Meine Damen und Herren, es geht doch darum, dass wir dieses Thema zu unserem Thema machen. Wenn Sie es mittragen, ist es nicht nur ein Thema der FDP. Da brauchen Sie keine Angst zu haben. Dann ist das ein Thema, das wir alle als Fraktion tragen. Dann ist das auch – weil Sie es so formuliert haben – ein Wahlkampfthema der FDP.
Uns geht es um das Thema. Uns geht es um die Kinder in diesem Lande und nicht darum, ob wir in irgendeiner Form ein Geplänkel zwischen den Fraktionen abhalten.
Natürlich geht es.Diese Sechzigtagesfrist,von der wir auszugehen haben, bedeutet, dass wir die Lesung im November machen. Natürlich könnten wir es dann machen.
Meine Damen und Herren, natürlich – das abschließend – bedürfen jedes Gesetz und jede Initiative, die wir einbringen,einer Vorbereitung in den Fraktionen.Es hat auch bei uns eine Debatte gegeben. Glauben Sie nicht, dass wir mit so einem Thema erst gestern angefangen haben. Wir haben uns lange in der Fraktion zu diesem Thema beraten.
Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es das Thema Kinderrechte verdient, vor der Landtagswahl behandelt zu werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt grundsätzlich die Intention, die Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen. Die Bundestagsfraktion von uns hat eine entsprechende Initiative für das Grundgesetz laufen. Wir wissen, dass einige andere Bundesländer bereits gehandelt haben. Von daher sind wir da mit Herrn Rentsch und der FDP durchaus in der gleichen Richtung.
Vielleicht darf ich aber auch dazusagen, dass die Enquetekommission Verfassung hier schon angesprochen wurde und – ich habe mich gerade erkundigt – die Frage,die Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen, dort Konsens war, und zwar von allen Fraktionen geteilt. Herr Kollege Rentsch, von daher wäre es ganz gut gewesen, in der Vorbereitung auch diese Unterlagen einmal anzuschauen. Auf jeden Fall kann man nicht unterstellen, dass eine Fraktion des Hauses nicht bereit gewesen wäre, sondern in der Verfassungskommission war das Konsens.
Ich finde es ausgesprochen bedauerlich, dass es damals nicht gelungen ist, die Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen, weil gerade bei dem Blick, wie wir Kinder heute sehen, deutlich wird, welcher Reformbedarf für eine Modernisierung der Hessischen Verfassung vorliegt. Wir haben eine Verfassung, die in den Grundzügen 1946 auch die Gedankenbilder von 1946 abbildet. Damals spielten Kinder als eigenständige Rechtssubjekte, als eigenständige Persönlichkeiten keine Rolle. Man kann niemandem einen Vorwurf machen, sondern nur konstatieren, dass sich in diesen vielen Jahrzehnten einiges geändert hat und der Blick auf Kinder anders geworden ist – zum Glück, muss man dazusagen.
In der Verfassung werden die Kinder lediglich als Objekte,in einer passiven Rolle im Bereich der Fürsorge und Erziehung beschrieben. Aber Kinder dürfen nicht Objekte des Handelns sein, sondern ihnen stehen die gleichen Menschenrechte wie auch den Erwachsenen zu. Deswegen haben sie auch Verfassungsrang, was die Menschenrechte angeht.
Sie haben ein Recht darauf, dass entwicklungsbedingte Gesichtspunkte wie Schutzbedürftigkeit und Anspruch auf Förderung in der Verfassung verankert werden. Deswegen ist unsere Intention, das in die Verfassung aufzunehmen, wichtig. Ich fände es wirklich sehr schade, wenn sich herausstellen sollte, dass es aus formalen Gründen nicht mehr möglich ist, bis zur Landtagswahl die Verfassungsänderung entsprechend einzuleiten. Das werden wir aber noch im Detail zu prüfen haben.
Die Rechte von Kindern werden auf vielen Rechtsgebieten inzwischen allgemein als Ordnungsrahmen akzeptiert, auch mit Blick auf das Kindeswohl. Die UN-Kinderrechtskonvention ist hier vorangegangen. Auch Deutschland hat diese Konvention inzwischen ratifiziert. Die Rechte von Kindern haben auch Eingang in den Entwurf für eine europäische Verfassung gefunden. Von daher stellt sich die Frage: Warum sind sie nicht Bestandteil der Hessischen Verfassung?
Die Rechte von Kindern haben einen Platz in der Verfassung. Wir müssen aber aufpassen, denn mit ihrer Aufnahme in die Verfassung ist es meines Erachtens nicht getan. Wir müssen auf allen Politikfeldern konsequenter darauf achten, welche Bedürfnisse Kinder haben und wie wir die Politik an den Bedürfnissen von Kindern ausrichten können.
Dazu gehört das Ausräumen von Barrieren in der praktischen Politik für die Kinder, die durch soziale oder kulturelle Herkunft benachteiligt sind. Hier versagt unser Bildungssystem. Das haben wir heute Morgen wieder einmal gehört. Auch andere Bereiche der Politik verfehlen diese Zielsetzung.Wir müssen z. B. in der Umweltpolitik, in der Gesundheitspolitik und bei der Sicherung materieller Bedürfnisse sehr viel stärker auf die Rechte von Kindern achten, als wir es bisher tun. Das ist nicht allein durch eine Änderung der Verfassung zu erreichen.
Das moderne Weltbild nimmt Kinder als Personen, als gleichberechtigte Subjekte mit eigenständigen Rechten und Bedürfnissen gegenüber Erwachsenen wahr. Deshalb sind wir für eine Stärkung der Rechte von Kindern, für ihre Aufnahme in die Verfassung. Ich sage aber noch einmal: Die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung alleine ändert für kein einziges Kind die Situation hier in Hessen. Daher müssen wir prüfen, welche weiteren infrastrukturellen Maßnahmen notwendig sind, damit Kinder ihre Rechte wahrnehmen können.
Kinder sind von Geburt an eigenständige Persönlichkeiten. Sie zu schützen, zu fördern und ihre persönliche Entwicklung zu unterstützen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deswegen muss sie auch gesamtgesellschaftlich angegangen werden.
Die Eltern haben die Erziehungsverantwortung, aber auch der Staat ist gefordert, sich auf die Belange von Kindern einzustellen. Dazu gehört die Schaffung von bedarfsgerechten, hochwertigen Angeboten im Bereich von Betreuung und Bildung, dazu gehört aber auch eine auskömmliche materielle Unterstützung. Wir hören immer wieder, wie viele Kinder in unserer Gesellschaft in zuneh
mender Armut leben. Die Bekämpfung dieser Armut gehört zu den Aufgaben der Sozialpolitik. Daher ist es mit der Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung alleine nicht getan.
Kinder haben einen Anspruch auf die Schaffung von Verhältnissen, die ihre persönliche Entwicklung fördern und ihnen möglichst optimale Perspektiven eröffnen. Deswegen müssen wir die Kinder in den Mittelpunkt der Politik stellen. Ich denke, dass gerade wir GRÜNEN als Partei dafür bekannt sind, dass wir genau dies tun, nämlich die Kinder in den Mittelpunkt von Politik zu stellen.
Kinder brauchen nicht nur ihre Eltern, sondern sie brauchen ein Gemeinwesen, das seiner Verantwortung nachkommt, die Bedingungen für das Aufwachsen der Kinder zu verbessern. Nur ein kinderfreundliches Land kann zukunftsfähig sein. Wir alle stehen in der Verantwortung – dieser Landtag, aber auch die Landesregierung.
Sie kennen das Sprichwort: Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen. – Das kann man übertragen und sagen: Man braucht ganz Hessen, um ein Kind großzuziehen. Daran sollten wir alle arbeiten.
Erlauben Sie mir deshalb, dass ich die Ebene der Verfassung verlasse, um auf konkrete Situationen einzugehen, die entsprechend gestaltet werden müssen und um die es in der Landespolitik letztendlich geht. Die Bilanz nach fünf Jahren der Regierung Koch sieht tatsächlich düster aus.Wenn wir uns die Finanzierung von Bildungs- und Betreuungsangeboten anschauen, wenn wir uns den Ausbau von Ganztagsschulangeboten ansehen, wenn wir uns die Mittel für Erziehungsberatung und Familienbildung ansehen, die in der „Operation düstere Zukunft“ auf null gesetzt wurden, und wenn wir bedenken, dass wir bis heute kein funktionierendes und koordinierendes Hilfe- und Beratungssystem, insbesondere für Risikofamilien, haben, dann sehen wir die Defizite, die wir auf der Handlungsebene der Politik haben. Deshalb müssen wir zwar auch über die Verfassung reden, aber wir müssen vor allem darüber reden,wie wir den Kindern tatsächlich Hilfen zur Verfügung stellen können.
Minister Weimar hat den Haushaltsentwurf für das Jahr 2008 vorgelegt.Auch an diesem Entwurf ist wieder einmal deutlich geworden,dass nicht geplant ist,die Mittel für die Familien- und Kinderförderung, für Betreuung, Erziehung und Bildung sowie für eine konkrete individuelle Förderung bestimmter Kinder aufzustocken. Deswegen ist es notwendig, dass wir dafür sorgen, dass wir in der Sozialpolitik wieder zu verlässlichen Formen der Beratung und der Unterstützung einzelner Kinder und Familien kommen. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch die Unterstützung der Kommunen wichtig, wie wir sie mit dem von uns vorgeschlagenen Sozialbudget vorsehen.Wir fordern also eine langfristige Sicherung finanzieller Zusagen an die Träger, die hervorragende Arbeit leisten und seit ungefähr drei Jahren zu knapsen haben, weil die Landesmittel in diesem Bereich auf null gekürzt worden sind.
Wir brauchen mehr konkrete Handlungsansätze für Kinder in der Politik.Am Anfang dieses Jahres haben wir ein Landesprogramm betreffend Elternkompetenz und Kin
deswohl in diesem Hause eingebracht.Ich meine,dass solche Programme geschaffen werden müssen, die ganze Maßnahmenbündel und auch niedrigschwellige Hilfen nicht nur für Kinder, sondern auch für ihre Eltern umfassen, die sich zum Teil ebenfalls in einer Notlage befinden. Wir brauchen sehr viel mehr konkrete Hilfen für Kinder und Familien. Wir brauchen keine leeren Worte. Deshalb kann die Aufnahme der Rechte von Kindern in die Verfassung nur mit dem politischen Willen einhergehen, tatsächlich eine Politik für die Kinder und die Familien in unserem Land zu betreiben.
Deswegen sage ich: Die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung darf kein Feigenblatt für eine nicht vorhandene Politik sozialer Gerechtigkeit sein. Wir werden uns den Antrag der SPD-Fraktion und auch den Gesetzentwurf der FDP-Fraktion noch einmal genau anschauen. Ich bin mit beiden Initiativen bislang nicht besonders glücklich, aber der Antrag der SPD-Fraktion hat wenigstens noch einmal deutlich gemacht – und Frau Eckhardt hat es gerade ausgeführt –, dass die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung kein Feigenblatt sein darf. Von daher gesehen sind Formulierungen in der Verfassung, die auf konkrete Handlungen und Erwartungen gerichtet sind, durchaus sinnvoll.
Ich teile an einem weiteren Punkt die Auffassung des Kollegen Rentsch nicht. Ich glaube nicht, dass es unwiderruflich so ist, dass die Partizipation von Kindern, das Mitreden von Kindern, das Sich-Gehör-Verschaffen immer schwieriger werden. Ich bin völlig Ihrer Auffassung, dass wir mehr Partizipationsrechte für Kinder brauchen, dass wir Jugendliche und Kinder sehr viel stärker als bisher und auch mit mehr Rechten in Entscheidungen einbeziehen sollten, die sie angehen. Hier gibt es großen Handlungsbedarf.
Obwohl wir feststellen müssen, dass die Zahl der Kinder kontinuierlich sinkt, sagt nach wie vor die überwiegende Mehrheit der jungen Menschen, dass sie Kinder haben wollen. Demnach hätten wir eine Geburtenrate von fast zwei Kindern pro Frau – das ist die statistische Größe –, aber wir müssen feststellen, dass die erforderliche Infrastruktur fehlt und dass sich deshalb viele junge Menschen nach wie vor gegen Kinder entscheiden.Auch das ist eine Entwicklung,die nicht vom Himmel fällt.Hier müssen wir handeln. Es nützt nichts, wenn das nur in der Verfassung steht. Junge Familien brauchen sehr viel mehr Unterstützung und Hilfestellungen seitens der Landesregierung, seitens der Kommunen, seitens der Politik in unserem Land.
Lassen Sie mich zum Ende kommen. Ich hatte bereits gesagt, die Stärkung der Rechte der Kinder ist die eine Sache, aber ohne eine aktive Sozialpolitik, ohne eine aktive Bildungspolitik, ohne eine Umwelt- und Wohnungspolitik bleibt das alles nur Makulatur. Hinweise auf die unzureichende Erfüllung konkreter Belange sind eigentlich überflüssig. Es gilt, endlich zu handeln. Wir brauchen keine oberflächlichen Äußerungen, mit denen wir uns gegenseitig fertigmachen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal einen Bogen zum Anfang schlagen. Wenn wir die Rechte von Kindern