Herr Präsident, meine sehr ver ehrten Damen und Herren! Ich beginne mit einem Bild: Wenn im Süden der Schnee schmilzt, massiv schmilzt, wenn es in Bremen tagelang regnet und die Deiche aufgeweicht sind und wenn dann noch zu allem Überfluss eine Sturmflut hinzukommt, dann wissen wir, was wir zu tun haben. Dann ist es meine Aufgabe, den Krisenstab aufzurufen, und natürlich wird auch das Landeskommando dann dabei sein. Das Landeskommando, Herr Zenner, ist nicht dazu da, um die Sandsäcke zu befüllen, sondern die Auf gabe ist es dann, Einheiten heranzuführen, das heißt Menschen, Material, Lkws, Transportkapazitäten und insbesondere Hubschrauber. Das ist das, was das Landeskommando zu leisten hat, und wir haben das in der Vergangenheit häufig geübt. Die Bundeswehr weiß, wie man Deiche baut, und wir sind froh, dass wir diese Unterstützung haben. Das war das, was wir bisher gemacht haben.
Die neue Situation ist nur vor der Entwicklung zu erklären, die wir seit zwei, drei Jahren verfolgen. Wir haben die Anschläge in Paris und Belgien erlebt. Wir haben dann gesehen, wie diese Entwicklung in der Türkei mit 24 Anschlägen allein in 2016 mit Hunder ten von Toten weitergegangen ist. In 2016 begann die Serie dann auch in Deutschland – Würzburg, Ansbach und die Amoktat in München –, und der Höhepunkt kam Ende Dezember in Berlin. All das waren Ereignisse, die von der Polizei im Wesentlichen beherrscht worden sind, weil alle Ereignisse lokaler
Wir müssen uns aber vor dem Hintergrund dieser Entwicklung auch darauf einstellen, dass Anschlä ge anders organisiert werden, dass sie zeitgleich in mehreren Städten stattfinden. Deshalb habe ich in der Innenministerkonferenz, als die Frage aufkam, wer an dieser Übung teilnimmt – es war klar, dass wir diese erste Übung auf eine kleinere Anzahl von Ländern begrenzen müssen, sonst ist das nicht zu organisieren –, die Hand gehoben und gesagt: Ja, Bremen würde sich daran gern beteiligen. – Das war keine Auftragsarbeit, sondern sie entspricht auch meiner Erfahrung. Ich weiß sehr gut, dass wir in Bremen Kapazitäten haben, aber wir stoßen auch sehr bald an unsere Grenzen.
Wenn wir ein Risikospiel haben, wenn Hamburg kommt, dann genügt es nicht mehr, dass wir unsere eigenen Kräfte hier einsetzen, sondern dann sind wir immer froh, wenn uns starke Kräfte aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, teilweise bis Nord-RheinlandPfalz unterstützen, um diese Situation dann mit 1 000 Männern/Frauen am Wochenende zu beherrschen. Das heißt, wir sind darauf angewiesen, dass wir Un terstützung bekommen, und in der Vergangenheit haben wir das auch, denke ich, in diesem ganzen Nordverbund sehr gut hinbekommen, immer unter der Voraussetzung, dass die anderen auch können, denn das ist die Grundvoraussetzung dafür.
Wenn die Lage so ist, wie ich sie beschrieben habe, dass wir nicht nur in Bremen ein massives Problem haben, sondern auch in Hamburg und Hannover, ist das eine völlig andere Situation. Dann stoßen wir wirklich an unsere Grenzen, und wir können nicht davon ausgehen, dass dann die SEK der anderen Länder in einer halben Stunde bei uns sind. Deshalb ist es sinnvoll und klug, mit der Bundeswehr solche Situationen zu üben, alles im Rahmen der Verfassung, alles im Rahmen des geltenden Rechts. Ich bin davon überzeugt, dass wir einen rechtlichen Rahmen haben, der völlig ausreichend ist, um auf solche Situationen zu reagieren. Hier geht es darum, ganz pragmatisch zu schauen, was die Bundeswehr an Unterstützung aufbieten kann. Auch da bin ich erst mal gespannt, ob das geht, wenn man sagt: Wir brauchen größere Transportkapazitäten, wir brauchen Hubschrauber, ob das dann wirklich nur ein Traum ist, dass sie kom men, oder ob die Bundeswehr wirklich sagen kann: Jawohl, wir sind dazu in der Lage.
Es geht dann natürlich um solche Fragen: Wie kann die Bundeswehr bei einem Massenanfall von Verletz ten helfen? Was geschieht, wenn wir einen Stadtteil evakuieren müssen? – Teilweise können wir das mit eigenen Kräften machen, aber auch da gibt es Grenzen. Dies alles sind Fragen, die man durchspie len sollte. Es geht nicht darum, Panik zu erzeugen,
sondern darum, dass wir vor einer veränderten Si tuation stehen, und vor dieser Entwicklung dürfen wir nicht die Augen verschließen. Das wäre das Fatalste, was wir machen könnten. Wir dürfen auch keine Panik verbreiten, sondern ich finde es sinnvoll, dass alle Sicherheitsorgane der Bundesrepublik eng zusammenarbeiten. Nur so haben wir auch gegen den Terrorismus eine Chance. – Herzlichen Dank!
Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 19/793, auf die Große Anfrage der Fraktion der FDP Kenntnis.
Sozial ungerechte Abgeltungssteuer abschaffen Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 27. September 2016 (Drucksache 19/754)
Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Fecker. – Entschuldigung, Herr Fecker! Erst kommt die SPD, danach Bündnis 90/Die Grünen. So ist der Antrag überschrieben.
Ich bitte um Entschuldigung, Herr Kollege Ravens, dass ich das nicht gleich gesehen habe, dass Sie schon aufgestanden waren. Es tut mir wirklich leid, aber nun haben Sie das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In fünf Minuten Redezeit ist es schwer, ein komplexes Thema darzustellen, aber ich versu che es. 2009 wurde für mich eine der wohl größten Steuerentlastungen für Vermögende beschlossen, die Abgeltungssteuer. Das ist eine 25-prozentige, nein, ich muss sagen: 26,4-prozentige Pauschal steuer, weil darin der Solidaritätszuschlag auf alle Kapitaleinkünfte eingerechnet werden muss. Seit dem, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden Kapitaleinkünfte gegenüber Arbeitseinkommen massiv bevorzugt, und ich sage ganz deutlich: Damit muss Schluss sein!
dem persönlichen Steuersatz besteuert werden, wie es bis 2009 war und wie es auch beim Arbeitsein kommen ist. Ich habe mir einmal vom Finanzamt die Einkommensteuerseiten besorgt – Paragraf 20 ist das, auch heute noch. Es hat sich eigentlich gegenüber 2008 und den Jahren vorher wenig verändert. Als einzige Änderung ist dabei eingetreten, dass jetzt für die Kapitaleinkünfte die Abgeltungssteuer gleich abgezogen und dann dem Finanzamt mitgeteilt wird. Früher mussten Sie es ja sammeln, dann mussten Sie sich einen Freibetrag einholen und dann in Ihre Kapitalanlage, KAP, selbst eintragen. Das hat sich jetzt ein wenig geändert.
Meine Damen und Herren! Für mich ist es überhaupt nicht einzusehen, warum Multimillionäre auf kassierte Kapitalerträge denselben Steuersatz zahlen, den ein Arbeitnehmer schon bei einem zu versteuernden Ein kommen von 15 800 Euro im Jahr für einen weiteren Einkommensteuer-Euro zahlen muss – bei höherem Einkommen noch mehr.
Ich will Ihnen ein Beispiel dazu sagen: Haben Vermö gende – dazu zählen wir sicherlich nicht – 50 Millionen Euro zu 2 Prozent angelegt, dann erspart ihnen die Abgeltungssteuer rund 211 000 Euro im Jahr, weil sie nicht wie früher den fälligen Spitzensteuersatz von 42 Prozent zahlen müssen. 211 000 Euro! Warum wird dort ein Unterschied gemacht?
Mir geht es nicht um Sozialneid, sondern darum, dass dies nichts mit einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu tun hat, aber – dafür plädiert Herr Schäuble insbesondere – das Steuersystem soll gerade das gewährleisten: Besteuerung nach Leis tungsfähigkeit. Es kann nicht sein, dass die Arbeit nehmer einen Steuersatz von bis zu 42 Prozent auf ihr Einkommen zu zahlen haben, während Menschen mit exorbitanten Vermögen lediglich 25 Prozent auf ihre Kapitalerträge zu zahlen haben. Es ist für mich eine schreiende Ungerechtigkeit in der Steuerlastver teilung zwischen der hart arbeitenden Bevölkerung und den Vermögensmillionären.
Meine Damen und Herren, ich zitiere aus einer Dis sertation einer Mitarbeiterin von uns, Frau Dr. Ruth Hasberg, die ein Buch über die Wahrnehmung von Einkommensungleichheit geschrieben hat. Ich darf zitieren:
„Allerdings zeigt sich soziale Exklusion auch am oberen Rand der Gesellschaft, wenn Reiche Steuern hinterziehen und sich damit der gesellschaftlichen Verantwortung entziehen. Sie zeigt sich, wenn die Berührungspunkte zwischen Reich und Arm nahezu gegen Null gehen. … Spricht man von Gerechtigkeit innerhalb einer Gesellschaft, spielen auch Steuern immer wieder eine wesentliche Rolle.“
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass die Abgeltungssteuer ihren Zweck nicht erfüllt hat. Sie war als Anreiz gegen Steuerflucht angedacht, hat aber nicht zu mehr Steuerehrlichkeit geführt. Erst die massenhafte Enttarnung von Steuerhinterziehern und die Austrocknung von Steueroasen haben sich als wirksam erwiesen, und seit diesem Jahr können Sie es vergessen, weil sich die internationale Gemeinschaft geeinigt hat und sich über diese Einkünfte und diese Vermögen untereinander austauscht. Da braucht man diese CDs nicht mehr zu kaufen.
Aber auf dieser CD, meine Damen und Herren, sind 6,4 Milliarden Euro an Kapitalerträgen gesammelt. Darauf sind 50 Namen gespeichert – aber Sie brauchen keine Angst zu haben, die sind öffentlich, ich habe sie nur darauf gespeichert; die können Sie überall einsehen –, die 6,4 Milliarden Euro an Kapitalerträgen haben.
Lassen Sie mich zehn Namen nennen: Familie Scha effler – Continental-Schaeffler, die kennen Sie alle –: 549 Millionen Euro an Kapitalerträgen, Stefan Quandt, BMW: 449 Millionen Euro, Klaus-Michael Kühne, Kühne+Nagel: 429 Millionen Euro, Susanne Klatten, BMW: 420 Millionen Euro, Familie Reimann, Kosmetik und was dazugehört: 350 Millionen Euro, Familie Piëch, Porsche: 340 Millionen Euro, Familie Merck, Darmstadt: 305 Millionen Euro, Brüder Sam wer – die kenne ich nicht –; Rocket-Onlinehandel: 287 Millionen Euro, Heinz H. Thiele, Vossloh, Auto zulieferer: 239 Millionen Euro und Familie Henkel 204 Millionen Euro.
Ich habe mir dazugeschrieben: Wenn die das mit 40 Prozent hätten versteuern müssen, hätten wir 2,6 Milliarden Euro an Steuern eingenommen, und ich habe mich gefragt, wie viele Kita-Plätze das wohl gebracht hätte.
Ich unterstreiche einen Satz von Uwe Kekeritz, er ist entwicklungspolitischer Sprecher der Grünen. Er hat ausgeführt:
Ich unterstreiche das. Wir, meine Fraktion, wollen, dass echte Leistung besser anerkannt wird. Deshalb fordern
wir, die steuerlichen Privilegien für Einkommen aus Kapital in Form der Abgeltungssteuer abzuschaffen.
Wer arbeitet, muss derzeit mehr Steuern zahlen als derjenige, der sein Geld für sich arbeiten lässt. Wir finden, mit dieser Ungerechtigkeit muss endlich Schluss sein!
Lassen Sie mich zum Schluss etwas sagen, was sicher ungewöhnlich ist. Sahra Wagenknecht hat in ihrem Buch „Reichtum ohne Gier“ – –.
(Abg. Professor Dr. Hilz [FDP]: Das ist aber einmal eine vertrauliche Quelle! Mein lieber Mann! – Heiterkeit)
(Zuruf CDU: Dann geht er auch noch zu den Sozis! – Abg. Dr. Buhlert [FDP]: Nein, das passiert nicht! – Glocke)
Dann wissen Sie, wie es in unserer Gesellschaft ausschaut. Sie hat eine Aussage – auch das ist un gewöhnlich – von Albert Einstein veröffentlicht – ich zitiere –: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ Wir wollen, dass sich etwas ändert, und darum gehört die Abgeltungssteuer abgeschafft, meine Damen und Herren. – Vielen Dank!