Protocol of the Session on March 17, 2016

Hier steht zum Beispiel: „Extra billig, Joghurtbecher 22 Cent, Sie sparen 43 Cent“, oder: „1 Kilo Hähnchen

schenkel, 1,99 Euro, Sie sparen 1 Euro, extra billig, Discounterpreis, jetzt zugreifen“.

Meine Damen und Herren, wenn Lebensmittel so präsentiert werden, als handele es sich um irgendeine beliebige Dumpingware, die möglichst billig verramscht werden muss, dann wundert es mich überhaupt nicht, wenn die Verbraucher sich keine Gedanken machen, zu viel kaufen, mehr als sie brauchen, und es wegschmeißen. Hat ja nichts gekostet! Tut keinem weh!

Ich habe in diesem Zusammenhang einmal den Blick in die Mülltonnen in meiner Umgebung gerichtet. Ich wurde tatsächlich fündig.

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Das hast du aber jetzt nicht mitgebracht?)

Man findet einiges. Das ist nicht so witzig. In einer Mülltonne fand ich völlig eingeschweißt Hähnchenbrustfilet, in einer anderen Mülltonne – ein Stück weiter – habe ich diese Reiswaffeln gezogen.

(Abg. Saffe [Bündnis 90/Die Grünen] zeigt eine hal- be Tüte Reiswaffeln.)

Eine halbe Packung! Das MHD ist noch lange nicht erreicht. Das wäre August. Ich frage mich: Sind wir eigentlich durchgeknallt? Geht es uns zu gut? Oder wissen wir nicht Bescheid?

Aus meiner Sicht bedeutet jedes Stück weggeworfenes Gemüse, Obst oder Fleisch auch ein Stück Missachtung und Geringschätzung der Arbeit derer, die diese Lebensmittel für uns erzeugen.

(Abg. Imhoff [CDU]: Du musst deine Nachbarn einmal aufklären!)

Aufklärung hast du gerade dreimal gesagt. Das ist zentral.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Was wir an Lebensmitteln wegwerfen, wurde einmal zu viel produziert. Das heißt, Ressourcen wurden unnötig vergeudet, und das Klima wurde unnötig belastet. Bei allem, was schon getan wird und noch getan werden muss, sehe ich eine Hauptlösung einmal mehr in einer frühzeitigen Beschäftigung mit Essen im Elternhaus, aber auch in den Schulen.

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE)

Wichtig und nötig sind einmal mehr Ernährungsbildung und -wissen in Schulen. Die Schüler müssen Kenntnisse darüber erlangen, wie Lebensmittel erzeugt werden, was die Erzeugerinnen und Erzeuger da draußen so leisten, dass das nichts ist, das man einfach wegwirft, sondern etwas, was geachtet wer

den muss und auch einen angemessenen, fairen Preis verdient.

Abschließend möchte ich aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen von vor vier Jahren zitieren. Damals hat der Senat erkannt:

„Auch dürfte eine entsprechende Schulbildung beziehungsweise die Verankerung des Themas Lebensmittel und Ernährung in den Lehrplänen der Schulen zu einer Verbesserung der Situation beitragen.“

Dem schließe ich mich an und hoffe, dass dieser Erkenntnis von damals auch Taten gefolgt sind beziehungsweise folgen werden. – Danke schön!

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dehne.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wäre es beim Essen so wie heute in dieser Debatte, wäre schon viel gewonnen. Sie haben mir nicht mehr viel übriggelassen. Man könnte sagen, es ist schon alles restlos gesagt worden.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Imhoff [CDU]: Ist ja auch schönes Wetter!)

Wir haben es hier mit einem wichtigen Thema zu tun. Auch ich bin der CDU für die Große Anfrage dankbar. Gerade die Antwort des Senats hat gezeigt, dass das Thema sehr vielschichtig ist, auf jeden Fall ein wichtiges Thema. Ich merke auch, dass ich immer wieder darauf angesprochen werde.

Wichtig ist, dass wir mit dieser Debatte hier das Thema in Erinnerung rufen, dass es draußen auch wahrgenommen wird. Es ist zumindest ein kleiner Beitrag, wenn es zu einer entsprechenden Berichterstattung kommt.

(Beifall SPD)

Herr Imhoff, Sie haben eben schon die Zahlen genannt, wie viel weggeschmissen wird, dass es vor allem um Privathaushalte geht. Da ist eine Steuerung durch Politik oder Verwaltung, durch irgendwelche Vorschriften oder Gesetze so gut wie unmöglich. Von daher ist es so wichtig, dass wir wirklich zu einem Umdenken kommen und, wie Herr Saffe eben schon gesagt hat, Lebensmittel als etwas Wertvolles und nicht als irgendetwas, das man, ohne groß nachzudenken, wegschmeißen kann, wahrgenommen werden.

(Beifall SPD)

Wir brauchen also ein Wertschätzung für Lebensmittel, ob es nun verarbeitete Lebensmittel sind oder Obst

und Gemüse, was besonders häufig weggeschmissen wird. Da erreicht man, wenn man einigen Experten folgt, auf jeden Fall etwas, wenn man sehr bewusst einkauft, wenn man auch selber frisch kocht und richtig lagert. Natürlich ist etwas, was man selbst gekocht hat, für jeden Menschen wertvoller, als wenn man irgendetwas Fertiges aus der Packung zieht und in die Mikrowelle stellt.

(Abg. Rupp [DIE LINKE]: Ist das kein Kochen?)

Von daher ist wichtig, wie schon beschrieben, in Kita, in Schule und so weiter gut aufzuklären und auch mit jungen Menschen früh selber zu kochen, damit sie diesen Wert auch wirklich wahrnehmen.

(Beifall SPD)

Was wir eben auch schon hatten, waren Werbung und Sonderangebote. Das verleitet Verbraucherinnen und Verbraucher eben dazu, besonders viel zu kaufen, viel zu große Mengen zu kaufen. Von daher sollte man vielleicht auch noch einmal darüber nachdenken, generell kleinere Packungen in den Handel zu bringen, damit das eben gar nicht erst passiert und die Versuchung nicht so groß ist. Hat man eben doch einmal viel gekauft oder mag irgendetwas nicht so gern, kann man das natürlich abgeben – das hatten wir eben auch schon –, zum Beispiel bei den Tafeln.

Bei der Bremer Tafel ist übrigens das Spendenaufkommen in letzter Zeit zurückgegangen, insbesondere bei Milchprodukten. Bei der Bremerhavener Tafel haben die Spenden in den letzten Jahren zugenommen. Vielleicht sollte sich Bremen da wieder einmal etwas von Bremerhaven abschauen. Man kann in diesem Rahmen alle herzlich auffordern, weiter zu spenden, gern auch etwas mehr zu spenden, um Menschen zu helfen, die nicht so viel Geld haben.

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Lassen Sie mich kurz noch etwas zum Mindesthaltbarkeitsdatum sagen. Das haben wir hier eben auch schon diskutiert. Ich glaube auch, gerade bei Lebensmitteln wie Nudeln, Linsen, Reis und solchen Dingen könnte man ganz darauf verzichten. Das ist einfach lange haltbar. Über diese Lebensmittel zu sagen, sie sind in drei Jahren abgelaufen, ist sowieso sehr schwierig. Ich glaube, das Mindesthaltbarkeitsdatum wird von vielen Bürgerinnen und Bürgern als etwas wahrgenommen nach dem Motto: Das ist dann schlecht. – Das ist es ja eben nicht! Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist etwas, das nur bedeutet, dass die vom Hersteller garantierte Qualität in Aussehen, Geschmack, Konsistenz und so weiter wirklich hundertprozentig so ist, wie der Hersteller das haben will. Wenn aber zum Beispiel ein Joghurt das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten hat, heißt das nicht, dass der Joghurt schlecht ist. Er ist vielleicht etwas weni

ger intensiv rosa, und er schmeckt vielleicht etwas weniger intensiv nach Erdbeere, heißt aber eben nicht, dass er schlecht ist.

(Abg. Imhoff [CDU]: Nur, wenn Schimmel darauf ist! – Heiterkeit)

Ich habe neulich auf Facebook gepostet. Einige, die mich gut kennen, wissen: Ich esse sehr gern auch abends noch einmal etwas Süßes, in dem Fall Schokoladenpudding. Ich hatte einen Rest Schlagsahne im Kühlschrank, einen Becher, der noch nicht geöffnet war. Ich habe gedacht: Einmal schauen! Da war das Mindesthaltbarkeitsdatum schon vier Wochen überschritten. Ich habe den Deckel geöffnet, gerochen, geschmeckt. Es war alles wunderbar. Ich kann also nach Selbstversuch sagen: Selbst Sahne, die schon vier Wochen darüber ist,

(Abg. Frau Dr. Schaefer [Bündnis 90/Die Grünen]: Nur, wenn der Deckel nicht gewölbt ist!)

lässt sich noch wunderbar schlagen, konsumieren, hat wunderbar geschmeckt, und es ging mir auch gut. Also vielleicht etwas zum Nachmachen!

(Beifall SPD)

Ich komme zum Schluss! Ich glaube, jeder Mensch ändert sein Verhalten nur, wenn er einen positiven Mehrwert hat und eine Belohnung bekommt: so etwas wie Reste selbst zu verwerten, zu kochen! Bratnudeln, haben wir eben schon gehört, oder Ähnliches könnten da sicherlich ein Beitrag sein. Von daher fordere ich Sie alle herzlich auf, auch in Ihrem Umfeld dafür zu werben, Reste besser zu verwerten und damit der Lebensmittelverschwendung vorzubeugen. – Danke schön!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

(Zuruf)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Nein, ich kann nicht mit Beispielen aus direkter Lebensmittelerfahrung aufwarten. Aber ich möchte sagen: Dass Lebensmittel weggeworfen werden, während sich andere Menschen nichts zu essen kaufen leisten können – Klassenstandpunkt, ja! –, ist ein brisantes Thema. Ich finde, es handelt sich um Wertschätzung auch für Lebensmittel, für bäuerliche Arbeit und für die Bedürfnisse anderer. Das ist nicht so ohne. Das Thema hat auch viel mit Zukunftsfähigkeit und globaler Verantwortung zu tun. Es ist eine sehr lobens

werte Initiative gewesen, die Große Anfrage einzubringen.

(Beifall DIE LINKE)

Wo in der Wertstoffkette die Verluste auftreten, ist durchaus nicht einhellig belegt. Es gibt auch in den Studien umstrittene Teile. Ich fand das ganz interessant. In der Studie der Universität Stuttgart heißt es quasi, dass die privaten Haushalte zwei Drittel zu einem Drittel dazu beitragen, und in der WWF-Studie aus dem letzten Jahr ist es genau umgekehrt. Es kommt eben immer darauf an, was man einbezieht. Der WWF verweist zum Beispiel darauf, dass eine nicht unerhebliche Menge an Lebensmittel erst gar nicht in die Wertschöpfungskette hineinkommt. 30 Prozent der Möhren erreichen eben nie den Nachernteprozess. Das haben wir hier vorhin schon angesprochen. Als Nahrungsmittel sind sie völlig in Ordnung, aber sie entsprechen eben nicht den Verbrauchererwartungen, wenn man so will.