Da die Landesregierung nach der ersten Lesung und trotz der Anhörung die Mangelhaftigkeit dieses Gesetzentwurfs nicht erkannt hat – oder nicht wahrhaben will –,
kann ich die sozialdemokratische Position heute hier nur so formulieren: In der Form wollen wir dieses Gesetz nicht.
Dieser Gesetzentwurf kann auch durch die Änderungsanträge – ich nehme den Vortrag von Frau Schulz-Asche einmal aus – nicht zu einem Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch werden,das diesen Namen wirklich verdient.Ziehen Sie diesen Entwurf zurück. Überarbeiten Sie ihn, oder – noch besser – schaffen Sie einen völlig neuen Entwurf,der die Zukunftsfähigkeit des Landes in der Kinder- und Jugendhilfe tatsächlich sichert.
Wir wollen ein Gesetz, das Klarheit, Verlässlichkeit und eine wirkliche Erleichterung für die Eltern schafft. Wir wollen ein Gesetz, das die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr durch originäre Landesmittel verbindlich absichert. Wir wollen ein Gesetz, das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessert. Wir wollen, dass die Weiterentwicklung der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren verbindlich geregelt wird.
Wir wollen auch ein Gesetz, das die Qualität der Tagespflege verbindlich regelt. Es muss Mindestqualitätsstandards geben, was die Qualifikation von Tagespflegepersonen, aber auch die inhaltliche Arbeit im Rahmen dieser Angebote angeht. Wir wollen, dass die Lebenszeit des Kindes vor dem Eintritt in die Schule endlich als eine wichtige Entwicklungsphase begriffen und als Bestandteil des gesamten Bildungswegs eines jungen Menschen angesehen wird.
Zur Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans. Er ist wirklich gut. Nun wenden Sie ihn doch an; setzen Sie ihn um. Wir haben händeringend und mit Schweißperlen auf der Stirn darauf gewartet, dass er endlich kommt. Aber nun verkommt er endgültig zur Bedeutungslosigkeit.
Er muss im Gesetz verankert sein. Es muss ein klarer Bezug hergestellt werden, nicht nur inhaltlich, sondern auch im Hinblick auf die finanziellen Gesichtspunkte.
Wir wollen, dass der besondere Förderbedarf benachteiligter Kinder als Rechtsanspruch festgeschrieben wird. Kleine Menschen mit Behinderung, mit einem Migrationshintergrund oder aus sozial schwachen Familien brauchen eine intensivere Betreuung und Zuwendung. Das bedeutet kleinere Gruppen, einen besseren Betreuungsschlüssel und mehr Zeit für das einzelne Kind.
Alle diese Ziele müssen im Gesetz festgeschrieben werden. Das ist das klare, übereinstimmende Ergebnis dieser Anhörung. Das ist auch die Realität in vielen anderen Bundesländern. Es geht nicht an, in Hessen solch relevante Entscheidungen aus der Kompetenz des Parlamentes herauszunehmen und auf die Verordnungsebene zu geben.
Es besteht nämlich durchaus die Gefahr, dass für die Kinder- und Jugendpolitik ein Gesetz geschaffen wird,das die Regierung ermächtigt, weiterhin allein zu entscheiden
und die Zuständigkeit – oder die Kritik – des Landtags auszuschalten. Wenn wir sehen, wie diese Landesregierung mit den Ergebnissen der Anhörung umgeht und wie die Stellungnahmen und die Fachkompetenz der Vertreter von Verbänden und Organisationen, die Tag für Tag unmittelbar mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, missachtet werden, können wir feststellen, dass auch keine Änderung des Verordnungsentwurfs zu erwarten ist, die sich am Kindeswohl und an den dringenden Erfordernissen orientiert. Bei einer derartigen Resistenz von Regierung und CDU-Fraktion gegenüber Fachargumenten werden diese vielleicht keinerlei Niederschlag im Gesetz finden und mit ziemlicher Sicherheit auch in der Verordnung nicht beachtet werden. Deutlich wird aber, dass dies ein Gesetzentwurf ist, der gegen den Sachverstand gemacht wurde.
Wir wollen, dass nicht nur das, was in diesem Gesetzentwurf zur Kinderbetreuung steht, verbessert wird. Dieser Anspruch gilt auch für die Maßnahmen der Jugendhilfe in Hessen. Mit den §§ 19 und 20 will sich die Landesregierung aus der verbindlichen Förderung von Maßnahmen zum gleichmäßigen Ausbau der Jugendhilfeleistungen verabschieden, obwohl wir eine steigende Zahl von Kindern und Jugendlichen mit großen Defiziten allein in der sozialen Kompetenz feststellen müssen und obwohl die Zahl der Familien, die ihrem Erziehungsauftrag nicht oder nur unzureichend gerecht werden,leider ständig größer wird.
Herr Minister Banzer, bei einem Symposium zum Thema Jugendstrafvollzug, das vor einigen Tagen im Schloss Biebrich stattgefunden hat – ein sehr guter Vortrag, insgesamt hervorragend –, wurde übereinstimmend die These vertreten, dass man Kindern und Jugendlichen, die letztlich in der Kriminalität angekommen sind, viel früher hätte helfen können. Das ist ganz gewiss eine extreme Entwicklung. Aber solche Fehlentwicklungen sind frühzeitig erkennbar und können verhindert werden.
Dazu ist aber ein flächendeckendes präventives Jugendhilfeangebot nötig, das alle Kinder schon sehr früh unterstützt. Es muss ein engmaschiges Netz von Beratungsstellen für Eltern,Kinder und Jugendliche geben,die Hilfe suchen und auch annehmen wollen. Es darf nicht passieren, dass diese Menschen bis zu sechs Monate auf einen Beratungstermin warten müssen, wie das in Hessen zurzeit leider traurige Realität ist.
Wir brauchen ein Gesetz, das bedarfsorientierte, flächendeckende Fördermaßnahmen der Jugendsozialarbeit, der Familienhilfe und sozialer Gruppenarbeit in Hessen sicherstellt. Wir brauchen die Garantie, dass eine schnelle und fachkompetente Beratung vorhanden ist, wenn diese angefordert und gebraucht wird. Wir wollen, dass Sozialarbeit in Schulen angeboten wird.Auch das hat sich in anderen Ländern bewährt.
Der einheitliche Ausbau der Jugendhilfe im ganzen Land muss sichergestellt sein. Deshalb darf das Land die Kommunen bei der Finanzierung all dieser Maßnahmen nicht
im Stich lassen und die Förderung nicht lediglich nach Haushaltslage und Gutdünken gewähren. Wir wollen, dass die Pflicht des Landes zur Förderung der Jugendhilfe im Gesetz verankert wird.
Der Gesetzentwurf sah ursprünglich die Beschneidung der Kompetenzen des Landesjugendhilfeausschusses vor. Die Degradierung dieses Gremiums zu einem reinen Gesprächskreis war geplant. In dieser Frage hat sich die CDU-Fraktion offensichtlich eines Besseren besonnen.
Sie übernimmt unsere Position und hat einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, dem wir selbstverständlich zugestimmt haben,
auch wenn uns die CDU-Fraktion mit ihrer Begründung gern glauben machen möchte, dass diese 180-Grad-Kehrtwende lediglich die Klarstellung einer vermeintlich missverständlichen Formulierung im Text des Gesetzentwurfs gewesen sei. Okay, es ist letztlich egal, wie Sie es begründen. Die Einsicht zählt.
Aber diese leichte Veränderung, was den Landesjugendhilfeausschuss betrifft, ist zu wenig, um aus dem Entwurf ein zukunftstaugliches Gesetz zu machen. Da wir befürchten müssen, dass Sie unserer Aufforderung, diesen Gesetzentwurf zurückzunehmen und im nächsten Jahr einen neuen, zukunftsweisenden und an den Notwendigkeiten orientierten Entwurf vorzulegen, nicht nachkommen werden, bringen wir, um wirklich nur das Allerschlimmste zu verhüten, unseren Änderungsantrag ein.
Das wäre zu § 6 Abs. 7 eine Klarstellung. Da übernehmen wir die Formulierung aus dem SGB VIII, um dem Jugendhilfeausschuss auf der kommunalen Ebene ein Anhörungs- und Beschlussrecht zu geben.
Das betrifft auch die §§ 9 und 12.Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es speziell für die Belange von jungen Frauen und Mädchen der gezielten Fachkompetenz auch in den Ausschüssen bedarf und dass wir auch weiterhin Modellvorhaben für geschlechtsspezifische Angebote unterstützen müssen. Das bezieht auch Jungenarbeit ein.
Zu Nr. 4 und Nr. 5 unseres Änderungsantrags. Die Landesförderung wird gesetzlich normiert. Aus der Kannregelung wird wieder eine gesetzlich vorgeschriebene Landesförderung, auch um Kommunen eine verlässliche Vorgabe zu bieten.
Nr. 6 betrifft die von Frau Kollegin Schulz-Asche schon angesprochene gewerbliche Tätigkeit in der Kinderbetreuung. Meine Damen und Herren, was und wem wollen Sie dort Tür und Tor öffnen? Wenn Sie gar nicht wissen, worum es geht, gebe ich Ihnen den Tipp: Gehen Sie einmal ins Internet unter www.villa-ritz.de. Dann wissen Sie, was auf uns zukommt. Dafür soll es dann auch möglicherweise noch eine Landesförderung geben. Das ist schlicht und ergreifend unglaublich.
Okay. – Alles Weitere werden wir heute Abend im Ausschuss beraten. Ich denke, Sie sind unglaublich flexibel. Vielleicht kommt dabei noch etwas richtig Gutes heraus.
Herr Präsident,meine Damen und Herren! Wir beraten in zweiter Lesung den Entwurf des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches. In diesem Gesetz werden sechs Einzelgesetze gebündelt.
Lassen Sie mich vorher noch eine Bemerkung machen, weil Sie eben wieder einmal versucht haben,uns etwas mit dem Bildungs- und Erziehungsplan zu erklären. Dieser Bildungs- und Erziehungsplan ist in der Erprobungsphase. Er muss erprobt werden, um zu Ergebnissen zu kommen.Wenn man diese Ergebnisse hat,kann man sie in ein Gesetz einbringen, das dann vernünftig ist. Man darf es aber nicht so tun, wie Sie es hier vorschlagen.
Wir tragen mit diesem Gesetz verschiedenen Zielen Rechnung. Zum einen wollen wir die Vorgaben des Bundes, etwa zum Tagesbetreuungsausbaugesetz, erfüllen. Außerdem umfasst es nun alle Arten von Kinderbetreuungseinrichtungen. Darüber hinaus verfügt der Gesetzentwurf nun einen Bildungsauftrag für alle Betreuungseinrichtungen zusammen. Das ist von Vorteil.
Er trägt damit im Bereich der Kinderbetreuung beiden Kernzielen unserer Familienpolitik Rechnung:Erstens erleichtern wir Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zweitens sorgen wir durch die Einbeziehung von Bildungsaspekten bei der Kinderbetreuung für die optimale Vorbereitung auf die Schule.