Protocol of the Session on March 29, 2007

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

und das vor dem Hintergrund, dass sich vorhin Frau Schulz-Asche echauffiert hat, dass wir einen Antrag eingebracht haben, der nur bundesrepublikanisches Thema sei.

(Beifall bei der FDP – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist einfach unlogisch! – Zurufe der Abg. Kordula Schulz-Asche und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wenn das nicht auch im Zusammenhang mit Einbürgerung und anderem zu sehen ist, dann weiß ich nicht, wie Sie in der Frage eigentlich sachlich argumentieren können.

Zweitens. Mein Nachfolger als Landesvorsitzender Hahn ist genauso ein Liberaler, wie ich es war und immer noch bin, und wie Wolfgang Gerhardt.

(Beifall bei der FDP)

Auch Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Enquetekommission „Demografischer Wandel“ sagen Ihnen das: Im Jahr 2050 werden 40 % der hessischen Bevölkerung einen Migrationshintergrund haben, wie man heute so euphemistisch sagt. Nein, sie haben keinen Migrationshintergrund, sondern das sind Migranten in der dritten oder vierten Generation.

Alle meine liberalen Kollegen, die hier sitzen, und ich sagen Ihnen: Wir wollen, dass diese Migranten deutsche Staatsbürger werden, die unsere Kultur, unsere Tradition und unsere Geschichte genauso annehmen wie ihre eigene; denn ihre Vorfahren sind dann bereits vor mehr als 70 Jahren in dieses Land gekommen.

(Beifall bei der FDP)

Zwischen 1950 und 1955 ist es in Hessen gelungen, ein Drittel der Bevölkerung zu integrieren, das nicht aus Hessen, sondern aus anderen Gebieten Deutschlands oder auch aus Osteuropa stammte. Ich glaube, das ist eine der großen Herausforderungen, die die Hessen immer bewältigt haben. Hessen ist sozusagen ein Land der Mitte, in dem die Immigration mit einer neuen kulturellen Identität verbunden wird.

Für meine Fraktion sage ich ganz klar:Wer sich in diesem Land einbürgern lässt, soll alle Rechte haben, die einem Staatsbürger zustehen.Aber er soll auch die Pflichten haben, die dazu führen, dass er sich als Hesse und darüber hinaus als Deutscher versteht.

(Beifall bei der FDP)

Wer – wie ich jetzt wieder als Kommunalpolitikerin – die Erfahrung gemacht hat,wie jämmerlich die Ausländerbeiräte besetzt sind und dass sie überhaupt nicht mehr zustande kommen, weil die Ausländer selbst wissen, dass sie damit nichts mehr bewirken können, der muss dafür kämpfen und werben, dass sich die Leute mit unserer Geschichte identifizieren und dass es keine Generation mehr gibt, die darin schwankt.

Das ist z. B. bei der Generation der Großeltern der Fall. Wenn die Griechen, die alten Männer und Frauen, nach Hause fahren, werden sie von ihren Nachbarn als „Deutschmänner“ und „Deutschfrauen“ bezeichnet. Nein, hier geht es um die Urenkel. Für diese tragen wir eine Mitverantwortung. Das geht nur über die volle Staatsbürgerschaft in dem Land, in das man eingewandert ist.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Wagner. – Wir sind am Ende der Aussprache zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend kommunales Wahlrecht für NichtEU-Bürgerinnen und -Bürger, Drucks. 16/6960.

Der Antrag soll zur weiteren Beratung an den Innenausschuss überwiesen werden. – Das ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Aktion 5.000 Menschen in Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren – dritten Arbeitsmarkt für Hessen einrichten – Drucks. 16/6966 –

in Verbindung damit Tagesordnungspunkt 75:

Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU betreffend rasche bundesweite Arbeitsmarktreform notwendig – Drucks. 16/7117 –

Die Redezeit soll fünf Minuten je Fraktion betragen. Als Erster hat sich Herr Kollege Bocklet zu Wort gemeldet. Anschließend folgt Herr Holler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in Hessen über 163.000 Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. Das besagt die Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Viele Tausende sind mehrere Jahre lang vom Arbeitsleben ausgeschlossen. In Exper

tenuntersuchungen heißt es, dass mehr als ein Drittel dieser 163.000 Menschen davon betroffen ist. Das wären 50.000 Menschen, die zwar erwerbstätig sind, denen aber oft jegliche Chance fehlt, im ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Bei diesen Menschen klaffen berufliche und persönliche Profile einerseits und die Arbeitsplatzanforderungen andererseits in eklatanter Weise auseinander. Das ist eine unglaublich große Gruppe, die wir GRÜNE nicht vergessen wollen. Sie dürfen nicht an den Rand gedrängt werden.Deswegen haben wir hier den Vorschlag unterbreitet, einen dritten Arbeitsmarkt einzurichten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen mit unserem Vorschlag „Aktion 5.000 Menschen in Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren – dritten Arbeitsmarkt für Hessen einrichten“ erreichen, dass das Land Hessen verstärkt sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze dauerhaft finanziert. Dies wäre schon heute möglich. Uns steht schon heute das Instrumentarium der Entgeltvariante zur Verfügung.

Leider wird es in Hessen bisher nur für 500 Menschen genutzt. Dabei sprechen wir von 50.000 Menschen, die arbeitsmarktfern sind, denen jegliche Möglichkeit zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt verbaut ist. Für diese Zielgruppe sind 500 Arbeitsplätze einfach zu wenig. In einem ersten Schritt wollen wir diesen Menschen 5.000 Arbeitsplätze dauerhaft anbieten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Variante wird dadurch ermöglicht, dass die sogenannten Leistungen des sozialen Transfers – Arbeitslosengeld, Wohngeld, Versicherungsleistungen, Verwaltungsgelder, d. h. die sogenannten Passivleistungen – in Lohn, sprich: aktive Leistungen, umgewandelt werden. Mit dieser Variante wäre es möglich, einen dritten Arbeitsmarkt dauerhaft zu installieren.

Das wird vom DGB Hessen gefordert, aber auch von vielen Politikern.Ich darf aufzählen,wer dazugehört.Es handelt sich z. B. um Persönlichkeiten wie Wolfgang Böhmer, seines Zeichens Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Aber auch die Große Koalition im Bundesland Brandenburg fordert dies. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Laumann, der der CDU angehört, befürwortet es ebenso wie der CDU-Arbeitsmarktexperte Ralf Brauksiepe. Sie sagen, die Einrichtung eines dritten Arbeitsmarkts sei entscheidungsreif.

Ich glaube, wir haben mit unserem Antrag klargemacht, dass Sie nicht immer wieder Menschen in sechs oder neun Monate laufende 1-c-Jobs schicken können, aus denen sie dann wieder herausgekegelt werden. Dann müssen wir sie erneut in die Warteschleife schicken,obwohl wir genau wissen, dass diese Zielgruppe keine Chance auf eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt hat.Wir wissen heute, dass zwei Drittel der 1-c-Jobber die Möglichkeit auf eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt haben.

Aber es gibt eine relevante Gruppe – sie soll ein Drittel der Jobber ausmachen; ihre Zahl wird auf etwa 50.000 beziffert –,die keine Chance auf eine Integration haben.Um diese Gruppe müssen wir uns ernsthafter als bisher kümmern. 500 Menschen – das ist eine Promillezahl; das ist für Hessen unglaublich schlecht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Verzehnfachung dieser Zahl wäre ein erster Schritt. Mehr wäre wünschenswert, und es wäre sicherlich noch

einfacher, wenn das Arbeitsministerium es durch eine kleine Erlassveränderung erleichtern würde, die Aktivleistungen und die Passivleistungen miteinander zu verrechnen. Das ist heutzutage nicht möglich. Derzeit werden die Eingliederungstitel der Jobcenter dadurch belastet, was die Entgeltvariante zu einer sehr teuren Variante macht.

Aber es führt kein Weg daran vorbei.Wir müssen uns um diese Menschen kümmern. Wir glauben, dass es in einem Sozialstaat wie dem unsrigen nicht damit getan ist, sehenden Auges immer wieder zu sagen: Wir schicken diese Menschen in die nächste Weiterbeschäftigungsmaßnahme oder – was für Varianten auch immer wir da haben – in den nächsten Orientierungskurs. – Das wird nicht mehr genügen. Ich glaube, dass diese Maßnahme längst überfällig ist. Ich habe es schon erwähnt: DGB, SPD, CDU – viele Menschen sagen, es ist an der Zeit.

Lassen Sie uns damit beginnen, in Hessen einen dritten Arbeitsmarkt zu installieren. Das kann in einem kleinen Schritt erfolgen, mit Freiwilligen, natürlich auch mit zusätzlichen Arbeitsplätzen, wie sie bei 1-c-Jobs schon existieren. In Hessen gibt es 15.000 davon. Wenn man ein Drittel dieser 15.000 Arbeitsplätze nähme, käme man auf die Zahl von 5.000 Arbeitsplätzen, die man für unsere Aktion benötigt. Man könnte sie recht zügig im Sinne eines dritten Arbeitsmarkts installieren.

Wir würden einen großen sozialpolitischen Schritt machen, wenn wir dieses bereits existierende Instrument stärker nutzten und es vor allem schafften, diese Schritte gemeinsam zu gehen. Damit würden wir es auch schaffen, die Langzeitarbeitslosen wieder besser in die Gesellschaft zu integrieren. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Bocklet. Sie haben exakt fünf Minuten gebraucht.– Herr Holler,Sie haben als Nächster das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! In Anbetracht der Zeit möchte ich nur drei oder vier Bemerkungen zu dem Antrag machen. Dieser Antrag hat sicherlich einen guten Ansatz, indem es heißt, man möchte Menschen fördern, die es schwer haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Auf der anderen Seite muss ich Ihnen sagen, dass Ihr Ansatz kontraproduktiv ist. Jedenfalls gehen Sie damit an dem Ziel, das Sie eigentlich erreichen wollen, vorbei. Ich möchte mich zunächst auf die Vorgehensweise beziehen. Sie verwechseln – das war in Landtagsdebatten schon häufig der Fall, auch in dieser Plenarrunde – die Zuständigkeiten des Landes- und des Bundesgesetzgebers völlig. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist allerdings, dass es nicht sinnvoll ist – Sie kennen die Beratungen auf Bundesebene –, dass wir heute über einen arbeitsmarktpolitischen Sonderweg in Hessen diskutieren. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sich in dem Arbeitskreis,der bei dem Bundesminister für Arbeit angesiedelt ist,Ihre absurde Vorstellung von einem dritten Arbeitsmarkt durchsetzt.Sie wollen dort dauerhaft sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen lassen, die ausschließlich öffentlich finanziert werden

und aufgrund ihres marktfernen Ansatzes in der Zukunft nichts oder jedenfalls weniger erwirtschaften werden.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Jeder Zeitarbeiter müsste sich angesichts dieser Aussichten um einen Wechsel vom ersten in den dritten Arbeitsmarkt bemühen. Die CDU-Fraktion hat gemeinsam mit unserer Sozialministerin Silke Lautenschläger ihre Priorität klar benannt. Unsere politische Zielrichtung ist und bleibt die unsubventionierte Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der CDU – Norbert Schmitt (SPD):Weder erster noch dritter Arbeitsmarkt!)

Arbeitsmarktpolitische Instrumente müssen sich daran messen lassen, ob dieses Ziel auch erreicht wird.

(Norbert Schmitt (SPD): 8,2 % Arbeitslose in Hessen!)

Herr Schmitt, ich weiß gar nicht, warum Sie so brüllen.