(Mark Weinmeister (CDU): Das ist glatt gelogen! Das wissen Sie besser, und Sie erzählen es trotzdem! Das kann doch nicht wahr sein!)
Ich habe inzwischen eine richterliche Bestätigung für diesen Zustand an Hessens Schulen. Es gibt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel, bei dem es darum ging, ob Klassen in einer Grundschule zusammengelegt werden dürfen. Der Antrag wurde zwar abgelehnt, aber die Begründung im Urteil lautet:
Ausweislich der dem Gericht vom Ministerium vorgelegten Stundenbedarfs- und -bilanzrechnung für das Schuljahr 2007/2008 an Grund-,Haupt- und Realschulen besteht an der...
Eines wird daran deutlich: Die Ausnahmeregelung zur Klassenbildung wurde in Hessen schlicht und einfach zum Regelfall erhoben.
Die Folge sind vollgestopfte Klassen. Die Eltern konnten sich wirklich nur noch wundern, nachdem sie den Elternbrief des Kultusministeriums zur Kenntnis genommen hatten. Dort wurde der Anspruch auf bestmögliche Förderung formuliert.Mit Grundschulklassen mit 28 Kindern und Gymnasialklassen mit 33 Kindern werden Sie diesen Anspruch mit Sicherheit nicht erreichen.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Herr (CDU): Das kommt doch von Ihnen!)
Sie haben den Zuschlag für Fördermaßnahmen bei den Grundschulklassen von 2 auf 0,7 Stunden gekürzt. Sie haben auch die Zuschläge für das Berufsvorbereitungsjahr, das Berufsgrundbildungsjahr und die Berufsfachschulen an den beruflichen Schulen erneut gekürzt. Frau Kultusministerin, angesichts dieser Entwicklung bezweifle ich
sehr, dass Sie außer den amtlichen Rückmeldungen sehr viele positive Rückmeldungen aus allen Landesteilen vorlegen könnten.
Die Unterrichtsgarantie plus ist auf der schulpolitischen Großbaustelle in Hessen die größte Fallgrube. Die Kultusministerin hat offensichtlich noch nicht gemerkt, dass sie längst hineingefallen ist.
Allein mit den Kommentaren der Medien und den kritischen Briefen aus den Schulen und von Eltern könnte man 30 Minuten Redezeit locker füllen. Aber ich heiße nicht Herr Irmer. Deswegen will ich noch einmal zusammenfassen, was ich in der letzten Aktuellen Stunde zu diesem Thema gesagt habe.
Rund 8.190 Personen wurden im ersten Halbjahr für die Unterrichtsgarantie plus eingesetzt. Nur etwa 18 % davon, also 1.478 Personen, hatten die Befähigung zum Lehramt. Die anderen etwa 82 % sind Lehramtsstudenten, Menschen mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung jeglicher Richtung und Menschen ohne näher definierte Qualifikation. Diese Personen erteilten ca. 250.000 Vertretungsstunden, die, wie wir wissen, ab dem dritten Tag Fachunterricht zu sein haben. Diese Bilanz zeigt, welche Lücke hier zwischen Anspruch und Realität besteht.
Die Unterrichtsgarantie plus bedeutet weniger Qualität an Hessens Schulen. Die Unterrichtsgarantie plus ist das Verdecken der Tatsache, dass Sie nicht genügend Lehrkräfte dafür eingestellt haben. Die Unterrichtsgarantie plus führt auch zu einer Mehrbelastung der Kolleginnen und Kollegen und der Schulleitungen an den Schulen, die Sie mit bürokratischen Vorgängen überhäuft haben.
Sie haben Ihr Versprechen, für eine ausreichende Anzahl von Lehrern zu sorgen, längst gebrochen. Was Sie jetzt tun, geht letztendlich zulasten der Qualität, die an Hessens Schulen immer noch Bestand hat.
Zum Abschluss möchte ich auf den Antrag der SPD-Fraktion eingehen. Das Haus der Bildung der SPD will Chancengleichheit und bestmögliche Bildungsperspektiven für alle
mit frühkindlicher Bildung, mit Ganztagsschulen und mit Schulen, die in großer Selbstverantwortung darüber entscheiden, wie sie ihre Schülerinnen und Schüler fördern. Wir wollen Schulen, die sich dafür entscheiden, den Bildungsweg eines Kindes möglichst lange offenzulassen.
Wir wollen Schulen, die Kinder als individuelle Persönlichkeiten mit unterschiedlicher Entwicklung und vielfältiger Begabung gemeinsam fördern. Diese Schulen sollen sich freiwillig für diesen Weg entscheiden. Sie geben uns auch eine Antwort auf den Rückgang der Schülerzahlen, der es uns erschwert, in Zukunft ein breites Bildungsangebot mit allen Abschlüssen in allen Regionen für alle offenzuhalten.
Wenn Sie von Finnland etwas lernen wollen,dann sind die Motive, die dort zu einer neuen Schule geführt haben, näher zu betrachten.Wie bei uns wurden viel zu viele Kinder auf dem Bildungsweg zurückgelassen. Wie bei uns erreichten viel zu wenige einen hoch qualifizierten Schulabschluss. Wie bei uns führte die demografische Entwicklung zu Schulschließungen.
Wie bei uns begannen viele Politiker,Wissenschaftler und Pädagogen, darüber nachzudenken, wie man das besser machen könnte. Im Unterschied zu Hessen aber hat in Finnland auch die konservative Partei begonnen, nachzudenken. Man hat begonnen, darüber nachzudenken, wie man ein zukunftsfähiges Schulsystem schaffen kann, das den Begabungen und der Vielfalt der Kinder gerecht wird und das insgesamt zu höheren Leistungen führt.
Das ist der entscheidende Unterschied zu diesem Bundesland. Denn trotz Ihrer Besuche in Finnland hat das Nachdenken bei Ihnen nicht eingesetzt. Sie verharren lieber in Ihren Schützengräben ideologischer Schulkämpfe, über deren Rand die meisten von Ihnen schon lange nicht mehr hinausschauen können.
Inzwischen denken in der Bundesrepublik viele nach. Inzwischen denkt der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, über einen Systemwechsel nach und schreibt in der „Wirtschaftswoche“,dass dieses System – er meint damit das gegliederte Schulsystem – die Ungleichheit erhöhe, ohne den Durchschnitt zu verbessern. Deshalb gehöre es in den Abfalleimer der Geschichte.
Lothar Späth denkt im „Handelsblatt“ über ein neues Schulsystem nach und kritisiert das althergebrachte Dreiklassensystem. Der Deutsche Elternbeirat denkt nach. Rita Süssmuth denkt nach und fordert eine Schule für alle. VBE und GEW denken ebenfalls nach. Sogar in Österreich wird jetzt ein Modellversuch gestartet, um eine gemeinsame Schule und längeres gemeinsames Lernen einzuführen.
Wenn Sie sich aus diesen ideologischen Stricken nicht befreien, werden wir das letzte Land sein, in dem es nicht erlaubt sein soll, darüber nachzudenken, wie man Kinder bestmöglich fördert.Alle um uns herum haben gehandelt und werden handeln.
Unser Ziel ist eine gemeinsame Sekundarstufe für alle.Jedes Ziel erreicht man aber nur über einen Weg. Unser Weg heißt: überzeugen, werben, Schulen und Eltern mitnehmen und vor allem Bedingungen schaffen, um Schulen, die dies wollen, in die Lage zu versetzen, Kinder im gemeinsamen Unterricht bestmöglich zu fördern. Unser Weg heißt nicht die von oben verordnete Zerschlagung des Schulsystems. Deshalb ist Ihre Zwangseinheitsschule eine Zwangsvorstellung.
Sie sollten versuchen, endlich Ihre pawlowschen Reflexe in den Griff zu bekommen; denn das würde es erleichtern, dass auch Sie mit dem Denken beginnen. So könnten Sie
Frau Kultusministerin, zum Abschluss einer Schullaufbahn ist es üblich, ein Zeugnis zu erhalten. Für Sie kann es nur ein Abgangszeugnis sein, weil Sie mit Ihren Leistungen keinen qualifizierten Abschluss erreicht haben. Eigentlich ist eine Querversetzung aus dem Schulministerium höchst überfällig. Ihr letztes Schuljahr ist aber glücklicherweise bald zu Ende, Frau Ministerin.
Herr Präsident,meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich im Vorfeld der Nominierung des Herrn aus Finnland gefragt,weshalb der geschätzte Vizepräsident, Herr Kollege Quanz, nicht erneut als Schattenminister nominiert wurde, nachdem er bereits Mitglied des vergangenen Schattenkabinetts war. Vielleicht gab es eine zu große Nähe zum Gymnasium.Als Gymnasiallehrer hat er eine entsprechende Affinität. Also kann man das durchaus so akzeptieren.
Ich habe mich natürlich auch gefragt, weshalb Frau Kollegin Habermann nicht vorgeschlagen wurde. Liebe Frau Kollegin Habermann, nach dieser Rede ist mir aber klar, weshalb Sie das nicht geworden sind.
Frau Kollegin,wenn Sie etwas sagen,dann sollten Sie aber bei der Wahrheit bleiben. Sie haben vorhin behauptet, die Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses sei abgesagt worden, und damit insinuiert, dass die Regierung in irgendeiner Form Anteil daran gehabt hätte, dass diese Sitzung abgesagt worden ist. Frau Habermann, entweder Sie wissen es nicht, oder Sie sagen es bewusst falsch. Der Fachausschuss hat ausdrücklich und ohne jegliche Regierungsanordnung darum gebeten, dass diese Sitzung abgesagt wird. Ein neuer Sitzungstermin ist für November anberaumt. So weit zum Thema Wahrheit und Nichtwahrheit.
Ich habe nicht geglaubt, dass wir uns heute mit einem ideologischen Ladenhüter der Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts befassen müssen. Die politische Idee der integrierten Gesamtschule als Einheitsschule ist gescheitert.Das wissen all diejenigen,die in Hessen damit zu tun gehabt haben.
Herr Kollege Al-Wazir, bei Ihnen kann man auch sagen: Vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal und im ganzen Leben nichts geschafft.