Ich meine,es ist wohlfeil,sich am Energiekonzept der hessischen SPD abzuarbeiten. Herr Ministerpräsident, ich stelle Ihnen folgende Frage: Wo wollen Sie eigentlich in Zukunft hin? – Sie haben gesagt, auf die Atomkraftwerke könne nicht verzichtet werden.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist die Position der Hessischen Landesregierung bisher die, dass Sie die Anträge der RWE um Verlängerung der Laufzeit um drei Jahre unterstützen. Herr Ministerpräsident, ich frage Sie: Was machen Sie eigentlich nach diesen drei Jahren?
(Andrea Ypsilanti (SPD): Ein neues Kraftwerk bauen! – Norbert Schmitt (SPD): Er will bauen, aber er hat keinen Standort! Ich finde, Eschborn wäre nicht schlecht!)
Ist es dann so weit, dass das eintreten soll, was Sie schon einmal gesagt haben,nämlich dass es darum geht,den Bau neuer Atomkraftwerke in Hessen in die Realität umzusetzen? Dann sagen Sie diesen Menschen, wo dieses neue Atomkraftwerk gebaut werden soll.
Diese Debatte werden wir dann führen. Ich bin mir zu 100 % sicher, dass es dann nicht nur einfache Mehrheiten, sondern Zweidrittelmehrheiten für unsere Position geben wird.
Herr Ministerpräsident, ich frage Sie: Wohin will die hessische CDU eigentlich? – Sie haben recht: Die SPD hat auf kommunaler Ebene noch mit Blockaden zu kämpfen. Aber die Landes-SPD will wenigstens in die richtige Richtung.
Die hessischen GRÜNEN wollen in die richtige Richtung gehen,und sie wissen auch,wo es hingeht.Aber wo wollen Sie eigentlich hin, Herr Wintermeyer?
Sie sagen, Sie wollten nach vorne gehen, aber Sie bewegen sich wie ein Kreisel. Sagen Sie mir:Wo ist „vorne“?
An einem anderen Punkt kann man die Problematik ebenfalls sehen,nämlich beim Thema Verkehrswende.Wir wollen eine Verkehrswende in Hessen. Herr Ministerpräsident, Sie standen im Jahre 2003 vor dem Parlament und haben gesagt: Vision „Staufreies Hessen 2015“. – Haben Sie in den letzten fünf Jahren etwas erreicht? Natürlich ist die Telematik aufgebaut worden. Aber haben Sie damit irgendetwas erreicht? Fragen Sie einmal die Leute auf der Straße, ob sie das Gefühl haben, dass die Verkehrssituation auf den Autobahnen in den letzten fünf Jahren besser geworden ist.
Nein, das Grundproblem ist, dass Sie nicht verstanden haben, dass man nicht nur an den Symptomen arbeiten darf, sondern auch an die Ursachen herangehen muss. Es liegt auf der Hand, dass das, was Sie höchstpersönlich zu verantworten haben, nämlich die Einschränkung des öffentlichen Personennahverkehrs, ein Weg in die völlig falsche Richtung ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)
Auch an dieser Stelle ist die Gesellschaft schon weiter als die hessische CDU. Wir haben gestern über ein Tempolimit diskutiert. Sie haben, ohne irgendein Argument in der
Sache zu nennen, die Meinung des ADAC hier nachgebetet.Herr Ministerpräsident,wir haben aber repräsentative Umfragen zu der Frage, wie unsere Gesellschaft zu einem Tempolimit steht. In fast allen repräsentativen Umfragen gab es eine Mehrheit für ein Tempolimit. Ich kann mich gut daran erinnern, dass Sie bei der Unterrichtsgarantie plus, die Sie im Übrigen in Ihrer heutigen Rede als Begriff gar nicht mehr erwähnt haben,und zwar aus gutem Grund – –
Nein, Sie haben von „verlässliche Schule U+“ gesprochen, weil Sie das Wort „Garantie“ aus guten Gründen heruntergeschluckt haben. Sie wissen nämlich, wie das draußen ankommt.
Sie haben an diesem Punkt immer auf eine Umfrage der „Hessenschau“ Bezug genommen. Gestern Abend hat die „Hessenschau“ eine Telefonaktion zum Thema Tempolimit gemacht. Das Ergebnis: 61 % waren für ein Tempolimit, 39 % dagegen. Ein solches Wahlergebnis würde ich mir am 27. Januar 2008 wünschen.Auch an dem Punkt ist die Gesellschaft schon wesentlich weiter als die hessische CDU.
Wenn Sie schon mit der Verkehrsinfrastruktur daherkommen, Herr Ministerpräsident, und sagen, die GRÜNEN seien schuld daran – dann folgt ein Slogan wie „Schafherden gegen Autobahnen“ oder irgendein anderer Kappes aus den Siebzigerjahren –, dann sage ich Ihnen: Wie viele Autobahnkilometer haben Sie in den neun Jahren Ihrer Regierungszeit hinbekommen? 4 km bei der A 44 – das ist eine „So-da-Autobahn“, weil sie einfach so da ist, vorne und hinten keinen Anschluss hat – und 8 km bei der A66, über deren Ausbau wir uns freuen, gegen den wir nie etwas hatten. Das macht 12 km Autobahn in neun Jahren Regierungszeit. Sie haben also in jedem Jahr Ihrer Regierungszeit weniger als 1,5 Autobahnkilometer hinbekommen. Ich als GRÜNER sage jetzt nicht, Sie müssten schneller Autobahnen bauen.Aber sich hierhin zu stellen, nachdem man neun Jahre lang für diesen Bereich Verantwortung trug, und zu sagen, die Opposition sei daran schuld, dass man selbst nichts hinbekomme, das ist ganz schön dreist.
Herr Ministerpräsident, die hessischen GRÜNEN wollen das Wachstum des Flugverkehrs begrenzen – ganz ausdrücklich. Das hat einen Grund. Der Frankfurter Flughafen liegt nämlich in der Mitte des dicht besiedelten RheinMain-Gebietes. Er ist inzwischen an die Grenzen seines Wachstums gestoßen.Dass das so ist,merkt man an Ihrem Rumgeeiere in Sachen Nachtflugverbot.
Wir haben ein klares Konzept. Wir wollen weniger innerdeutsche Flüge, wir wollen mehr Schienenschnellverbindungen, wir wollen mehr Zusammenarbeit mit dem Flughafen Hahn, wir wollen mehr Zusammenarbeit mit dem Flughafen Köln/Bonn, wir wollen ein Nachtflugverbot. Herr Ministerpräsident, Sie haben es versprochen. Ich finde es sehr spannend, dass Sie in Ihrer 85-minütigen Rede kein einziges Mal die Frage erwähnt haben, ob Ihr gebetsmühlenhaft wiederholtes Versprechen, dass das
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)
Herr Ministerpräsident, wir haben Anfang dieser Woche erfahren, dass das hessische Verkehrsministerium, die Genehmigungsbehörde im Planfeststellungsverfahren, ein Gutachten eingeholt hat, das von einem Bedarf an 88 Flügen – 71 geplanten und 17 verspäteten oder verfrühten Flügen – in der Kernzeit der Nacht ausgeht. 88 Nachtflüge in der Mediationsnacht – wissen Sie, was das rechnerisch bedeutet? Das bedeutet: alle vier Minuten ein Flugzeug. Wenn Sie das unter „Nachtflugverbot“ verstehen, Herr Ministerpräsident, dann stelle ich Ihnen die Frage, ob Sie das vielleicht falsch verstanden haben, ob Sie vielleicht statt einem Nachtflugverbot ein Nachtschlafverbot erteilen wollen.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Ministerpräsidenten Ro- land Koch – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Sie wollen die Krawallnacht beibehalten!)
Diese Frage stellt sich an Herrn Hahn, diese Frage stellt sich an Roland Koch, diese Frage stellt sich auch an Andrea Ypsilanti: Wenn die Ausbaubefürworter gesagt haben, als Ausgleich für über 200.000 zusätzliche Flugbewegungen am Tag gibt es zu einer bestimmten Zeit in der Nacht Ruhe, und sie dieses Versprechen jetzt nicht mehr einhalten können, dann gibt es eigentlich nur eine einzige logische Konsequenz: Dann muss man den Ausbauantrag ablehnen, bevor irreversible Fakten geschaffen werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Dann bleiben die Nachtflüge à la GRÜNE!)
Herr Ministerpräsident, wir wollen einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten bis zum zehnten Lebensjahr einführen, um eine echte Wahlfreiheit zu gewährleisten.Wir dürfen die Kommunen in diesem Bereich nicht alleine lassen und ihnen auch nicht das Geld aus der Tasche ziehen, wie Sie es in der Vergangenheit getan haben.Wir glauben, dass die Frage, ob man eine Freiheit der Wahl zwischen Kindern und Karriere hat, eines der realen Probleme ist – über das Sie in Ihrer 85-minütigen Rede im Übrigen ebenfalls nicht geredet haben. Wir wollen, dass der soziale Ausgleich in Hessen wieder so organisiert wird, dass das soziale Netz neu geknüpft wird. Herr Ministerpräsident, wenn ich an das Jahr 2003 und die „Operation düstere Zukunft“ zurückdenke:Wir finden Schuldnerberatung wichtiger als ein Schloss im Odenwald.
Es gibt unterschiedliche Konzepte in der Sozialpolitik. Es gibt unterschiedliche Bewertungen in der Sozialpolitik. Aber es dürfte doch eigentlich keinen Streit darüber geben,dass es sich diese Gesellschaft nicht leisten kann,dass Kinder von Transferleistungsempfängerinnen und -empfängern in der Schule oder im Kindergarten abgemeldet werden oder weggehen müssen, wenn andere Kinder ihr Mittagessen bekommen.
Frau Lautenschläger hat gesagt, dass hier etwas in Planung sei. Sie haben jetzt eine Chance, das zu beweisen;
denn wir haben Ihnen Anträge auf den Tisch gelegt, in denen es heißt, das Land Hessen soll in diesem Bereich in die Vorhand gehen. Es ist mir fürchterlich egal, wer hier formal die Zuständigkeit hat, sondern es geht mir darum, ein real existierendes Problem zu lösen, das viele Menschen in diesem Land betrifft. Wenn Sie auch diese Anträge ablehnen,wie ja zu erwarten ist,und im Haushalt für das nächste Jahr wieder keine Mittel für diesen Bereich vorgesehen sind, dann können Sie sich Ihre hehren Worte vom sozialen Zusammenhalt und von der Sozialpolitik des Landes einfach sparen.Auch an diesem Punkt beweist sich die Glaubwürdigkeit christdemokratischer Sozialpolitik.
Wir wollen beste Schulen in ganz Hessen. Dazu gehört, dass wir Ihren grandiosen Fehler aus dem Herbst 2003, 1.000 Lehrerstellen zu streichen, rückgängig machen werden. Wir werden einen echten Vertretungsunterricht statt „U+“, Ihrer verkorksten Unterrichtsgarantie plus, einführen.Wir wollen allen Schulen ein eigenes Budget einrichten, weil wir glauben, dass die Schulen am besten wissen, wo sie der Schuh drückt, und wir wollen die Schulzeitverkürzung im Gymnasium intelligent verändern. Herr Ministerpräsident, Sie haben zusammen mit Ihrer famosen Kultusministerin nur eines gemacht: Sie haben aus den Gymnasien Zwangsganztagsschulen ohne Mittagessen gemacht.
Das ist der einzige Punkt, an dem Sie auf dem Parteitag und auch heute ein bisschen angedeutet haben, dass nicht alles supertoll und superprima ist. Wer Ihre Grundstruktur kennt, der weiß, das heißt, dass an der Stelle die Hütte brennt. Mich ärgert aber, dass Ihnen bei all dem, was jetzt schiefläuft, vorher prophezeit worden ist, dass es schieflaufen würde. Es wurde Ihnen von der Opposition prophezeit, es wurde Ihnen von den Elternverbänden prophezeit – die im Übrigen entgegen dem, was Sie immer behaupten, nicht zugestimmt haben –, es wurde Ihnen von den Praktikern prophezeit,aber Sie haben in der Ihnen eigenen arroganten Art alle Einwände vom Tisch gewischt und gesagt: Wir wissen, was das Richtige ist. – Die Quittung bekommen Sie jetzt. Das Problem ist, dass Sie an einer gesamten Schülergeneration einen unverantwortlichen Feldversuch durchführen. Das muss sofort geändert werden.
Das bedeutet für uns:Wir müssen die Lehrpläne entschlacken, wir müssen den Stoff besser über die gesamte Schulzeit verteilen,wir müssen die zweite Fremdsprache wieder ab Klasse 7 unterrichten lassen – auch um die Durchlässigkeit des Schulsystems wieder zu gewährleisten. Das muss sofort geschehen, Frau Kultusministerin. Wir brauchen eine echte Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9. Das bedeutet, wir wollen den weiterführenden Schulen die Möglichkeit verschaffen, Schulen nach finnischem Vorbild zu werden – mit individueller Förderung, mit echten Ganztagsangeboten, ohne Klassen mit mehr als 25 Schülerinnen und Schülern, mit einer besseren Zusammenarbeit von Schule, Jugend- und Sozialarbeit. Für uns gilt, dass wir den hessischen Schulkampf,den Sie in den letzten acht Jahren von oben betrieben haben, beenden und eine Wahlfreiheit für die Eltern schaffen werden.
Da lachen Sie. Wenn Ihnen die Wahlfreiheit so wichtig wäre, wie Sie immer behaupten, denn stelle ich Ihnen die Frage, warum Sie landauf, landab die von Gemeinden, Landkreisen und Städten beschlossenen Schulentwicklungspläne ablehnen, liebe Frau Kultusministerin.