Protocol of the Session on May 3, 2007

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht: Wilhelm Dietzel und ich treten in unseren jeweiligen Verantwortungsbereichen nachdrücklich dafür ein, dass wir bei den erneuerbaren Energien ein Maximum erreichen.

(Beifall bei der CDU)

Diese Landesregierung hat, im Unterschied zur früheren rot-grünen Landesregierung, erstmals ein klares Ziel formuliert, das da lautet: Im Jahr 2015 soll der Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieversorgung mindestens 15 % betragen.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Jetzt ist die Lebenslüge endlich bewiesen! Das ist sensationell!)

Herr Schmitt, wenn Sie jetzt zuhören, lernen Sie etwas dazu.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das ist nicht zu erwarten!)

Was die Stromerzeugung betrifft,so wissen diejenigen,die sich mit diesem Thema ernsthaft beschäftigen, dass Stromversorgung nicht gleich Stromversorgung ist. Vielmehr müssen wir zwischen Grundlast-, Mittellast- und Spitzenlastversorgung differenzieren. Ich spitze die folgende Frage etwas zu: Glauben Sie, dass Sie die Grundlastversorgung mit erneuerbaren Energien sicherstellen können,z.B.in Form von Solarenergie oder Windenergie? Das ist eine rhetorische Frage, die ich jetzt in den Raum stelle. Sie können sie selbst beantworten.

Um eine sichere Energieversorgung der Betriebe und Unternehmen zu gewährleisten, brauchen wir eine ausrei

chende Grundlastversorgung. Nur so kann der Standort Deutschland gesichert werden. Derzeit kann die Grundlastversorgung nur durch die Verwendung von Kernenergie und Kohle geleistet werden. Die aus Gas gewonnene Energie hat mit 10 % sowieso nur einen geringen Anteil an der Energieversorgung, und Gaskraftwerke werden, wie wir in Wiesbaden erleben, inzwischen durch Kohlekraftwerke ersetzt; denn mittlerweile kann mit aus Gas gewonnener Energie selbst die Mittellastversorgung nicht mehr garantiert werden.

Herr Al-Wazir – was auch immer Ihre Geste ausdrücken soll –,

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich schüttele den Kopf!)

ich lege Ihnen eine Liste mit allen Planungsüberlegungen für Hessen vor. Sie enthält die Namen der Standorte – unter anderem Mecklar –, an denen ausländische Energieversorger z. B. den Bau von gasbetriebenen Kraftwerken planten, dann aber die Planung auf Eis gelegt haben, da dies aufgrund der stark gestiegenen Gaspreise wirtschaftlich nicht mehr darzustellen war. Das ist die Realität. Deswegen kann ich nur raten, dass wir in dieser Frage sehr rational vorgehen.

Lassen Sie mich noch einen Punkt hinzufügen. Ich denke, dass gerade ich nicht im Verdacht stehe, ein Freund der großen Energiekonzerne zu sein.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na ja, Sie arbeiten daran!)

Aber auch an diesem Beispiel wird klar, was unser Ziel bedeutet, zu mehr Wettbewerb in der Energiewirtschaft zu kommen. Nicht zuletzt zeigt sich das daran, über welchen Standort wir gerade diskutieren. Wir haben nämlich deutlich gemacht, dass die Energiepreise in Deutschland nicht allein deshalb so hoch sind, weil sich der Staat den größten Anteil, nämlich 40 %, nimmt, sondern dass es auch damit zusammenhängt, dass vier große Konzerne ihre durch die Konzentration gewonnene Macht schamlos ausnutzen.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Sie stärken das doch gerade!)

Aber warum ist das so? Das ist so, weil wir hier, im Unterschied zu den meisten anderen Wirtschaftszweigen, ein Phänomen festzustellen haben, das die Ökonomen als „Marktzutrittsschranke“ bezeichnen. Das heißt nichts anderes,als dass es sehr schwierig ist,überhaupt einen neuen Standort zu finden, der es alternativen Anbietern ermöglicht, auf den Markt zu kommen.

Meine Damen und Herren, auch hier stelle ich Ihnen wieder die rhetorische Frage: Wie schwer muss es sein, einen neuen Standort für ein – wie auch immer geartetes – Kraftwerk zu finden, wenn es an den sogenannten eingefahrenen Standorten so schwer ist, Neuerungen vorzunehmen?

Herr Grumbach, lassen Sie mich zum Schluss eines Ihrer Stichwörter aufgreifen. Ich freue mich sehr, dass Sie das Stichwort „Versteigerung der CO2-Zertifikate“ hier so positiv bewertet haben und damit endlich auch die Hessische Landesregierung, die diese Forderung seit einem Jahr erhebt, unterstützen. Diese Unterstützung seitens der SPD und der GRÜNEN gab es nicht immer; denn sonst hätten Sie während der letzten Zertifikatsperiode diese Zertifikate nicht an die großen Konzerne ver

schenkt, damit diese zulasten der Menschen Extragewinne realisieren konnten, sondern Sie hätten sie schon damals versteigern lassen.

Die Hessische Landesregierung vertritt diese Auffassung nachdrücklich und fordert die Bundesregierung – Herrn Minister Gabriel – auf, gerade in einer Zeit, da Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft innehat, dafür zu sorgen, dass es jedem Nationalstaat freigestellt wird, über die Versteigerungsrate von 10 % hinaus Versteigerungen vorzunehmen. Das könnte sogar bis zu 100 % gehen. Es handelt sich dabei um Extragewinne in der Höhe von mindestens 5 Milliarden c pro Jahr. Diese Extragewinne sollten wir den großen Konzernen nehmen, um damit die Stromsteuer zu senken und den Strompreis für die Menschen in Deutschland zu reduzieren.

Schließen Sie sich dieser Forderung an. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dazu beitragen würden, dass dies umfänglich gelingt.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zum Schluss. Erstens. In dieser Debatte ist deutlich geworden, dass die Landesregierung die Sorgen der Menschen rund um den Standort Staudinger, aber auch die Sorgen der Menschen, die in der Nähe von anderen Standorten leben,ernst nimmt,alle diese Fragen offen aufgreift und einen betreffenden Antrag – wenn er denn vorgelegt wird – gemäß diesen Kriterien vorurteilsfrei prüft.

Zweitens ist im Laufe dieser Debatte deutlich geworden – damit komme ich zu meinem Ausgangspunkt zurück –, dass diejenigen,die heute mit dem Hinweis auf alternative Energien ein sofortiges Abschalten der Kernkraftwerke fordern, zwangsläufig in die Sackgasse Kohle hineinlaufen.

(Norbert Schmitt (SPD): An welcher Debatte haben Sie denn heute teilgenommen?)

Das heißt, Sie erkennen heute selbst, dass, wer A sagt – nämlich Nein zur Kernenergie –, dann auch B sagen muss, also Ja zur Kohle.

Herr Minister, ich gebe Ihnen den freundlichen Hinweis, dass die Redezeit der Fraktionen abgelaufen ist.

Die Debatte hat auch gezeigt, dass Ihnen noch so viel Polemik nicht dabei hilft, den grundlegenden Konflikt, der Sie in diese Sackgasse geführt hat, zu bereinigen und dadurch aus dieser selbst gewählten Sackgasse zu entkommen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Rhiel. – Nun hat sich Herr Grumbach,SPD-Fraktion,noch einmal zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich nehme zur Kenntnis, was die Landesregierung unter „vorurteils

freier Prüfung“ versteht. „Vorurteilsfreie Prüfung“ heißt: Wir, die Landesregierung, entscheiden in einem abgestimmten Energiebericht, dass wir das Kraftwerk wollen, und dann prüfen wir, wie das geht. – Das ist in der Tat eine vorurteilsfreie Prüfung.

(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD), an Herrn Minister Dr. Alois Rhiel gewandt: Gucken Sie doch einmal in den Energiebericht hinein!)

Herr Minister Dr.Rhiel,ich finde es auch sehr interessant, dass Sie gesagt haben, die Landesregierung laufe an der Spitze derjenigen, die sich den erneuerbaren Energien zuwenden. Das ist richtig; denn es ist Ihre Funktion, das umzusetzen.Mein Problem ist nur:Warum laufen Sie so langsam, dass Sie alle hinter sich, die Sie überholen wollen, am Vorbeikommen hindern? Ich glaube, dies ist das Problem, um das es geht. In Hessen gibt es Unternehmen, die über das hinausgehen, was Sie angeschoben haben. Sie hindern sie, auch mit Ihrer Politik bezüglich der Windkraft, daran, noch weiter zu kommen.Wir alle wissen das.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: So ein Quatsch!)

Zertifikatsversteigerungen brauchen länger als fünf Minuten. Sie haben nicht begriffen, welche Konsequenzen eine Versteigerung von 100 % auf kleine und mittlere Unternehmen hätte.

Der spannende Punkt, den Sie noch einmal angesprochen haben, ist völlig zu Recht – wir sind uns einig –: Ja, die Struktur der vier Großen mit ihrer Marktzutrittsbeschränkung ist ein Problem. – Nur, wenn Sie das erkennen, warum zum Teufel wollen Sie das noch stärken? Wenn Sie Staudinger zulassen und wenn Sie die Laufzeit der Gelddruckmaschine Biblis A und B noch genau 20 Jahre verlängern, haben Sie den Marktzutritt für andere Unternehmen auf lange Zeit zugemacht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen: Sie reden von vielen Dingen, aber Sie tun es nicht. Das ist auch der Grund, warum wir Probleme mit dieser Regierungsanhörung haben. – „Heimische Steinkohle“ steht im Energiebericht bei dem, was überall eingesetzt wird. Real wird keine heimische Steinkohle eingesetzt, weil sie kein Mensch bezahlen kann. Regierungsanhörung steht, und dann nette Belehrung – vielen Dank.

Wir wollen ein Raumordnungsverfahren,weil wir ein paar Effekte mehr haben wollen. Erstens wollen wir die gesamten Auswirkungen wissen. Alle Vorhaben in der Region müssen in einen Zusammenhang gesetzt werden. Es geht auch bei der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht um ein Einzelvorhaben. Das ist ein Unterschied.

Der zweite zentrale Punkt ist ganz einfach zu formulieren. Wenn Ihre Anhörung vorbei ist und Sie alle Fragen beantwortet haben, dann steht der Bürger da und sagt wie im Märchen „Des Kaisers neue Kleider“: Er hat ja gar nichts an. – Dann ist der Bürger mit seinem Recht am Ende. Mit einem formalen Raumordnungsverfahren fangen die Rechte des Bürgers, sich damit auseinanderzusetzen, erst an. Wir wollen die Rechte der Bürger stärken. Weil wir glauben, dass es ganz interessant ist, wie Sie das sehen, beantragen wir namentliche Abstimmung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU:Ah! – Hans-Jür- gen Irmer (CDU): So ein Kindergarten! Als ob wir nichts anderes zu tun haben!)

Vielen Dank, Herr Kollege Grumbach. – Nun hat sich noch einmal Herr Kollege Al-Wazir zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, die Debatte hat doch einige interessante Erkenntnisse gebracht. Die erste interessante Erkenntnis waren die Zwischenrufe des Herrn Wirtschaftsministers bei der ersten Rede von Gernot Grumbach, nämlich zur Frage,die aufgeworfen wurde:Wer bekommt die Spenden von E.ON? Und Sie profitieren doch.

Herr Rhiel,ich weiß nicht,was Sie für eine Vorstellung haben oder was passiert, wenn diese Konzerne an andere Parteien spenden, was Sie sich vorstellen, was diese Parteien dann machen oder nicht machen. Ich glaube, dieser Zwischenruf ließ tief blicken.Das,was wir gesehen haben, gefällt uns überhaupt nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, das ist schon ein Problem. Herr Rhiel, die Frage, wie dieses Oligopol überhaupt entstanden ist, muss man einmal stellen. Die Frage ist, ob es nicht unser Problem in den letzten Jahren und Jahrzehnten war, dass wir immer die Situation hatten, dass eine der Volksparteien mit der Atomwirtschaft und die andere Volkspartei mit der Kohlewirtschaft verheiratet war. Ich begrüße es ausdrücklich, dass sich die hessische SPD von der Kohle emanzipiert hat.Herr Rhiel, es wäre schön, wenn sich Ihre Partei einmal von der Atomwirtschaft emanzipieren würde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir das ernst meinen und, Herr Rhiel, wenn Sie wirklich etwas gegen das Oligopol machen, wenn Sie richtigerweise, und zwar vor Sigmar Gabriel, gesagt haben: „Wir müssen bei den CO2-Zertifikaten zur Versteigerung kommen“, dann werden Sie uns immer an Ihrer Seite haben.