(Heiterkeit der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Pressemitteilung von Herrn Metz!)
Herr Ministerpräsident, in der Aufklärungsquote liegt Hessen auf Platz 10 der Bundesländer – nur einmal so nebenbei.
(Norbert Schmitt (SPD): So ist es! – Andrea Ypsilanti (SPD): Da haben Sie Sprüche gemacht, als ob Sie ganz vorn stünden!)
Wir sind bei der Haushaltsberatung, Herr Ministerpräsident. Jeder Euro der Schulden des Landes Hessen ist in der Amtszeit von Roland Koch und Karlheinz Weimar aufgenommen worden. Sie haben 10 Milliarden c neue Schulden gemacht.
Es ist noch viel schlimmer. Sie haben gleichzeitig Vermögenswerte des Landes verscherbelt und am nächsten Tag zurückgemietet, um die Misere noch ein Stück weit zu verschleiern.
Ich weiß, dass man es mit den Zahlen nicht übertreiben sollte. Aber wir haben gestern über den Nachtragshaushalt debattiert.Wer es trotz 1,5 Milliarden c Steuermehreinnahmen – einen solchen Zuwachs an Mehreinnahmen hat es in der Geschichte des Landes Hessen noch nie gegeben – nicht hinbekommt, die Nettoneuverschuldung auch nur um einen Cent zu verringern, der soll ein wenig demütiger sein, Herr Finanzminister.
Natürlich geht die Hälfte dieser Mehreinnahmen in den Länderfinanzausgleich. Aber wenn die Hälfte an andere Bundesländer geht, dann bleibt immer noch die Hälfte übrig. Die spannende Frage ist doch: Wo liegen wir denn am Ende des dritten Quartals 2007? Wir sind bei der ProKopf-Verschuldung des dritten Quartals 2007 das Land, das an drittletzter Stelle liegt. Es gibt acht Bundesländer, die inzwischen sogar Schulden zurückzahlen, und es gibt acht Bundesländer, die noch Schulden aufnehmen, Herr Finanzminister.
Wir sind inzwischen nur noch besser als das Saarland und Bremen. War das einmal unser Maßstab, Herr Ministerpräsident?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Minis- terpräsidenten Roland Koch)
Alles Grund genug für einen Regierungschef, der bald neun Jahre amtiert, in der Bilanz etwas demütiger zu sein. Aber wenn Sie, Herr Ministerpräsident, noch einmal als Spitzenkandidat der hessischen CDU antreten und wenn Sie wiedergewählt werden möchten, wovon ich ausgehe, dann hätten Sie spätestens heute ein Projekt, eine Vision für Ihre Landespolitik von 2008 bis 2013 hier vorstellen müssen. Ich stelle fest: Ich habe davon nichts gehört, Herr Ministerpräsident.
Haben Sie für Hessen inhaltlich noch irgendetwas zu bieten? Oder fällt Ihnen überhaupt nichts mehr ein, und ist das der Grund, warum Sie landauf, landab vor einer angeblichen Volksfront warnen, Herr Ministerpräsident?
Da kann ich Ihnen sagen: Wahlkämpfe, in denen das einzige Argument für einen selbst das Schüren der Angst vor dem anderen ist, gehen schief, Herr Ministerpräsident.
Herr Ministerpräsident, die Ratlosigkeit ist bei Ihnen deshalb so groß,weil Sie beim dritten Wahlkampf erstmals einen wirklichen Landtagswahlkampf führen müssen. Sie haben 1999 und 2003 Oppositionswahlkampf gegen die Bundesregierung geführt.
Sie haben jeweils die erste Wahl nach der Bundestagswahl gewonnen. Sie haben diese beiden Wahlen gewonnen mit reinem Wahlkampf gegen Bonn 1999 und gegen Berlin 2003. Jetzt sind wir wegen verlängerter Wahlperiode bei uns und wegen verkürzter Wahlperiode auf Bundesebene auf einmal mittendrin und weit entfernt von jeder Bundestagswahl. Die Kanzlerin ist CDU-Parteivorsitzende, es regiert eine Große Koalition, und Roland Koch ist völlig ratlos, was er jetzt machen soll. Das haben wir heute hier gesehen. Sie können keinen Oppositionswahlkampf gegen die Bundesregierung mehr machen.
Daher versuchen Sie es jetzt nach neun Jahren im Amt mit einem Wahlkampf gegen die Opposition. Das wird nicht funktionieren, Herr Ministerpräsident.
Wenn Sie so wollen, ist das, was wir hier heute Morgen debattieren, der Abschluss von fünf Jahren Legislaturperiode. Ich erinnere mich noch sehr genau an den April 2003 und die Regierungserklärung des damals mit absoluter Mehrheit gewählten Roland Koch.
„Vision 2015“ war die Überschrift. Die gesamte Politik wurde unter eine riesige Vision gestellt. Im Prinzip wäre heute der Zeitpunkt gewesen, nicht auf die Zeit Hartmut Holzapfels zurückzublicken. Vielmehr hätte man eigentlich fragen müssen, wie weit man im Jahr 2008 mit der Erfüllung dessen ist, was man im Jahr 2003 mit der Vision 2015 aufgezeigt hat. Ich stelle fest: Von der Vision 2015 habe ich in den 85 Minuten der Rede Roland Kochs kein einziges Wort gehört.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Andrea Ypsilanti (SPD): Die gibt es nicht mehr!)
Herr Ministerpräsident, darüber haben Sie kein Wort verloren. Sie haben nur auf das letzte Jahrhundert zurückge
blickt. Sie sind mit Ihrem Latein am Ende. Sie sind ausgebrannt. Sie sind ratlos. Bei Ihnen gibt es inhaltliche Leere. Genau das ist der Grund, warum die Landtagswahl sehr spannend werden wird.Am Ende wird Roland Koch nicht mehr Ministerpräsident von Hessen sein.
Herr Ministerpräsident, diese Ratlosigkeit zeigt sich auch in dem krampfhaften Versuch, irgendwelche Themen zu finden.Sie haben eine solche Angst vor der Situation,dass Sie keinen Oppositionswahlkampf gegen Berlin mehr machen können, dass sogar schon Apfelweingemetzel veranstaltet werden muss.
obwohl er gar nicht mehr bedroht war. Roland Koch ist jetzt noch ratloser.Vielleicht haben Sie schon heimlich bei der EU-Kommission angerufen und gefragt, ob die nicht den Handkäs mit Musik verbieten können, damit Sie sich weiter in Szene setzen können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN sowie der Abg.Andrea Ypsilanti und Norbert Schmitt (SPD))
Herr Ministerpräsident, verstehen Sie? Ihr Problem und die Tatsache, dass Sie jetzt so ratlos sind, ergeben sich doch genau aus der Arroganz, mit der Sie in den letzten Jahren regiert haben. Jeder Einwurf der Opposition, unabhängig davon, von welcher Seite er kam, und unabhängig davon, zu welchem Thema er kam, wurde einfach weggewischt. Jeder Protest gesellschaftlicher Gruppen wurde einfach für Ballaballa erklärt. Jeder Hinweis: „Da macht ihr irgendetwas falsch“, wurde vom Tisch gewischt. Wer sich selbst immer für so supertoll hält, der hat irgendwann einen so großen Abstand von der Realität in der Gesellschaft, dass er nicht mehr weiter weiß. Genau das erleben wir gerade bei der hessischen CDU und ihrem Ministerpräsidenten.
Wer stark verunsichert ist, weil er nicht mehr weiter weiß, der zieht sich in die ideologischen Schützengräben zurück und umgibt sich mit seinesgleichen. Auch das erleben wir bei den Mitgliedern der hessischen CDU.
Wer so ratlos ist und sich in die alten ideologischen Schützengräben zurückzieht, der kann dann auch auf seinem Parteitag, der vor zehn Tagen war, beschließen, dass die Landesgeschäftsstelle der CDU in Zukunft Alfred-Dregger-Haus heißen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie: Die HessenCDU ist alles Mögliche. Sie ist nur nicht modern, wie Sie es auf Ihre Plakate schreiben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Minister Karl- heinz Weimar: Das ist alles ein bisschen gequält!)
Herr Ministerpräsident, Sie haben recht: Hessen ist ein Land der Mitte. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber die hessische CDU ist keine Partei der Mitte.Vielmehr ist die hessische CDU – das sage ich ausdrücklich – leider der rückständigste Landesverband innerhalb der Landesverbände der CDU. Ich sage: leider.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Minister Karl- heinz Weimar: Oh, schwerer Vorwurf!)
Deutlicher als heute und deutlicher als auf diesem Parteitag vor zehn Tagen konnten Sie das nicht zeigen. Herr Ministerpräsident, wissen Sie: Über Ihre Rede auf dem Parteitag konnte man nicht nur viel lesen, sondern dazu gab es auch auf Internetseiten einiges zu sehen. Ich habe mich 20 Jahre zurückgesetzt gefühlt.