Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mother Hood, lieber Hebammenverband! Das ist ein trauriger Anlass, aber ein wunderschönes Thema. Werdende Mütter brauchen Hebammen. Werdende Mütter brauchen eine Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Hebamme, gleichgültig wo sie ihr Kind zur Welt zu bringen möchten. Ob zu Hause, im Geburtshaus oder in der Klinik: Sie brauchen immer die Unterstützung durch eine Hebamme, die die ganze Zeit an ihrer Seite ist, und nicht etwa, wie es zurzeit in den Krankenhäusern üblich ist, zwischen zwei oder drei Geburten hin und her flitzt.
Werdende Mütter benötigen eine Hebamme vor allem zur Ermutigung, zur Unterstützung und dafür, dass sie Zutrauen zu sich und ihrem Körper haben dürfen. Sie benötigen bei dem natürlichen Vorgang, Kinder zu gebären, Unterstützung und jemanden an ihrer Seite.
Es ist nicht so, dass dieser natürliche Vorgang in aller Regel zu Komplikationen führt. Man mag das manchmal glauben, wenn man hört, wie diese Debatten laufen. Wir sprechen über Kaiserschnittraten, die mit 30 Prozent bundesweit immer noch viel zu hoch sind, und über steigende Haftpflichtprämien, die das Risiko des Gebärens ebenfalls übermäßig betonen. Wir müssen die Debatte auch in Richtung der autonomen Fähigkeiten der Frauen führen. Üblicherweise verlaufen Geburten komplikationslos, aber nicht einfach, wie diejenigen von uns wissen, die Kinder zur Welt gebracht haben. Es ist eine anstrengende und schmerzhafte Geschichte, die aber in der Regel komplikationslos ist. Werdende Mütter benötigen also Hebammen.
Mütter oder Frauen, die schon Kinder bekommen haben, sondern es betrifft uns alle, weil wir alle geboren worden sind. Eine Geburt ist nicht nur für uns selbst, die wir geboren wurden, das entscheidende Erlebnis, sondern für viele Frauen auch eines der größten Erlebnisse ihres Lebens. Sophia Leonidakis hat es angesprochen. Dieses Geburtserlebnis stellt die Weichen zwischen Mutter und Kind. Durch die Bindung stellt es die Weichen für die seelische Entwicklung, und es stellt die Weichen für die körperliche Entwicklung. Wir wissen, dass eine natürliche Geburt für die körperliche Entwicklung besser ist. Es gibt dann weniger Allergien und Asthma. Eine Begleitung durch Hebammen während der Geburt ist also die beste Prävention, die überhaupt möglich ist.
Anlass dieser Aktuellen Stunde ist, dass es in Bremen ab Ende Juni keine Beleghebammen mehr geben wird. In Bremerhaven gibt es schon jetzt nicht mehr die Möglichkeiten zur Hausgeburt oder für eine Geburt in einem Geburtshaus. Das heißt, die Wahlfreiheit ist eingeschränkt. Das sollten und müssen wir ändern.
In Bremen hat sich vor einigen Jahren das Bündnis zur Förderung der natürlichen Geburt gegründet. Dies ist bundesweit ein Leuchtturmprojekt. Die Zusammenarbeit funktioniert unheimlich gut. Die Kaiserschnittrate in Bremen ist schon gesunken. Das ist eine tolle Entwicklung, die wir für gut halten. Auf Dauer wird das aber nicht so weitergehen können, wenn wir nicht endlich auch politisch die angemessenen Rahmenbedingungen schaffen.
Was sind die Forderungen? Erstens: Verbindliche Sicherstellung der Eins-zu-einsBetreuung durch eine Hebamme für jede gebärende Frau!
Zweitens: Eine nachhaltige Lösung der Problematik der Haftpflichtprämie, die schon angesprochen wurde!
Wir von Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Forderung nach einem Haftungsfonds. Wir meinen, dass der Sicherstellungsauftrag nicht die entsprechende Wirkung entfaltet hat, die er entfalten sollte. Wir finden, dass man das noch einmal ordentlich evaluieren muss, glauben aber, im Ergebnis kommt heraus, dass dies nicht der angemessene Weg ist, sondern man einen angemessenen Haftungsfonds benötigt.
Die Bewertung, wie die Begleitung während der natürlichen Geburt durch die Kassen bezahlt wird, muss grundsätzlich neu vorgenommen werden. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Hebammen, sondern auch für die Ärztinnen und
Ärzte in den Kliniken. Es ist immer noch so, dass es finanzielle Anreize für die Durchführung eines Kaiserschnittes gibt. Das wird einfach viel besser bezahlt. Diese sehr langen Verläufe, die Geburten manchmal mit sich bringen, werden von den Krankenkassen nicht entsprechend finanziert. Auch das muss sich dringend ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Ausbildung der Hebammen steht vor einem Scheideweg. Wir wissen, dass die EU-Richtlinie vorsieht, dass sich die Bundesrepublik Deutschland in 2020 den EU-Richtlinien in der Ausbildung der Hebammen anpasst. Dabei geht es um die Akademisierung dieses wichtigen Berufes. Wir meinen, dass schon jetzt die entsprechenden Schritte vorgenommen werden müssen und man nicht bis 2020 warten kann. Man muss das jetzt ordentlich ausgestalten.
Wir meinen auch, dass die Kompetenzen von Hebammen in den Kliniken besser genutzt und gewürdigt werden sollten. Sophia Leonidakis hat das angesprochen. Wir unterstützen politisch einen weiteren hebammengeleiteten Kreißsaal im Land Bremen. In Reinkenheide gibt es den. Er funktioniert sehr gut. Wir wissen, dass das DIAKO da entsprechende Pläne hat, wie ich gehört habe. Ich habe im Vorfeld noch einmal telefoniert. Es sieht wohl so aus, dass das DIAKO zum 1. Januar 2018 mit einem guten Konzept an den Start gehen könnte. Das fänden wir einen guten Weg, den wir unterstützen sollten.
Ein letztes Wort noch: Es geht nicht nur um die Hebammenbegleitung während der Geburt, sondern es geht auch um die Vor- und Nachbetreuung. Auch diese ist flächendeckend nicht mehr gesichert. Auch da muss dringend etwas zur Aufwertung dieser Leistungen und des Hebammenberufes getan werden. Werdende Mütter brauchen Hebammen. - Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach zwei solchen Reden zum Thema „Hebammen“ ist es schwierig, noch etwas hinzuzufügen. Die SPD-Fraktion kann ganz, ganz viel von dem, was hier gesagt wurde, genau so unterschreiben.
Ich glaube, wir sind uns heute hier in dieser Debatte tatsächlich fraktionsübergreifend einig, wie der Weg aussehen muss, den wir in Zukunft gehen. Sicherlich mag es in Details manchmal unterschiedliche Haltungen geben. Wir stehen jetzt durch das baldige Aufhören der letzten drei Beleghebammen aber vor der Situation, dass wir die Wahlfreiheit der Frauen nicht mehr so gewährleisten können, wie wir das gern täten.
Wie man ein Kind auf die Welt bringt, ist eine ganz persönliche Entscheidung der Frau und des Partners. Das jetzt nicht mehr so zu können, ist nicht schön. Betroffen sind hier rund 120 Gebärende und deren Kinder und Familien. Das ist keine Situation, die uns freut. Man kann zwar sagen, dass die Situation in Bremen noch vergleichsweise gut ist, wenn man sich ländliche Regionen anschaut, weil wir hier noch Geburtshäuser und Geburtshilfe in unterschiedlichen Klinken haben. Man kann sich also immerhin überlegen, wohin man möchte. Gerade haben wir aber auch gehört, dass es zum Beispiel in Bremerhaven schon nicht mehr so viele Möglichkeiten gibt wie in Bremen, sich zu entscheiden.
Es ist auch in manchen Stadtteilen schwieriger als in anderen, überhaupt eine Hebammenbetreuung zu bekommen.
Wir haben eben schon gehört, es geht nicht nur um die Geburt, sondern auch um die Vorsorge, die Nachbetreuung und die Wochenbettbetreuung, die einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen. Die Geburt ist ein zentrales Ereignis im Leben der Frau, der Gebärenden, aber auch des Kindes und des Partners oder der Partnerin. Dabei ist eine qualitativ hochwertige Versorgung wichtig.
Wir erleben aber - auch dazu haben wir eben schon viel gehört -, dass die Arbeitsbelastung der Hebammen immer weiter zunimmt und der Verdienst zum Teil nicht einmal mehr auskömmlich ist. Wir sprechen nicht nur über ein generell niedriges und zu niedriges Niveau, sondern wirklich davon, dass die Hebammen nicht mehr davon leben können.
Wir haben eben schon mehrfach vom großen Thema „Haftpflichtversicherung“ in Höhe von jährlich 7 640 Euro gehört. Diese Haftpflichtfrage ist immer noch nicht geklärt. Es ist generell ein Thema für alle medizinischen Berufe. Auch Krankenhäuser finden mittlerweile zum Teil überhaupt keinen Versicherer mehr,
der sie haftpflichtversichern will. Bei Problemen werden teilweise so hohe Forderungen gestellt, dass sich die Versicherungen zurückziehen. Das ist auch ein Problem, das man dringend angehen muss.
Das Thema der Haftpflichtprämien sollte auf Bundesebene durch diesen sogenannten Sicherstellungszuschlag gelöst werden, der einmal im Jahr bei den Krankenkassen beantragt werden kann. um eine gewisse Entlastung zu bringen - sozusagen eine Teilfinanzierung dieser Haftpflichtprämie. Wir haben aber schon gehört, dass die Verfahren stocken und die Gelder nur zum Teil fließen. Dieser Sicherstellungszuschlag kann auch erst nach Zahlungseingang der abgerechneten Geburt erfolgen. Dieser Zeitraum ist sehr lang. Er endet nicht mit der Geburt des Kindes, das dann auf der Welt ist, sondern danach kommt die Wochenbettbetreuung. Die Hebamme hat auch vorher Betreuung geleistet. Die Bearbeitung durch die Krankenkassen dauert zum Teil zwölf Wochen. Die Hebamme erhält ihren Teil für die Haftpflichtversicherung erst nach rund einem halben Jahr. Das ist ein unzumutbar langer Zeitraum.
Wir benötigen eine Eins-zu-eins-Betreuung, ausreichend Kreißsäle in den Krankenhäusern und von Hebammen geleitete Praxen, damit eben auch die Hebamme Freizeit hat und gleichzeitig weiß, dass die Gebärenden und Wöchnerinnen, die sie betreut, durch eine Kollegin gut weiterversorgt werden.
Natürlich reden wir immer wieder über die Bezahlung von Geburten generell durch die Krankenkassen. Das hat Frau Dr. KappertGonther eben angesprochen. Wenn man dazu Vergleiche anstellt - Blinddarmoperation versus Geburt -, fragt man sich wirklich, welchen Stellenwert eine Geburt in diesem System hat. Ich glaube, auch da müssen wir dringend zu Änderungen kommen.
Viele Hebammen möchten im Team zusammenarbeiten, um sich auszutauschen, gut zusammenzuarbeiten und einen Lohn zu bekommen, der ihrer Leistung angemessen ist. Wir hatten eben schon das wichtige Thema, endlich einen Fonds für diese Haftpflicht zu schaffen. Ansonsten kommen wir hier in den nächsten Jahren kein Stück weiter.
Wir können dieses Problem nicht in Bremen lösen, sondern müssen es bundesweit ändern. Trotzdem ist es wichtig, das auch hier zu debattieren, weil wir natürlich Auswirkungen hier in Bremen haben.
Wir sollten auch zeitnah über die Ausbildung von Hebammen sprechen, weil damit eine Aufwertung des Berufsbilds einhergehen kann und dann höhere Löhne gezahlt werden. Dies ist zumindest meine Haltung dazu. Wir müssen da jetzt schnell in Gespräche einsteigen und das Ganze gut aufbereiten, damit wir rechtzeitig gut aufgestellt sind, wenn die EU-Richtlinie entsprechend greift.
Heute sind hier unter anderem Vertreterinnen und Vertreter vom Hebammenverband. Der Deutsche Hebammenverband schlägt zum Beispiel eine Änderung des SGB V vor, um auch eine gesetzliche Anerkennung der Betriebskosten in einer Hebammenpraxis zu ermöglichen. Momentan ist es wirklich so, dass Räume und alles darum herum vorgehalten werden muss. Das geht auch noch von dem ab, was die Kassen erstatten. Da könnte man sicherlich zu einer Änderung kommen. Das finde ich zumindest einen sehr spannenden Gedanken. Das zum Thema Hebammenpraxen!
Heute sind auch Vertreterinnen von Mother Hood hier. Sie fordern völlig zu Recht die eben genannte Eins-zu-eins-Betreuung. Das ist seit vielen Jahren ein Thema des Bündnisses zur Förderung der natürlichen Geburt. Auch das haben wir eben schon gehört. Die Empfehlungen von 2013 greifen insbesondere diese Eins-zu-eins-Betreuung auf. Dieses Bündnis ist bundesweit tatsächlich einmalig. Es geht um eine Senkung der Kaiserschnittrate. Kleine Erfolge konnten hier schon erzielt werden. Auch das haben wir gehört. Es ist wichtig, dieses Bündnis weiterzuführen. Die beteiligten Akteurinnen und Akteure sind all die Jahre sehr konstruktiv unterwegs gewesen. Auch nach diesen Empfehlungen gibt es immer wieder Gespräche, soweit ich das weiß. Das ist etwas, was wir aus Bremer Sicht zu der Debatte im Bund beigetragen haben.
Viele Länder und Kommunen machen das nach und stellen fest, welche tolle Lösung wir in Bremen mit den niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen, mit Ärzten in den Krankenhäusern, mit dem Hebammenverband und so weiter, erreicht haben. Es war zu fragen: Was benötigen Mutter und Kind, um gut ins Leben
Wir müssen Mütter und Kinder stärken, denn die Geburt benötigt einen höheren Stellenwert, auch finanziell. Es ist eine gute - wenn man es so ausdrücken möchte - Investition in Menschen, in die Bindung zwischen Mutter und Kind, in die Gesundheit und in die Stärkung der Frau. Das zahlt sich aus. Da wir das Thema bereits intensiv diskutiert haben, möchte ich gar nicht mehr viel hinzufügen.
Ich möchte allerdings noch Folgendes sagen: Den Zweiflern in diesem Hause, dass die Hebammen eine immens wichtige Aufgabe wahrnehmen, empfehle ich sehr die BBC-Serie „call the midwife“, die ich in den letzten Jahren sehr gern geschaut habe und in der die Wichtigkeit und die Wirksamkeit von im Team arbeitenden Hebammen sehr anschaulich gezeigt wird. - Herzlichen Dank!