Protocol of the Session on September 4, 2007

Hessen motiviert. Es ging in Niedersachsen auch darum, die Hochschullandschaft insgesamt neu zu ordnen.

Aber Sie müssen doch zur Kenntnis nahmen, dass an hessischen Hochschulen die Befürchtungen groß sind, dass die Freiheit von Forschung und Lehre leidet, dass die innere Verfasstheit der Hochschulen zu sehr auf Führung und zu wenig auf Kompetenz der Hochschulmitglieder setzt.

Es besteht die Befürchtung, dass der Hochschulrat, so wie ihn das CDU-Gesetz vorsieht, einen ungünstigen, unangemessenen Einfluss erhält.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke auch, dass wir alle gemeinsam die Befürchtung der Beschäftigten ernst nehmen müssen, dass ihre Rechte beschnitten werden. All diese Befürchtungen nehmen wir ernst, aber der uns jetzt vorliegende Gesetzentwurf der CDU-Fraktion und der CDU-Landesregierung tut das nicht.

Deshalb fordert die SPD in ihrem Begleitantrag: „Der Hessische Landtag spricht sich gegen eine Privatisierung hessischer Hochschulen aus.“ Wir sind der Auffassung, „dass die Hochschulen des Landes Hessen nach qualitativen Kriterien weiterentwickelt und modernisiert werden müssen“. Deshalb sage ich genauso deutlich: In diesem Zusammenhang „ist zu prüfen, ob Universitäten“ – und speziell die Johann Wolfgang Goethe-Universität – „in öffentlicher Verantwortung auch als öffentlich-rechtliche Stiftungen organisiert werden können“.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die SPDFraktion sage ich denjenigen, die innerhalb der Johann Wolfgang Goethe-Universität verantwortungsvoll an diesem Prozess arbeiten: Ja, wir sind bereit, den Weg einer Stiftungsuniversität zu gehen, und zwar unter Formulierung unserer Eckpunkte, die in dem Antrag niedergelegt sind. Jetzt ist die spannende Frage, ob die CDU auch bereit ist, diesen Weg zu gehen. Ich richte mich bewusst an die Johann Wolfgang Goethe-Universität und nicht an die CDU, obwohl sie hier im Landtag noch die Mehrheit hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir betreiben dieses Spiel mit der dritten Lesung doch nicht deshalb, weil wir einen Gesetzentwurf verzögern wollten, sondern weil zwischen dem heutigen Tag, der Beratung in zweiter Lesung, und dem avisierten Termin der dritten Lesung noch einige wichtige Beratungen innerhalb der Johann Wolfgang Goethe-Universität anstehen, nämlich die Beratungen in der Senatskommission und dem Senat. Dort werden die Grundzüge für eine Grundordnung der Johann Wolfgang Goethe-Universität gelegt, und ich finde, dass dies mit diesem Gesetzentwurf verwoben gehört.

Das synchrone Verfahren zwischen den Grundordnungsdiskussionen innerhalb der Hochschulen und dem Gesetzgebungsverfahren war der Schlüssel für die erfolgreiche Beratung des TUD-Gesetzes. Was die CDU momentan anregt, ist genau das Gegenteil. Sie versperren diesen Weg, wenn Sie sich nicht dem öffnen, was im Übrigen auch innerhalb der Johann Wolfgang Goethe-Universität gesagt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will für die SPD-Fraktion noch einmal feststellen, was unsere Prüfsteine sind:

Erstens. Die Freiheit von Forschung und Lehre ist im jetzigen Gesetzentwurf nicht hinreichend gesichert. Die Kontrolle und die Steuerungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand als Gewährträger hierfür sind nicht hinrei

chend gegeben. Umgekehrt besteht die Gefahr einer zu großen Einflussnahme privater Dritter, die durch Zustiftung und die Bereitstellung von Drittmitteln Mitwirkungsansprüche ableiten könnten.

Zweitens. Die gesetzlichen Regelungen, die derzeit in der Diskussion sind, beinhalten keine hinreichende Absicherung einer inneren demokratischen Verfasstheit. Deshalb ist es erforderlich, dass parallel zum Gesetzgebungsverfahren ein Grundordnungsverfahren angeregt wird, in dem die organisatorische Ausgestaltung der Stiftungsuniversität belegt wird. Dieses Grundordnungsverfahren ist zwar uns allen, denke ich, in seinen Eckpunkten bekannt, es liegt aber bisher nicht einmal ein schriftlicher Entwurf vor.

Drittens. Der Gesetzentwurf enthält nach dem Vorbild der Modelluniversität Darmstadt einen Hochschulrat mit weit reichenden Kompetenzen. Dies hat sich als falsch erwiesen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit Verlaub: Wenn Sie in die Johann Wolfgang Goethe-Universität genau hineinhören, werden Sie feststellen, dass man sowohl im Präsidium als auch im Senat die dort festgelegte Regelung nicht will. Deshalb rufe ich Sie auf, auch davon Abstand zu nehmen.

Schließlich muss im Hinblick auf die Finanzierung der Stiftungsuniversität sichergestellt werden, dass dies nicht zur Benachteiligung anderer Hochschulen in Hessen führt.Die derzeitigen Planungen gehen allerdings im Hinblick sowohl auf die Behandlung von Zustiftungen wie auch auf die Bereitstellung des erforderlichen Stiftungskapitals vom Gegenteil aus. Dies muss korrigiert werden.

Wir brauchen, ich habe es schon gesagt, dringend eine synchrone Verfassung einer Grundordnung, parallel zum Gesetzgebungsverfahren. Deshalb beantrage ich namens der SPD-Fraktion – wie auch Frau Beer für die FDP-Fraktion, was sie mir gerade zugerufen hat – die dritte Lesung dieses Gesetzentwurfs. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Siebel. – Zu einer Kurzintervention darf ich Frau Kühne-Hörmann das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Siebel, ich will nur darauf hinweisen, dass in der Senatssitzung über die Grundordnung zwar parallel diskutiert, aber nicht entschieden werden kann, solange das Gesetz nicht beschlossen worden ist. Deshalb ist eine Begründung für eine dritte Lesung mit der parallel dazu initiierten Diskussion über die Grundordnung aus meiner Sicht nicht legitim. Das Gesetz muss erst beschlossen werden, bevor über die Grundordnung endgültig entschieden werden kann. Die Vorüberlegungen sind bereits erfolgt. Deswegen ist das aus meiner Sicht keine Begründung für eine dritte Lesung.

Herr Siebel, Sie haben Gelegenheit zur Antwort. Bitte.

Frau Kühne-Hörmann, zwei Anmerkungen hierzu. Erstens. Es war beim TUD-Gesetz möglich, das Verfahren exakt parallel durchzuführen. Die Sitzung der Hochschulversammlung an der Technischen Universität Darmstadt war exakt auf den Tag terminiert, an dem die dritte Lesung stattfinden sollte. Nach meiner Erinnerung war es das Versäumnis des Landtags selbst, dass sie dann doch erst einen Monat später stattgefunden hat.

(Zuruf der Abg. Nicola Beer (FDP))

Das heißt, im Vorbildfall ist es möglich gewesen. Sie wissen auch ganz genau, dass es an diesem Punkt im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst eine sehr, sehr enge Zusammenarbeit zwischen den Sprechern der vier im Hessischen Landtag vertretenen Fraktionen und dem Präsidenten gegeben hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie es für richtig halten, dass es an diesem Punkt ein Einvernehmen gibt – ich weiß, dass dies zumindest das Begehren der Johann Wolfgang Goethe-Universität ist –,dann müssen Sie, die Sie jetzt nun einmal – bedauerlicherweise, wie ich persönlich meine – die Mehrheit hier haben, die Voraussetzungen vonseiten des Parlaments dafür schaffen, dass dies möglich wird, und nicht einfach sagen, das gehe nicht. An anderer Stelle wurde es schon praktiziert, und es hat sich gezeigt, dass es geht. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Danke, Herr Siebel. – Für die Landesregierung hat sich Herr Staatsminister Corts zu Wort gemeldet. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der vorliegenden Novelle, die wir heute in zweiter Lesung beraten, werden drei Ziele erreicht, die jeweils einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Hochschulen leisten: erstens die Möglichkeit zur Übernahme des TUDModells für alle Hochschulen, und zwar angepasst an die jeweilige administrative Leistungsfähigkeit – hier gibt es natürlich die Ausnahme für Baumaßnahmen, auf die ich später zu sprechen kommen werde – und den von der Hochschule gewünschten Zeitpunkt; zweitens die Umwandlung der Universität Frankfurt in eine Stiftungsuniversität entsprechend ihrem eigenen, von einer breiten Mehrheit getragenen Wunsch; drittens Flexibilisierung der Regelungen für das wissenschaftliche Personal einschließlich Tenure Track für Juniorprofessoren.

Meine Damen und Herren, damit wird der mit dem TUDGesetz in Hessen eingeschlagene Weg konsequent fortgesetzt, indem sowohl ein erfolgreiches Modell für alle Hochschulen geöffnet als auch ein jedenfalls für Frankfurt Erfolg versprechendes Modell neu geschaffen wird. Im Ergebnis werden künftig in Hessen drei grundsätzliche Modelle autonomer Hochschulen gleichberechtigt nebeneinander stehen können. Dieser Weg stieß in der Anhörung ganz überwiegend auf Zustimmung. Eine Reihe von Hinweisen und Anregungen ist im Antrag der CDU-Fraktion aufgegriffen und umgesetzt worden.

Dazu gehört die Erweiterung der Exmatrikulationsmöglichkeiten bei Gewaltanwendung. Liebe Frau Sorge, dies war in der Anhörung von einer überwiegenden Mehrheit der Hochschulvertretung unter Nennung von Fallbeispielen gewünscht worden und ist nach wie vor topaktuell. Das wird auch von mir ausdrücklich begrüßt. Es ist meines Erachtens reine Ideologie, wenn Sie in Punkt 3 sagen, damit sollten unliebsame Studenten exmatrikuliert, also herausgeschmissen werden.

Außerdem ging es um den Ausschreibungsverzicht bei W 2- und W 3-Hausberufungen im Zuge von Bleibeverhandlungen. Dies ermöglicht es den Hochschulen, im Wettbewerb um hervorragende Wissenschaftler flexibler zu agieren.

Herr Staatsminister, Frau Kollegin Sorge möchte eine Zwischenfrage stellen.

Nein, sie soll jetzt erst einmal zuhören. Ich habe ihr einiges zu erzählen.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Daneben wurden die Regelungen für die Stiftungsuniversität an einigen Punkten modifiziert: Anpassung der Regelung des Stiftungszwecks an die Stellungnahme des Rechnungshofs; Ausschluss der Anwendung von § 99 HHG – da geht es um das Finanzwesen für die Stiftungsuniversität und den jährlichen Bericht des Präsidenten –; Einbeziehung von Vertretern des Senats in die Findungskommission zur Präsidentenwahl; Erweiterung des Personenkreises und Abberufungsmöglichkeit im Hochschulrat der Stiftungsuniversität; Festsetzung der Zulassungszahlen durch die Stiftungsuniversität.

Meine Damen und Herren, eine sachlich fundierte Auseinandersetzung mit uns über diesen Gesetzentwurf hätte ich mir sehr gewünscht. Die Mehrheitsfraktion hat jedenfalls ihren Teil dazu beigetragen. Hierfür möchte ich mich sehr herzlich bedanken.

(Axel Wintermeyer (CDU): Gerne!)

Leider aber verfehlt die Opposition mit ihren immer wiederkehrenden Lamenti dieses Ziel deutlich. Frau Beer, ich weiß, dass die Opposition mitunter in der misslichen und frustrierenden Situation ist,

(Nicola Beer (FDP): Ich bin weit davon entfernt, frustriert zu sein, Herr Minister!)

ein an sich unterstützenswertes Vorhaben einer Landesregierung auf irgendeine Weise krampfhaft mit eigenem Profil versehen zu müssen.

(Nicola Beer (FDP): Ich habe wenigstens welches!)

Das kann natürlich auch in Form eines eigenen Gesetzentwurfs geschehen, wie in diesem Fall. Mit dem Gesetzentwurf der FDP hat aber Schaufensterpolitik eine neue Dimension erreicht.

(Zurufe von der FDP: Na, na, na!)

Angesichts der doch ganz weit gehenden Übernahmen – man könnte auch sagen: des Abschreibens; Frau Kühne

Hörmann hat hierauf schon hingewiesen – unseres Entwurfs hätte ein Änderungsantrag völlig ausgereicht.

Damit hätte man aber kaum die für eine Pressekonferenz erforderliche Resonanz erzielt.Vor allem hätte man nach der zu erwartenden Niederlage bei der Abstimmung über den Änderungsantrag Farbe bekennen müssen, ob die FDP-Fraktion den Mehrheitsentwurf mitträgt oder nicht.

(Nicola Beer (FDP): Das haben wir schon gesagt: nein!)

Es reicht der FDP-Fraktion nämlich nicht, bei der Beschlussfassung über den Gesetzentwurf nach Abschnitten getrennt abzustimmen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP):Das ist doch unsere Angelegenheit! Wir waren halt fleißig!)

Aber es ist rechtlich möglich, im Gegensatz zu dem, was Frau Beer vorhin gesagt hat. Sie brauchen nur in § 16 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags nachzuschauen. – Nein, die Ablehnung eines Teils des Gesetzentwurfs wird so aufgebauscht, dass man sich nicht zu einem Einvernehmen in der Lage sieht.Aber auch das ist natürlich eine Entscheidung der autonomen FDP-Fraktion.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): So ist es!)

Nicht logisch und nicht nachvollziehbar ist aber, dass man der CDU-Fraktion vorwirft, dass sie die von der FDP ungeliebten Teile des Gesetzentwurfs nicht abtrennt, und ihr dann mangelnde Bereitschaft zum Einvernehmen vorwirft. Das verkehrt die Verantwortlichkeiten. Wer sich an der inhaltlichen Diskussion über einen eingebrachten Gesetzentwurf beteiligen will, kann das mit Sicherheit auch auf Teile des Gesetzentwurfs beschränken. Aber zu verlangen, dass der Einbringende bzw. die einbringende Mehrheit die von dem Beitretenden ungeliebten Teile entfernt,ist nicht wirklich nachvollziehbar.Sie kennen das Gleichnis vom Hund und seinem Schwanz.

(Zurufe von der FDP)