Die Enquetekommission hat die grundsätzliche Empfehlung an dieses Parlament gegeben, eine umfangreiche Reform der Hessischen Verfassung nur – –
Frau Beer, für uns sind Arbeitnehmerrechte und Bürgerrechte auch Menschenrechte. Diese geben wir nicht auf dem Jahrmarkt der Beliebigkeiten preis. Das wissen Sie ganz genau.
Leider hat sich die Fraktion der Freien Demokraten schon sehr früh von dem Vorhaben verabschiedet, gemeinsam die Verfassung zu ändern. Bereits vor zwei Jahren wurde der Versuch unternommen, mit einem Paket von 17 Einzelgesetzen die Änderung der Hessischen Verfassung herbeizuführen. Damals standen Sie allein da. Herr Kollege Wintermeyer, an dieser Stelle darf ich Sie zitieren: Die Verfassung ist die Basis unser aller rechtlichen und gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit. Deshalb eignet sich die Verfassung nicht, wenn man politische Alleingänge unternehmen will.
Meine Damen und Herren,die Hessische Verfassung können Sie nicht zu einem bunten Taxi machen. Dieser politische Alleingang bekommt einen besonderen Beigeschmack durch den Zeitpunkt im Vorfeld der Landtagswahl: Seht her, wir von der FDP sind die wahren Kinderfreunde.Den anderen Parteien müssen wir in Sachen Kinderschutz und Kinderrechte so richtig auf die Sprünge helfen. – Das ist die wirkliche Intention Ihres Gesetzentwurfs.
Herr Dr. Jürgens hat in diesem Zusammenhang einmal sinngemäß gesagt,dass sich die Verfassung nicht für Wahlkampfzwecke eigne. Dies sei ein Missbrauch der Hessischen Verfassung.
Es ist auch zutiefst unkollegial gegenüber all denen im Haus, die sich nicht minder engagiert für Kinderrechte eingesetzt haben und es weiter tun werden.
Ich bin immer davon ausgegangen, dass die Mitglieder dieses Hauses genau dieses Thema gleichwertig hoch schätzen, bewerten und bearbeiten wollen. Es gibt in diesem Haus auch keine unterschiedlichen Positionen in der Sache.
Es besteht doch Konsens zu den Kinderrechten in der Verfassung. Das wollten wir doch. Das ist in der Enquetekommission von allen Fraktionen gewollt gewesen, und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Meine Damen und Herren von der FDP, Sie zwingen uns mit dieser Gesetzesinitiative eine Debatte auf, in der es letztendlich nicht um Inhalte, sondern wahrscheinlich nur um das Wie geht.
Da kann Ihr Profilierungsbedürfnis letztlich der Sache schaden. Das habe ich vorhin schon einmal gesagt. Ich kann alle Kolleginnen und Kollegen quer durch die Fraktionen sehr gut verstehen, wenn sie sagen: Die haben sich wieder einmal nicht an die Vereinbarung gehalten, dann lassen wir sie eben auflaufen.
Für mich hat in der Tat der Inhalt, das Ziel einen größeren Stellenwert, nicht zuletzt auch wegen der vielen Vertreter von Verbänden, die immer wieder und immer wieder die Kinderrechte in der Verfassung thematisieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb lassen Sie uns das parlamentarische Foul der FDP diesmal beiseite schieben,
(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Das hat doch nichts mit Foul zu tun! – Zuruf der Abg.Nicola Beer (FDP))
und gehen wir in die inhaltliche Diskussion. Dabei fällt zuallererst auf, dass der Gesetzentwurf der Freien Demokraten eine weitgehende inhaltliche Übereinstimmung mit dem Gesetzentwurf auf der Bundesebene aufzeigt. Es ist durchaus beachtenswert, dass eine Partei, die in Berlin in der Opposition steht, einen Gesetzentwurf der Regierungspartei zum Teil übernimmt und zur Grundlage der Gesetzesinitiative auf der Landesebene macht. Okay, ich will das jetzt nicht weiter kommentieren. Es ist aber immerhin festzustellen, dass Sie in der Enquetekommission genau zu diesem Thema keine einzige Silbe geäußert haben.
Es bleiben da zumindest einige Fragen offen. In der Enquetekommission ist die Übereinstimmung zwischen den Fraktionen des Hessischen Landtags klar zum Ausdruck gekommen. Wir wollen auf diesem Konsens aufbauen. Deshalb haben wir die Formulierung aus der Kommission zur Grundlage eines Änderungsantrages gemacht, den wir heute vorlegen und der eigentlich von Ihnen allen inhaltlich mitgetragen werden kann.
Mit der Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung bekommt meines Erachtens das Verhältnis des Staates zum kleinen Kind und zur Gruppe der kleinen Menschen in ihrer Gesamtheit eine neue Qualität. Mit dem Kinderrecht in der Verfassung wird das Recht des Staates daran geregelt. Der Staat kann dann nicht mehr nur bei Gefahr im Verzug eingreifen, sondern er hat aktiv die Rahmenbedingungen für die erklärten Rechte der Kinder zu schaffen. Er hat Sorge für kindergerechte Lebensbedingungen zu tragen, weist der staatlichen Gemeinschaft Aufgaben zu, aktive Maßnahmen zu realisieren, Bedingungen zu schaffen und sie auch zu finanzieren.
Wir alle wissen, dass die Maßnahmenbündel beispielsweise zur Prävention von Gewalt gegen Kinder, vorsorgende Familienhilfe, Beratungsstellen und ausreichende Betreuungsplätze öffentliche Mittel notwendig machen. Wir wollen deutlich machen, dass wir uns durch den Verfassungsrang stärker in die Pflicht nehmen lassen wollen. Warum haben Sie genau den Punkt vom Bundesgesetz nicht mit abgeschrieben?
Den haben Sie weggelassen. Wir halten es für dringend notwendig,dass das,was unter dem Eindruck der teilweise unvorstellbaren Gewalt – das hat Herr Rentsch richtig angesprochen – gegen Kinder gerade in den letzten Monaten wieder sehr deutlich geworden ist, das Recht auf gewaltfreie Erziehung,in der Verfassung verbrieft sein muss.
Wenn Pädagogen und Psychologen eine grundsätzlich höhere Gewaltbereitschaft feststellen, wenn zu beobachten ist, dass die Hemmschwelle geringer und die Toleranz gegenüber Gewalt größer wird, dann kann aus der Ohrfeige von früher oder dem Rohrstock von damals heute viel, viel mehr werden. Die elterliche Erziehungsmaßnahme kann eskalieren, wenn Gewalt als Erziehungsmittel nicht völlig ausgeschlossen wird.
Ich will die gesellschaftlich akzeptierte Züchtigung von Kindern in der Vergangenheit keineswegs relativieren. Aber wir müssen ganz deutlich machen, dass Aussagen wie: „Eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet“, oder: „Ich habe auch jeden Tag Senge gekriegt,und trotzdem ist etwas aus mir geworden“, kein Gedankengut mehr sein dürfen. Es ist sozusagen das Einfallstor für Gewalt gegen Kinder und mehr.Deshalb gehe ich noch ein Stück weiter. Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit ist höher anzusiedeln als mögliches Elternrecht auf die Wahl von Erziehungsmethoden. Auch das wird durch die Aufnahme des Rechts auf gewaltfreie Erziehung in der Verfassung manifestiert.
Meine Damen und Herren, ich bin sicher, dass die überwiegende Mehrheit des Landtags darin übereinstimmt, dass Kinderrechte in die Verfassung aufgenommen werden sollen. Diese Forderung von vielen Menschen im Lande, gerade von denen, die sich aktiv und engagiert und meist ehrenamtlich jahrzehntelang für Kinder einsetzen, auch für das Verfassungsrecht, darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Ich glaube auch – das ist eigentlich der schlimmere Teil –, dass Sie das ein Stückchen mit provoziert haben. Und ich glaube, dass wir all diesen Menschen nicht erklären können, dass wir die inhaltliche Ausrichtung aufgrund einer verfehlten Vorgehensweise der FDP nicht mittragen können. Deshalb lade ich Sie alle ein, lassen Sie uns in die inhaltliche Entscheidung für Kindeswohl und Kindesschutz eintreten. Lassen Sie uns eine entsprechende Anhörung durchführen.
Allerdings frage ich zum Schluss – das interessiert mich –: Haben Sie den zeitlichen Ablauf tatsächlich mit berücksichtigt?
Das wird verdammt knapp. Ich glaube, da kriegen Sie wirklich ein echtes Problem. Das können Sie uns nicht mehr in die Schuhe schieben.
Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Kollegin Eckhardt, ich finde gerade den inhaltlichen Teil, der immerhin zwei Minuten der 15 Minuten ausgemacht hat, sehr spannend.
Sie haben sich hauptsächlich mit dem Thema beschäftigt, ob die FDP ein parlamentarisches Foul begangen hat oder nicht.
Erstens. Frau Kollegin Eckhardt, wir können nicht – jetzt müssen Sie mich ausreden lassen, ich habe Ihnen auch zugehört – ein Dreivierteljahr, nur weil Wahlen drohen, mit der inhaltlichen Arbeit im Hessischen Landtag aufhören.
Zweitens. Das Thema Familie und Kinder war kein Thema, das in der Enqueteverfassung diskutiert worden ist. Deshalb habe ich in meiner Begründung gesagt,
wir nehmen dieses Thema heraus,weil es nicht streitig sein sollte. Das Thema Kinderrechte war kein Thema, das in der Verfassungsenquetekommission diskutiert worden ist.
Drittens.Frau Kollegin,seit 1970 sind,wenn ich in der kurzen Zeit richtig recherchiert habe, mehrere Enquetekommissionen zur Verfassungsänderung an einer Fraktion gescheitert. Ich muss ehrlich sagen, dass die SPD in diesem Thema jetzt so auftrumpft, nach dem Motto, andere parlamentarische Fraktionen in diesem Haus würden hier Fouls begehen, ist nicht ganz angemessen.
Viertens. Meine Damen und Herren, das ist das Hauptargument. Frau Kollegin Eckhardt, Sie können doch nicht bestreiten und haben es selbst ausgeführt, dass es gerade in den letzten Monaten aktuell Fälle zum Thema Verwahrlosung und Gewalt, gar Tötung von Kindern gab und dass dann diese Gesellschaft, diese Landesregierung und die sie tragende Fraktion zum Handeln aufgefordert sind. Das wollen Sie doch nicht mit einem politischen KleinKlein negieren.
Meine Damen und Herren, es geht doch darum, dass wir dieses Thema zu unserem Thema machen. Wenn Sie es mittragen, ist es nicht nur ein Thema der FDP. Da brauchen Sie keine Angst zu haben. Dann ist das ein Thema, das wir alle als Fraktion tragen. Dann ist das auch – weil Sie es so formuliert haben – ein Wahlkampfthema der FDP.