Protocol of the Session on November 23, 2006

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Hessisches Umweltinformationsgesetz (HUIG) – Drucks. 16/6189 zu Drucks. 16/5407 –

Redezeit: fünf Minuten je Fraktion. Berichterstatter ist Herr Abg. Bender.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in unveränderter Fassung anzunehmen.

Der Gesetzentwurf war dem Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz in der 97. Plenarsitzung am 28. März 2006 überwiesen worden.

Der Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat am 4. Juli 2006 eine mündliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf durchgeführt.

Der Ausschuss für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat sich zuletzt in seiner Sitzung am 9. November 2006 mit dem Gesetzentwurf befasst und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die eben genannte Beschlussempfehlung an das Plenum ausgesprochen.

Zuvor waren der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit den Stimmen der CDU und der FDP gegen die Stimmen der SPD und der GRÜNEN und der Änderungsantrag der Fraktion der FDP mit den Stimmen der CDU,der SPD und der GRÜNEN gegen die Stimme der FDP abgelehnt worden.

Vielen Dank, Herr Berichterstatter. – Zu unserer Verblüffung gibt es keine Wortmeldungen.

(Widerspruch des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Hammann das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin schon erstaunt, wie wenig Interesse die CDUFraktion offensichtlich hat, diesen Gesetzentwurf hier zu kommentieren. Das sieht man daran, dass von Ihnen keine Wortmeldung vorliegt.

Meine Damen und Herren, wir kritisieren, dass es vonseiten der CDU überhaupt keine Bewegung im Hinblick auf eine Veränderung des Gesetzentwurfs für ein Umweltinformationsgesetz gegeben hat,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

obwohl der Gesetzentwurf,wie auch Sie wissen,in der Anhörung durchgefallen ist. Zahlreiche Experten haben darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf die Anforderungen der einschlägigen EU-Richtlinie nicht einhält. Es feh

len gravierend wichtige Bestimmungen. Wir haben Ihnen die Chance gegeben, über unseren Änderungsantrag die fehlenden Teile in diesen Entwurf der Landesregierung wieder einzuarbeiten, sodass ein vernünftiges Umweltinformationsgesetz von einer großen Mehrheit hier im Parlament hätte verabschiedet werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Minister Dietzel, ich kritisiere, dass Sie immer noch behaupten, der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf für ein Umweltinformationsgesetz trage dazu bei, dass es zu einer größeren Transparenz und zu einer größeren Bürgerfreundlichkeit kommt. Das, was wir vorliegen haben, kann dieses Versprechen nicht einlösen, das Sie in vielen Presseerklärungen immer wieder gegeben haben. Die von Herrn Minister Dietzel als „schlankes Landesgesetz“ bezeichnete Vorlage ist leider ein untergewichtiger Gesetzentwurf, und er erfüllt nicht die Ansprüche der EU-Umweltinformationsrichtlinie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist doch das Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern einen unproblematischen und unbürokratischen Zugang zu umweltbezogenen Daten zu ermöglichen. Das Gesetz soll doch auch bewirken, dass das Umweltbewusstsein steigt, und damit letztlich dazu beitragen, den Umweltschutz zu verbessern.

Wir bedauern, dass Sie unserem Wunsch nicht gefolgt sind,ein Widerspruchsverfahren einzuführen.Sie zwingen die Menschen bei Unstimmigkeiten vor die Verwaltungsgerichte.

Als Zweites haben wir von Ihnen erbeten, dass wir eine Überwachungsmöglichkeit für informationspflichtige Stellen des privaten Rechts bekommen, die unter öffentlicher Kontrolle stehen.Das betrifft z.B.die Bereiche Versorgung und Entsorgung. Auch hier haben Sie kein Einlenken gezeigt.

Wir fordern, wie es auch die EU-Umweltinformationsrichtlinie tut, die Vorlage eines Umweltentwicklungsberichts.Auch das ist Bestandteil der EU-Richtlinie. In Hessen wird das gnadenlos abgelehnt.

Wir wollen, dass in Hessen das Amt eines Umweltinformationszugangsbeauftragten eingeführt wird. Das ist ein äußerst wichtiger Punkt. Daran halten wir weiterhin fest, weil wir glauben, dass Sie an der Stelle Ihre Entscheidung noch einmal überdenken müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können Ihre Haltung auch deshalb nicht verstehen, weil die Einrichtung des Amts eines Umweltinformationszugangsbeauftragten auch einmal Wunsch dieser Landesregierung war. Dies war Bestandteil eines Entwurfs vom Februar 2005.Wir wollen Ihnen durch unseren Änderungsantrag die Chance geben,darüber noch einmal nachzudenken. Wir würden von Ihnen gern die Begründung dafür wissen, warum Sie es für bedenklich halten bzw. nicht akzeptieren, dass wir dieses Amt an dem Amt des Hessischen Datenschutzbeauftragten andocken wollen. Hier wäre die richtige Stelle, und der Datenschutzbeauftragte, Herr Ronellenfitsch, hat in der Anhörung deutlich gemacht, welche Möglichkeiten er hat.

Sie wissen ganz genau: Wenn es um Umweltinformationen geht, liegt zumeist ein Widerstreit zwischen denen vor, die Informationen haben wollen, und denen, die, oftmals zu Recht, auf die Schutzwürdigkeit ihrer Daten po

chen. Gerade diese Abwägung könnte ein Datenschutzbeauftragter, der gleichzeitig das Amt eines Umweltinformationszugangsbeauftragten innehätte, hervorragend leisten. In der Funktion eines Ombudsmanns könnte er eine Vermittlerrolle übernehmen. Ganz besonders wichtig ist Folgendes.Aufgrund der Neutralität, zu der ihn dieses Amt verpflichtet, wird seine Entscheidung viel höhere Akzeptanz finden, wenn dem Anliegen eines Bürgers, der bestimmte Informationen haben will, möglicherweise nicht entsprochen werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass in der Anhörung des Ausschusses von vielen Experten dazu noch einmal besonders dargestellt wurde, dass dieses Amt besonders notwendig ist. Ich nenne stellvertretend Herrn Prof. Lange und Herrn Prof. Wegener, der den Lehrstuhl für öffentliches Recht an der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg innehat, oder auch die IHK oder die Verbraucherzentrale Hessen.

Meine Damen und Herren, wir beantragen hiermit die dritte Lesung. Wir haben Ihnen durch unseren Änderungsantrag die Chance gegeben, noch einmal darüber nachzudenken. Ich hoffe auf ein Einlenken im Interesse der hessischen Bürgerinnen und Bürger. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Grumbach das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung zum Spaß an der Diskussion. Ich fände es interessanter, wir würden hier zu einem Debattenaustausch kommen,statt dass der eine Teil des Hauses wartet, bis der andere fertig ist, um dann im Block zu antworten. Das ist nur eine freundliche Anregung. Ich finde es einfach langweilig, auf die vorigen Argumente eingehen zu müssen, statt mich mit konkreten auseinanderzusetzen.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN):Absolut richtig!)

Im Kern.Wenn Sie sich diesen Gesetzentwurf und die Beschlussempfehlung anschauen, werden Sie feststellen

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie sind doch sowieso beratungsresistent! – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

ich weiß gar nicht, was Sie an dem Versuch, ein bisschen Spaß zu haben, so unruhig macht –, dass sich die spannende Frage, warum wir eigentlich Anhörungen machen, bei diesem Gesetzentwurf erneut stellt.

(Petra Fuhrmann (SPD): In der Tat! – Zuruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU))

Wir haben eine sehr fundierte Auseinandersetzung von Expertinnen und Experten mit dem Gesetzentwurf gehabt, die von allen Fraktionen benannt waren. Keiner der Experten, egal von welcher Fraktion er benannt war, kam ohne Verbesserungsvorschläge aus.Aber Sie haben weder die Verbesserungsvorschläge Ihrer eigenen Experten noch die der anderen versucht einzubeziehen.

(Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Vollkommene Ignoranz! – Petra Fuhrmann (SPD): Ignoranz der Macht!)

Ich glaube, das ist nicht richtig klug, weil Sie ein modernes Instrument eigentlich ohne Grund schlechter machen, als es ist. Wozu passiert das Ganze denn? Wir haben doch, wenn wir Standards durchsetzen wollen, auch im Umweltbereich zwei Möglichkeiten. Entweder können wir Millionen von Euro an Personalkosten für Kontrolleure aufbringen und einen Kontrollstaat schaffen,den in Wahrheit keiner haben will, was auch gut ist. Oder wir mobilisieren zusätzlich die Waffe, die in diesem Bereich relativ gut funktioniert, um die Zahl der Kontrolleure zu reduzieren: Das ist die Öffentlichkeit. – Wenn die Öffentlichkeit aber funktionieren soll, muss sie Zugang zu Informationen haben. So einfach ist die Welt. Ich habe schon ein Stück weit den Eindruck, das ist ein bisschen Angst vor der Öffentlichkeit.

(Petra Fuhrmann (SPD): Nicht nur ein bisschen!)

Das merkt man schon an der Art des Gesetzentwurfes. Denn Sie hätten als Landesregierung ja auch ein komplettes Informationsfreiheitsgesetz vorlegen können, wie das andere – andere Bundesländer und zum Teil die Bundesregierung – schon vorgemacht haben.

(Petra Fuhrmann (SPD): Sie sind nur beim Ladenschluss für die Freiheit!)

Denn dann könnten wir den Menschen, den Bürgern im Lande einen gleichen Zugang nicht nur Umweltinformationen gewähren, sondern einem Großteil von Informationen, die öffentlich oder den Behörden zugänglich sind. Ich glaube, Sie machen da einen großen Fehler. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern im Lande misstrauen. Wir vertrauen ihnen. Deswegen glauben wir, dass dieser Gesetzentwurf verbessert werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es gibt Konflikte – das ist doch völlig unstreitig – zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Das ist in allen Fällen so, wo es um Wirtschaftsprozesse geht. Der spannende Punkt ist: Statt sich mit diesen Konflikten auseinanderzusetzen, versuchen Sie es mit Restriktionen. Der Vorschlag ist, dafür eine Schlichtungsinstanz einzuberufen und dafür jemanden oder eine Institution zu nehmen, der bzw. die den Umgang mit Informationen geübt hat und sehr präzise dazu in der Lage ist, Datenschutz und Informationsfreiheit ins Gleichgewicht zu bringen.Spannenderweise funktioniert dies in Hessen seit Jahrzehnten völlig unabhängig von der politischen Ausrichtung der Landesregierung und der politischen Ausrichtung des Datenschutzbeauftragten als Person.

Ich finde, das ist ein kluger Vorschlag. Die Frage ist: Warum nehmen Sie es nicht einfach auf? Denn es wäre ein Punkt, endlich ein Stück weiterzukommen bei dem Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Informationen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben den Gesetzentwurf selbst sehr restriktiv gemacht. Ich nehme einen Punkt, für den ich Verständnis habe. Ja, ich verstehe, wenn eine Regierung sagt:Wir wollen unsere politischen Programme nicht – anders, als das in der Richtlinie angedeutet ist – auch öffentlich sehen. –

Aber – jetzt plaudere ich aus dem Innenleben der Opposition, die Sie selbst aus Ihren Oppositionszeiten kennen –: Wenn ich etwas über das wissen möchte, was die Landesregierung plant, frage ich bei bestimmten Themen die Lobbyverbände. Denn die, die für teures Geld Industrieinteressen vertreten, haben die Informationen über die Programme der Landesregierung in der Regel früher als jeder Oppositionsabgeordneter, manchmal auch früher, wie ich feststellen musste, als die Regierungsfraktion. Ich sage an der Stelle: Dieses Ungleichgewicht in der Gesellschaft, dass Menschen, die aufgrund ihrer Stellung z. B. als Wirtschaftsverbandsvertreter bevorzugt werden, während der einfache Bürger in der gleichen Situation mit weniger Informationen auskommen muss, ist langfristig demokratieschädlich. Deshalb ist diese Einschränkung falsch, auch wenn es ein Regierungsprivileg geben muss.