Protocol of the Session on March 17, 2016

(Einstimmig)

Gesetz zur Änderung des Bremischen Wohnungsaufsichtsgesetzes Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 30. November 2015 (Drucksache 19/180) 1. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Senator Dr. Lohse.

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Bernhard das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen zu einem Antrag, den wir durchaus zum Teil schon kennen. Es geht uns nach wie vor um das Wohnungsaufsichtsgesetz und explizit um den Teil der Zweckentfremdung.

Die Nutzung von Wohnraum für touristische Vermietung hat eine neue Dynamik bekommen. Man muss zwar einräumen, dass es hier für Bremen wahrscheinlich nicht ganz so explizit drängend ist wie für New York, aber es wird tatsächlich auch bei uns zunehmend zu einem Problem. In vielen Städten in Europa und weltweit gehen die Stadtverwaltungen inzwischen dagegen vor.

Es ist so, dass der knappe Wohnraum über Internetplattformen wie Airbnb oder Wimdu tatsächlich zweckentfremdet wird. Barcelona, New York, inzwischen aber auch Hamburg und Berlin haben sich mit neuen Gesetzen dagegen gewehrt, dass in attraktiven Vierteln immer mehr Wohnraum nicht bei den Bewohnern der Stadt landet, sondern eben bei Touristen. Interessanterweise lag Bremerhaven hier einmal ganz vorn. In Bremerhaven hat es eine Verordnung gegeben, mit der die Zweckentfremdung von Wohnraum unter Genehmigungsvorbehalt gestellt wurde. Sie ist unglücklicherweise 1998 nicht mehr verlängert worden.

Wo ist das Problem? Die Idee hinter Plattformen wie Airbnb oder Wimdu ist ja an sich ganz positiv nach dem Motto: Steht gerade leer, kann ich anbieten, kann ich quasi auf der privaten Ebene einen Wohnungs

tausch machen! Ich weiß nicht, ob jemand den Film „Liebe kennt keine Ferien“ kennt,

(Abg. Frau Kappert-Gonther [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Dreimal gesehen!)

in dem es sich in der Upperclass tatsächlich etwas freundlich darstellt, indem Sinne, dass dort entsprechende Luxusbehausungen ausgetauscht worden sind.

Es ist für beide Seiten faktisch kostengünstig. Insofern ist das eine Möglichkeit, die man in Betracht ziehen kann. Das Problem ist natürlich, dass immer mehr Wohnungen für solche Ferienwohnungen genutzt werden, und das nicht nur in bestimmten Zeiten, sondern ganzjährig. Damit werden sie faktisch dem Wohnungsmarkt entzogen. Diese Nutzungen konzentrieren sich logischerweise auf die interessanten, attraktiven und hippen Viertel. Es entsteht ein Geschäftsmodell, das diese Viertel allmählich umnutzt auf Kosten ihrer ursprünglichen Bewohnerinnen und Bewohner. Man spricht in diesem Zusammenhang jetzt zunehmend nicht mehr von Gentrifizierung, sondern quasi von Touristifizierung. Es werden Mieter durch zahlungskräftige Auswärtige verdrängt.

In welchem Umfang findet das nun statt? Das wäre die interessante Frage. Die Koalition hat den Senat unlängst danach gefragt, und der Senat konnte keine Antwort geben. Wir haben das übrigens auch schon einmal gefragt. Das ist jetzt zweieinhalb Jahre her. Auch da wusste er logischerweise nichts dazu. Es gibt in Berlin mehrere Untersuchungen, darunter ein studentisches Projekt, das einfach auf der Grundlage der Plattformen recherchiert hat.

Das Anbieten der Ferienwohnung findet öffentlich statt und ist insofern kein Geheimnis. Dann kann man sich das auch entsprechend ansehen. Das Ergebnis war: Es geht um fast 10 000 komplette Wohnungen, also ein halbes Prozent des Bestands. Ein halbes Prozent hört sich relativ wenig an. Aber für Bremen wären das immerhin knapp 1 500 Wohnungen. Das ist eine ganze Menge. Das ist mehr, als man brauchen würde, um beispielsweise die Turnhallenunterbringung von Flüchtlingen aufzulösen – um nur einmal Vergleichsmaßstäbe herbeizuführen. Es sind Wohnungen, die denjenigen fehlen, die in der Neustadt, im Viertel und in Walle umziehen und entsprechend günstigeren Wohnraum suchen.

Der Senat hat 2013 auf unsere Anfrage geantwortet: „Voraussetzung für den Erlass einer … Zweckentfremdungsverbotsverordnung“ – schönes Wort – „ist, dass die Versorgung der Bevölkerung mit … Wohnraum zu angemessenen Bedingungen … dadurch gefährdet wird, dass … Wohnungen nicht mehr als solche, sondern zu anderen Zwecken … genutzt werden. Für eine solche Sachlage gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte.“

Das, finde ich, ist faktisch falsch. Ich finde, diese Anhaltspunkte haben wir heute. Wir haben eine – jedenfalls offiziell angegebene – Leerstandsquote von unter null. Das betrifft Menschen, die aktuell nicht in Wohnungen, sondern in Notunterkünften leben. Wir alle kennen Leute, die in ihren Vierteln Wohnungen suchen.

Wir haben andere Städte, die dieses Problem intensiv bearbeiten. Wir wissen, ein Blick auf die Plattformen zeigt, dass es auch in Bremen in erheblichem Umfang stattfindet. Wir sind der Meinung, dass das mehr in den Blick geraten muss. Der Antrag orientiert sich – das haben wir hier schon einmal eingeführt – an dem Wohnungsaufsichtsgesetz, das in NRW verabschiedet worden ist. Da gibt es diesen Passus, der aufgenommen wurde. Wir haben hier schon vor einiger Zeit kritisiert, dass das in Bremen nicht der Fall ist. Es ist ja möglich, das zu befristen. Das heißt ja nicht, dass das für alle Ewigkeit gilt, sondern dass man das einführen sollte.

Man braucht Regelungen. Für die Umsetzung bedeutet dies, man muss sich auch darum kümmern, das zu erfassen, was wiederum Personal erfordert. In Berlin gibt es ein Referat mit sechs Leuten, die sich darum kümmern. Der Bremer Senat bevorzugt öffentlich eigentlich die Haltung: Wir wissen von nichts, also gibt es auch kein Problem. – Diese Haltung wird man wohl aufgeben müssen. Es gibt faktisch durchaus auch noch andere Interessenten, die das mit einem – wie soll ich sagen? – aufmerksamen Auge verfolgen. Das ist die Hotelbranche. Die findet das auch nicht lustig, wenn das entsprechend aus dem Boden sprießt. Das ist letztlich nicht unser Zugang. Aber wir finden, dass das bei dem gravierenden Wohnungsnotstand zumindest ein Bereich ist, den wir auch in den Blick nehmen müssen. Er wird mit Sicherheit nicht unser Wohnungsproblem lösen. Das möchte ich hier wirklich nicht behaupten. Es ist nur ein Anteil dessen. Deshalb sind wir der Meinung, dass eine Art Wohnungsaufsichtsgesetzerweiterung stattfinden müsste. – Vielen Dank!

(Beifall DIE LINKE)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Pohlmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im vorliegenden Antrag der LINKEN und in dem eben von der Kollegin Claudia Bernhard hier vorgestellten Antrag der LINKEN wird die Einführung einer Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Zweckentfremdungsverbotsverordnung begründet. Das ist ein behördentechnisch sehr weitreichender Begriff. Sehr deutlich geworden ist – das möchte ich für die SPD-Fraktion sagen –, dass für uns bei der Beantwortung dieser Fragestellung die folgenden Fragen im Vordergrund stehen:

Erstens. Ist die Wohnraumversorgung – das ist im Begründungstext des Antrags der LINKEN enthalten – in Bremen und Bremerhaven aktuell und nachweislich gefährdet?

Zweitens. Wäre so ein Erlass als Verbotsverordnung geeignet und somit erforderlich, die Versorgung mit Wohnraum wesentlich zu verbessern? Wäre das also ein Instrument, das das schaffen kann?

Drittens. Welche Auswirkungen hätte der mögliche Erlass für die Tätigkeit der Verwaltungen?

Viertens – wir haben uns intensiv damit beschäftigt und die Frage für uns beantwortet –: Wäre es im Rahmen dieser möglichen Einführung, im Rahmen der Strategie der Städte Bremen und Bremerhaven zielführend, verstärkt den Wohnungsbau in allen Segmenten zu forcieren, was wir in den wohnungsbaupolitischen Debatten immer wieder gefordert haben? Wäre das Instrument, das von der Kollegin Bernhard dargelegt worden ist, geeignet, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der rot-grüne Senat, diese Koalition haben sich in der Einschätzung der Situation auf dem Wohnungsmarkt klar positioniert. Ich kann das in den einzelnen Debattenpunkten, auch anhand der verabschiedeten Anträge nachvollziehen. Für uns ist klar – das haben wir immer wieder betont –: Die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Bremen ist angespannt. Es gibt Unterschiede zwischen den Städten Bremerhaven und Bremen, aber insgesamt ist die Lage angespannt. Dies wurde von uns als Koalition in den vergangenen Jahren auch immer wieder deutlich gemacht. Ich erinnere an die ganzen Debatten und Beschlussfassungen zu der Kappungsgrenzen-Verordnung, zu der Vorordnung zu den Mietbegrenzungen. All das haben wir hier ausgeführt.

Aber wir haben uns die Frage gestellt – das müssen wir alle tun –, ob dieser mögliche Erlass eines Zweckentfremdungsverbotes, wie im Antrag der LINKEN vorgesehen, die Lage auf dem Wohnungsmarkt real verbessern würde. Frau Kollegin Bernhard hat hier gesagt, es gebe Untersuchungen von studentischen Projektgruppen, es gebe Sachen, man könnte und sollte und hin und her. Aber die Frage – darum geht es real – ist: Würde sich die Lage verbessern? Ich möchte das für die SPD-Fraktion eindeutig beantworten und unter Berücksichtigung folgender Punkte darstellen.

Erstens. In Bremen und Bremerhaven ist es nicht der Fall und wäre in der Praxis kaum anzuwenden sein. Das sagen unsere Kontakte mit den Menschen, die vor Ort in diesen Bereichen arbeiten.

Zweitens. In der fachlichen Beurteilung gibt es keine Hinweise, dass es in einem größeren Maße eine Zweckentfremdung gibt. Finden wir nicht! Frau Kollegin Bernhard hat im Wesentlichen gesagt: Es könnte und sollte und die Hotelbranche und so! Ich komme gern noch einmal darauf zurück. Wir als SPD-Frak

tion haben eine Anfrage an den Senat gestellt, in dem das gerade für den Tourismusbereich beantwortet wurde. Die Antwort vonseiten des Senats war, dass es kaum Auffälligkeiten in diesem Bereich gibt.

Wir haben hier eigentlich eine ganz andere Tendenz, die sehr positiv ist. Wir haben in der Stadtbürgerschaft in Bremen B-Pläne beschlossen, gerade für den Bereich der Innenstadt, in denen es darum geht, Gewerbeimmobilien in den Bereich der Wohnbebauung zurückzuführen. Das ist eine Entwicklung, die positiv ist, die wir auch wollen. Das haben wir als Koalition in der letzten Legislaturperiode hier beschlossen. Das ist die politische Linie, die wir umzusetzen haben.

Meine Damen und Herren, damit komme ich zur Zusammenfassung. Für die Verwaltung würde eine Einführung einer solchen Verordnung eine erhebliche Mehrbelastung bedeuten. Wir als SPD-Fraktion sind der Auffassung – um das ganz deutlich und klar zu sagen –: Das ist nicht zu verantworten. Aus diesen genannten Gründen wird die SPD-Bürgerschaftsfraktion den vorliegenden Antrag der LINKEN ablehnen.

(Beifall SPD)

Als nächste Rednerin hat die Abgeordnete Frau Neumeyer das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im letzten Jahr haben wir das Wohnungsaufsichtsgesetz geändert. Es ging darum, Mieterinnen und Mietern gerade in der Zeit von Wohnungsknappheit zu schützen. Wir haben damals klar festgelegt, welche Anforderungen der Vermieter bei der Ausstattung einer Wohnung erfüllen muss. Damit soll verhindert werden, dass Mieter und Mieterinnen in Wohnungen leben, die fatale Mängel aufweisen. Dieser Änderung des Wohnungsaufsichtsgesetzes haben auch wir von der CDU gern zugestimmt.

Warum erwähne ich dies hier noch einmal? Ich erwähne es, weil es eine sinnvolle und notwendige Änderung des Gesetzes war. Was DIE LINKE aber heute in ihrem Antrag zur Abstimmung vorlegt, werden wir nicht mitmachen.

(Zurufe DIE LINKE: Oh!)

Der Kollege Pohlmann hat das eben schon sehr deutlich erklärt. Auch ich komme auf die Kleine Anfrage der Koalition zurück, die zum Thema Airbnb und Co. gestellt wurde. In der Antwort wurde Folgendes klar deutlich gemacht: Der Senat sprach davon, dass es durch Vermietungen von Wohnungen als Ferienwohnungen trotz Wohnungsknappheit zu keiner ernsthaften Gefährdung des Mietmarktes kommt.

Sicher, Eigentum verpflichtet.

(Abg. Frau Böschen [SPD]: Nicht jeden!)

Aus unserer Sicht ist Eigentum aber auch Eigentum. Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen: Wir werden nicht mitmachen, diese Vorschrift dahin gehend zu erweitern, dass man als Eigentümer einer Wohnung nicht mehr bestimmen kann, dass man sie als Ferienwohnung nutzt. Wir lehnen Ihren Antrag ab! – Danke!

(Beifall CDU, Abg. Timke [BIW])

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Bücking das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe gelichtete Reihen! Man kann aus einem Gesetz aus anderen Bundesländern abschreiben. Daran ist nichts Ehrenrühriges.

(Zuruf DIE LINKE: Macht ihr doch ständig!)

Was man allerdings niemals vermeiden sollte, ist eine Analyse, ob es erforderlich ist. Da machen Sie es sich enorm einfach, wenn Sie sagen: In Berlin haben wir eine Größenordnung von 10 000 zweckentfremdeten Wohnungen wegen Airbnb, und daraus ergibt sich im Verhältnis der Größenordnung der Städte, dass das vermutlich auch hier in Bremen eine erhebliche Größenordnung ist. Dann entblöden Sie sich nicht einmal zu sagen, das könne vielleicht sogar reichen, die Zelte zu räumen. Diese Kurzschlüssigkeit in Ihrer Argumentation ist hanebüchen.

(Beifall SPD)

Man kommt nicht darum herum, sich die Verhältnisse in der Stadt genau anzusehen und dann zu entscheiden, welche Instrumente angemessen sind. Darum drücken Sie sich.

(Abg. Frau Bernhard [DIE LINKE]: Sieht man das so?)