Herr Al-Wazir, ich denke, dem kann man nichts hinzufügen.Mir ist aufgefallen,dass sowohl Frau Künast im Deutschen Bundestag als auch Sie in Ihren Beiträgen alles zum islamischen Religionsunterricht gesagt haben,was es dazu zu sagen gibt. Dieses Thema könnte man vertiefen. Aber es ist auch ein Gegenstand der Islamkonferenz. Lassen wir den Prozess des Nachdenkens darüber, wie so etwas gestaltet werden kann, einfach fortschreiten.
Bevor Sie jetzt eine Islamkonferenz für Hessen fordern, möchte ich Ihnen sagen: Sie sind so gut wie mit keinem Wort darauf eingegangen,dass Herr Schäuble auch gesagt hat, dass das Grundgesetz dieser Republik und unsere Rechtsordnung unverhandelbar sind.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Entschuldigung, Frau Zeimetz-Lorz, das ist jetzt wirklich Unsinn!)
Das haben Sie in einem Satz erwähnt. – Zu dieser Rechtsordnung gehört auch die Rolle der Frau.Die haben Sie lediglich in einem Nebensatz erwähnt.
Ich finde es bemerkenswert, dass Sie dieses Thema, das so komplex und für die Zukunft unseres Landes so wichtig ist – wie Sie behaupten –, zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde machen, um hier eine Show abzuziehen. Es tut mir leid, so habe ich das empfunden.
Sie haben kein Wort dazu gesagt, wie wir mit Zwangsverheiratungen umgehen.Wie gehen wir mit einem Mord aus Gründen der Ehre um? Wie gehen wir damit um, dass Mädchen heutzutage nicht mehr am Schwimmunterricht teilnehmen können? Dabei geht es sogar um deutsche Mädchen. Ich habe gelesen, dass in einer westfälischen Schule die Mehrheit der ausländischen Eltern einer Klasse beschlossen hat, dass diese keinen Schwimmunterricht mehr erhält. Ganze Klassen sollen nicht mehr auf Klassenfahrten gehen. Ich finde, zu einem sinnvollen Dialog gehört, dass man über die Probleme, die unser Land hat, offen und ehrlich spricht. Das fehlt mir bei Ihnen.
Sie haben jeweils in einem Stichwort die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Presse erwähnt. Ich finde, es ist des Schweißes der Edlen wert, darüber nachzudenken, was eigentlich in unserem Land los ist. Ich nenne nur die Stichworte: Papstrede, Karrikaturenstreit und zuletzt die Absetzung der Mozart-Oper „Idomeneo“ in Berlin. Wo sind wir mittlerweile gelandet?
Letzte Bemerkung. – Das ist der Preis unserer Freiheit. Als Christenmensch finde auch ich es nicht sehr geschmackvoll, was im letzten Akt dieser Oper aufgeführt werden sollte. Ich habe aber zwei Möglichkeiten: Ich habe die Möglichkeit, es mir anzuschauen und für schlecht zu befinden. Ich habe auch die Möglichkeit, es mir nicht anzuschauen. Hin und wieder muss ich etwas erdulden, was ich als Christenmensch – das gilt auch für andere Menschen mit anderen Gründen – als abstoßend empfinde. Aber das ist die Freiheit der Kunst. Darüber kann man streiten.
Ich denke, wenn man ein Thema mit so vielen Facetten zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde macht, nimmt man es nicht wirklich ernst.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Zeimetz-Lorz, ich muss sagen, ich habe Sie nicht ganz verstanden. Sie haben in Ihrer Rede Probleme beschrieben. Aber in derselben Rede sagen Sie: Was geht uns das in Hessen an? Lasst die in Berlin das doch machen. – Das kann es nicht sein.
Frau Kollegin, es ist dem Thema auch nicht angemessen, wenn Sie sagen, wir würden das sozusagen zu einem innerparteilichen Problem zwischen der Bundes-CDU und der Landes-CDU verkürzen. Tatsächlich geht es um eine andere Spaltung. Es geht um die Trennung zwischen 3,4 Millionen Menschen in unserem Land, den Muslimen, und der deutschen Bevölkerung. Der Innenminister, der Ihrer Partei angehört, versucht, einen Dialog zu führen. Uns geht es nicht um Ihren Dialog. Den können Sie auf dem Parteitag führen. Uns geht es um den Dialog mit den Muslimen. Deshalb unterstützen wir das, was Ihr Innenminister gemacht hat.
Ihr Innenminister hat recht. Er hat auch Provozierendes in Ihre Richtung gesagt. Er hat erklärt, die 3,4 Millionen Muslime seien Teil unserer Bevölkerung und ein Teil der deutschen Gesellschaft. Damit macht er mit einer Lebenslüge der Union Schluss.
Die Union hat immer gesagt, die 3,4 Millionen Muslime gehörten nicht zu unserer Gesellschaft. Diese 3,4 Millionen Muslime seien bestenfalls Mitbürger auf Zeit, jedenfalls keine Deutschen. Irgendwann würden sie wieder nach Hause gehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Schäuble hat eines verstanden: Sie werden nicht mehr nach Hause gehen; denn sie sind hier zu Hause.
Dass wir so wenig über die Muslime in unserem Land wissen, hat auch damit zu tun, dass Sie diese Tatsache schlicht verleugnet haben. An dem Grinsen des Herrn Irmer erkenne ich, dass er es noch immer für falsch hält, was sein Bundesinnenminister sagt. Er meint, wir müssten uns abgrenzen. Dieser Dialog ist eine Provokation für die hessische CDU.
Liebe Kollegin, er bietet in der Tat die Möglichkeit, auch über die von Ihnen genannten Punkte zu sprechen. Unsere Verfassung – unsere Grundordnung – ist nicht wertfrei. Es gibt Werte in unserem Land, an die sich auch die Muslime zu halten haben.Wir haben zu Recht – allerdings vielleicht zu spät – über die Themen Zwangsverheiratung und Zwangsehe diskutiert. Allein schon der Druck, den die Eltern in Richtung Eheanbahnung ausüben, ist etwas, was wir in diesem Land nicht akzeptieren. Freiheitsrechte gelten für alle. Sie sind in keiner Weise zu relativieren.
Die Werte unserer Ordnung sind unser Teil des Dialogs mit den Muslimen. Aber der Dialog ist nicht auf diese
Seite allein beschränkt, sondern er gilt auch umgekehrt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, deshalb müssen Sie sich genau überlegen, wie Sie diesen Dialog führen, d. h., ob Sie sagen: „Das sind unsere Werte, nehmt sie“,ob Sie Ab- und Ausgrenzung als Merkmal einer deutschen Leitkultur geltend machen oder ob es Ihnen um die kulturelle Verständigung geht.
Wir haben diesen Prozess als kulturelle Verständigung verstanden – und dann können wir nicht mehr über die deutsche Leitkultur im wagnerschen Sinne reden.
Deshalb geht es natürlich auch um unsere Probleme mit den Muslimen hier in Hessen. Es geht natürlich um das, was der Kollege Al-Wazir völlig zu Recht angemerkt hat, nämlich darum, was wir in Hessen leisten können. Was spricht gegen eine hessische Islamkonferenz? Was spricht dagegen, dass wir die gleichen Themen, die in Berlin diskutiert werden, auch in Hessen diskutieren?
Herr Al-Wazir hat zu Recht darauf hingewiesen: Bildung ist nun einmal Ländersache, und zwar ausschließlich. Die Tatsache, dass wir nach wie vor keinen Islamunterricht in den Schulen haben, führt nicht zur kulturellen Verständigung und nicht dazu,dass der Islam tatsächlich verstanden wird, sondern das befördert das, was auf den Hinterhöfen gelehrt wird – und das wollen wir nicht.Das befördert das, was Parallelgesellschaften ausmacht. Es fördert das, was Muslime in unserem Land aus der Gesellschaft herausbringt,anstatt hinein.Ein Dialog hat mit zwei Personen zu tun.Wir wollen diesen Dialog,weil wir wollen,dass wir die Muslime in die Gesellschaft hineinbringen und nicht – wie das bislang die CDU-Position war – aus unserer Gesellschaft ausgrenzen.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Minister Dr. Alois Rhiel: So ein Schwachsinn!)
Jetzt höre ich gerade eben:„So ein Schwachsinn!“ – Lassen Sie uns doch einmal über so etwas wie muttersprachlichen Unterricht reden. Unter rot-grüner Regierung in diesem Lande gab es diesen muttersprachlichen Unterricht. Eine der ersten Heldentaten einer Regierung unter dem Ministerpräsidenten Koch war es, den muttersprachlichen Unterricht abzuschaffen.
Ein Großteil derjenigen, die wir in den bildungspolitischen Debatten hier als Bildungsverlierer ansprechen, sind nun einmal die türkischen Männer. Unter denjenigen, die wir als nicht ausbildungsreif bezeichnen, sind überproportional türkische junge Männer vertreten. Liebe Kolleginnen und Kollegen,wenn wir diesen Bereich aus der Bildungspolitik gänzlich ausklammern, dann brauchen wir uns nachher nicht zu wundern, wenn ein ganz großer Anteil von Menschen, die dauerhaft in unserem Land leben, in diesem Land keine Perspektiven hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, warum reagieren Sie denn auf diese Worte so aggressiv?