Protocol of the Session on November 8, 2017

Es ist getrennte Abstimmung beantragt.

Zuerst lasse ich über die Ziffern eins, zwei und vier des Antrags abstimmen.

Wer den Ziffern eins, zwei und vier des Antrags der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen

Nummer 19/1079 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, DIE LINKE, FDP, BIW, Abg. Schä- fer [LKR], Abg. Frau Wendland [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt die Ziffern eins, zwei und vier des Antrags ab.

Jetzt lasse ich über die Ziffer drei des Antrags abstimmen.

Wer der Ziffer drei des Antrags der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 19/1079 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE, Abg. Frau Wendland [partei- los])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, BIW, Abg. Schäfer [LKR])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt die Ziffer drei des Antrags ab.

Sicherheit im Rechtsstaat Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 13. Juni 2017 (Drucksache 19/1113)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Ehmke.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als Gesellschaft müssen auf die neuen Herausforderungen eingestellt sein. Das heißt, unsere Behörden müssen entsprechend ausgestattet werden. Die Wichtigkeit von Prävention habe ich vielfältig betont und wurde hier in diesem Hause mehrfach angesprochen. Wir müssen früh ansetzen und dürfen Menschen gar nicht erst in den Bann der Extremisten geraten lassen. Neben den schlimmen Anschlägen, die weltweit für unfassbar viel Leid sorgen, ist auch auf viel

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kleinerer Ebene Leid in Familien zu sehen, deren unauffällige Kinder, vielleicht sogar christlich erzogen, plötzlich und auf den ersten Blick unvermittelt nach Syrien ausreisen und für etwas eintreten, was es gar nicht gibt. Die Prävention ist somit ein wichtiger Bestandteil.

Trotzdem müssen wir uns mit aller Ernsthaftigkeit auch der Frage widmen, wie man gegen Menschen vorgeht, die sich gegen unseren Rechtsstaat wenden und unserer Gesellschaft schaden wollen. Um elende Straftaten und Anschläge zu verhindern, müssen wir mit denen mithalten können, die uns schaden wollen. Wir brauchen also in ausreichender Anzahl qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Polizei und Verfassungsschutz. Durch die Entwicklung im Bereich des globalen Terrorismus ist es daher erforderlich, hier personell zu verstärken.

Gerade für den personell so aufwendigen Bereich der Überwachung werden wir nicht umhinkommen, weiteres Personal bereitzustellen. Das gilt für Polizei und Verfassungsschutz zugleich. Kräfte, die potenziell bei einer terroristischen Bedrohung eingesetzt werden, brauchen Schutzausrüstung und andere technische Hilfsmittel. Sie müssen entsprechend bewaffnet und ausgerüstet sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir fordern in unserem Antrag außerdem, festgestellte Schwachstellen in der Organisation zu beseitigen. Insoweit spiele ich unter anderem auf die zu ziehenden Konsequenzen aus der Übung des Frühjahrs an. Gerade was die Koordinierung großer Ereignisse angeht, ob im Bereich des Terrors oder im Bereich des Katastrophenschutzes, müssen wir optimal aufgestellt sein. Wir brauchen einen kurzfristig umsetzbaren, ressortübergreifenden Plan für einen Krisenstab.

Um mithalten zu können, müssen wir auch unsere Gesetzeslage kritisch überprüfen und angleichen. In Bezug auf die Fußfessel gab es Neuerungen im BKA-Gesetz. Hier sind die verfassungsrechtlichen Hürden völlig zu Recht sehr hoch. Trotzdem sollten wir dieses Instrument nutzen, wenn es verfassungsgemäß und notwendig ist. Dafür müssen wir unser Polizeigesetz wohl überlegt anpassen. Der Einsatz muss bedacht und zielgerecht erfolgen und rechtlich auf sicheren Füßen stehen.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Gleiches gilt für die Telekommunikationsüberwachung. Dabei finde ich es rechtlich und technisch wichtig, welche Art der Kommunikation

überwacht werden soll. Ich verstehe, dass für unterschiedliche Wege Gesetze angepasst werden müssen und der Weg, beispielsweise Voice over IP abzuhören, ein anderer ist, als etwa ein reguläres Handy- oder Festnetzgespräch mitzuhören oder mitzuschneiden. Für den Erkenntnisgewinn ist mir das aber relativ egal. Sofern ein Richter unabhängig aufgrund geltender Gesetzeslage entschieden hat, dass eine Person aufgrund entsprechend erfüllter Voraussetzungen abzuhören ist, muss das auch erfolgen. Dann darf es nicht daran scheitern, dass er oder sie sich des Internetdienstes Skype anstatt der Wählscheibe bedient, um es einmal ganz überspitzt darzustellen. Wenn es notwendig ist, muss also auch die Quelle selbst, also zum Beispiel der Laptop oder das Tablet, mit entsprechender Software unbemerkt von außen bespielt werden.

Des Weiteren fordern wir, die stationäre mobile Videoüberwachung in Bremen bedarfsgerecht auszubauen und neu zu ordnen. Wir brauchen klare rechtliche Voraussetzungen, angepasst an die veränderte technische, aber auch weltpolitische Lage. Wir wollen nicht zwingend mehr, und wir wollen es zum Beispiel auch nicht genauer, aber wir wollen den sinnvollen gemäßigten Einsatz und, wenn er als erforderlich angesehen wird, dann auch schnell.

Mit Punkt fünf in unserem Antrag unterstützen wir die Pläne der Senatorin, eine Forschungsstelle Salafismus/Extremismus zu gründen und zu einem norddeutschen Kompetenzzentrum auszubauen. Es muss bekannt sein, mit wem und womit man es zu tun hat. Wissen und Erkenntnisse müssen gebündelt werden, um die Expertise vieler optimal nutzen zu können und in der Folge Bekämpfungsstrategien zu erarbeiten.

Unser letzter Punkt ist die rechtliche Verankerung eines Kompetenzzentrums des Bundes bezüglich der Rückführung in besonders schwierigen Fällen. Hier brauchen wir Unterstützung. Bei der Beschaffung von Passersatzpapieren hat der Bund eine andere Handhabe in der Verhandlung mit anderen Staaten.

Beim letzten Mal habe ich erwähnt, dass wir uns in der Sache einig sind, dass wir aber gelegentlich andere Wege vorziehen. Es wird Sie nicht verwundern, dass ich alle Punkte in unserem Antrag für unterstützungswürdig halte, und Sie aus diesem Grund bitte, unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

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Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit unserem Antrag „Sicherheit im Rechtsstaat“ legen wir Ihnen heute die Leitlinien im Bereich der inneren Sicherheit vor, wohl wissend, dass eine Gesellschaft wie die unsere, die gerade wegen ihrer Offenheit Ziel terroristischer Anschläge ist, niemals ganz zu schützen und deswegen auch immer angreifbar sein wird.

Unsere Aufgabe ist es, der Bevölkerung einen größtmöglichen Schutz zu bieten und sie gleichzeitig nicht in ihren Freiheitsrechten einzuschränken. Dabei gilt es immer, die richtigen Mittel und das richtige Maß zu finden. Der Anspruch an uns als Gesetzgeber muss lauten, wirksame, verhältnismäßige und effiziente Mittel zu wählen.

Dies beginnt mit einer wirksamen Präventionsarbeit, bei der alle beteiligten staatlichen und nichtstaatlichen Stellen gemeinsam im Sinne des Gemeinwesens agieren. Die Sicherheitsbehörden sind schon längst kein Feindbild mehr in Schulen oder bei den Trägern der Jugendhilfe und können gemeinsam helfen, junge Menschen vor der Radikalisierung zu bewahren.

Die Zusammenarbeit der Sicherheits- und Ordnungsbehörden - das ist nach dem Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz noch einmal sehr deutlich geworden - muss bundesweit verbessert werden. Dafür braucht es auf der einen Seite die Bereitschaft zur Zusammenarbeit, auf der anderen Seite aber auch eine ausreichende personelle Ausstattung. Hier hat der Senat in den letzten Jahren klare Zeichen gesetzt. Ich bin mir sicher, dass wir in den Bereichen Sicherheit und Justiz auch in den kommenden Jahren personell und materiell weiter investieren müssen.

Im Detail beauftragen wir den Senat heute, bis zum Ende des Jahres einen Entwurf zur Änderung des Bremischen Polizeigesetzes vorzulegen. Dabei ist es wichtig, dass diese Maßnahmen wirksam, rechtsstaatlich und verhältnismäßig sind. Wir verteidigen unsere Werte und damit auch unser Grundgesetz. In mancher Debatte zweifele ich allerdings daran, dass die Protagonisten dies im Blick haben, wenn wieder einmal absurde Vorschläge durch die Bundesrepublik geistern.

Für uns Grüne bedeutet das aber auch eine Zäsur. Wir müssen uns die Frage stellen, ob un

sere bisherigen Antworten noch zu den aktuellen Herausforderungen und Bedrohungslagen passen. Das haben wir im Bund und in den Ländern getan. Hier in Bremen haben wir dazu bereits im Sommer ein Positionspapier vorgelegt. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam im Parlament und in der Deputation die Argumente austauschen und versuchen, die bestmöglichen Lösungen zu finden. Nur das Ringen dort, wo Argumente vorgebracht werden, wird uns am Ende weiterbringen.

Bei der Gesetzgebung - das wissen Sie - wird der Teufel im Detail stecken. Ich bin mir aber sicher, dass Senator Mäurer und seine Verwaltung einen guten Gesetzentwurf vorlegen werden, der die Kriterien erfüllt und die Handlungsmöglichkeiten von Polizei und Verfassungsschutz deutlich verbessert.

Im Detail gehört dazu, dass wir in Bremen die stationäre und mobile Videoüberwachung ausweiten, nicht planlos, nicht flächendeckend, sondern dort, wo sie hilft, schwere Straftaten aufzuklären, und auch so, dass die Polizei nicht im Nachhinein das Material sichtet, sondern das Geschehen live verfolgen und deshalb zeitnah und aktuell eingreifen kann.

Wir werden im Bremischen Polizeigesetz Regelungen für eine möglichst technologieunabhängige Telekommunikationsüberwachung verankern, die der Polizei eine Abwehr erheblicher Gefahren ermöglicht. Aber machen wir uns nichts vor. Das hört sich total einfach an, ist allerdings sowohl im Gesetzestext als auch im realen „Doing“ nachher eine recht große Herausforderung. Bisher darf man den Eindruck haben, dass der Staat meistens der technischen Entwicklung hinterherhechelt. Das sehen Sie auch an den unterschiedlichen Regelungen anderer Bundesländer. Deswegen rate ich uns, gerade in diesem Punkt sehr sorgfältig zu beraten, beispielsweise auch, was die Rolle des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik anbelangt. Auch dieses sehen wir in der Pflicht, gegebenenfalls aktiv zu werden und mit uns gemeinsam bestimmte Dinge voranzutreiben.

Frei nach Goethe könnte man jetzt noch fragen: Sag, wie hältst du’s mit der Fußfessel?

(Abg. Dr. vom Bruch [CDU]: Das ist wirklich sehr frei nach Goethe!)

Das hat schon in der letzten Debatte hier im Parlament zu Eruptionen geführt, um das einmal sehr höflich zu sagen. Sie sehen, dass wir uns im Antrag dazu verhalten haben. Als eine offene Maßnahme der Gefahrenabwehr ist sie

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