Aber auch das gehört zu Ihrer Ideologie: Sie wollen mit Ihrem Studiengebührengesetz Selektionseliten schaffen, aber keine durch Qualität und Leistung bestimmten Exzellenzen.
Im Kern kommen alle Studien zu der Bewertung, dass durch die Einführung von allgemeinen Studiengebühren zusätzliche Hürden für die Schichten aufgebaut werden, die ohnehin eine sehr geringe Bildungsbeteiligung haben. Sie hätten sich einmal die Studie des Deutschen Studentenwerks ansehen sollen.Was dort steht, ist erschreckend. 1982 stammten noch 23 % der Studierenden aus Elternhäusern mit einem niedrigen sozialen Status. 2003 waren es nur noch 12 %. Das muss uns doch zu denken geben.
Frau Beer, Sie lachen. So witzig war das aber nicht. Ich konnte meine Eltern nicht davon überzeugen, dass ich studieren wollte. Auch sehr viele andere aus diesem Milieu konnten das damals nicht.
Wir mussten dann einen Umweg machen.Aber dass viele Mut gefasst und sich entschlossen haben, trotzdem ein Studium aufzunehmen, lag daran, dass es in der hessischen SPD – in ganz Hessen – einen Bildungsaufbruch gab. Das hat uns den Mut gegeben, doch ein Studium anzufangen.
Für mich und meinesgleichen, die wir jede Mark umdrehen mussten, ging damals ein Signal durch das Land. Das war das Signal des Aufbruchs in eine Bildungsgesellschaft. Die politische Botschaft lautete: Ihr seid nicht nur erwünscht,sondern ihr werdet auch gebraucht.– Mit diesem Gesetzentwurf treiben Sie wieder einen Keil der sozialen Ungleichheiten zwischen die Menschen in diesem Land. Das lassen wir Ihnen so nicht durchgehen.
Wir brauchen wieder ein Signal in unserem Land, das lautet: Macht alle mit, ob bildungsfern oder bildungsnah, ob arm oder reich. Wir, die Politiker, sorgen dafür, dass ihr eine Chance habt, egal wie dick der Geldbeutel eurer Eltern ist, egal ob euch eure Eltern helfen können oder nicht. – Dieses Signal müsste vom Land ausgehen.
Aber ich will mich mit zwei weiteren Argumenten auseinandersetzen. Ich habe gestern von einem CDU-Abgeordneten gehört: Wir müssen Studiengebühren einführen, weil alle Länder um uns herum das auch machen. – Seit wann ist der Hessische Ministerpräsident so kleinmütig? Seit wann kümmert er sich um das, was andere Länder machen? Er hat in Hessen doch schon immer seine eigene Linie fahren wollen, ob das nun bei „Wisconsin works“, bei den Einbürgerungstests oder bei der Eliteförderung war – um einmal ein Beispiel aus der Hochschule zu nennen. Nie hat er sich um andere Länder gekümmert. Jetzt aber soll das Beispiel anderer Länder für dieses Verhalten herhalten.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie wollen – das haben wir auch schon getan –, machen wir Ihnen andere Vorschläge. Verzichten Sie auf Studiengebühren. Erklären Sie, dass Ihnen die Hochschulbildung so viel Steuergeld – vielleicht aus den Steuermehreinnahmen – wert ist. Geben Sie den Hochschulen die 4,5 %, die in dem ersten Entwurf für den Hochschulpakt genannt waren. Das sind ungefähr 50 Millionen c.
Sagen Sie, dass Sie dafür auf die Einführung von Studiengebühren verzichten. Das wäre ein interessantes Einstellungsmerkmal dieser Regierung.
Ein weiteres Argument folgt auf dem Fuße. Es lautet:Wir brauchen Studiengebühren, weil sonst die Studierenden aus den anderen Ländern nach Hessen kommen und unsere Universitäten überfluten. – Herr Ministerpräsident, auch darauf können wir Ihnen eine Antwort geben. Streben Sie es an, einen Ausgleichsfonds einzurichten, an dem alle Länder beteiligt sind. Die, die mehr ausbilden, als es der Zahl ihrer Landeskinder entspricht, bekommen Geld, während die,die weniger ausbilden,bezahlen müssen.Das ist gerecht und machbar.Aber Sie wollen sich nicht mit Ih
(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Ein Weichei! – Gegenruf des Ministerpräsidenten Roland Koch: Da gibt es viel zu lachen, gell!)
Ich bin ganz sicher, dass der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister gern mit Ihnen darüber verhandeln würde. Dann können Sie das Ergebnis gemeinsam mit Herrn Beck verkünden. Das wäre eine Möglichkeit. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, die Universität anders, nämlich sozial gerecht und ökonomisch sinnvoll, zu organisieren. Aber dazu bedarf es eines politischen Willens. Diesen politischen Willen haben Sie jedoch nicht.
Deshalb sage ich Ihnen: Wir haben heute ein Schreiben bekommen, dem allein aus Marburg 2.376 Unterschriften beigefügt sind. Die Absender schreiben: „Die Proteste werden, auch wenn das Gesetz in dritter Lesung verabschiedet werden sollte, weitergehen.“ Für die hessische SPD sage ich:Genau so ist es.Sie wünschen sich vielleicht, dass die Debatte heute beendet wird. Aber das werden wir nicht zulassen.
Die SPD-Landtagsfraktion wird gemeinsam mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor dem hessischen Staatsgerichtshof gegen das Gesetz klagen. Wir wissen, dass eine solche Klage aus vielen Gründen Aussicht auf Erfolg hat. Mein Kollege Michael Siebel wird gleich noch etwas dazu sagen.
Zum Schluss möchte ich für die hessische SPD eindeutig feststellen: Meine Damen und Herren, die Debatte wird heute nicht beendet. Ich verspreche, dass wir, wenn wir ab 2008 regieren, dieses Gesetz in den ersten 100 Tagen rückgängig machen; denn wir bekennen uns zu einem Land der Bildungschancengleichheit.Wir wollen keine Auslese. Uns geht es um die soziale Gerechtigkeit.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ypsilanti, ich möchte mit dem unsäglichen Vorurteil, das Sie heute wieder hier vorgetragen haben, aufräumen – dass bildungsferne Schichten vom Studium ausgegrenzt werden, wenn sie ein Darlehen aufnehmen müssen. Gestatten Sie mir, dass ich dies anhand einiger biografischer Daten begründe.
Ich komme aus einem Arbeiterhaushalt und habe während meines gesamten Studiums von zu Hause keinen einzigen Pfennig für mein Studium bekommen. In fast allen Semesterferien habe ich gearbeitet,
und während meines Studiums habe ich Nachhilfestunden gegeben. Das heißt, ich war auf das Darlehen angewiesen und erhielt diese Studienförderung nach den Richtlinien des Honnefer Modells. Dafür musste ich übrigens jedes Semester durch einen Studienbericht den erfolgreichen Besuch von Seminaren nachweisen. Monatlich erhielt ich 214, später 290 DM und musste darüber einen Darlehensvertrag abschließen. Daneben erhielt ich eine Waisenrente von 87,60 DM. Da ich zu Hause wohnte, konnte ich mit diesem Darlehen und dem Eigenverdienst ein Studium finanzieren.
Zwei Jahre nach Abschluss meines ersten Staatsexamens erhielt ich vom Deutschen Studentenwerk e. V. in Bonn eine Mitteilung über meinen Schuldenstand in Höhe von 5.900 DM.Ich habe ihn dann zehn Jahre lang in Raten von 50 DM monatlich abstottern müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, erstens war ich dankbar dafür, dass ich dieses Darlehen erhielt, denn sonst hätte ich nicht studieren können.
Zweitens hat mich die Aufnahme dieses Darlehens überhaupt nicht und in keiner Weise – und auch nicht meine Mitstudierenden – davor abgeschreckt, ein Studium aufzunehmen.
Drittens frage ich Sie, meine Damen und Herren von der SPD und den GRÜNEN und auch die draußen protestierenden Studierenden: Warum kann die finanzielle Belastung durch ein Darlehen, wie es vor 35 und 40 Jahren mir und vielen Mitstudierenden auferlegt wurde, von Studierenden der heutigen Generation nicht getragen werden? – Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU – Zurufe der Abg. Petra Fuhr- mann (SPD) und Dr.Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Haben Sie damals Studiengebühren bezahlt?)
Herr Lenz, es ehrt Sie, dass Sie trotz großer Probleme das Studium absolviert haben. Schauen Sie, das war nicht einfach, und Sie hatten Schulden – obwohl Sie keine Studiengebühren bezahlt haben. Es gibt ganz viele, die genau diesen Weg auch gegangen sind.
(Beifall bei der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Aloys Lenz (CDU): Dann hätte ich 15 Jahre lang zurückgezahlt!)
Aber Herr Lenz, wissen Sie, es gibt Zahlen und Fakten, die ihre eigene Sprache sprechen.Wir wissen nun einmal, dass aus schwierigen sozialen Milieus – wo die Eltern den Euro zweimal umdrehen müssen – die Studierendenzahlen drastisch, fast um die Hälfte, zurückgegangen sind.