Protocol of the Session on February 19, 2015

sich auf die Weitergabe ihres Anliegens nur verlassen. Hier geht es auch – ich hatte es schon erwähnt – um Ängste, aber auch darum ernst genommen zu werden und um Kommunikation auf Augenhöhe. „Rufen Sie uns nicht an, wir rufen Sie an!“ ist heutzutage durchaus auch ein Codewort dafür, dass man eher in Ruhe gelassen werden möchte. Ich finde, diese Botschaft ist mit Sicherheit nicht so gemeint, aber sie kann durchaus so interpretiert werden.

Meine Auffassung ist ganz klar, es hat eine ganz

schlechte Wirkung, wenn man in der Kommunikation zwischen Sozialleistungen und Callcentern so etwas wie ein anonymes Callcenter dazwischenschaltet. Ich finde, das ist keine moderne Staatlichkeit, und ich fände es gut, wenn wir das noch einmal überdenken könnten. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat

das Wort Frau Kollegin Grönert.

Herr Präsident, meine

Damen und Herren! Nach meinen Recherchen gehen im zuständigen Callcenter des Jobcenters Bremen bis zu 1 100 Anrufe in der Woche ein. Der Hauptgrund für die meisten Anrufe sind eindeutig die Fragen nach dem Verbleib des auszuzahlenden Geldes, und vom Callcenter kann normalerweise ohne größeren Aufwand eine zufriedenstellende Antwort darauf ge geben werden. Eine Terminabsage oder -verlegung führt dagegen oft zu einer Rückrufbitte, die vom Call center an den zuständigen Sachbearbeiter oder die Sachbearbeiterin im Jobcenter weitergegeben wird.

So wie ich es verstanden habe, melden sich diese

dann im Lauf der nächsten 48 Stunden beim Kunden zurück, um das Anliegen zu klären. Diese Rückruf bitte kann nach Auskunft aus dem Jobcenter vom Kunden selbstverständlich auch an ein Zeitfenster gebunden werden, sodass niemand die ganze Zeit zu Hause sitzen und auf den Rückruf warten muss, wie DIE LINKE es in ihrem Antrag beschreibt. Der Senat antwortet auf diese Frage ganz eindeutig: Ein verpasster Rückruf des Jobcenters stellt keine Pflichtverletzung dar, die zu einer Sanktion führt. Heute haben auch fast alle Jobcenter-Kunden ein Handy, darüber ist die Erreichbarkeit für eine große Gruppe der Kunden jedenfalls ohnehin gewährleistet.

Insgesamt soll die Weiterleitung der Anliegen

vom Callcenter an die Sachbearbeiter gut und zu friedenstellend funktionieren. Wenn einmal etwas nicht funktioniert, wird meines Wissens auch erst sanktioniert, wenn jemand mehrfach unentschul digt einen Termin versäumt hat oder mehrfach die Absprachen nicht einhält.

Wenn die Sachbearbeiter, wie von den LINKEN

beantragt, nun wieder direkt für die Kunden erreich bar wären, dann wären manche von diesen Kunden vielleicht auch sogar wesentlich zufriedener als jetzt.

Was aber passiert mit den Kunden, die gerade beim Sachbearbeiter im Büro sitzen und beraten werden sollen? Es kann sehr störend und unbefriedigend sein, wenn der Sachbearbeiter oder die Sachbear beiterin während eines Beratungsgesprächs ständig unterbrochen wird. Zudem würde sich der Kun denkontakt dadurch erheblich verlängern, und die Wartezeiten für weitere Kundengespräche würden sich wahrscheinlich ziemlich ausweiten.

Darüber hinaus gab und gibt es auch in diesem

Modell niemals eine Garantie für das direkte Errei chen des zuständigen Sachbearbeiters. Er oder sie ist einmal krank, befindet sich im Urlaub oder ist einfach einmal nicht im Raum, vielleicht auf einer Weiterbildung oder einfach einmal auf der Toilette.

Die von der Fraktion der LINKEN gewünschte und

idealisierte Erreichbarkeit eines zuständigen Sach bearbeiters oder einer zuständigen Sachbearbeiterin kann und wird niemals garantiert werden. Es müsste dann wohl auch wieder eine teure Telefonzentrale im jeweiligen Jobcenter geben, die solche Kontakt versuche auffangen kann. Wenn ich so die Pros und Contras in den Blick nehme, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Rückkehr zum alten Modell mit direkter Durchwahlmöglichkeit zum Sachbearbeiter wirklich vorteilhafter wäre, aber andererseits scheint es, zumindest nach Ansicht der Fraktion der LINKEN und ich denke auch sonst, unzufriedene Kunden und Kundinnen des Jobcenters zu geben.

Das, finde ich, muss man ernst nehmen, und deshalb

soll das Anliegen auch in der Wirtschaftsdeputation geprüft werden. Die CDU-Fraktion ist damit auch einverstanden und stimmt der Überweisung zu.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat

das Wort der Abgeordnete Willmann.

Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde die Überweisung an die Arbeitsdeputation an dieser Stelle richtig, weil man dann Gelegenheit hat, sich noch einmal die Details des Antrags anzu schauen, der hier gestellt worden ist und sich zu ver gewissern, worüber wir eigentlich reden. Ich stimme Ihnen in Ihrem Zitat zu, dass Sie aus einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vorgetragen haben, dass Ausdruck modernen staatlichen Handelns auch die direkte Kommunikation zwischen den Behörden, Ämtern und den Bürgern ist. Ich glaube, daran gibt es gar keinen Zweifel, und auch das stellen wir in Bremen sicher. Wenn Sie heute anrufen – das ist üb rigens sehr spannend –, erreichen Sie ja in der Regel auch nicht den tatsächlichen Mitarbeiter, sondern Sie rufen über das Bürgertelefon an. Diesen Antrag hätten Sie eigentlich als Blaupause dazulegen müssen: Abschaffung des Bürgertelefons. Das Bürgertelefon hat im Prinzip keine andere Funktion, wenn Sie

sich einmal die Sachlage genau angeschaut hätten, liebe Fraktion der LINKEN, als die gemeinsamen Callcenter der Jobcenter.

Fakt ist, dass der anrufende Kunde das Jobcenter

in der Zeit von 8.00 bis 18.00 Uhr erreichen kann. Diese Erreichbarkeit an fünf Tagen in der Woche ist in den anderen Jobcentern nicht gegeben. Das ist schon einmal sicher. Weiterhin muss man wissen, dass 80 Prozent der Anliegen, die die Kunden an die Jobcenter haben, über die Callcenter endgültig gelöst werden können. Es ist ja nicht so, dass sie irgendein Callcenter anrufen, sondern ähnlich wie beim Bürgertelefon in Bremen, sitzen dort Mitar beiterinnen und Mitarbeiter, die speziell auf die Fragen der Menschen, die eine Auskunft vom Job center haben wollen, eine Antwort geben können. Es ist also nicht irgendein Callcenter. Man muss dann auch, das haben Sie hier auch genannt, die Rückrufvereinbarung bedenken. Ja, in 20 Prozent aller Fälle ist eine Rückrufvereinbarung verabredet, allerdings ist es anders, als Sie es darstellen. In der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage Ih rer Kollegen im Bundestag ist dargestellt, dass die Menschen eben nicht 48 Stunden zuhause mit den Fingern tippend vor dem Telefon sitzen müssen, sondern dass es einen konkreten Zeitraum gibt, für den ein Rückruf vereinbart wird. Die Mehrzahl der Anrufe wird inzwischen auf dem Handy entgegen genommen. Damit ist eine Mobilität, glaube ich, gewährleistet, die wir alle kennen, die nicht dazu verpflichtet, zuhause auf einen Rückruf zu warten.

Noch etwas, finde ich, muss man sich einmal an

schauen, aber darüber können wir in der Deputation gern noch einmal sprechen. Es hat im Jahr 2013 bundesweit 9,3 Millionen Anrufe bei den Jobcen tern gegeben, und in 289 Fällen ist es bundesweit – ich habe das extra nachgefragt – im Jahr 2013 zu einer Beschwerde gekommen. Das entspricht einem Beschwerdeanteil von 0,003 Prozent. Das ist, finde ich, beeindruckend. Es ist selbst dann noch beein druckend, wenn man diesen Prozentsatz verdoppelt oder verdreifacht, weil es sich – wie Sie sagen wür den – um Angaben der Bundesanstalt handelt, denn man käme immer noch auf einen Prozentsatz, der unter 0,010 Prozent liegt.

Meine Damen und Herren, ich sehe nicht die

Notwendigkeit, Ihren Antrag dringend zu beschlie ßen, wir können ihn in aller Ruhe in der Deputation beraten.

Ein abschließendes Wort habe ich noch! Finanzi

elle Notlagen – mein Geld ist nicht da, die Leistung stimmt nicht, oder ich brauche kurzfristig Überbrü ckungsgeld – bedürfen in jedem Fall der persönlichen Vorsprache und können nicht über ein Callcenter geregelt werden.

Ein allerletzter Satz! Die Zufriedenheit mit den

Callcentern liegt im Bundesdurchschnitt bei 2,6 – als Schulnote – , die Stadt Bremen erreicht 2,4. Bremer haven, da möchte ich meine Heimatkommune auch

noch einmal loben, wird mit 2,3 bewertet. Ich glaube, eine höhere Zufriedenheit, die sogar über dem Bun desdurchschnitt liegt, können wir nicht erreichen. Ich freue mich auf die angeregte Diskussion in der Deputation. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat

das Wort der Abgeordnete Reinken.

Herr Präsident, meine sehr

verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich, Frau Bernhard, habe ich eine völlig andere Auffassung zu den Mitarbeitern im Jobcenter als Sie. Ich persönlich bin der Auffassung, dass die Mitarbeiter in dieser gemeinsamen Einrich tung aus der Kommune und der Arbeitsagentur nicht das oberste Ziel haben, die Menschen zu schurigeln, um dann durch das Weglegen des Telefonhörers und das Schalten einer Musikwartschleife die Beine hochlegen und Computer spielen zu können. Nein, ich bin der festen Auffassung, dass die Mitarbeiter allesamt, sowohl die kommunalen Mitarbeiter als auch die der Arbeitsagentur, einen guten Job ma chen, der darauf ausgerichtet ist, den Problemen, die ihnen von der Gesellschaft gegeben werden, adäquate Lösungen zu bieten. Das ist erst einmal meine Grundauffassung, die sich auch sozusagen in der Behandlung dieses Problems zeigt, denn ich glaube – und das haben die Anmerkungen von Herrn Willmann auch deutlich gemacht –, dass das ständige Schwarzer-Peter-Spiel mit dem Jobcenter, das wir in diesem Land, in der Kommune Bremen, etwas mehr als in der Kommune Bremerhaven, machen, absolut kontraproduktiv ist.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Die Menschen haben natürlich den Anspruch,

dass das Jobcenter zu erreichen ist und dass ihre Themen dort adäquat abgearbeitet werden. Wir haben vor Kurzem einmal ein Gespräch mit den Beratungsinstitutionen, den Arbeitslosenberatungs stellen, die wir ja als Kommune, als Land Bremen auch finanziell fördern, geführt, denn wir wissen, dass es gute Clearingstellen gerade bei Problemen sind, und uns ist in dem Gespräch vermittelt worden, dass die Callcenter eine hohe Qualität bieten, weil sie erste Anfragen und erste Probleme gut bearbeiten können, und sie unnötige Wege für die Kundinnen und Kunden überflüssig machen.

Uns ist auch vermittelt worden, dass wir gegenwär

tig leichte Probleme bei der Rückrufqualität haben. Insofern muss man da nacharbeiten, wenn man dort feststellt, dass sich schon eine erreichte Qualität leicht verschlechtert. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass die Jobcenter gegenwärtig in einem ungeheuren

Ausmaße mit den Programmumstellungen beschäf tigt sind. Das hat möglicherweise auch damit zu tun, dass wir die personelle Besetzung, wir sprachen in der Sitzung der Stadtbürgerschaft darüber, nicht so richtig gut geregelt haben, wenn allein 20 Stellen fehlen. Im November 2014 haben Sie, Frau Bernhard, ja noch die Auffassung vertreten, dass jede weitere Stelle im Jobcenter nur zu mehr Sanktionen führt. Also lieber weniger Leute beschäftigen, die dann auch an das Telefon gehen können und die Arbeit machen können, würde ja wahrscheinlich auch nicht die Erreichbarkeit erhöhen.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, liebe Kolle

ginnen und Kollegen, ich bin von meiner Geschichte her schon immer der Auffassung gewesen, dass man die Arbeitsorganisation in den Betrieben und großen Einheiten möglichst auch mit den Beschäftigten und den Betroffenen, die die Arbeit machen, selbst bespricht. Sie treffen natürlich nicht allein die Ent scheidungen, aber man sollte sie zumindest einmal anhören, bevor man als Politik, als Arbeitgeber sagt, wir wollen, dass das künftig ganz anders organisiert wird. Insofern bin ich froh darüber, dass wir den Antrag gemeinsam in die Deputation überweisen, dass wir gemeinsam noch ein bisschen tiefer die Sachlage erörtern, auch in Detailfragen, und dass wir bei der Gelegenheit möglicherweise auch von den Mitarbeitern oder ihren Vertretern hören, wie sie sich eine optimale Arbeitsorganisation, kundenfreund liche Strukturen und eine für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erträgliche Arbeitsweise vorstellen. Der Zustand, den wir in der Stadtbürgerschaft kurz andiskutiert haben, nämlich eine hohe Fluktuation in einem kurzen Zeitraum, führt, glaube ich, gegen wärtig zu gravierenderen Problemen als die sofortige telefonische Erreichbarkeit oder der Rückruf innerhalb von 48 Stunden. – Herzlichen Dank!