Ich würde gerne auf zwei Dinge eingehen, die der Minister angeführt hat. Ich glaube, dass wir uns da gar nicht unterscheiden. Wenn ich die praktische Arbeit im Petitionsausschuss Revue passieren lasse, ist dem auch so. Herr Innenminister, uns geht es nicht um die Fälle, die Sie gerade angesprochen haben. Es geht nicht um den Hassprediger oder irgendwelche Leute, die mit Heroin handeln, oder um Menschen, die sonst wie straffällig geworden sind.
Da gibt es bei uns im Petitionsausschuss eine sehr einhellige und klare Vorgehensweise, wie wir mit solchen Fällen umgehen. Darum geht es nicht. Ich glaube, alle Kolleginnen und Kollegen, die im Ausschuss sind, können Ihnen eine solche Akte ziehen, und dann schauen wir uns die einmal gemeinsam an. Wir haben auch die Fälle, wo die Stichtagsregelung nicht greift und wir trotzdem Kinder haben, die hier gut integriert, hier aufgewachsen sind.
Da gibt es die Familie mit Kindern, die Abitur gemacht haben, da hängt es an zehn Tagen. Das sind Fälle, wo ich glaube, dass man auf der einen Seite sagen kann:Wir wollen auch qualitative Zuwanderer. – Aber gleichzeitig sagen wir denen, weil der Stichtag nicht wirkt: Ihr müsst nach Hause in ein Land ausreisen, das die Kinder nicht oder nur vom Hörensagen durch ihre Eltern kennen. – Für die ist Deutschland die Heimat. Die sind hier aufgewachsen. Die sind hier sozialisiert. Um diese Fälle geht es uns.
Dafür – das sage ich ganz eindeutig – brauchen wir humanitäre Lösungen.Dafür brauchen wir auch eine Regelung, die nach der Bleiberechtsregelung und nach der Stichtagsregelung folgt. Das ist das Petitum, das wir haben.
Wenn Sie sich mit den Kolleginnen und Kollegen des Petitionsausschusses aus Ihrer Fraktion unterhalten, dann wird Ihnen das auffallen. Wenn Sie sich nur einmal Teile der Verwaltungspraxis in verschiedenen Ausländerbehörden anschauen, dann wird Ihnen auffallen, dass das Ermessen sehr unterschiedlich ausgeübt wird. Es gibt Ausländerbehörden, die sehr gute Arbeit machen, die die Menschen beraten, den Weg aufzeigen und sie unterstützen.
Es gibt aber auch Ausländerbehörden – ich könnte Ihnen welche nennen,andere wissen,welche ich meine –,die den Menschen das Leben schwer machen und eine Hürde nach der anderen aufbauen. Darunter müssen wir einen Strich machen und können nicht immer sagen:Wir halten an der Bleiberechtsregelung und dem Stichtag fest. – Ich glaube, da müssen wir andere Regelungen finden. Da gilt es, humanitäre Gesichtspunkte ins Feld zu führen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch zwei Sätze, weil sich der Kollege Frömmrich noch einmal zu Afghanistan geäußert hat. Es ist sein gutes Recht.Aber er hätte vielleicht auch zuhören sollen. Denn es ist doch keine Frage, dass wir auf diese humanitären Gesichtspunkte Rücksicht nehmen. Das ist so. Deshalb gibt es in Hessen die Härtefallkommission, die letztendlich genau das zu berücksichtigen hat.
Aber hier zu vermischen – auf der einen Seite, wie das auch der Kollege von der FDP und andere angemahnt haben, über das Thema Zuwanderung zu sprechen und qualifizierte Fachkräfte nach Deutschland holen zu wollen, wo es nötig ist; auf der anderen Seite die Zielgruppe anzusprechen, mit der wir uns im Petitionsausschuss befassen –, dies passt nicht. Das sind mitunter Welten, die beide trennen – nicht nur von der Herkunft her, sondern auch von dem, was sie tatsächlich zu leisten in der Lage sind.
Das eine sind menschliche Gründe, die zu beachten sind und wo es darum geht, ob jemand einen Härtefall geltend machen kann,ob jemand die Bleiberechtsregelung erfüllt, ob er in seinem Heimatland noch verfolgt wird oder Ähnliches. Auf der anderen Seite geht es um die Fachkräfte. Das hat meines Erachtens so gut wie nichts miteinander zu tun. Der Minister hat darauf hingewiesen, dass wir uns in dem einen Bereich mit Armutswanderung und Verfolgung befassen und in dem anderen Bereich mit den Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die Stichtagsregelung uns aus Sicht der Petenten sehr wohl weitergebracht hat. Denn hier werden Fälle positiv beschieden, die vorher nicht positiv beschieden worden wären. Zum anderen: Wenn der Stichtag nicht passt und eine Konstellation vorliegt, wie sie vom Kollegen Frömmrich dargelegt worden ist, dann hat jedes Mitglied des Petitionsausschusses die Möglichkeit, einen Härtefallantrag zu stellen. Es gibt sehr wohl Beispiele, wo dann in der Härtefallkommission positive Entscheidungen getroffen wurden.
Dennoch gilt es zu beachten, wenn Fälle vorliegen, in denen sich Menschen 10, 15 Jahre in Deutschland aufhalten, dann sollte man sich die Aktenlage ganz genau anschauen. Dann sind das in aller Regel Fälle von Familien, Ehepaaren oder Einzelpersonen, die schon vor zehn Jahren hätten ausreisen können. Dass sie das nicht getan haben, liegt nicht am Staate Deutschland, der Hessischen Verfassung, dem Bundesland, dem Minister oder der Härtefallkommission, sondern daran, dass diese Personen alle legalen,vielleicht auch manchmal illegalen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um hier zu bleiben.
Wenn sie dann nach 10, 15 Jahren hier stehen und wir feststellen,es gibt jetzt keine Möglichkeit mehr,dann hat man dies auch zu akzeptieren. Keinesfalls hat unser Land zu verantworten, dass die jetzt in eine etwas missliche Lage kommen.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Der Rechtsweg ist nicht illegal! – Petra Fuhrmann (SPD): Das ist zynisch!)
Ich habe sehr wohl differenziert zwischen legal und illegal.Sie wissen ganz genau,dass wir mit beiden Facetten zu kämpfen haben.
Meine Damen und Herren, wir sind beim Vierten Bericht des Petitionsausschusses. Ich würde jetzt gern die Besprechung für beendet erklären. Gibt es noch irgendwelche Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Vierte Bericht besprochen worden.
Wir kommen zur Abstimmung über den gemeinsamen Antrag aller vier Fraktionen des Hauses bezüglich der methodischen Behandlung von Petitionen am Ende der Wahlperiode,Drucks.16/7742.Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Antrag angenommen. Herzlichen Dank.
Antrag der Fraktion der CDU betreffend Schutz der Kinder und Jugendlichen vor negativen Einflüssen gefährdender Inhalte im Internet und bei Computerspielen – Drucks. 16/7740 –
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Computer und das Internet sind heute zentrale Medien unserer gesamten Gesellschaft. Während noch vor zehn Jahren nur eine Minderheit in der Bundesrepublik das World Wide Web nutzte und auch 2001 die Nutzung noch deutlich unter 40 % lag, so liegt sie heute – je nachdem, wie die Erhebungsparameter angesetzt werden – zwischen 60 und 70 %. Diese Zahl ist auf die gesamte Bevölkerung bezogen.
Wenn man sich aber die Internetnutzung bei den Jugendlichen anschaut, stellt man fest, dass eine Nutzung des Internets heute für fast 100 % der 10- bis 16-Jährigen an der Tagesordnung ist. Selbst bei den 6- bis 10-Jährigen haben wir Werte, die, wenn wir als Parameter zugrunde legen, dass das Internet einmal pro Monat genutzt wird, bei deutlich über 80 % liegen. Allein das macht schon deutlich, welch zentrale Rolle das Internet im Leben von Kindern und Jugendlichen spielt.
Computer und vor allem das Internet bieten große Chancen. Zum einen geht es um den Zugang zum Wissen. Jeder, der sich informieren möchte, kann dies tun. Zum anderen gibt das Internet, was die Kreativität betrifft, Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten, die noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen wären. Dass man selbst kreativ tätig wird, indem man z. B. schreibt, Filme macht oder sich selbst darstellt und dies auch relativ günstig veröffentlichen kann, war noch vor fünf Jahren überhaupt nicht denkbar.
Aber wo Chancen sind, sind auch Risiken. Daher muss es unser wichtigstes Ziel sein, Kindern und Jugendlichen alle Möglichkeiten zu geben, damit sie auf der einen Seite die Chancen nutzen und auf der anderen Seite die Risiken erkennen können.
Ich will ein paar Risiken nennen, die meiner Meinung nach in der Debatte bisher zu kurz gekommen sind bzw. nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Das sind vor allem die sexuellen Übergriffe auf Mädchen und Jungen. Vor allem geht es um Mädchen; aber auch Jungen sind in den sogenannten Chatrooms betroffen. Chatrooms sind eigentlich als virtuelle Treffpunkte gedacht. Dort lernt man sich kennen, kann sich verabreden sowie miteinander diskutieren und klönen. Viele nutzen die Chatrooms auf diese Art und Weise und haben so eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung gefunden.
Aber was harmlos klingt, kann sehr schnell sehr unangenehm werden. Das Deutsche Jugendinstitut liefert dazu einige erschreckende Zahlen. Nach einer Studie der Universität Köln aus dem Jahre 2005 – Frau Katzer hat sich in besonderer Weise darum bemüht – wird die Hälfte der Mädchen, die in Chatrooms unterwegs sind, gegen ihren Willen nach sexuellen Dingen gefragt. Immerhin einem Viertel der Jungen ergeht es ebenso. 34,1 % der Chatterinnen geben an, gegen ihren Willen nach eigenen sexuellen Erfahrungen gefragt zu werden.Bei den Jungen geben das immerhin 16 % an. 10 % der befragten Chatterinnen wurden bereits von einem anderen aufgefordert, sexuelle Handlungen an sich selbst – sogar vor einer Webcam,
Dabei zeigte sich, dass das Alter der Chatterinnen keinen Risikofaktor darstellt. Die Wahrscheinlichkeit, sexuelle Viktimisierungen zu erfahren, ist für 10-Jährige genauso hoch wie für 18-Jährige.
Noch alarmierender ist für mich die Tatsache – dort ist die Dunkelziffer nach Schätzungen der Experten relativ hoch –, dass Pädophile vermehrt Chatrooms aufsuchen.
Sie geben sich als Gleichaltrige aus, fragen die Kinder aus und versuchen, sich mit ihnen zu treffen. Dort kommt es dann zu physischen und sexuellen Übergriffen – bis hin zu Vergewaltigungen.
Wenn Sie sich im Internet schlau machen, stellen Sie fest, dass es viele gibt, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Die Erfahrungen, über die sie berichten, sind teilweise sehr erschreckend. Viele Eltern – das ist für mich das Entscheidende – wissen über diese Gefahren gar nichts. Sie wissen nicht, dass es unter anderem Seiten mit Selbstmordanleitungen gibt, sogenannte Suizidseiten, die sich gerade bei Jugendlichen größerer Beliebtheit erfreuen. Viele Eltern wissen nicht, wie schnell Kinder und Jugendliche mit Gewalt und Horrorszenarien in Berührung kommen.
Als ich 1997 – das ist zehn Jahre her – in meiner Klasse gefragt habe, welche die am meisten besuchte Seite sei, lautete schon damals die Antwort: www.rotten.com. Wenn man gute Nerven hat, muss man sich das einmal anschauen. Es geht nur darum, alle Spielarten der Verstümmelung von Menschen und sämtliche Todesarten plastisch und deutlich darzustellen.
Dazu gehören auch die Killerspiele,über die wir in diesem Haus schon des Öfteren diskutiert haben. Innenminister Volker Bouffier hat mit seinen Kollegen aus Bayern,Thüringen und Niedersachsen einen viel beachteten Maßnahmenkatalog zum Schutz der Jugendlichen vorgelegt.
Viele Eltern wissen auch nicht Bescheid über die ganz normale Abzocke – auch das gehört zum Internet –, die dort jeden Tag stattfindet.Kinder und Jugendliche werden mit Gratisangeboten gelockt, z. B. damit, dass die Hausaufgaben gratis gemacht werden. Plötzlich sollen sie, nur über die Eingabe ihrer Daten, einen Vertrag geschlossen haben und bekommen dann Briefe von Anwälten. In Unkenntnis der Rechtslage bezahlen sie teilweise sogar, weil sie viel zu viel Angst haben, dass sie überführt werden.
Das bedeutet, sich zu fragen – das ist die Frage, die Kollege Siebel gestellt hat –:Was machen wir mit diesem Wissen jetzt? Entscheidend wird sein, dass wir die Medienkompetenz derjenigen, die Computer und Internet nutzen, stärken. Auf der einen Seite müssen wir die Eltern darüber informieren, was dort passieren kann und welche Inhalte dort zu finden sind, sodass sie selbst Bescheid wissen. Auf der anderen Seite müssen wir die Kinder stark machen, indem wir sie von frühester Jugend an mit Informationen versorgen und ihre Medienkompetenz fördern. Außerdem müssen wir die Jugendlichen auf die Gefahren hinweisen und Strategien zur Gefahrenvermeidung an sie herantragen.
Die Landesregierung hat sich in den letzten Jahren auf den Weg gemacht und viele notwendige Schritte eingeleitet. Was die Bildungspolitik betrifft, so ist die Medienkompetenz Anfang dieses Jahrtausends zum ersten Mal in die Lehrpläne aufgenommen worden. Es gibt Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer. Ich habe mir die Zahl derjenigen nennen lassen, die an Medienkompetenzseminaren teilgenommen haben. Es sind über 16.000. Außerdem haben wir die Initiative „Schule@Zukunft“ mit auf den Weg gebracht, in deren Rahmen die Schulträger und die Partner aus der Industrie über 120 Millionen c in die hessischen Schulen investiert haben.
Abgesehen von der Vermittlung von Medienkompetenz ist es auch notwendig, selbst aktiv zu werden. In den hessischen Polizeipräsidien sind ungefähr 50 Stellen für Mitarbeiter geschaffen worden, die sich – verdachtsunabhängig – ständig darum kümmern, was im Internet passiert. Wir haben auch schon darüber gesprochen, dass wir im nächsten Haushaltsplan 33 zusätzliche Stellen für Mitarbeiter einrichten, die sich nur mit der Internetkriminalität beschäftigen werden.
Dazu gehört nicht nur das, was ich eben angesprochen habe. Es geht auch um Inhalte, die im Internet verbreitet werden. Ich denke z. B. an extremistische Seiten, sowohl von Linksextremisten als auch – in besonderer Art und Weise – von Rechtsextremisten. Es geht um Seiten, auf denen Anleitungen gegeben werden, wie man mit wenigen Mitteln – die sich jeder besorgen kann – Bomben bastelt. Das sind Seiten, auf denen beschrieben wird, wie man anderen Menschen Schaden zufügen kann.
Mein Vorschlag ist, dass wir mit denjenigen in diesem Land zusammenarbeiten, die sich bereits an anderer Stelle mit diesem Thema beschäftigen. Im Mediensektor ist das die Landesmedienanstalt, die mit der KJM – der Kommission für Jugendmedienschutz – eine Stelle hat, an der man sich in besonderer Art und Weise dafür engagiert, dass dort Strategien entwickelt werden.
Wir schlagen vor, einen Beauftragten der Landesregierung für Jugendschutz in den neuen Medien zu ernennen, der sich eng mit den anderen abstimmt, die sich damit beschäftigen, z. B. mit den Jugendämtern und der Polizei.
Ich möchte aber noch auf etwas anderes hinweisen. Ich habe jetzt nur von Kindern und Jugendlichen gesprochen, die Opfer geworden sind. Wir müssen aber leider zur Kenntnis nehmen, dass Kinder und Jugendliche zunehmend zu Tätern werden. Dabei denke ich z. B. an das sogenannte Happy Slapping in den Schulen. Das heißt, Kinder oder Jugendliche werden zusammengeschlagen, das Ganze wird auf Handy aufgenommen,und die Bilder werden dann in der Klasse bzw. in der ganzen Schule verteilt.
Ich denke auch an das vermehrte Mobbing von Lehrerinnen und Lehrern. Sie finden bei You Tube plötzlich Aufnahmen von sich oder werden in anderer Art und Weise gemobbt.
All das sind Sachen, deren sich ein solcher Beauftragter annehmen könnte. Die SPD hat zu diesem Thema einen Kongress veranstaltet. Das finde ich gut. Ich glaube, wir sollten in diesem Bereich sämtliche Kräfte bündeln.Auch denke ich, dass wir dieses Thema in einem breiten Konsens miteinander besprechen sollten. – Herzlichen Dank.