs unseres Landes aus. Dennoch gab es eine Arbeitszeiterhöhung von 38,5 auf 42 Stunden die Woche. Als Dank für diesen aufopferungsvollen Dienst an der Gesellschaft – so nennen Sie ihn in Sonntagsreden immer wieder – gab es auch noch drastische Kürzungen sowohl beim Urlaubs- als auch beim Weihnachtsgeld, sodass Sie den Polizistinnen und Polizisten rund 17 % ihres Lohnes weggenommen haben.
Wir glauben,dass dies der falsche Weg ist.Denn es kommt nicht nur auf die Anzahl der Polizisten an, sondern auch darauf, dass wir auf der Straße motivierte Polizeibeamte haben.
Deshalb gibt es von unserer Seite die klare Aussage: Herr Innenminister, eine SPD-geführte Landesregierung wird die Arbeitszeit der Polizeibeamten sowie der anderen Beamten auf 40 Stunden die Woche reduzieren. Das ist eine klare Aussage dieses Wahlkampfs.
Herr Innenminister, wir werden die Polizeibeamten auch dadurch entlasten, dass wir wieder mehr Personal einstellen werden; denn ein weiteres Problem Ihrer Politik ist, dass die Lage insbesondere an den Wochenenden schwierig ist und dass mittlerweile so viel Personal eingesetzt werden muss, dass man, wenn man den einen oder anderen Polizeibeamten trifft, gesagt bekommt, er habe während der vergangenen acht Wochen kein einziges freies Wochenende gehabt.Wir werden diese besonderen Belastungen auf mehr Personal verteilen, sodass wir auf den Straßen wieder mehr motivierte Polizeibeamte vorfinden werden.
Herr Minister, wenn Sie dem allen nun widersprechen, weil dies Ihr Job ist, dann stelle ich fest: Damit werden Sie zumindest an einer Stelle nicht durchkommen, nämlich bei denen, um die es geht. Ich habe noch nicht einen Polizeibeamten getroffen, der Ihre Politik in irgendeiner Weise gutgeheißen hätte. Sie sagen, Sie bekämpften die Kriminalität. Mein Eindruck ist aber, dass Ihr Kampf vorrangig den Polizeibeamten dieses Landes gilt.
Nun zum nächsten Punkt: zum Tarifvertrag. Sie sind im Jahre 2004 aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgestiegen. Sie legen die Tarifbedingungen mittlerweile per Gesetz fest. Die klare Aussage der Sozialdemokraten lautet: Wir sind für einen Tarifvertrag, nicht für ein Tarifdiktat.Wir werden wieder in die Tarifgemeinschaft der deutschen Länder eintreten; und wir werden mit den Beschäftigten erneut, wie das bei einem modernen Personalmanagement üblich ist, Tarifverträge aushandeln, statt von Wiesbaden aus per Gesetz zu beschließen, welche Ansprüche die Bediensteten in diesem Lande haben.
Nun zur Ausstattung der Polizei. Herr Innenminister, diese hat sich in manchen Bereichen der Polizei tatsächlich verbessert. Ich möchte nun die EDV-Ausstattung aufgreifen, denn in diesem Zusammenhang haben wir schon häufig die Ausstattung mit SAP-Programmen diskutiert. Hinzu kommt nun das Dokumentenmanagementsystem DOMEA, welches Sie zu verantworten haben. In diesem Zusammenhang werden Sie nach der nächsten Landtagswahl verkünden, dass Sie aussteigen werden. Bis dahin werden Sie für dieses Programm 12 Millionen c verschwendet haben. Mittlerweile ist klar, dass sich sogar der Hersteller von diesem Programm verabschiedet hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sollten, um nicht noch mehr Geld zu verschwenden, unserem Antrag zustimmen, mit dem wir beabsichtigen, bis zur nächsten Landtagswahl keine weiteren Gelder in dieses völlig fehlgeleitete Programm zu investieren.
Zu den rechtlichen Instrumenten. Der Ministerpräsident hat die Onlinedurchsuchung angesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle gibt es keinen Unterschied zwischen dem, was Ihre Landesregierung sagt, und unserer Position. Deshalb sind wir ein bisschen erstaunt über die Ausführungen des Ministerpräsidenten.Auch wir sind der Auffassung, dass eine rechtliche Grundlage für Onlinedurchsuchungen geschaffen werden muss, dass mit einem Richtervorbehalt und bei Katalog
Ich nehme Ihnen gleich den zweiten Punkt mit ab. Es ist ebenfalls über Terrorcamps diskutiert worden. Es ist eine sozialdemokratische Justizministerin, die gerade in Berlin einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der eine Regelung zur Strafbarkeit der Beteiligung an Terrorcamps enthält. Ich sage Ihnen ganz offen, dass dieser Gesetzentwurf nicht meine komplette Zustimmung findet. Denn, wie Sie wissen, knüpft dieser Gesetzentwurf zum einen an der Beteiligung an einem solchen Terrorcamp an und fügt als zweite Voraussetzung hinzu, dass die Beteiligung und Ausbildung erfolgen müssen,um eine Straftat zu begehen. Ich halte dies nicht für praktikabel. Wir kennen im deutschen Strafrecht abstrakte Gefährdungsdelikte. Ich persönlich bin der Auffassung, dass allein die Tatsache, dass sich jemand in einem solchen Terrorcamp ausbilden lässt, zu einer Strafbarkeit führen muss. Denn wenn wir einen solchen Gefährder einmal im Land haben, müsste sich die hessische Polizei quasi rund um die Uhr um diesen in einem Terrorcamp Ausgebildeten kümmern. Ich glaube, dass es auch präventiv richtig ist, hier ein Signal zu setzen. Wir sind nicht der Auffassung, dass ein solcher Aufenthalt in einem Terrorcamp ein Erholungsurlaub ist. Wer sich in einem solchen Terrorcamp ausbilden lässt, muss wissen, dass er sich dadurch in Deutschland strafbar macht.
Ich muss zum Schluss kommen. – Sozialdemokratische Innenpolitik ist verantwortliche Innenpolitik. Wir versuchen nicht, aus den Ängsten der Bevölkerung Kapital zu schlagen. Sozialdemokratische Innenpolitik hält die Balance zwischen den Freiheitsrechten der Bevölkerung und dem Schutz der Bevölkerung vor Kriminalität. Herr Innenminister, sozialdemokratische Innenpolitik ist eine Politik, die mit den Beschäftigten dieses Landes gemeinsam arbeitet und nicht gegen die Beschäftigten in diesem Land.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Vortrag des Kollegen Walter und insbesondere nach dem Punkt über die Terrorcamps empfinde ich es als eine sportliche Aufgabe, noch einmal zum Einzelplan 03 zu sprechen und zu versuchen, Sie von dem Konzept der inneren Sicherheit im Lande Hessen zu überzeugen. Offensichtlich sind wir bei der Frage Terrorcamps mit unseren Argumenten durchgeschlagen.Herr Justizminister, ich darf Ihnen gratulieren. Nicht nur die Sozialdemokraten im Hessischen Landtag, sondern offensichtlich
auch die Bundesjustizministerin, Frau Zypries, sind überzeugt worden. Das ist zunächst einmal ein Erfolg. Das ist auch gut so.
Meine Damen und Herren, die Spitzenkandidatin der SPD hat sich vorhin keine fünf Sätze Zeit genommen, um sich mit dem Innenressort und der inneren Sicherheit dieses Landes zu beschäftigen. Das ist ungefähr so viel, wie das Regierungsprogramm der SPD zum Thema innere Sicherheit beinhaltet. Das ist übrigens mehr als das, was die GRÜNEN aufgeschrieben haben. Herr Kollege Frömmrich wird auf kein Programm zurückgreifen können, auf dessen Basis er hier seinen Haushaltsvortrag für das Jahr 2008 halten kann. Herr Kollege Hahn hat eben angedeutet, dass er beim Einzelplan 03 seine Redezeit nehmen wird.