Ich möchte zu einem weiteren Punkt kommen, der in diesem Gesetzentwurf geregelt wird, mit Qualität meiner Meinung nach aber nichts zu tun hat, nämlich zur Abschaffung der Elternbeiträge. Sie wird aus dem Kommunalen Finanzausgleich in Höhe von 65 Millionen c finanziert. Wenn wir die Situation in Hessen betrachten, dann stellen wir fest, dass 90 % bis 95 % der Kinder des entsprechenden Alters das Angebot des dritten Kindergartenjahres in Anspruch nehmen, während dieser Wert für das erste Kindergartenjahr zwischen 60 % und 75 % liegt.
Durch die Abschaffung der Elternbeiträge im dritten Kindergartenjahr schaffen wir keinen einzigen zusätzlichen Platz.Wir erreichen dadurch auch keine Qualitätsverbesserung. Es kommt zwar zu einer finanziellen Entlastung der Eltern; dies trifft aber nicht die sozial Ärmsten. Unseres Erachtens müssen wir zusehen, dass insbesondere die kleinen Kinder möglichst früh gefördert werden.
Deshalb appelliere ich an Sie:Wenn Ihnen 65 Millionen c zur Verfügung stehen, dann lassen Sie uns dieses Geld dafür verwenden, bei den Eltern dafür zu werben, ihre Kinder rechtzeitig von einer vernünftigen und gut organisier
ten Betreuung und Bildung profitieren zu lassen. Das betrifft meiner Meinung nach das erste Kindergartenjahr. Wir müssen dafür werben, dass mehr Kinder, insbesondere benachteiligte Kinder, gute Angebote in Anspruch nehmen.
Wir müssen bei den Eltern dafür werben, dass es sinnvoll ist, die besonderen Fähigkeiten ihrer Kinder zu entwickeln. Dabei rede ich nicht nur von Defiziten, sondern auch von hochbegabten Kindern. Wir müssen bei den Eltern dafür werben, dass es wichtig ist, dass ihre Kinder soziale Kompetenzen entwickeln. Viele Kinder wachsen in Kleinfamilien auf. Soziale Kompetenzen kann man aber vor allem in altersgemischten Gruppen erlernen.
Wir sind uns inzwischen alle einig, dass das gute Beherrschen von Sprache ein wesentliches Mittel ist, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Sprachkompetenzprüfung für Viereinhalbjährige, die die Landesregierung derzeit plant, hat keinen Bezug zu bestehenden Einrichtungen. Deshalb möchten wir in diesem Bereich strukturierter vorgehen.
Daher schlagen wir vor, eine verbindliche Kindergarteneingangsuntersuchung einzuführen. Damit kann getestet werden, welche sprachlichen Kompetenzen die Kinder haben, welchen Gesundheitszustand sie haben, aber auch welchen Entwicklungszustand sie insgesamt haben. Ich denke, dass die Kindergarteneingangsuntersuchung eine einfach einzuführende Lösung ist,weil infolge des Rechtsanspruchs ohnehin alle Kinder bekannt sind. Auf der Grundlage dieser Untersuchung kann dann eine gezielte Beratung der Eltern stattfinden, welche Förderung für ihre Kinder die Beste ist und welche Kinderbetreuungseinrichtung am besten geeignet ist.
Die Kindergarteneingangsuntersuchung bietet einen weiteren Vorteil. Hiermit können wir auch Angebote der Gesundheits- und Jugendhilfe zusammenführen und kommen somit endlich zu einem Angebot der Kinderuntersuchung aus einem Guss. Außerdem wird damit endlich die Zersplitterung von Zuständigkeiten aufgehoben. Dies ist unseres Erachtens ein geeignetes Instrument, um für Eltern und Kinder in Zukunft ein Angebot aus einem Guss anbieten zu können.
Lassen Sie mich auf ein weiteres Instrument bzw.Angebot hinweisen, von dem wir meinen, dass es für die Zukunft wichtig ist, sich damit zu befassen, während die Landesregierung dies nicht tut. Wir denken, dass es notwendig ist, auf der Grundlage des sich zurzeit in der Erprobung befindlichen Bildungs- und Erziehungsplans Strukturen zu organisieren, die für Eltern und für Kinder ein verlässliches Angebot für die Altersgruppe von der Geburt bis zum zehnten Lebensjahr ermöglichen. Wir nennen dieses Konzept BIBER: Bildung, Betreuung, Erziehung von null bis zehn. Das Wesentliche daran ist, dass wir versuchen, für Eltern einen Ansprechpartner vorzuschlagen, Jugendhilfe und Schulämter zusammenzufassen, sozusagen die verschiedenen Anbieter zusammenzuführen, damit Eltern nicht alle drei bis vier Jahre ihr gesamtes Betreuungsangebot neu organisieren müssen und sich darauf verlassen können, dass Angebote von guter Qualität sowie altersgerechte Bildungsangebote vorhanden sind.
Meine Damen und Herren, die Zusammenführung verschiedener Gesetze der Kinder- und Jugendhilfe hätte die Möglichkeit geboten, zu einem gemeinsamen Konzept des Zusammenwirkens verschiedener staatlicher Träger – von der Jugendhilfe über Gesundheitsämter bis zu den Schulämtern – zu kommen. Dass Sie das nicht getan haben, obwohl Sie mit dem Bildungs- und Erziehungsplan durch die Gegend laufen und damit Propaganda machen, das ist der zentrale Vorwurf. Sie haben eine richtige Überlegung angestellt. Eine Zusammenführung erfolgt aber nur durch eine Aneinanderreihung von Gesetzen. Sie haben es aber leider versäumt, ein systematisches Konzept, eine Vision für eine Betreuung und Bildung für Kinder von null bis zehn Jahren in Hessen zu entwickeln. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, es ist überaus bedauerlich und fast schon katastrophal, dass wir heute das Kinder- und Jugendhilfegesetz in dieser Form verabschieden werden.
Es wird in keiner Weise den gesellschaftspolitischen und fachlichen Herausforderungen einer qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Kinder- und Jugendpolitik gerecht.
Seit mehr als fünf Jahren steht die Ankündigung eines Kindertagesstättengesetzes im Raum. Für uns als Opposition stieg die Spannung Jahr um Jahr ins Unermessliche. Wir stellten hierzu regelmäßig Anträge – zur Erinnerung, zur Bekräftigung und zur Unterstützung. Nach Übereinkunft aller Fraktionen haben wir diese Anträge in Erwartung dieses wunderbaren Gesetzes auf Halde gelegt.
Was liegt uns nun vor? Ein an wenigen Stellen marginal verschlimmbessertes Gesetz. Leider ist es ganz und gar nicht der große Wurf geworden. Dieser Gesetzentwurf bleibt weit hinter den fachlichen Erwartungen an eine moderne Kinder- und Jugendhilfe in Hessen und weit hinter den Anforderungen an eine gelingende Bildung, Erziehung und Betreuung für unsere Kinder zurück.
Für dieses Gesetz müssen Sie nun die alleinige Verantwortung tragen. Zumindest im Ausschuss zeichnete sich ab, dass Sie hierfür keine Zustimmung bekommen werden.
Alle Oppositionsfraktionen haben Ihnen eine konstruktive Mitwirkung angeboten. Zahlreiche schriftliche und mündliche Stellungnahmen hätten bei fachlicher Berücksichtigung ein herausragendes Gesetz entstehen lassen können.
Sie haben alle Fachkompetenz und wertvollen Verbesserungsvorschläge missachtet. Was bleibt, ist große Enttäuschung bei den Vertretern der Verbände und der Organi
sationen, bei den Trägern, bei den Einrichtungen, bei den Kommunen und nicht zuletzt bei den Eltern.
Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, es bleibt schlicht und ergreifend zu viel auf der Strecke. Eine Weiterentwicklung von kinder- und familienfreundlichen Rahmenbedingungen gibt es nicht. Es gibt keine Verbesserung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es gibt keine Verbesserung der Chancengleichheit von Kindern, unabhängig davon, woher sie kommen. Die Förderung früher und integrativer Bildung bleibt ebenfalls auf der Strecke.Qualitäts- und Quantitätsverbesserungen bei den Betreuungsangeboten von Kleinst- bis hin zu den Schulkindern wird es nicht geben. Außerdem wird es keine partnerschaftliche Finanzierungsverantwortlichkeit von Land und Kommunen geben. Es gibt keine verbindliche Förderung zum gleichmäßigen Ausbau bedarfsgerechter Jugendhilfeleistungen. Darüber hinaus gibt es keine erkennbare Chance für die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans in Hessen. Ich denke, mehr muss man dazu nicht sagen.
Eines noch. Tagesmütterland Nummer eins, Familienland Nummer eins, Bildungsland Nummer eins: Frau Ministerin, mit diesem Gesetzentwurf haben Sie schlicht und ergreifend alles versenkt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir führen bei diesem Gesetzentwurf heute die dritte Lesung durch. Wir haben uns im Ausschuss noch einmal ausführlich über die Argumente ausgetauscht. Ich möchte Folgendes für die CDU-Fraktion festhalten: Wir unterstützen mit diesem Gesetzentwurf die Familien in Hessen, und wir leisten mit der Zusammenführung in diesem Gesetzentwurf einen hervorragenden Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wir haben ganz bewusst das letzte Kindergartenjahr ausgewählt, weil wir in dem Übergang zur Schule einen Schwerpunkt gesehen haben.Auch bei den Beratungen zu diesem Gesetzentwurf haben wir das als Einstieg gesehen. Das heißt, Ziel muss es sein, den Kindergarten über kurz oder lang komplett, vom ersten bis zum letzten Tag, gebührenfrei zu gestalten. Das ist ein langfristiges Ziel. Wir haben mit einem Schritt in die richtige Richtung begonnen.
Die Kommunen können für jedes Kind im Kindergarten 100 c in Anspruch nehmen. Für die Kinder von null bis drei Jahren gibt es für den Vormittag 100 c und 200 c für den ganzen Tag. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das halten wir für ganz wichtig. Das sind 110 Millionen c - ein Schritt in die richtige Richtung.
Ich möchte etwas zu den Änderungen aufgrund der Anhörung sagen. Es ist teilweise schon abenteuerlich, wie Sie argumentieren. Wenn wir als CDU-Fraktion aufgrund einer Anhörung keine Änderungen vornehmen,dann reden Sie von Arroganz der Macht. Nehmen wir Änderungen
(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Florian Rentsch (FDP): Konstruktiv, Herr Kollege Reißer!)
Wir als CDU-Fraktion haben ein solches Selbstbewusstsein, dass wir uns das angucken, was in der Anhörung vorgebracht worden ist, und das im Gesetzentwurf ändern, was richtig ist. Dann ist das gut so.
Ich darf auch etwas zu § 28 sagen, weil Sie dazu immer Kritik äußern. Sie haben übrigens nicht erwähnt, was Sie eigentlich machen wollen. Vielleicht kommt es noch. Wir machen zum ersten Mal den Ausgleich zwischen den Kommunen. Das war und das ist nicht ganz unumstritten. Aber es ist ein wichtiger Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
Jetzt ist der Kollege Schmitt leider Gottes nicht da. Denn ich hätte ihm gerne ein Beispiel zur Finanzierung im Verhältnis zu Rheinland-Pfalz genannt. Daher ist der, der relativ unrasiert auf der anderen Seite regiert.
Wenn wir die Höhe der Finanzierung und Unterstützung der Kommunen aus Steuermitteln im Vergleich von Hessen und Rheinland-Pfalz sehen, dann stellen wir fest, dass der Unterschied 200 Millionen c beträgt. Hessen stellt den Kommunen 200 Millionen c mehr zur Verfügung. Das ist kommunenfreundlich. Damit ist Hessen das kommunalfreundlichste Land in ganz Deutschland.