Protocol of the Session on May 10, 2017

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Meyer.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Saxe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin zwar, wie einige hier, schon fast aphon, aber da mir das Thema sehr am Herzen liegt, finde ich es besser, wenn es früher - hoffentlich heute - beschlossen wird.

Bereits heute sind Fahrstabilitätssysteme, Spurverlasserwarner und Bremsassistenzsysteme für neue Nutzfahrzeuge Pflicht. Die Regelungen umfassen bisher keine Abbiegeassistenten. Das lag einfach daran, dass diese bisher technisch noch nicht störungsarm hergestellt werden konnten. Das hat sich Ende letzten Jahres verändert, weil Mercedes solch ein System hinbekommen hat. Beim Rechtsabbiegen von Lkw passieren zum Teil heftige Unfälle mit Radfahrerinnen und Radfahrern, Fußgängern und Fußgängerinnen. Das wissen Sie. Zum Teil sind sie wirklich gruselig. Ein Abbiegeassistent überwacht die Bereiche vor oder neben einem Lastkraftwagen mittels Sensoren und warnt den Fahrer oder die Fahrerin. Der Abbiegeassistent kann gegebenenfalls auch den Anfahrvorgang verhindern.

Heute können die Systeme, soweit sie vorhanden sind, noch individuell abgeschaltet werden. Es wäre ein bedeutsamer Gewinn an Verkehrssicherheit, wenn möglichst viele Lkw in der Zukunft mit solch einem System ausgestattet wären. Bei neuen Fahrzeugen ist ein Einbau störungsarm möglich, wie ich schon gesagt habe. Schwieriger sieht es mit der Nachrüstung von älteren Fahrzeugen aus. Deswegen fokussiert sich unsere Initiative, unser Antrag auch zuerst nur auf neu zugelassene Lkw.

Landtag 3256 43. Sitzung/10.05.17

Um welchen Umfang geht es? In einem mehrjährigen Forschungsprojekt hat die Unfallforschung der Versicherer das Nutzungspotenzial von Abbiegeassistenten für Lkw untersucht. Sie helfen tatsächlich sehr wirksam beim Rechtsabbiegen. Man kann erwarten, dass bis zu 60 Prozent gerade der schwereren Unfälle dadurch verhindert werden können, wenn sich das System noch technisch weiterentwickelt. Man muss sagen, nicht die „Rüpelradfahrer“ oder „Kampfradler“ sind vor allen Dingen Opfer von solchen Unfällen, sondern die meisten dieser Unfälle passieren dann, wenn die Radfahrerinnen und Radfahrer Grün haben. Vor allen Dingen werden Senioren und überproportional Frauen Opfer von solchen Unfällen.

In Hamburg ist eine ähnliche Initiative gestartet worden. Schieben wir also dieses sinnvolle Instrument für mehr Verkehrssicherheit auch aus Bremen an, um viele dieser gruseligen Abbiegeunfälle in Zukunft zu verhindern! Abbiegeassistenten retten Leben. - Vielen Dank!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Sprehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bereits in der Grundschule werden unseren Kindern im Rahmen der Verkehrserziehung die Risiken des sogenannten toten Winkels erklärt. Sie werden auf diese Gefahr aufmerksam gemacht, durch die sie unverschuldet in einen schweren Unfall geraten können. Kindgerechte Erklärungen erfolgen bereits für jüngere Kinder im Kinderfernsehen wie zum Beispiel in den Sachgeschichten der „Sendung mit der Maus“. Die haben Sie sicherlich alle schon einmal gesehen, sei es mit den eigenen Kindern oder den Enkelkindern.

Die Gefahr ist seit Jahrzehnten bekannt, aber erst bei einer Übung mit einem realen Lkw kann jeder verstehen, was ein toter Winkel tatsächlich bedeutet. Der Lkw-Fahrer kann einen großen Bereich neben seinem Lkw selbst mit den vorhandenen Spiegeln nicht vollständig einsehen. Es gibt Übungen mit einem riesigen, meist gelben Dreieck, das neben den Lkw gelegt wird. Das werden Sie sicherlich schon einmal gesehen haben. Gerade im Rahmen der Verkehrserziehung wird das gemacht. In diesem gelben Dreieck können bis zu 20 Kinder stehen, die der Lkw-Fahrer tatsächlich nicht von seinem Fahrerplatz aus sehen kann. Das bedeutet, ein wirklich riesiger Bereich ist über die normalen Spiegel beim Lkw nicht einsehbar.

Es kommt beim Abbiegen immer wieder zu Gefahrensituationen und zu Unfällen mit Radfahrern und

Fußgängern, die teils schwer und sogar tödlich verletzt werden können, weil dieser große Bereich, wie gesagt, nicht einsehbar ist. Viele dieser Unfälle beim Rechtsabbiegen ließen sich verhindern oder hätten zumindest nicht so schwere Verletzungen zur Folge. Dies hat unter anderem eine mehrjährige Unfallforschungsarbeit der Versicherer bewiesen. Herr Saxe hat das gerade schon angeführt.

Es muss alles unternommen werden, um das Risiko des toten Winkels zu verringern, damit weniger Personen im Straßenverkehr geschädigt werden.

Ein gutes technisches Mittel ist der Abbiegeassistent. Mittels Sensoren überwacht das Assistenzsystem die Bereiche vor und neben dem Lkw, zeigt diese an und verhindert gegebenenfalls sogar den Anfahrvorgang, wenn sich jemand im Abbiegebereich befindet. Eigentlich müsste jeder Lkw-Fahrer selbst einen Abbiegeassistenten für sein Fahrzeug fordern, da bei einem Unfall immer die Gefahr besteht, dass er persönlich - und nicht der Unternehmer - wegen fahrlässiger Körperverletzung oder sogar Tötung bestraft werden kann.

(Beifall SPD)

Die Lkw-Hersteller, wie zum Beispiel MAN oder Mercedes, bieten diese hilfreichen Assistenzsysteme bereits als Sonderausstattung an. Bei einer Kosten-Nutzen-Analyse des Käufers muss auch die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer eine wichtige Rolle spielen. Diese bisherige Freiwilligkeit reicht uns nicht aus. Wir fordern, dass sich der Senat auf Bundesebene für die verpflichtende Einführung und Verwendung von Abbiegeassistenzsystemen für alle neu zugelassenen Lkw einsetzt.

(Beifall SPD)

Ich halte eine größtmögliche Sicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer für unabdingbar. Schließlich kann damit die Gesundheit oder sogar das Leben von Radfahrern und Fußgängern jeden Alters gerettet werden. (Beifall SPD)

Ich war sehr erstaunt, dass unser gemeinsamer Antrag mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hier überhaupt debattiert wird und nicht auf die Konsensliste gekommen ist. Sicherheit ist für mich eine Selbstverständlichkeit.

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Damit andere das hören!)

Damit andere das hören? Ja, okay!

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Die verpflichtende Einführung und Verwendung eines Abbiegeassistenten bedeutet, dass jeder neue Lkw die Gefahr von Personenunfällen verringert. Ich bitte Sie herzlich, stimmen Sie unserem Antrag im Interesse unserer Kinder, Menschen mittleren Alters und Senioren zu. - Danke!

(Beifall SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Strohmann.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Saxe, liebe Frau Sprehe! Wir werden diesen Antrag ebenfalls unterstützen, weil wir ihn für vernünftig halten.

(Beifall CDU, FDP)

Es ist aber nicht ganz so einfach, Frau Sprehe, wie Sie es jetzt gesagt haben. Bisher konnte der Abbiegeassistent nicht verpflichtend eingeführt werden, weil er noch keine hundertprozentige Sicherheit gegeben hat, denn die Sensorik war noch nicht so weit entwickelt. Die Problematik mit den Abbiegeassistenten besteht darin, dass er gar nicht so sehr den Fernverkehr betrifft, der hauptsächlich auf Autobahnen stattfindet, sondern eigentlich den normalen Lieferverkehr. Der technische Stand dieser Lkw ist ein anderer als bei Fernlastzügen. Das sind die modernsten Lkw, weil sie über Leasing und aufgrund der Abschreibungen alle drei Jahre ausgewechselt werden.

Das Problem für den Fahrer ist der ungemeine Stress mit den Spiegeln. Das kenne ich, und das kennt jeder, der selbst schon einmal in einer Innenstadt Lkw gefahren ist. Man hat drei Spiegel an der Seite. Wirklich diesen letzten Teil mitzudenken, ist schon Stress pur, weil man ja nicht nur rechts auf den Abbieger achten muss, sondern bei Spurwechseln auch noch auf die linken Verkehre. Das ist nicht ohne.

Ich glaube, der Abbiegeassistent wäre auch eine Entlastung für die Kraftfahrer. Wir müssen eigentlich gerade im Nahverkehr und bei den Zulieferverkehren dazu übergehen. In dem Bereich ist es mit der Nachrüstung und dem Alter der Modelle oft ein bisschen problematischer. Das hängt auch mit der Software und dergleichen zusammen. Es ist also nicht so, dass die Unternehmen sagen, sie möchten das nicht, weil es zu teuer ist. Ich glaube, bei Neuanschaffungen ist es nicht mehr so teuer.

Ich finde diese Initiative gut. Wir müssen aber abwarten. Das wird letztlich auf europäischer Ebene über die Zulassung initiiert und dann in nationales

Recht umgewandelt. Dabei war bislang das Problem, dass wir bisher nicht diesen technischen Durchbruch hatten, wie er jetzt anscheinend über Mercedes erzielt wurde. Wir haben jetzt eine Plattform, auf der wir aufbauen können. Ich glaube, die Einführung bei Neufahrzeugen ist auch bundesrepublikanisch über die Parteien hinweg Konsens. Ich glaube, über Anreize bekommt man auch eine Nachrüstung hin. Das ist eine vernünftige Sache, weil Sicherheit gerade in dem Bereich sehr wichtig ist. Deshalb unterstützen wir das. Ich finde es gut, dass wir das noch einmal diskutiert haben, denn sonst wäre es untergegangen. - Vielen Dank!

(Beifall CDU, SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es auch richtig, dass wir das diskutieren. Gerade weil es dieses System erst seit Kurzem gibt und es eine Lösung für ein tatsächlich vorhandenes Problem darstellt, ist es wichtig, dass man Öffentlichkeit herstellt und das hier diskutiert. Auf diese Weise kann man dafür sorgen, dass auch außerhalb der Parlamente mehr Menschen solche Abbiegeassistenten für eine gute Idee halten und sich dafür einsetzen.

(Beifall SPD)

Zu den nackten Zahlen! Die Untersuchung sagt, es sind in der Regel zu zwei Dritteln Radfahrer, die sich ordentlich verhalten, die sich an der Ampel ordentlich anstellen und warten, bis sie Grün haben. Dann sind sie aber von einem daneben stehenden Lkw aus nicht zu sehen. Die Radfahrerin oder der Radfahrer fährt los, der Lkw auch, und der Stärkere gewinnt. Dass dadurch wirklich dramatische Unfälle entstehen, auch viele mit Todesfolge, ist für mich unglücklicherweise nicht nur eine nackte Zahl. In meinem unmittelbaren Umfeld ist auf diese Weise eine junge Frau in Berlin umgekommen, die mitten aus dem Leben gerissen worden ist und zwei Kinder und einen Ehemann hinterlässt. Das ist natürlich erschütternd und dramatisch. Wenn man so etwas verhindern kann oder zumindest die Anzahl der Betroffenen auf diese Weise reduzieren kann, finde ich es völlig richtig, zu sagen, solche Abbiegeassistenten gehören in jeden neuen Lkw.

Ich finde es auch wichtig, damit nicht aufzuhören. Man muss darauf achten, dass die Systeme so weit optimiert werden, dass sie in bestehende Lkw nachgerüstet werden können, sodass in naher Zukunft kein Lkw mehr ohne solch einen Abbiegeassistenten durch die Gegend fährt. Das rettet Leben,

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und deswegen ist es gut. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Buchholz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sicherheit und Prävention sind die Hauptanliegen des vorliegenden Antrags. Viele Dinge sind bereits gesagt, deswegen fasse ich mich sehr kurz.

Die Verkehrsunfallzahlen sind im letzten Jahr zwar erfreulicherweise zurückgegangen, aber das kann uns nicht beruhigen. Jeder einzelne Unfall, der aufgrund eines fehlenden Abbiegeassistenzsystems zustande kommt, ist einer zu viel. Sie haben zum Teil die schrecklichen Folgen, die Herr Rupp gerade geschildert hat.

Prävention ist also angesagt. Frau Sprehe hat bereits die Früherziehung in Kindergärten und in der Schule angesprochen und dieses eindrucksvolle Bild mit dem gelben Dreieck genannt. Es ist für alle Seiten erforderlich, in möglichst kurzer Zeit zu tragbaren Lösungen zu kommen. Die Technik ist jetzt so weit. Die Bundesregierung hat sich inzwischen auch eingeschaltet und setzt sich seit geraumer Zeit für den Einsatz von Abbiegeassistenten ein. Es gab einen runden Tisch, und eine schnelle Einführung ist versprochen. Allerdings, das wurde bereits gesagt, bedarf es einer Regelung für Europa, die dann umzusetzen ist. Es geht also darum, das Verfahren für die Einführung von Abbiegeassistenten, die technisch möglich sind, jetzt zu beschleunigen und möglichst schnell umzusetzen, damit schreckliche Unfälle mit schwächeren Verkehrsteilnehmern wie Fahrradfahrern und Fußgängern in der Zukunft vermieden werden können.

Eines sei noch hinzugefügt: Auch das Speditionsgewerbe selbst hat höchstes Interesse daran, dass bald eine Lösung gefunden wird.

Wir werden diesem vorliegenden Antrag zustimmen. - Danke schön! (Beifall FDP, SPD)

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsrat Meyer.