Protocol of the Session on December 14, 2006

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Vielen Dank.– Das Wort hat die Frau Kollegin Hoffmann, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die SPDFraktion möchte ich hier sehr deutlich erklären,

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

dass wir die Einigung der europäischen Außenminister sehr begrüßen.

(Beifall bei der SPD)

Denn damit bleibt die Tür für den EU-Beitritt der Türkei offen. Dieser Kompromiss garantiert, dass die Beitrittsverhandlungen nicht ausgesetzt werden. Er erhöht gleichzeitig den Druck auf die Türkei, das Ankara-Protokoll umzusetzen. Und ein weiterer wichtiger Aspekt: Er verhindert die ethnische Spaltung Zyperns, die sonst im Raum gestanden hätte.

(Reinhard Kahl (SPD): Richtig!)

Meine Damen und Herren, schon die Titelgebung der Aktuellen Stunde zeigt, wie weit die CDU-Landtagsfraktion vom Geist der Europäischen Union entfernt ist.

(Beifall bei der SPD)

Denn die Politik der Europäischen Union war schon immer lösungsorientiert ausgerichtet. Dafür stehen die besonnenen Worte des Kommissionspräsidenten Barroso kürzlich im Deutschen Bundestag, und dafür steht auch die Einigung der europäischen Außenminister.

Im Gegensatz dazu – und hier möchte ich doch einmal hessische Europapolitik in diese Diskussion einbeziehen – steht beispielsweise das vor einigen Wochen veröffentlichte 365-Tage-Programm dieses Europaministers, der übrigens hier noch nie zu einem europapolitischen Thema geredet hat. Dieses Programm ist von einer Abwehrhaltung gegen europäische Vorhaben gekennzeichnet, und es fand sich nicht ein einziger konstruktiver Punkt darin, in dem Hessen die europäischen Zukunftsthemen begleiten will.

Wir können feststellen: Durch die Einigung der Außenminister ist die Zeit über das Thema dieser Aktuellen Stunde hinweggegangen.Das gilt auch für die Erklärung des Hessischen Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche,

der vorschlug, gegenüber der Türkei eine härtere Gangart einzulegen.

Meine Damen und Herren,als die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei begannen, war klar, dies wird ein langer und schwieriger Prozess werden, schwierig auch für die Europäische Union. Denn wir wissen, die Ratifizierung des Verfassungsvertrags steht noch immer aus. Ich hoffe auf die deutsche Ratspräsidentschaft, damit diese Verfassungsdebatte wieder neu belebt wird.

Nun zur Türkei. Ich möchte die Probleme in der Türkei nicht kleinreden.In der Tat wies der Fortschrittsbericht einige sehr bedenkliche Momente aus.Wir kennen die Diskussionen zum Thema Justizvollzug in der Türkei,

(Demonstrativer Beifall des Abg. Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

das Problem der Freiheit der Religionsausübung.

(Unruhe)

Herr Kollege Klee, ich möchte doch die CDU-Fraktion bitten, etwas leiser zu sein. – Danke sehr.

(Beifall bei der SPD)

Ich unterbreche so lange, bis die kleine Konferenz da hinten beendet ist.

(Zuruf des Abg.Axel Wintermeyer (CDU))

Meine Damen und Herren,darf ich den Mittelgang darum bitten,dass wir friedlicher werden? – Ja,das sollten wir bei allen machen. Wenn hier gesprochen wird, sollte man auf jeden Fall dem Redner zuhören.

Meine Damen und Herren, die Türkei ist ein Land im Umbruch. Dabei ist die EU-Perspektive eine wichtige Kraft für die Modernisierung dieses Landes. Im September haben wir mit einer Delegation der SPD-Landtagsfraktion die Türkei besucht.

(Beifall des Abg. Armin Klein (Wiesbaden) (CDU))

Wir hatten Gesprächspartner aus Politik, Wirtschaft, Hochschulen und Kultur. Sie alle haben uns versichert, wie wichtig diese Perspektive ist, und sie haben uns berichtet, dass in der Türkei die Zustimmung zum EU-Beitritt sinkt. Ihre große Sorge war, dass die Türkei nationalistischer und islamistischer werden wird, wenn das Projekt EU-Beitritt scheitern sollte. Deshalb gilt es, die politischen Kräfte in der Türkei zu stärken, die das Land europafähig machen wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die CDU-Fraktion, das war der Rede des Kollegen Klein deutlich zu entnehmen, will genau diese Kräfte schwächen.

(Armin Klein (Wiesbaden) (CDU): Das ist falsch!)

Wir wollen – auch im europäischen Interesse – erreichen, dass die Türkei ein Vollmitglied der Europäischen Union wird. Wir alle wissen, dass wir hier über einen Zeitraum von zehn bis 15 Jahren reden.Wir alle wissen, dass ein tief greifender Transformationsprozess in der Türkei notwen

dig sein wird, und wir wissen auch, dass die Europäische Union ihre eigenen Probleme bis zum Beitritt gelöst haben muss. Seit 40 Jahren gibt es Zusagen an die Türkei.

Die Türkei ist ein islamisch geprägtes Land. Über das Thema Brückenfunktion der Türkei müssen wir noch einmal diskutieren, Herr Kollege Klein. Wenn die Türkei als islamisch geprägtes Land vom christlich-humanistisch geprägten Europa aus eine Brücke in die arabisch-islamische Welt bilden soll, dann müssen wir uns darüber unterhalten, wie das funktionieren soll. Wir sind der Meinung, wenn der Transformationsprozess in der Türkei weitergeht, wenn die Türkei als Vollmitglied der Europäischen Union den Wertekanon dieser Gemeinschaft übernimmt, dann ist ungeheuer viel gewonnen, auch für die Diskussion mit Muslimen in unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Hoffmann, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Dieser wichtige Aspekt ist eine Chance auch für unsere Gesellschaft. Die CDU-Fraktion sollte ihre beschränkte Sicht auf die Türkei endlich aufgeben. Das ist die Forderung der SPD-Landtagsfraktion.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hoffmann. – Das Wort hat der Kollege Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN).

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir den Titel der Aktuellen Stunde gelesen haben, wussten wir nicht, ob wir lachen oder weinen sollten, weil sich schon die Frage stellt,liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, wie ausgebrannt, wie ideenlos, wie sprachlos eine Landtagsfraktion mit absoluter Mehrheit sein muss, wenn ihr kein anderes Thema für ihre Aktuelle Stunde im Hessischen Landtag einfällt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Klein, wir haben uns in Föderalismusfragen sehr intensiv über die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder auseinandergesetzt. Ein kurzer Blick in Art. 32 des Grundgesetzes hätte Ihnen sicherlich eröffnet, dass Sie mit Ihrer Bewerbungsrede zum außenpolitischen Sprecher im falschen Parlament gelandet sind.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Ar- min Klein (Wiesbaden) (CDU):Wollen Sie den Europaausschuss auflösen?)

Ich will den Europaausschuss überhaupt nicht auflösen, aber mir ist aufgefallen – das ist der Punkt, wo man eher anfangen könnte, zu weinen, wo einem das Lachen im Halse stecken bleibt –,dass bei der hessischen CDU-Fraktion anscheinend immer noch nicht angekommen ist, dass die CDU die Bundesregierung stellt. Der Beschluss der

Außenminister, den Sie hier gerade kritisiert haben, wird von der Bundeskanzlerin und CDU-Bundesvorsitzenden, die ab dem 1. Januar 2007 die EU-Ratspräsidentschaft innehat, umgesetzt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir GRÜNEN haben zwar lange gebraucht, aber wir waren in Hessen schon 1985 regierungsfähig. Ich dachte, die CDU-Fraktion habe diesen Prozess nicht nötig.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So kann man sich täuschen!)

Zur Sache: Es gab einmal eine CDU, die von einem Mann namens Konrad Adenauer geprägt war, der es unter anderem geschafft hat, eine jahrhundertelang als sogenannte Erbfeindschaft bestehende Feindschaft zwischen Deutschland und Frankreich in eine Freundschaft zu verwandeln.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Al-Wazir als Nachfolger Konrad Adenauers!)

Wenn Sie, Herr Kollege Wagner, nicht sehen, dass dieser Konflikt, um den es gerade geht, kein Konflikt zwischen der CDU und der Türkei und auch kein Konflikt zwischen der EU und der Türkei, sondern faktisch ein Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei bzw. Zyperns und der Türkei ist, dann sage ich: Was ist eigentlich aus der Europapartei CDU geworden? Es ist traurig, das hier mit ansehen zu müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)