Protocol of the Session on February 16, 2017

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es reizt mich natürlich, eine ganze Reihe von Argumenten noch einmal aufzugreifen.

(Abg. Frau Dr. Müller [Bündnis 90/Die Grünen]: Bitte!)

Vielleicht nur so viel Frau Steiner: Wenn eine Baufinanzierung scheitert oder in den letzten Jahren gescheitert ist – und Ehescheidungen sind die häufigste Ursache –, dann sind diejenigen, die vorzeitig das Eigenheim verlassen müssen, mit Schadensersatzforderungen der Banken von 10 000, 20 000, 30 000 oder 40 000 Euro konfrontiert gewesen. Wenn sie nach ein paar Jahren ihre Immobilie verkauft haben, dann sind sie hinterher ärmer gewesen, als beim Erwerb der Immobilie. Deshalb ist der Königsweg, die Altersvorsorge über die Immobilie sicherstellen

zu wollen, eine Bausparkassenwerbung. Die haben Sie ja auch offensichtlich gesehen,

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Sie auch, nicht! Gut, nicht!)

aber die Realität sieht etwas anders aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch bei dem zweiten Teil des FDP-Antrags weiß man nicht so richtig, ob man lachen oder weinen soll!

(Abg. Saxe [Bündnis 90/Die Grünen]: Weinen!)

Frau Steiner möchte die Familien entlasten und uns für eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel gewinnen, dass die Kinderfreibeträge verdoppelt werden. Nachgeschoben hat sie eben, ja, man könne ja auch über das Kindergeld sprechen, aber Fakt ist erst einmal, in dem FDP-Antrag findet man nichts zur Erhöhung des Kindergeldes.

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Reichen wir gern nach! Machen Sie das mit?)

Sie stellen vielmehr auf die Kinderfreibeträge ab, und um das richtig zu würdigen, Frau Steiner, muss man sich einmal anschauen, wie das heute eigentlich aussieht.

Derjenige, der relativ wenig verdient, bekommt Kindergeld. Wenn die Familie aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern besteht, dann sind das 4 600 Euro.

(Zuruf Abg. Dr. Buhlert [FDP])

Jetzt hören Sie ruhig einmal zu, es gibt auch ein Leben außerhalb der Lebensmittelchemie!

Wenn wir uns den Bereich anschauen, dann erhalten diejenigen, die ein höheres Einkommen erzielen und die Kinderfreibeträge geltend machen können, in der Spitze 6 500 Euro. Das heißt, diejenigen, die gut verdienen, bekommen bei dem heutigen System aus Kindergeld und Kinderfreibeträgen gut ein Drittel mehr als diejenigen, die wenig verdienen. Für die Veredelung der Kinder aus wohlhabenden Häusern gibt es allerdings nicht die geringste Rechtfertigung, sie ist einfach sozial ungerecht.

(Beifall SPD – Glocke)

Herr Gottschalk, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Ahrens?

Frau Ahrens, bitte am Schluss meiner Rede! Ich beschäftige mich jetzt gerade mit Frau Steiner, jetzt nicht noch Sie!

(Heiterkeit)

Herr Gottschalk, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Steiner?

Ja, sicher doch!

Bitte, Frau Steiner!

Das ist sehr nett! Wenn Sie von wohlhabend sprechen, dann habe ich eine Nachfrage: Ich habe vorhin gesagt, dass 50 Prozent 95 Prozent des Steueraufkommens leisten. Diese 50 Prozent fangen mit einem Jahreseinkommen von 28 000 Euro an. Ist das für Sie wohlhabend?

Das ist für mich ein Bereich, der sich in der Mitte befindet. Es geht darum, hier die unterschiedliche Größenordnung bei der Auffächerung der Einkommensklassen zu sehen. Normalerweise wird die Perzentile in einer Größenordnung von eins bis zehn dargestellt. Wenn Sie sich dann anschauen, wie das bei den unteren und bei den oberen Einkommen aussieht, dann werden Sie feststellen, dass bei zwei Kindern nach der Grundtabelle im Moment der Break-even – dort, wo der Kindergeldfreibetrag zu greifen beginnt – bei 38 000 Euro erreicht wird.

(Zuruf Abg. Frau Steiner [FDP])

Jenseits von 65 000 Euro zu versteuerndes Einkommen geht es praktisch in den Maximalbetrag über. Ich finde schon, dass man bei einem Einkommen von 65 000 Euro zu versteuerndes Einkommen zu einer deutlich wohlhabenderen Klasse gehört, als wenn das zu versteuernde Einkommen bei 28 000 Euro liegt. Sie selbst haben ja auch festgestellt, dass 50 Prozent in der Bundesrepublik gar keine Einkommensteuer bezahlt.

Haben Sie eine weitere Zwischenfrage, Frau Steiner?

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Nein, danke! – Abg. Röwe- kamp [CDU]: Gegenüber Frau Ahrens war das nun nicht charmant!)

Frau Ahrens treffe ich doch nachher noch, und dann mache ich das wieder wett!

(Heiterkeit – Zuruf Abg. Frau Ahrens [CDU])

Ich werde da ganz Ohr sein, Frau Ahrens!

Frau Steiner will mit diesem Antrag auf jeden Fall den jetzigen Zustand, den wir zwischen Kindergeld und den Kinderfreibeträgen haben, weiter zuspitzen. Ihr Antrag würde darauf hinauslaufen, dass diejenigen, die mit ihrem zu versteuernden Einkommen oberhalb einer bestimmten Größenordnung liegen, bei zwei Kindern eine Steuerersparnis von 13 000 Euro im

Jahr haben würden. Wir hätten eine Zwischenschicht, die sich etwas nach unten verlagern würde – Herr Rupp hat es bereits ausgeführt – und die auf eine Steuerersparnis zwischen 4 600 Euro und 13 000 Euro kommen würde.

Letztlich verbliebe eine Gruppe mit einem zu versteuernden Einkommen, das unter dem der Zwischenschicht läge und für die keine weitere Steuerersparnis entstünde, sondern es bei 4 600 Euro bliebe. Sie würden damit eine Situation schaffen, Frau Steiner, dass diejenigen, die aus den wohlhabenderen Bereichen der Gesellschaft kommen, das Dreifache an staatlicher Unterstützung für ihre Kinder bekommen würden, wie diejenigen, die aus dem unteren Bereich dieser Gesellschaft stammen. Das ist keine Familienpolitik, sondern das ist Klassenkampf von oben!

(Beifall SPD, DIE LINKE)

Sie bringen immer das Beispiel – und das will ich Ihnen noch zum Schluss sagen –, Herr Hilz, dass die Besserverdienenden 90 Prozent der Einkommensteuer entrichten. Sie vergessen dabei, dass natürlich die Einkommensteuer nicht die einzige Steuer ist, sondern die am schnellsten wachsenden und erheblich deutlicher ins Gewicht fallenden Steuern mittlerweile die Verbrauchssteuern sind. Wenn Sie dann einmal beides nebeneinander stellen, dann werden Sie sehen, Frau Steiner, dass die relative Belastung – ich glaube, das hatte sogar auch Herr Schäfer eben mit im Blick -bei den unteren Einkommensklassen höher ist, als bei einer Vielzahl der Klassen, die über diesen Klassen liegen.

Ganz oben, bei den 0,1 Prozent der Gesellschaft, also den Finanziers Ihres Familienunternehmensverbandes,

(Abg. Frau Steiner [FDP]: Jetzt schon wieder Klas- senkampf von oben?)

fällt die relative Belastung wieder nach unten. Ich habedeshalb gesagt, es handelt sich um einen Antrag, bei dem man nicht weiß, ob man lachen oder weinen muss.

(Unruhe und Zurufe FDP – Glocke)

Frau Steiner, gestatten Sie mir ein Schlusswort! Der Liberalismus ist einmal als Kritik der feudalen Privilegien angetreten. Er ist heute auf den Hund gekommen, weil er wieder finanzielle Privilegien fördert. Das ist schade, und das ist zum Weinen. – Danke!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Werbung für die Bausparkasse, von der

Frau Steiner gesprochen hatte, handelte nicht von einem Rocker, der schon ein Eigenheim hat, sondern einen Bauwagen, und der einem Kind erklärt, dass jemand, der auf ein Eigenheim spart, ein Spießer ist und dem das Kind sagt: Ich bin ein Spießer. Ich fand sie auch ausgesprochen lustig, aber nur so viel zur historischen Klarstellung, um was es eigentlich in dieser Werbung geht! Es ist also andersherum.

Ihr Vorschlag – das habe ich vorhin versucht zu erläutern – begünstigt Einkommen ab 30 000 Euro, und ja, damit schaffen Sie für Menschen mit Einkommen in dieser Größenordnung eine Besserstellung, aber im Kielwasser dieser Besserstellung stellen Sie diejenigen, die auch richtig gut verdienen, eben noch viel besser als schon jetzt. Das ist Klientelpolitik, das können Sie auch sagen, da braucht man sich auch gar nicht aufzuregen, weil man es nicht anders schönrechnen kann.

Dann kann man sich überlegen: Welches sind eigentlich unsere politischen Prioritäten? Ihre politischen Prioritäten sind Steuererleichterungen für Leute, die eigentlich keine Steuererleichterungen mehr brauchen, sondern die man höher besteuern muss, um unser Gemeinwesen zu finanzieren.

(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Weil sie arbeiten ge- hen! – Zuruf Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/ Die Grünen])

Das ist Ihr Credo, sagen Sie. Bemisst sich bei Ihnen Fleiß an der Höhe des Gehalts?

(Zuruf Abg. Professor Dr. Hilz [FDP])

Sie diskreditieren Menschen, die unter 20 000 oder 30 000 Euro verdienen und von Ihrem Vorschlag überhaupt nichts haben, wenn Sie behaupten, dass sie nicht fleißig sind und nicht ernsthaft Kinder erziehen würden.