Protocol of the Session on January 30, 2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch in Brüssel können Sie an der Arbeit unserer Landesvertretung sehr deutlich den Stellenwert des Landes ablesen. Wir haben im vergangenen Jahr zum ersten Mal dort ein Weinfest veranstaltet und guten hessischen Wein kredenzt.Wir hatten etwa 1.000 Besucher: Kommissionsvertreter, Parlamentarier, Kabinettsmitglieder, Journalisten, Unternehmer. Es war schon letztes Jahr, obwohl es das erste Mal stattgefunden hat, nach dem bayerischen Oktoberfest das größte Ereignis, das es in Brüssel gab.

Oder nehmen Sie den Jahresempfang, der in zehn Tagen in Brüssel stattfindet. Ich darf Sie dazu ausdrücklich herzlich einladen und möchte Sie auch ermuntern, zu kommen. Der Hessische Ministerpräsident ist der erste, der zu einem solchen Anlass den Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Barroso, begrüßen kann. Neben ihm, das zeigt die heutige Anmeldelage, wird es etwa 500 weitere Gäste geben.Auch das zeigt den Stellenwert. Hessen hat Gewicht in Brüssel.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zeigt sich aber auch daran, dass viele Entscheidungsträger der Europäischen Union nach Hessen kommen, um mit uns über europapolitische Fragen zu diskutieren. Wir hatten schon den deutschen EU-Botschafter Schönfelder, und wir hatten den Vizepräsidenten der Kommission Verheugen hier zu Gast. Ich möchte beiden sehr herzlich danken, dass sie hier waren. Meine Damen und Herren, auch das möchte ich betonen: Diese Besuche finden nicht nur im Rahmen der Landesregierung statt, sondern wir sorgen auch dafür, dass der entsprechende Dialog mit Vertretern des Hessischen Landtags und mit dem Präsidenten des Hessischen Landtags stattfindet. Das ist eine wichtige Aufgabe, der wir uns stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die hessische Europapolitik hat einen breiten Ansatz. Sie beginnt bei der Arbeit für Europa in den Schulen. Sie zeigt sich in vielen Veranstaltungen bei uns im Land, in Berlin und in Brüssel. Sie vertritt hessische Interessen nachdrücklich auf der europäischen Ebene, und wir versuchen, neue Wege in vielen Bereichen zu gehen. Die Hessische Lan

desregierung sieht ihre Aufgabe darin, an der Gestaltung eines Europas der Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit und des Augenmaßes mit voller Kraft mitzuwirken. Nur für ein solches Europa können wir unsere Bürgerinnen und Bürger gewinnen und mitnehmen.Ich hoffe und wünsche, dass wir auf diesem Weg vorangehen und dabei Erfolg haben werden. Ich hoffe und werbe dabei um Ihre Unterstützung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die hessische Europapolitik hat sich in den Jahren dieser Landesregierung einen guten Namen gemacht, und – das habe ich nachweisen können – wir sind in Brüssel gut aufgestellt. Das wollen wir in den nächsten Jahren festigen und ausbauen. – Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Bei- fall der Abg. Nicola Beer (FDP))

Herr Minister, vielen Dank für die Abgabe der Regierungserklärung. Den Fraktionen wachsen vier Minuten mehr Redezeit zu.– Ich eröffne die Aussprache.Als Erster hat Herr Abg. Häusling für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Glück ist die CDU-Fraktion bei den vielen Worten um Europa zum Schluss noch einmal aufgewacht.

(Aloys Lenz (CDU):Wir sind immer hellwach!)

Der Herr Minister hat damit angefangen, dass das Zentrum Europas jetzt in Hessen liegt.Das hat aber nichts mit Ihrer Politik zu tun. Denn das wissen wir schon lange. Dass Europa im Zentrum der Politik der Hessischen Landesregierung steht, das kann man weiß Gott nicht sagen. Herr Minister, wenn man Ihre Stellungnahmen gerade zu Europa und gerade in letzter Zeit sieht: Woran kämpfen Sie sich ab? Wir können in der „FAZ“ lesen: Sie kämpfen gegen Kammmolche und Hamster. – Das verbinden Sie mit Europa. Man muss schon sagen: Das ist ein klein wenig finster. Ihre Politik ist inhaltslos. Sie machen viele Wortgirlanden um Europa, aber wenig konkrete Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, die Landesregierung ist bei dem Kritisieren europäischer Politik, das muss man so sagen, Europameister, aber bei der Einbringung – so haben Sie es in Ihrer Rede als Titel genannt – neuer Ideen Kreisliga. Denn wo sind die neuen Ideen, mit denen Sie in Europa zünden wollen, mit denen Sie den europäischen Gedanken voranbringen wollen? Den suchen wir nach wie vor ganz verzweifelt, auch in Ihrem 365-Tage-Programm, das Sie vorgelegt haben. Da geht es von vorne bis hinten erst einmal um Kritik: was Sie verhindern wollen, was Sie alles nicht wollen.

Wir fangen an mit der FFH-Richtlinie. Darauf komme ich später noch. Es ist anscheinend eine Ihrer zentralen Aufgaben, dass man da ansetzen muss. In Ihrem gesamten 365-Tage-Programm zu Europa fällt nicht einmal das Wort Umwelt, es fällt nicht einmal das Wort Klimaschutz, und es fällt nicht einmal das Wort Verbraucherschutz. Sie machen Wirtschaftspolitik. Das ist Ihr gutes Recht. Aber Sie sind eigentlich nicht nur dafür da, dass Sie reine Wirtschaftinteressen in Brüssel vertreten, sondern Sie müssen

auch die Interessen und die Rechte der Bürger in Brüssel vertreten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Hoff, Europapolitik ist eine Politik, um Europa mitzugestalten, um den europäischen Gedanken zu fördern und um bei Bürgern für dieses Europadenken zu werben. Da ist bei Ihrer Politik Fehlanzeige. Denn Sie fangen immer mit der gleichen Rhetorik an. Es gibt zwei positive Sätze zu Europa: wie gut und wichtig Europa ist. Aber schon im nächsten Satz kommt: „das bürokratische Monster in Brüssel“, dem man sich energisch entgegenstellen muss. Ich glaube, gerade deutsche Politik sollte da nicht so laut sein. Denn die meisten Gesetzgebungsverfahren laufen nach wie vor in Hessen und in Berlin. Da produzieren wir selbst noch genug an Bürokratie.

Sie vermitteln ein Bild, das viele Europaskeptiker und -kritiker vermitteln, nach dem Motto: „Europa ist ein bürokratischer Moloch.“ Das kann man so pauschal nicht sagen.

Sie vermitteln ein zweites Bild, das auch viele Europakritiker vermitteln: das Bild eines zentralen Staates Europa, der viele Sachen an sich zieht und den nationalen Parlamenten ihre Spielräume entzieht. – Das ist auch nicht richtig. Die Kritik von Roman Herzog kann man hier nicht unkommentiert stehen lassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, es ist richtig, dass der europäische Gedanke und die europäische Einheit in einer Krise sind, ausgelöst durch den Verfassungsprozess, der nicht vorankommt. Sie haben an diesem Pult keinerlei Vorschlag gemacht, wie Sie selbst dazu beitragen wollen, diese Verfassungskrise in Europa zu lösen. Ich halte den Vorschlag, den Frau Merkel in Berlin gemacht hat, für denkbar ungeeignet. Sie denkt, mit einer Berliner Erklärung, sozusagen im kleinen Kreis, könnte der europäische Verfassungsprozess wieder in Gang gesetzt werden. Nein, wir brauchen einen breiten öffentlichen Dialog, der die Bürger einbezieht, der viele Institutionen einbezieht, um diesen europäischen Verfassungsprozess nach vorne zu bringen. Es reicht nicht, dass Sie sagen: „Wir wollen es“, im Grunde genommen aber nichts passiert. Das Entscheidende für die europäische Integration ist schließlich und endlich der Verfassungsprozess. Darum sollten Sie sich intensiv kümmern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, ich fand es lustig – wir haben im Europaausschuss darüber diskutiert –, dass Sie in Ihrem Programm schlichtweg vergessen haben, auch nur ansatzweise zu erwähnen, dass Deutschland in diesem Halbjahr die Ratspräsidentschaft innehat. Bei der Rede haben Sie noch etwas nachgelegt.Aber ansonsten haben Sie es nicht für so wichtig gehalten, um es in Ihrer 365-Tage-Perspektive darzulegen.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Hoff, viele hatten gehofft, dass es nach Riebel in diesem Kabinett vielleicht ein wenig besser mit der Europapolitik wird. Ich glaube, diese Hoffnung ist an vielen Punkten nicht wahr geworden. Ihr Vorgänger Riebel hat sich anVerfassungsfragen abgekämpft, dass der Gottesbezug hineinkommt. Er hat sich an REACH abgekämpft. Er hat sozusagen all das gemacht, was kontraproduktiv war, um eine positive Stimmung für Europa zu erzeugen. Sie kämpfen sich jetzt an der FFH-Richtlinie ab.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Hoff, im Ausschuss haben Sie so getan, als ob die ganze Bundesregierung hinter Ihrem Anspruch, die FFHRichtlinie zu ändern, stehen würde. Nun haben Sie es etwas relativiert und gesagt, es gäbe Bundesländer, die hinter Ihnen stünden. Auch Polen stünde hinter Ihnen. Man muss sich in Erinnerung rufen, wer die FFH-Richtlinie in Brüssel umgesetzt und wer sie in Deutschland durchgesetzt hat. Es gab einmal eine Umweltministerin Merkel, die 1998 gesagt hat: „Mit dem Änderungsgesetz wird der deutsche Beitrag zur Errichtung des Europäischen Biotopverbundnetzes Natura 2000 geschaffen. Das gibt dem Naturschutz in Deutschland eine gesicherte Basis und neue Impulse.“ Ich bitte Sie noch einmal: Sagen Sie, ob Frau Merkel in allen Punkten hinter Ihrer Kritik steht.Ich weiß gar nicht, was Sie gegen diese possierlichen Tierchen wie Kammmolche und Hamster haben, dass Sie sich so energisch daran verbeißen, als würden sie der wirtschaftlichen Entwicklung in Hessen entgegenstehen. Das ist mitnichten wahr.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Schauen Sie, wo es Verfahren in Bezug auf FFH gab. Das hatte etwas damit zu tun, dass z. B. Wirtschaftsminister Rhiel – er ist nicht hier – nicht damit umgehen konnte, sie umzusetzen, gerade bei der A 44. Man darf nicht alles nach Brüssel schieben und sagen, dass dort die Ursache des Übels liegt, sondern man muss ganz klar sagen: Sie können mit den europäischen Vorgaben in Hessen nicht umgehen.

Vielleicht sollten Sie bei dem Thema FFH ab und zu ein Wort mit Ihrem Kollegen Dietzel wechseln. Denn der Kollege Dietzel hat ein Naturschutzgesetz vorgelegt und hat viele Regelungen mit dem Hinweis darauf abgeschafft, wir hätten jetzt eine FFH-Richtlinie. Sie müssen sich in der Rhetorik in Ihrem Kabinett verständigen, was gilt: ob Sie sich auf FFH beziehen oder nicht.

Sie haben z. B. überhaupt nichts zur Klimaschutzpolitik gesagt, einer der zentralen Aufgaben der Europäischen Union in den nächsten Jahren. Das hat die Kommission auch bemerkt. Man kann sich an vielen Punkten darum streiten,ob die Europäische Kommission weit genug geht. Ich meine, das Ziel 20 % CO2-Minimierung ist zu wenig. Aber wo, bitte schön, findet sich irgendein Ansatz in Ihrem Papier darüber, eine der zentralen Aufgaben in Europa in Landespolitik umzusetzen? Wenn man einmal schaut, warum Sie denn zur Klimaschutzpolitik nichts gesagt haben: Es gibt keine hessische Klimaschutzpolitik, die diesen Namen auch nur ansatzweise verdient.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben sich ansatzweise gefreut, dass die Europäische Kommission gesagt hat, sie wolle nicht, dass Atomkraft ganz aus Europa verschwinde. D’accord. Aber alles andere: Fehlanzeige bei Ihren Stellungnahmen.

(Michael Boddenberg (CDU): Was heißt jetzt „d’accord“? – Gegenruf des Ministers Volker Hoff: Dass er einverstanden ist!)

Ich bin nicht damit einverstanden.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich dachte schon!)

Ich sage nur, dass Sie das als einzigen Punkt herausgegriffen und begrüßt haben. – Alles andere, was die Europäische Kommission vorgeschlagen hat, um CO2 zu minimieren, findet sich nicht in der hessischen Politik wieder. Sie

kämpfen sich vehement am Hamster ab, aber mit den großen Tieren in der Klimaschutzpolitik nehmen Sie es nicht auf.

Was ist z. B. mit den Vorgaben, die die Europäische Kommission in Bezug auf Abgasreduzierung oder CO2-Minimierung in der Automobilindustrie machen will? Da wären starke Worte auch aus Hessen gefragt. Nein, da stellen Sie sich schützend wahrscheinlich auch vor alle diejenigen, die Umweltstandards nicht verbessern, sondern höchstenfalls halten wollen. Da sind Sie wahrscheinlich viel eher an der Seite von Herrn Glos als an einer fortschrittlichen Umweltpolitik.

Dasselbe trifft beim CO2-Emissionshandel zu. Herr Rhiel hatte einmal den Gedanken,der schnell verschwunden ist, nach dem Motto: Wir geben die CO2-Lizenzen zum Handel frei. – Herr Minister, warum setzen Sie sich auf europäischer Ebene nicht dafür ein? Warum stellen Sie sich nicht energisch hinter den Ansatz von Herrn Ministerpräsidenten Koch – was ich gar keinen schlechten Ansatz finde –, man müsse die Stromnetze und die Stromanbieter entflechten? Das wäre doch einmal eine Aufgabe. Damit könnten Sie doch in Europa punkten. Damit könnten Sie doch ein Zeichen für eine wirklich fortschrittliche Politik setzen. Aber auch davon in Ihrer ganzen Rede nicht ein einziges Wort.

Herr Minister, es gibt viele Aufgaben, die Europa positiv nach außen trägt. Ich würde mir wünschen, Sie würden diese positiven Aspekte von Europa einmal mehr in die Öffentlichkeit tragen, auch dafür werben, dass gerade in der europäischen Strukturpolitik, in der Politik für den ländlichen Raum – die zweite Säule sei hier genannt – viele Fördermittel in die ländlichen Regionen fließen. Aber auch dazu nur ganz begrenzte Worte.

Die erste Tat von Angela Merkel nach Übernahme des Bundeskanzleramtes war ja, dass die Strukturmittel für die zweite Säule drastisch gekürzt wurden. Dass das gerade die ländlichen Räume in Hessen trifft, dass das für die ländlichen Räume ganz negative Auswirkungen hat, auch dazu war kein Wort der Kritik von der Landesregierung zu hören.

Herr Hoff, Sie haben sich in Ihrer Rede auf die Kritik von Herrn Herzog bezogen, der wohl sehr starke Worte im Zusammenhang mit der Europäischen Union gefunden hat. Ich weiß nicht, ob Sie auch die Erwiderung des Herrn Hänsch gelesen haben, des ehemaligen Chefs des Europaparlaments, was er zu dieser Rede gesagt hat.Wenn Sie sich jetzt nur hinter Herrn Herzog stellen, der, wie ich finde, mit einer sehr problematischen Überschrift in Erscheinung getreten ist: „Europa entmachtet uns und unsere Vertreter“, wenn Sie diese Kritik inhaltlich teilen, dann gehören Sie eher in das Lager der Europaskeptiker und nicht derjenigen, die Europa wirklich nach vorn bringen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, kritiklos und inhaltslos zu übernehmen, 84% der Gesetzgebung kämen aus Brüssel – das ist zwar richtig im Gesamtzusammenhang aller europäischen Gesetzgebungsvorhaben, aber es stimmt schon allein von der Zahl her nicht, weil es im Verhältnis der deutschen Gesetzgebung zur europäischen Gesetzgebung ganz andere Zielsetzungen und Normen gibt. Herr Hänsch sagt dazu: Die Autoren bedienen Vorurteile. Die Zentralisierung in der gemeinsamen Rechtsetzung in der Union ist abzulehnen.Aber damit ist wohl nicht gemeint, dass man eine europäische Gesetzgebung an diesem Punkt ablehnt. Bei

dem Verhältnis 84 : 16 werden Äpfel mit Birnen verglichen, es werden ganze Inhalte von Früchtekörben miteinander verglichen, was so nicht stimmt. – Das hat Herr Hänsch dazu gesagt. Ich denke, Herr Hänsch ist sehr ernst zu nehmen.

Herr Minister, bevor sich Ihr Blickwinkel nur auf Europaskeptiker richtet, sollten Sie auch einmal solche eher europafreundlichen Aussagen in Ihre Rede einfließen lassen. Dann würden Sie nach außen ein anderes Bild von Europa setzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, Ihr 365-Tage-Programm beschäftigt sich sehr intensiv mit Alkohol,

(Michael Boddenberg (CDU):Was?)