Protocol of the Session on September 27, 2018

Bessere Arbeitsbedingungen, das zeigen Umfragen unter den Beschäftigten immer wieder, ist das dringendste Thema bei den Menschen, die in der Pflege arbeiten. Aber viele Beschäftigte wünschen auch eine Stärkung von Einflussmöglichkeiten durch eine eigene Interessenvertretung und wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützen dieses Anliegen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, CDU)

Anerkennung und Mitbestimmung sind für uns gerade in diesem letztlich für alle Menschen so grundlegenden Arbeitsbereich ein wichtiges Anliegen. Aus grüner Sicht kann eine Pflegekammer durchaus neben der Arbeitnehmerkammer in Bremen Platz finden. Wir finden eine Kooperation

nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll. Heute werden wir mit Rücksicht auf die Haltung unseres Koalitionspartners den Antrag der CDU ablehnen.

Dennoch, das betone ich ausdrücklich, werden wir Grünen die Einrichtung einer Pflegekammer in den anderen Bundesländern und auf Bundesebene unterstützen und das Thema ab Mai 2019 auch in Bremen wieder auf die Tagesordnung setzen. Diese Debatte ist für mich sehr wichtig. Deswegen werde ich auch diese Debatte, also diesen Punkt, besonders auf die Tagesordnung der Deputation für Soziales, Jugend und Integration setzen, um die Debatte dort mit Ihnen gemeinsam zu führen. – Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Dehne.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Diskutieren kann man immer. Das ist auch gut so, und das tun wir ja hier auch an dieser Stelle. Der Pflege eine Stimme geben, hat der Kollege Herr Bensch gesagt, und auch da, glaube ich, sind wir alle einer Meinung. Dass die Pflege auch bessere Arbeitsbedingungen braucht, wie wir es eben gehört haben, da sind wir uns auch alle einig, und da ist die SPDFraktion auch vollkommen von überzeugt.

(Beifall SPD – Abgeordneter Dr. vom Bruch [CDU]: Aber jetzt kommt das Aber oder wie? – Abgeordne- ter Bensch [CDU]: Beteiligung, es geht um einen Beteiligungsprozess!)

Der Kollege Herr Bensch hat gesagt, er will hier gar nicht so sehr auf die Details einer Pflegekammer eingehen, es geht ihm um eine Prüfung, das habe ich auch verstanden. Gleichwohl hat meine Fraktion die Pflegekammer sehr intensiv diskutiert. Es ist auch klar, dass wir da bundesweit keine einheitliche Position haben, der Kollege Herr Bensch hat das eben auch vorgetragen. Die Bundesländer sind da durchaus unterschiedlich aufgestellt, und auch die SPD-Landesverbände sind da unterschiedlich aufgestellt.

Lassen Sie mich noch einmal in Erinnerung rufen, was eine Pflegekammer denn tatsächlich praktisch machen würde. Sie würde die Berufsordnung überwachen, sie würde auch Weiterbildungsstandards formulieren, und wenn die von den Pflegekräften nicht eingehalten würden, würde sie die sanktio

nieren. Sie wäre an Anhörungsverfahren des Gesetzgebers beteiligt. Aber an diesem Punkt muss man schon ganz offen sagen, das ist auch heute schon weitgehend der Fall.

Bestehende Verbände werden gehört, wenn es um Gesetzgebungsverfahren in der Pflege geht. Eine Pflegekammer muss die Aufnahme oder die Änderung der Berufstätigkeit – –, dies muss ihr gemeldet werden. Das sind also die formalen Dinge, die eine Kammer täte. Was allerdings immer wieder vermischt wird und in der Debatte, finde ich, auch nicht ganz richtig dargestellt wird: Es wird so getan, als würde diese Pflegekammer einen direkten Einfluss auf Arbeitsbedingungen haben, und das ist keineswegs der Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall SPD)

Sie hat eben keinen besseren Personalschlüssel in Krankenhäusern oder Senioreneinrichtungen einzuführen. Sie ist auch kein Partner bei Pflegesatzverhandlungen, und sie führt auch keine Tarifverhandlungen. Sie kann keine bessere finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser oder auch Einrichtungen der Altenpflege durchsetzen, und sie kann auch keine Regelung zur Ausbildung oder zu einem Pflegestudium treffen.

(Beifall SPD – Zuruf Abgeordneter Bensch [CDU] – Glocke)

Frau Kollegin Dehne, würden Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Schaefer zulassen?

Ja, bitte!

Bitte sehr, Frau Abgeordnete!

Sie haben uns gerade die Aufgaben der Pflegekammer skizziert. Glauben Sie nicht, dass eine Pflegekammer auch ein politisches Sprachrohr sein kann, so wie es auch eine Handelskammer ist, so wie es auch eine Arbeitnehmerkammer wäre, dass das auch dazugehört?

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, CDU, BIW)

Genau diesen Punkt, Frau Kollegin Dr. Schaefer, haben wir auch in der SPD diskutiert. Es ist allerdings so, dass natürlich

eine Handelskammer oder eine Handwerkskammer schon etwas anderes ist, aus dem Grund, dass dort selbstständige Unternehmerinnen und Unternehmer in dieser Kammer sind und eben nicht angestellte Pflegekräfte, das ist ein großer Unterschied, –

(Abgeordnete Ahrens [CDU]: Und zur Arbeitneh- merkammer haben Sie nichts gesagt!)

es wäre freundlich, wenn sie mich das einmal ausführen lassen würden, und natürlich eine größere Gruppe schon allein der Personen, die in dieser Kammer sind, auch hinter dieser Kammer steht. Ich würde auch gleich gern noch etwas zur konkreten Ausgestaltung sagen, würde aber jetzt gern fortfahren, weil die Redezeit sehr begrenzt ist.

(Unruhe)

Lassen Sie mich doch meine Rede halten! Das wäre doch vielleicht auch einmal ganz schön. Lassen Sie mich auch etwas dazu sagen, was der monatliche Beitrag zu einer solchen Pflegekammer wäre, nämlich ungefähr acht Euro im Monat für eine Teilzeitkraft, zehn bis zwölf Euro für eine Vollzeitkraft. Pflegende in Leitungspositionen würden rund 25 Euro monatlich zahlen. Diese Beiträge zur Finanzierung müssten ja reichen für mindestens ein Büro, mindestens eine Referentin, mindestens einen Sachbearbeiter und Material, um so eine Kammer überhaupt führen zu können.

Das, was aber bei den Pflegekräften im Land Bremen herauskäme an Beiträgen in Summe, was man sich ja ausrechnen kann, wenn man sieht, wie viele Pflegende es gibt, würde nicht ausreichen, eine solche Kammer auszustatten. Das heißt, rein praktisch gesehen müsste eine solche Kammer staatlich bezuschusst werden. Dieser Vergleich auch mit der Ärztekammer, der in dem Antrag der CDU genannt wird, hinkt ja schon deswegen, wie ich eben betont habe, weil es hier nicht um Selbstständige geht, sondern um weisungsgebundene Angestellte.

(Beifall SPD)

Die Arbeitnehmerkammer beschäftigt sich ja auch jetzt schon mit dem Thema Pflege, mit dem Thema Gesundheit. Ich glaube auch, dass die Arbeitnehmerkammer dieses Engagement an der Stelle noch verstärken kann, ich habe da auch eine große Bereitschaft der Arbeitnehmerkammer in den Gesprächen wahrgenommen, die ich in den letzten Monaten geführt habe.

(Glocke)

Herr Präsident, ich komme gern zum Schluss bei dieser Debatte, zu der man noch deutlich mehr sagen könnte. Für die Pflege etwas zu tun und ihr mehr Gewicht zu verleihen, das ist absolut richtig. Dieser Weg geht für die SPD-Fraktion aber nicht über die Einführung einer Pflegekammer. – Vielen Dank!

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Bernhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist in den letzten Jahren ja immer wieder das Für und Wider einer Pflegekammer diskutiert worden. Die großen Probleme sind uns durchaus bewusst. Das sind natürlich die schlechte Bezahlung der Pflegekräfte und auch der unzureichende Personalschlüssel. Das ist auch unser Hauptargument dagegen, das kann eine Pflegekammer nicht lösen. Die Entlohnung ist Angelegenheit der Tarifverbände und die Pflegeschlüssel sind die Angelegenheit der Gesetzgeber und der Krankenkassen. Das muss man an dieser Stelle auch immer wieder unterstreichen, denn den Wunsch nach einer Pflegekammer kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich finde auch, in der Auseinandersetzung der Situation, die wir in dem Bereich haben, ist es vollkommen logisch, dass man denkt, dass man sich dadurch eine andere Interessenunterstützung verspricht.

Das Problem ist nur, das können diese Kammern nicht, wenn sie so ausgestaltet sind, wie momentan die Ausgestaltung letztendlich aussehen würde. Deswegen ist der Hinweis nicht trivial, dass die Einführung einer Pflegekammer den Pflegebeschäftigten Geld kostet, und zwar zusammen mit einer Zwangsmitgliedschaft. In Rheinland-Pfalz kostet es momentan, es gibt ja ein paar wenige Beispiele, 9,80 Euro bei einem Einkommen zwischen 2 500 und 4 000 Euro. In Niedersachsen sind es, glaube ich, 0,4 Prozent vom Einkommen. Die Sorge der Gewerkschaften und der Berufsverbände ist ja nicht unberechtigt, dass es natürlich ein Stück weit darauf hinauslaufen würde, dass die Pflegekräfte, weil sie durch diese Zwangsmitgliedschaft an der Stelle mehr belastet werden, dass das letztendlich heißt, dass sie aus der Gewerkschaft möglicherweise austreten, was die Gewerkschaft natürlich schwächen würde.

(Abgeordneter Bensch [CDU]: Und was ist mit der Arbeitnehmerkammer?)

Dann würde die Pflegekammer sogar dazu beitragen, dass im Grunde genommen dort der Druck abnimmt, wo wir ihn aber dringend brauchen. Ich möchte an der Stelle wirklich nicht verhehlen, dass der politische Druck jetzt, einerseits die Arbeitnehmerkammer, auch bei den Gewerkschaften durchaus größer sein könnte. Das hat ja auch zu dieser Diskussion geführt, dass man gesagt hat, was gibt es für uns eigentlich für Möglichkeiten, um unsere Standpunkte und unsere Interessen entsprechend durchzusetzen, weil es das nicht allumfassend aufgehoben hat. Ich glaube nur, und das haben wir natürlich auch durchaus kontrovers bei uns diskutiert, aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es an der Stelle kontraproduktiv wird.

Immer wird zum Beispiel auch die Idee hervorgehoben, die Pflegekammer würde so etwas wie die Qualitätssicherung in der Pflege übernehmen können. Das ist ebenfalls rechtlich überhaupt nicht möglich. Das Sozialgesetzbuch weist die Aufgabe der Qualitätssicherung den Leistungserbringern zu. Das kann man jetzt finden, wie man will, aber es sind die Ärzte und die Krankenkassen. Die Pflegekammer könnte allenfalls Empfehlungen aussprechen. Irgendeine Verbindlichkeit hätte sie aber nicht. Das ist dann ähnlich wie mit dem RKI, also dem Robert Koch-Institut, auch dort gibt es natürlich entsprechende Standards, die formuliert worden sind. Wir kennen das aus der Diskussion um die Neonatologie, da gibt es selbstverständlich auch die Personalschlüssel, trotzdem ist es nicht gleichbedeutend damit, dass sie überwacht und eingehalten werden. Es gibt den großen Wunsch vieler Pflegender nach der Aufwertung ihrer Tätigkeit. Ich möchte das noch einmal betonen. Es ist auch wichtig, dass wir uns darauf stärker konzentrieren. Viele sehen in der Pflegekammer eine solche Aufwertung und die Möglichkeit. Auf der anderen Seite muss man sich gut überlegen, welchen Wert solche Symbole insbesondere dann haben, wenn sie auch mit klaren Nachteilen in Verbindung stehen. In der Tat haben die Ärzte und Ärztinnen Einfluss auf die Ärztekammer. Seien wir doch ehrlich, eigentlich geht der wirkliche Einfluss vom Marburger Bund aus und nicht von der Ärztekammer.

(Beifall DIE LINKE)

Natürlich besteht auch ein Konfliktverhältnis zur Arbeitnehmerkammer. Wir haben hier dieses Kon

strukt ähnlich wie im Saarland und von den Befürwortern der Pflegekammer wird angeführt, eine rein berufsständische Vertretung wäre spezifischer auf diese Anliegen ausgerichtet. Ich sehe das aber eher ein Stück andersherum. Die Arbeitnehmerkammer hat ja eine ganze Reihe von wichtigen Beiträgen dazu geleistet. Mein Eindruck ist aber auch hinsichtlich der rein berufsständischen Vertretungen, dass das eher eine Schwächung der Anliegen hervorbringen könnte, wenn sie nicht im Zusammenhang einer breiteren Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmervertretung passiert.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Das berufsständische Prinzip ist doch eher ein Rückschritt. Insofern gibt es gute Gründe, erst einmal abzuwarten, welche Leistung die existierenden Pflegekammern tatsächlich erbringen werden, wie wir das auswerten können.

(Glocke)

Da finde ich bisher, die Wahlbeteiligung der Pflegekammer in Schleswig-Holstein lag unter zwanzig Prozent, das ist jetzt nicht gerade überwältigend. Ich wäre sehr dafür, dass wir das letztendlich noch einmal prüfen und in der Realität abwarten. Wir werden die Diskussion natürlich sowieso weiterführen müssen, aber zum derzeitigen Standpunkt finde ich es nicht nachvollziehbar, warum wir dem zustimmen sollten. – Vielen Dank!

(Abgeordneter Bensch [CDU]: Zu dem Antrag ha- ben Sie kaum etwas gesagt!)

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren über eine Pflegekammer. Wir tun das, weil sich die Frage stellt, wie wir dazu beitragen können, dass sich die Situation der Pflegenden und damit letztlich auch die Situation der Gepflegten verbessert. Wir haben viele Notstände in der Pflege, die beginnen bei der Arbeitsorganisation. Wir haben die Fragen, wie viele Menschen dort arbeiten, wie die Arbeitsbedingungen sind und wie wir das Ganze verbessern können. Das sind unsere Aufgaben, denen müssen wir uns stellen. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns auch der Frage stellen: Kann eine Pflegekammer dazu beitragen und es unterstützen, dass die Situation besser wird oder

nicht? Wenn ich der Argumentation von Frau Bernhard von der Fraktion DIE LINKE folge, komme ich zu dem Schluss: Wozu gibt es eigentlich eine Zwangsmitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer, und müssen die Leute sich nicht freiwillig in so etwas organisieren?