Protocol of the Session on October 5, 2006

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So weit, so gut! Was folgt daraus?)

Ich glaube, dass es richtig ist und dass gelegentlich bei manchem Antrag, der hier vorgelegt wird, übersehen wird, dass der Bundespräsident alle Felder der Bildungspolitik in den Blick genommen hat, dass er von der vor

schulischen Bildung bis zur Universität alle Altersstufen, alle Schulformen und Bildungsgänge in den Blick genommen hat, dass er von der Erziehung im Elternhaus über den Religionsunterricht bis zum Fachwissen in den Fächern alle inhaltlichen Felder von Bildungspolitik und von Bildung in den Blick genommen hat.

(Norbert Schmitt (SPD): Der Jubel der Massen über die hessische Bildungspolitik ist gerade zu hören!)

Ich will auch zu diesen Feldern das eine oder andere in dieser Zeit Mögliche noch sagen. Aber eines hat er nicht gemacht: Er hat nicht selektiv einige wenige Punkte aus dem breiten Feld der Bildung herausgegriffen, sondern er hat das Feld geöffnet. Herr Kollege Wagner, das ist schon ein wesentlicher Unterschied zu dem, was hier im Haus vorgelegt worden ist.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Faktum ist, dass die Mitglieder der SPD-Fraktion aus dieser Rede steinbruchartig wenige Zitate entnommen haben, um sie in einem landespolitischen Klein-Klein gegen die Landesregierung zu wenden, die ihr nicht liegt. Diese Rede des Bundespräsidenten, des Staatsoberhauptes, mit der er Schwerpunkte setzen wollte, wurde in einer billigen Art und Weise für den Wahlkampf benutzt. Sie wurde als Steinbruch für die eigenen ideologischen Positionen benutzt. Das darf aber nicht der Umgang mit der Rede des Staatsoberhauptes sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es ist schon richtig, dass der Bundespräsident die ganze Gesellschaft, alle Parteien und alle Fraktionen fordert. Er hat ein positives Bild der Bildung gezeichnet. Das ist ziemlich exakt das Gegenteil von dem, was Frau Kollegin Habermann in ihrer Rede gesagt hat.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und von dem, was Sie gerade sagen!)

Sie bestand aus Negationen.

(Andrea Ypsilanti (SPD):Ach du lieber Gott!)

Das positive Bild der Bildung, das der Bundespräsident mit Anforderungen und Ermutigungen an alle gezeichnet hat, ist etwas vollkommen anderes, als es die Negationen waren, die die Grundlinie der Rede der Kollegin Habermann und auch des Kollegen Wagner von diesem Pult aus ausmachten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihre schlechte Politik ist der Gegenstand! Versuchen Sie doch nicht, davon abzulenken!)

Der Bundespräsident hat vier Leitsätze zum Kern seiner Rede gemacht. Er hat gesagt:

Bildung braucht Anerkennung!

Er hat gesagt:

Bildung braucht zweitens Anstrengung!

Der dritte Satz lautet:

Bildung braucht mehr Anstrengung – auch vonseiten des Bildungswesens.

Es müssen sich also die einzelnen Personen, aber auch diejenigen insgesamt, die im Bildungswesen tätig sind, anstrengen.

Außerdem hat er gesagt:

Bildung braucht Vorbilder!

In dem Antrag der SPD-Fraktion, der uns heute vorliegt, spielt Anstrengung keine Rolle. Das kommt dort nicht vor. Dort spielt auch der Religionsunterricht keine Rolle. Auch er kommt nicht vor. Dort spielen auch die Erziehungsanstrengungen des Elternhauses und der Schule keine Rolle.Auch das kommt nicht vor. Dort kommt auch nicht der Bildungskanon als Maßgabe dessen, was vermittelt werden soll, vor.Auch nicht wirklich wird dort auf die Förderung schwächerer Schülerinnen und Schüler eingegangen. Vielmehr wird die Systemfrage, die immer wieder aufgeworfen wird und auf die Herr Kollege Wagner differenzierte Antworten gefunden hat, einer tatsächlichen individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler gegenübergestellt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Das findet in Hessen gar nicht statt! Das ist doch das Problem!)

Tatsächlich kommt es aber darauf an, dass wir die Begabungen und die Möglichkeiten jedes einzelnen Kindes in den Blick nehmen. Davon ausgehend müssen wir die Kinder in den verschiedenen Bildungsgängen mit allen Mitteln der Pädagogik bilden. Das reicht also von den Lehrplänen bis hin zur Ausbildung der Lehrer. Damit wird es möglich, dass die Kinder bestmöglich entsprechend ihrer Begabungen gefordert und gefördert werden. Sie können dann ihre Begabungen entfalten. Sie können ihren Begabungen gemäße Abschlüsse ablegen. Außerdem können sie den Anschluss an weiterführende Ausbildungsgänge finden.

Es kommt also darauf an, ein Gesamtbild der Bildungspolitik und des Bildungswesens in einem Land zu formen, das weit über den institutionellen Rahmen hinausgeht. Es muss die Entfaltung der Begabungen und Ermutigungen ermöglichen.Anschlüsse müssen möglich sein.Außerdem muss es möglich sein, dass die Menschen mit aufrechtem Gang in unsere Gesellschaft gehen und dass sie das, was sie zu leisten in der Lage sind, in diese Gesellschaft einbringen. Das muss das Zentrum der Bildungspolitik sein. Es gilt also, zu verhindern, dass junge Menschen versagen, dass junge Menschen ohne Abschlüsse unser Bildungssystem verlassen und damit entmutigt in die Gesellschaft hineingehen. Wir brauchen Ermutigung und Stärkung und deswegen Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit. Darum bemühen wir uns nach besten Kräften.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Der Bundespräsident hat mit vollem Recht und großer Sorge darauf hingewiesen, dass es zu viele Schülerinnen und Schüler gibt, die keinen Abschluss erzielen. Genau darauf haben wir eine Antwort gegeben, und zwar alle gemeinsam, eben nicht parteipolitisch. Das reicht vom Kultusministerium bis hin zur einzelnen Schulleitung.

Wir setzen strategische Ziele. Mit diesen strategischen Zielen nehmen wir uns etwas gemeinsam vor und verpflichten uns darauf, zu erreichen, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss innerhalb von drei bis vier Jahren um ein Drittel sinkt. Hinsichtlich dieses Ziels sind wir schon sehr weit vorangekommen. Davon hat jedes einzelne Kind und jeder einzelne Jugendliche ei

nen Vorteil. Wir sind jetzt so weit gekommen, dass wir nicht mehr über 21 % haben, die unsere Hauptschulen ohne Abschluss verlassen.Wir liegen jetzt bei etwa 15 %.

Man kann das aber auch auf den gesamten Jahrgang beziehen. Herr Kollege Wagner führt so gerne die Schülerzahlen der Förderschule an. Die Zahl der Schüler, die diese Schulform besuchen, ist bundesweit stärker als in Hessen angestiegen. Ich will damit Folgendes deutlich machen: Bezogen auf die gesamte Zahl der Schülerinnen und Schüler haben wir ein Absinken der Quote derer, die die Schule ohne Abschluss verlassen,von 6,5 % auf 4,7 %. Damit konnte die Quote um fast 30 % abgesenkt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das entspricht nicht der Leistungsbilanz des Jahres 1999. Vielmehr ist das die Leistungsbilanz vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2006.Diesen Weg werden wir auch weiterhin beschreiten.

Das Gleiche gilt hinsichtlich der bedenkenswerten Ausführungen des Bundespräsidenten über die fehlende Chancengerechtigkeit und über die starke Bindung des Bildungserfolgs an die soziale Herkunft.Ich will das schon noch einmal verdeutlichen. Denn das muss den Mitgliedern einer Seite dieses Hauses immer wieder gesagt werden. Bei der ersten PISA-Studie, die im Jahr 2000 war, lagen wir auf dem drittletzten Platz. Davon ausgehend haben wir bereits drei Jahre später den Weg ins Mittelfeld gefunden. Das ist es, was ich meine, wenn ich davon rede, dass sich Hessen auf dem Weg zum Bildungsland Nummer eins befindet. Wir sind vom drittletzten Platz innerhalb von drei Jahren ins Mittelfeld gekommen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Mittelfeld ist also das Ziel!)

Das zeigt an, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen und auf dem Weg zu einer Spitzenposition in Deutschland vorankommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Gerade jetzt möchte ich sagen, dass es darum geht, Kinder, die benachteiligt sind, zu Erfolg und Leistung zu führen. Das ist der Anstrengung wert. Da haben wir den ersten wesentlichen Schritt geschafft.

Herr Kollege Wagner beliebt in jeder einzelnen Rede darauf einzugehen. Dabei wiederholen sich seine Formulierungen dramatisch.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das habe ich von Ihnen gelernt! – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Frau Ministerin, Wiederholung ist ein pädagogisches Prinzip! Solange Sie so störrisch sind, müssen wir es Ihnen immer wieder wiederholen!)

Davon wird das Gesagte aber nicht wahrer.

Die Quote der Risikoschüler ist in diesen ersten drei Jahren von 27 % auf 24 % zurückgegangen. Herr Kollege Wagner,Sie haben daraus geschlossen – und sagen das unserer Jugend auch Tag für Tag –, ein Viertel dieser Jugendlichen sei nicht fähig, eine Ausbildung zu absolvieren.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt die IHK!)

Von der Analyse der PISA-Studie, bei der es um die Anstrengungen in unserem Schulsystem und in unserem Ausbildungssystem geht, kommen Sie darauf, diese jungen Menschen seien nicht ausbildungsfähig, nicht integra

tionsfähig und in dieser Gesellschaft auch nicht fähig, eine Arbeit aufzunehmen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sagt die IHK!)

Wer unsere Jugend so schlechtmacht, möge so weiter machen, er wird das dann aber mit Sicherheit in der Opposition tun.

(Beifall bei der CDU – Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sollten Sie einmal Ihren Freunden aus der IHK sagen, von daher kommt das nämlich!)

Der Bundespräsident hat gesagt, es gebe zu wenige Akademiker. Dazu will ich mir eine Differenzierung erlauben. Denn auch hier braucht sich Hessen in keiner Weise verstecken. Schauen wir uns einmal die Altersstufe vom 25. bis zum 64. Lebensjahr an. In dieser Altersgruppe hatten im Jahr 2004 18 % einen Hochschulabschluss. Hessen liegt damit um 3 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Die Quote der Studienanfänger aus Hessen beträgt 36,7 %. Damit liegt Hessen hinter Bremen an der zweiten Stelle in der ganzen Republik. Darüber brauchen wir uns also nicht zu beklagen. Da brauchen wir uns nicht zu verstecken. Das brauchen wir weiß Gott nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)