Frau Beer, schauen wir einmal. – Herr Kollege Reif, wenn Sie nicht so sehr daran interessiert sind, dass hier das Hessische Hochschulgesetz verabschiedet wird und nach dem Willen Ihrer Fraktion – ich weiß nicht, ob Sie das schon mitbekommen haben – die Johann Wolfgang GoetheUniversität Stiftungsuniversität werden soll, dann ist das Ihr persönliches Problem.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte meine Rede heute ein bisschen anders anlegen, als man das normalerweise bei solch einer Rede in der dritten Le
sung macht. Ich will die Spannung vorher lösen: Die SPDFraktion wird diesen Gesetzentwurf ablehnen. Mich hat gestern der Anruf eines Journalisten erreicht, der mir mitteilte, dass der Präsident der Johann Wolfgang GoetheUniversität darum gebeten hat, über den Gesetzentwurf getrennt abzustimmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Spielchen werden wir nicht mitmachen. Es ist verschiedentlich und mehrfach das Angebot an die CDU-Fraktion gemacht worden,zu einem gemeinsamen Verfahren zu kommen. Das ist nicht gewünscht worden. Das hängt ein bisschen damit zusammen, dass die CDU in ihrer Gesamtheit mit diesem Gesetz ein wenig Geburtsschwierigkeiten hatte. Es war zwischen den Jahren nicht ganz klar, ob überhaupt noch eine Novelle gemacht werden soll.Sie haben sich dann dafür entschieden, das zu machen.
Die Johann Wolfgang Goethe-Universität wird also damit leben müssen, dass sie heute im politischen Dissens und nicht in einem Prozess der politischen Konsensfindung Stiftungsuniversität wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das liegt nicht daran, dass es seitens des Präsidiums nicht die entsprechenden Bemühungen gegeben hätte. Ich will ausdrücklich positiv bemerken, dass die Universität und ihr Präsidium das Verfahren der Grundordnung mit dem Gesetzgebungsverfahren synchronisiert haben.
Aber es wäre natürlich notwendig, das, was jetzt richtigerweise im Grundordnungsverfahren an Eckpunkten benannt worden ist, gesetzesfest zu machen. Das wäre hilfreich gewesen. Das ist auch beim TUD-Gesetz so passiert. Das wollten Sie aber nicht. Daher wird die Zukunft zeigen, wie weit das, was wir heute mit der Mehrheit der CDU beschließen werden,der hessischen Hochschullandschaft guttut oder ihr schaden wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will das, was jetzt bei der Umwandlung in eine Stiftungsuniversität ansteht – alles andere will ich nicht mehr erörtern –, aus dem Blickwinkel von zehn Menschen kommentieren, die sich dieses Stiftungskonstrukt anschauen.
Da wäre zunächst einmal der oder die normale Studierende an der Stiftungsuniversität. Er oder sie hat ein Interesse an einem guten Studium, an einer gerechten Benotung, an guter Wissenschaft und an einem positiven Renommee der Hochschule. Ich glaube, dem normalen Studenten ist die Rechtsform relativ egal.Er will aber,dass an dieser Hochschule der Fächerkanon nicht eingeschränkt wird. Es sollen nach Möglichkeit keine Zulassungsbeschränkungen beschlossen werden. Ich glaube, dass die Mehrheit dieser normalen Studierenden Studiengebühren ablehnt, zumindest in erhöhtem Umfang, wie dieses Gesetz dies zugibt.
Kommen wir zu dem zweiten Blick auf dieses Gesetz,dem des politisch engagierten Studenten. Er befürchtet gar Schlimmes. Er scheint sicher zu sein, dass die Stiftungsuniversität noch höhere Studiengebühren erheben wird, dass der Einfluss der hochschulpolitisch engagierten Studierenden schwindet, dass es Zulassungsbeschränkungen geben wird.Er befürchtet,dass es bei den Professoren solche geben wird, die nur lehren, und solche, die nur forschen, wie es durchaus auch vorgesehen ist, und dass das zu einer Verschlechterung der Ausbildung führt.
Als Drittes möchte ich schildern, welchen Blick eine Dekanatssekretärin vielleicht darauf hat. Sie befürchtet, dass der neue Haustarif sie möglicherweise finanziell schlechter stellen wird. Gleichzeitig vertraut sie aber
durchaus auf die Vereinbarung, die zwischen dem Gesamtpersonalrat und dem Präsidium getroffen worden ist und die zumindest für einen Zeitraum von zehn Jahren sowohl eine Sicherung der Tarife als auch die Sicherheit der Arbeitsplätze verheißt.
Der vierte Blickwinkel ist der einer gewerkschaftlich engagierten Mitarbeiterin. Sie vertraut dieser Vereinbarung nicht. Sie sagt, dass alle Umstrukturierungsprozesse in Richtung Privatisierung, die bisher an hessischen Hochschulen gegangen worden sind, immer dazu geführt haben, dass es zu Verschlechterungen der Tarifbedingungen und zu einer Ausdünnung des Personalkörpers gekommen ist.
Gehen wir nun zu den Professoren über. Die Professoren aus den Rechts- und den Naturwissenschaften beispielsweise machen sich große Hoffnungen. Gerade in der Medizin und durch Banken könnte ein neuerlicher Geldsegen auf die Hochschule niederregnen. Die Professoren hoffen, dass für sie und ihr Institut dabei möglichst viel herauskommt und dass das Präsidium nicht auf die Idee kommt, dieses neue Geld auch denen zur Verfügung zu stellen, die klassischerweise nicht so sehr daran partizipieren können.
Das sind dann diejenigen, deren Blickwinkel ich als den sechsten schildern will: die Professorinnen und Professoren aus den Geisteswissenschaften. Sie befürchten Einbußen für ihre Fachgebiete. Schon in der Vergangenheit wurde die Geisteswissenschaft nicht auf Rosen gebettet. Der Eindruck, dass ein Fokus beispielsweise auf dem „House of Finance“ auch zulasten der Geisteswissenschaften geht, wird deutlicher.
Der siebte Blickwinkel, den will ich nicht vergessen, ist der des Präsidiums der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Das Präsidium ist natürlich stolz darauf, dass seine Universität die erste hessische Stiftungsuniversität wird. Es ist dem Präsidenten durchaus gelungen, den Beschluss zu den Eckpunkten der Grundordnung im Senat einstimmig zu verabschieden. Man ist sich auch mit dem Vorsitzenden des Hochschulrats darüber einig, dass dieser mehr Kompetenzen bekommen soll.
Den achten Blick werfen andere hessische Hochschulen auf diesen Vorgang. Diese sind sehr enttäuscht von der Landesregierung. Sie sind enttäuscht, weil ihr Vorschlag zur Novelle eines gemeinsamen Vorschlags nicht berücksichtigt wurde. Sie sind enttäuscht, weil der Vorgang Stiftungsuniversität ins Verfahren hineingeschoben worden ist. Sie sind enttäuscht darüber, dass die Johann Wolfgang Goethe-Universität noch zusätzlich staatliches Geld bekommen soll,was möglicherweise zulasten ihrer finanziellen Ausstattung gehen wird.
Der neunte Blickwinkel ist der der Frankfurter. Sie werden es vielleicht ganz gut finden, in die Stiftungstradition ihrer Stadt einzusteigen. Aber es gibt auch Teile der Bevölkerung, die von Skepsis beschlichen werden, ob Frankfurt durch diese Aktion nicht doch verliert.
Den zehnten Blick möchte ich einmal schildern für einen ganz normalen Hessen und eine ganz normale Hessin.
Herr Reif, dieser ganz normale Hesse, das sind Sie ganz bestimmt nicht. – Der ganz normale Hesse und die ganz normale Hessin wollen eine demokratisch kontrollierte Hochschule.
Er will gesicherte Rechte für die Beschäftigten. – Frau Kollegin Beer, das ist kein Grund, zu lachen. Er will, das haben die Umfragen ergeben, zu 70 % keine Studiengebühren. – Er will auch sicherlich das Grundprinzip von Freiheit und Lehre gesichert haben.
Ich glaube, dass der normale Hesse auch auf die innere Verfasstheit von Hochschulen vertraut. Er ist eher skeptisch gegenüber Hochschulräten, die wie Aufsichtsräte eine öffentliche Einrichtung wie die hessischen Hochschulen zu führen gedenken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich mir diese zehn Blickrichtungen einmal anschaue und dieses Gesetz richtig verstehe, dann können wir berechtigterweise zu dem Schluss kommen,dass in der Abwägung dessen die Zustimmung zum Universitätsstiftungsgesetz in der Tat aufgrund der Interessenlagen der Mehrheit dieses Landes versagt werden muss.Wir bringen mit unserer Ablehnung zum Ausdruck, dass wir die Privatisierung hessischer Hochschulen für falsch halten. Unser öffentlichrechtliches Hochschulsystem hat sich bewährt und ist mittlerweile hinreichend modernisiert.
Wir sind der Auffassung, dass eine Universität in öffentlicher Verantwortung auch als öffentlich-rechtliche Stiftung organisiert werden kann – allerdings nicht so, wie dies die Landesregierung mit diesem Gesetzentwurf intendiert. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD – Clemens Reif (CDU): Bisher kannte ich nur Zehnkämpfer, jetzt kenne ich auch Zehnblickler!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Beschlussfassung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in dritter Lesung ermöglichen wir der Universität Frankfurt, Stiftungsuniversität zu werden. Ich habe in der ersten und in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, und ich werde es auch in der dritten Lesung tun
Herr Kaufmann, Sie haben es doch so gewollt –, dass in der Hochschule die Idee zur Stiftungsuniversität entstanden ist. Mit den Gremien der Hochschule, mit dem Präsidenten an der Spitze wurde dann über einen längeren Zeitraum dieses Projekt besprochen. Dann wurde überlegt, wie dies am besten hinzubekommen sei. Die Initiative kam aus der Hochschule. Die Landesregierung und wir als CDU-Fraktion haben diesen Vorschlag aufgegriffen und waren froh darüber, dass innerhalb der Hochschule so innovative Konzepte diskutiert werden.
Was wir heute in dritter Lesung mit dem Gesetzentwurf machen: Wir geben der Universität, die das als eigenes Projekt hat entstehen lassen, die Möglichkeit, dieses Projekt weiterzuführen.
Frau Kollegin Sorge, Sie haben gesagt, das sei Arroganz der Macht.Wenn man von Autonomie der Hochschule redet und die Hochschulen einen eigenen Vorschlag unter
breiten, um mehr Autonomie zu bekommen, und wir diesen Vorschlag umsetzen, dann möchte ich einmal von Ihnen wissen,wo da die Arroganz der Macht ist,wenn wir einen solchen Gesetzentwurf einbringen. Das ist doch wirklich weit hergeholt.
Die Hochschule ist diesen Weg gegangen.An dieser Stelle will ich auch noch sagen: Der Senat hat einhellig beschlossen, dass er den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf positiv bewertet und auf diesem Weg weitergehen will. Bei aller Kritik, die es auch an der Hochschule gegeben hat, sind immer wieder Kritikpunkte ausgeräumt worden. Die Mitglieder des Senats – Präsident Steinberg hat das auch allen Kolleginnen und Kollegen, die mit Hochschulpolitik zu tun haben,mitgeteilt – haben mit 16 Ja-Stimmen und einer Enthaltung diesem Entwurf zugestimmt.
Der Senat steht hinter diesem Projekt und hinter dem Gesetzentwurf, der ihm das ermöglicht. Frau Kollegin Sorge, Sie sagen immer, der Senat solle gestärkt werden. Hier wird der Senat gestärkt. Was soll man denn eigentlich noch machen?
Man muss zur Kenntnis nehmen, wenn all diejenigen, die es umsetzen, dafür sind, dann kann man wohl arrogant bei den GRÜNEN sein und sagen: Wir sehen das anders. – Mit Autonomie der Hochschulen hat das jedenfalls nichts zu tun.
Ich gratuliere der Frankfurter Universität ausdrücklich. Ich bedanke mich auch ausdrücklich bei dem Präsidenten der Universität, bei Herrn Prof. Steinberg, dass er bis zum heutigen Tag dieses Projekt so erfolgreich vorangebracht hat. Mit der heutigen Beschlussfassung in dritter Lesung sind die Möglichkeiten, die die Universität jetzt hat, gegeben, in die nächste Phase zu gehen.
Ich finde es ausgesprochen gut, dass bereits Eckpunkte für eine Grundordnung vorliegen. Herr Kollege Siebel, Sie haben das eben gelobt. Wir wussten, dass die Universität diesen Weg möglichst schnell gehen will. Jetzt hat sie auch noch mehr Möglichkeiten. Es sind auch Grundsätze für die Zusammenarbeit der Universität mit privaten Dritten aufgelegt worden. Das ist ein wichtiger Schritt.
Die Universität Frankfurt hat zwei Dienstvereinbarungen getroffen, in denen die Schutzrechte für die Stiftungsuniversität zwischen Universität und Personalrat festgelegt sind. Da geht es natürlich auch um Sicherungen für das Personal.
Ich finde, heute ist ein glücklicher Tag für die Universität Frankfurt, indem der Startschuss gegeben wird, zu zeigen, dass man mit einer Stiftungsuniversität in dieser Form mehr Autonomie bekommen und die Stiftungsuniversität in Frankfurt zu einer exzellenten Hochschule bringen kann.
Dieser Startschuss ist gegeben. Ich wünsche der Universität Frankfurt, dem Präsidenten und allen, die daran beteiligt sind, eine erfolgreiche Umsetzung des Projekts und der Stiftungsuniversität viel, viel Erfolg.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der zweiten Lesung und danach die verschiedenen Ansätze intensiv ausgetauscht. Ich will mit einer Sache beginnen,nämlich dem Vorhalt der Opposition, man hätte doch den Weg gehen können, sich zu einigen. Wenn ich mir heute nur die Diskussionsvorträge der drei Vertreter der Opposition anschaue, dann ist es die Quadratur des Kreises, sie dazu zu bringen, mit dem Regierungsentwurf Einigung zu erzielen.