Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren heute zwei Anträge. Der eine Antrag fordert ein Personalentwicklungskonzept für Bremen und Bremerhaven. Wir reden hier über die Unterrichtsversorgung, über qualitativ hochwertigen Unterricht, und gleichzeitig wird der bundesweite Wettbewerb, der Kampf, Lehrkräfte zu gewinnen, immer bedeutender. In der Tat, wir haben zeitweise ein Wettrennen zwischen denjenigen, die den Referendaren frühzeitig eine Zusage erteilen oder gar Vorverträge anbieten können.
Nun wollen wir neben den bekannten Mitteln, Lehrkräfte zu gewinnen, doch etwas vorausschauender planen. Eine ähnliche Forderung haben wir in den vergangenen Jahren bereits in der Deputation gestellt, aber der Lehrermarkt entspannt sich nicht. Deshalb, um es einmal einfach und deutlich zu formulieren, brauchen wir ein System, das frühzeitig mögliche Abgänge von Lehrkräften und die jeweiligen Fächerkombinationen darstellt, um zu ermitteln, welche Einstellungsbedarfe wir in den nächsten zehn Jahren – und natürlich auch aktuell – haben. Im Übrigen ist das auch ein Ziel, das wir im Koalitionsvertrag festgehalten haben.
Meine Damen und Herren, es geht auch darum, Verbesserungen in den Mangelfächern, für den Bereich der Sonderpädagogik oder Deutsch als Zweitsprache zu erreichen. Die Ausbildungszahlen und der Einstellungsbedarf müssen besser dargestellt werden. Gleichzeitig wollen wir auch wissen, welche Maßnahmen der Senat trotz der Haushaltsnotlage für geeignet hält, die Situation für Lehrkräfte zu verbessern. Es geht dort selbst verständlich um Themen wie die Besoldung, um Funktionsstellen, um Arbeitsbedingungen, um Entlastungsstunden und einiges mehr.
Wir möchten auch prüfen lassen, wie der bereits von verschiedenen Akteuren geforderte Gleichklang mit
Niedersachsen hergestellt werden kann. Es geht also zum einen darum, den Arbeitsplatz Lehrkraft, den Arbeitsplatz Lehrerin/Lehrer, an die aktuelle Zeit, an die gesellschaftliche Realität, an die veränderten Rahmenbedingungen der Schule und der Schülerschaft anzupassen. Es geht aber auch darum, frühzeitig Defizite bei der Personalbeschaffung zu erkennen, ihnen entgegenzutreten und Führungspersonal für Schulen zu gewinnen und an den Schulen zu fördern.
Meine Damen und Herren, allein mit dem Antrag zum Personalentwicklungskonzept kommt auf das Ressort Kinder und Bildung, aber auch auf das Finanzressort eine große Aufgabe zu, aber nur auf diese Weise können wir die Schullandschaft in Bremen und Bremerhaven zukunftsfähig gestalten.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns die Bildungsfinanzierung der Stadtstaaten im Vergleich anschauen – das haben wir in den vergangenen Monaten hier als SPD-Fraktion deutlich gesagt –, dann haben wir in Hamburg zum Beispiel im Grundschulbereich bei den erteilten Unterrichtsstunden einen Unterschied. In Hamburg werden mehr Stunden als in Bremen erteilt. Die Ausgaben liegen in Berlin und Hamburg pro Kopf inzwischen auch deutlich höher als in Bremen. Das heißt, in den nächsten Jahren ist ein gewaltiger Kraftakt nötig, um das Bildungssystem ausreichend zu finanzieren.
Wir wissen aber, dass neben der Personalentwicklung die Qualität der Schule und des Unterrichts nicht immer eine reine Ressourcenfrage ist. Es geht vielmehr auch sehr oft um den effizienten Einsatz der Mittel. Meine Damen und Herren, der Antrag „Qualitätsoffensive für Bildung in Bremen – Zukunftsfähigkeit Bremer Abschlüsse sichern“ hat seinen Auslöser in der letzten Ländervergleichsstudie IQB.
Ich möchte zu diesem Tagesordnungspunkt eigentlich nicht alles wiederholen, was wir in der Aktuellen Stunde anlässlich der Studie diskutiert haben oder was wir in der Einleitung des Antrags gemeinsam festgehalten haben. Wir möchten mit diesem Antrag das erreichen, was wir Ende des letzten Jahres angekündigt haben. Die Schulaufsicht muss neu gestaltet und von ihrem Aufgabenumfang her neu konzipiert werden. Deshalb wollen wir Maßnahmen aus Hamburg anschauen, und das, was sich bewährt hat, hier umsetzen.
Gleichzeitig gilt es, die frühkindliche Bildung und die Zusammenarbeit der Kitas und der Grundschulen institutionalisiert zu verbessern. Es hilft nicht, wenn wir uns gegenseitig immer wieder erzählen, wie wichtig die frühkindliche Bildung ist, sondern wir müssen hier, um gelungene Übergänge zu gestalten, die Grundschulen und die Kitas systematisiert gezielt fördern.
Wir sind auch der Überzeugung, dass dann, wenn wir die finanziellen Rahmenbedingungen geschaffen haben oder wenn der Bund seiner Verantwortung für die Eltern für die Kinder in diesem Land gerecht wird, zumindest das letzte Kindergartenjahr perspektivisch beitragsfrei gestaltet wird. Die letzte Änderung der Beitragsordnung ist bereits ein Einstieg in die Beitragsfreiheit gewesen.
Meine Damen und Herren, wir haben ein ganzes Maßnahmenbündel und Forderungen zusammengestellt, von denen wir meinen, dass sie einen positiven Beitrag zur Verbesserung der Qualität der Schule leisten. Gleichzeitig wollen wir mit dem zweiten Antrag die in der IQB-Studie erkennbaren Verbesserungen aus Hamburg genauer auswerten, vergleichen und hier umsetzen.
Wenn man diese beiden Anträge zusätzlich zu unserem gemeinsamen Antrag zur Evaluation des Schulfriedens in einem großen Paket betrachtet, dann sind wir fest davon überzeugt, dass die Inhalte und Maßnahmen, wenn sie erkenntnisreich sind und vernünftig umgesetzt werden, einen großen Beitrag zur Weiterentwicklung des Schulsystems leisten werden. Die Schulreform aus dem Jahr 2009 ist ein richtiger Schritt gewesen. Sie muss mit dem gleichen Gedanken weiterentwickelt werden.
Den Änderungsantrag der FDP werden wir ablehnen. Die Verbindlichkeit ist in der aktuellen Fassung des Antrags auch nicht mehr Bestandteil des Antrags. Den Antrag der LINKEN lehnen wir ab. Dieser Antrag erübrigt sich aus unserer Sicht allein durch unseren Antrag zur Personalentwicklung.
Eine Änderung muss ich hier allerdings zum Antrag zur Personalentwicklung einbringen: In dem Antrag steht, dass das Personalentwicklungskonzept schon vor den Sommerferien vorliegen soll. Dieser Antrag wurde mit einer zeitlichen Verzögerung beraten, sodass wir diesen Termin gern in Herbstferien ändern würden, damit das Ressort genügend Zeit hat.
Meine Damen und Herren, es gab im Vorfeld auch Stimmen, die gefragt haben: Aus welchen Gründen bringt ihr diesen Qualitätsantrag gemeinsam mit der CDU-Fraktion ein? Ich möchte an dieser Stelle deshalb hier noch einmal betonen, wenn es darum geht, das bremische Schulsystem weiterzuentwickeln, das bremische Schulsystem qualitativ zu verbessern, qualitativ umzugestalten, dann hat es sich in Bremen bewährt, diesen Sachverhalt mit einem breit getragenen Konsens zu stützen. Es hat sich in der jüngeren Vergangenheit bei der Evaluation des Bildungskonsenses gezeigt, dass wir uns hier auf eine gemeinsame Aufgabenstellung verständigen können, und das ist auch richtig so, meine Damen und Herren.
Den Dank habe ich mir bis zum Schluss aufbewahrt, weil ich hoffe, dass diese Debatte eine der harmoni
scheren Bildungsdebatten wird. Ich möchte mich ganz ausdrücklich bei der CDU-Fraktion und bei Herrn Dr. vom Bruch für die gute Zusammenarbeit bei der Erstellung und bei der Überarbeitung dieses Antrags bedanken, vor allen Dingen auch für die Geduld, und dafür, dass dieser Antrag eben nicht an Formulierungen gescheitert ist. Ich möchte gleichzeitig natürlich auch dem grünen Koalitionspartner danken, weil wir es trotz mehrfacher Verschiebungen auf der Tagesordnung geschafft haben, zügig und konstruktiv – wie wir es im Bildungsbereich untereinander auch gewohnt sind – im Sinne der Schülerinnen und Schüler, der Eltern und der Lehrkräfte einen gemeinsamen Antrag einzubringen. Ich bitte deshalb auch die anderen Fraktionen um ihre Zustimmung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon in vielen Jahren vorher gab es auch im letzten Herbst eine schulische Vergleichsstudie. Dieses Mal, in diesem Fall zum zweiten Mal, legte das IQB länderübergreifende Kompetenzvergleiche von Neuntklässlern vor. Gewöhnlich verursacht das einen Piek der Aufmerksamkeit, bevor alle wieder dem scheinbar wichtigeren Tagesgeschäft der Bildungspolitik nachgehen.
Gewöhnlich folgt eine nach außen wahrscheinlich längst ritualisierte wirkende Debatte: Vorwürfe von der einen, Rechtfertigungen von der anderen Seite. Es hat eine Reaktion der Gewöhnung eingesetzt, bis hin zu einem achselzuckenden So-ist-es-eben. Für mich ist das eine unheilvolle Gewöhnung, wird sie doch so gar nicht dem gerecht, was eigentlich angemessen wäre, denn es geht um nicht weniger, als um die Zukunftschancen unserer Kinder. Es geht um nicht weniger, als die Wettbewerbsfähigkeit und die Vergleichbarkeit bremische Abschlüsse. Das sollte uns, meine Damen und Herren, mehr wert sein als Rituale.
Ich bin sehr froh – und deshalb kann ich diesen Dank zurückgeben, Herr Güngör –, dass es dieses Mal anders ist. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, hier einen gemeinsamen Antrag der großen Fraktionen zu präsentieren, der genau dieses Ritual aufbrechen soll, der nicht auf Aufregung oder lethargische Rechtfertigung setzt, sondern eine nachhaltige Qualitätsdebatte vor dem Hintergrund konkreter Vorschläge auf den Weg bringen soll, damit sich endlich etwas verändert, damit wir endlich eine Aufholgeschwindigkeit aufnehmen und damit wir endlich weiterkommen, meine Damen und Herren.
Wir können nämlich nicht weiter hinnehmen, dass die Qualität unserer Abschlüsse nicht mehr empirisch durch Studien, sondern auch, ich sage einmal, im richtigen Leben immer häufiger infrage gestellt wird. Sprechen Sie mit ausbildenden Betrieben in Bremen oder auch mit Hochschulen, es herrscht immer der gleiche Eindruck. Das, was viele Absolventen mitbringen, reicht inzwischen nicht mehr, das ist inzwischen nicht mehr genug.
Um nicht missverstanden zu werden: Es geht gar nicht in erster Linie um Hochschulen und Betriebe, und es geht schon gar nicht um das Schlechtreden von Schulen oder Absolventen. Es geht darum, das Auseinanderentwickeln von Anforderungen und erworbener Kompetenzen zu stoppen, diese Abwärtsspirale im Interesse unserer Kinder endlich zu unterbrechen und die Trendwende hin zu einer Verbesserung einzuleiten und zu schaffen.
Lassen Sie mich auch auf etwas anderes hinweisen, das mir in diesem Zusammenhang wichtig ist. In bildungspolitischen Diskussionen wird gelegentlich der Eindruck erweckt, die einen heben den Qualitäts- und Leistungsgedanken hervor, die anderen heben den Gerechtigkeitsaspekt hervor und sprechen von ungleich verteilten Chancen. Dabei vertieft nichts – und das ist mir ganz wichtig – soziale Ungleichheit mehr, als ungleich verteilte Chancen, die gerade daraus entstehen, dass Schulen nicht in die Lage versetzt werden, begabungsgerecht zu fördern und zu fordern, unabhängig vom Geldbeutel der Beteiligten, genauso, wie eine tendenzielle Nivellierung hin zum Abitur nicht nur den besonders Guten nichts nützt, sondern insbesondere den Schwächeren schadet, deren Abschlüsse immer mehr abgewertet werden. Die Qualitätsdiskussion und die Diskussion der Chancengerechtigkeit gehören in Wahrheit, meine Damen und Herren, zusammen, sie sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Es ist es aber auch bemerkenswert, dass uns neben gemeinsamen Maßnahmen im einleitenden Teil – Herr Güngör hat darauf hingewiesen – eine gemeinsame Bewertung der Situation gelungen ist, dass das Weiter-so keine Option ist, sondern dass der Veränderungsbedarf gemeinsamer Konsens und gemeinsames Anliegen ist, dass wir zur Abwechslung einmal nicht über Geld, Personal und Ausstattung in erster Linie – so wichtig das auch ist –, sondern über bildungspolitische Ziele sprechen, dass wir mit dem Benchmark in Richtung Hamburg nicht nur einen begründeten Ansatz haben, Hinweise für Verbesserungen zu be
kommen, sondern auch die Tür für längst überfällige Selbstkritik aufstoßen. Es geht da eben in der Tat auch um die Vergleichbarkeit von Finanzen, Personal und Ressourcen, aber eben nicht nur.
Wir müssen dafür Sorge tragen, dass unsere Kleinheit nicht zur Schwäche wird. Wir müssen das Vertrauen in unser Bildungssystem stärken. Das geht eben nur, wenn wir ab jetzt stetig besser werden. Dies ist als Signal nach innen wichtig, aber im wirtschaftlichen Wettbewerb und in der Konkurrenz um Einwohner ist es nach außen umso dringender erforderlich.
Neben dem Erfahrungsaustausch mit dem Stadtstaat Hamburg – der sich im Übrigen gegenüber der ersten Untersuchung deutlich verbessert hat –, schlagen wir konkrete Maßnahmen vor. Wichtig ist mir ein kontinuierlicher Qualitätsprozess im Dialog zwischen Schulaufsicht und Schulen. Dazu ist die Schulaufsicht dringend weiterzuentwickeln, zu stärken und weniger als bisher mit vorwiegend organisatorischen Aufgaben zu beschäftigen.
Wichtig ist zudem eine Intensivierung der schulischen Elternarbeit, denn es bleibt eine Illusion, dass die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen allein den Schulen überlassen werden kann. Die Schulen müssen meiner Ansicht nach in die Lage versetzt werden, eine aufsuchende Eltern Arbeit zu organisieren. Sie brauchen die Voraussetzungen dafür, dass die Eltern einbezogen werden können und in die Pflicht genommen werden.
Lassen Sie mich schließlich die Selbstständigkeit der Schulen benennen, bei deren Entwicklung wir endlich und dringend vorankommen müssen, gerade dann, wenn es um moderne Personalführung und Personalgewinnung, im Übrigen unter zunehmend schwierigeren Rahmenbedingungen, geht. Die Schulen brauchen für mehr Qualität und Modernität endlich einen Freiraum. Sie dürfen nicht im Tagesgeschäft untergehen, und deshalb wollen wir Ihnen diesen Raum wieder verschaffen.
Ohne eine Wertschätzung für Leistung und Luft, für Kreativität und Entwicklung wird es auch keine Kultur des Förderns und Forderns geben. Es geht nicht nur um Maßnahmen, meine Damen und Herren, sondern es geht in erster Linie um ein Umdenken.
Für dieses Umdenken möchte ich Ihnen ein Beispiel geben. Unsere Diskussion zur Inklusion ist eine Debatte, die wir vorwiegend defizitorientiert geführt haben, in der es fast ausschließlich um den Nachteilsausgleich geht. Wir regen an, daraus eine Begabungsdebatte zu machen, die individuelle Begabung, eben auch Hochbegabungen, in den Fokus rückt. Wir wollen stärkend fördern, und zwar möglichst individuell und für alle.
Wir müssen bei der Förderung Benachteiligter besser werden – und das ist hier sicherlich Konsens –, aber wir haben auch bei den Leistungsstarken dringend Nachholbedarf. Ein gerechtes Bildungssystem nimmt alle in den Blick und nimmt alle mit. Darauf wollen wir hinwirken.
Lassen Sie mich zum für mich zumindest aktuell wichtigsten Punkt kommen: die frühkindliche Bildung. Sie ist für mich der Schlüssel, sie ist für mich der wichtigste Ansatz, vielen Problemen, die wir gegenwärtig haben, wirkungsvoller als bisher entgegentreten zu können. Wenn wir die schon benannte Vergleichsstudie zu den Neuntklässlern einmal als Beispiel nehmen, dann wird schnell klar, dass zwar der Stand in der neunten Klasse erhoben wurde, die Defizite aber eine viel ältere Ursache haben und in viel früheren Phasen der Erziehung und der Bildung ihre Ursache liegt. Im Übrigen mit der Wirkung, dass die Schulen in diesem Jahrgangsstufen viel zu sehr mit der Defizitbeseitigung, statt mit der altersgerechter Förderung und Forderung beschäftigt sind.
Wir müssen also viel früher ansetzen, und zwar viel konsequenter und nachdrücklicher als bisher. Das Motto muss mehr Prävention statt Reparatur lauten. Deshalb brauchen wir nicht nur eine quantitative Ausweitung der frühkindlichen Bildung, darüber haben wir gestern gesprochen, sondern auch eine qualitative. Statt Betreuung muss vielmehr der Bildungsgedanke auch in den Kitas in den Mittelpunkt gerückt werden, meine Damen und Herren.