Protocol of the Session on October 23, 2014

In diesem Sinne stellen wir diesen Antrag auch mit dem Wissen, dass in den letzten 30, 40 Jahren eigentlich viel zu wenig auf die gesunde seelische Entwicklung – das haben wir heute auch schon einmal diskutiert – eines Kindes in Deutschland geachtet wurde. Ich weiß noch, dass ich immer mit dem Groll in die Schule ging, wie ätzend, wie furchtbar, wie schrecklich die Schule ist. Ich würde mir wünschen, dass wir in einer späteren Zeit vielleicht einmal bei den Schülern erleben, dass sie gern in die Schule gehen. Wir wissen heute, dass Kinder eigentlich jeden Morgen frohgemut mit freudiger Erwartung und großen Augen in die Kita gehen, weil dort Aktivitäten stattfinden, die sie ungeheuer interessant und schön finden. Diese Kultur, eine Art von Schule schön zu finden – denn auch die Kita ist eine „Schule“ –, ist ein wichtiges Prinzip, das uns die nächsten Jahre hier in Bremen leiten sollte.

Viele junge Menschen konnten aufgrund ihrer Herkunft früher und können auch heute noch nur prekäre Beschäftigung erreichen, und mit der zunehmenden Spezialisierung in der Gesellschaft nimmt die Zahl leider auch noch ständig zu. Schon in den Achtzigerjahren zeigten die Verhaltens- und Hirnforscher, welche großen geistigen Kapazitäten zum Beispiel Säuglinge haben. Man könnte das so vergleichen: Ein Säugling hat etwa die Kapazität eines Dinosauriers, ein Zwanzigjähriger hat etwa die Kapazität einer Maus, und ein Sechzigjähriger hat etwa die Kapazität einer Laus. Das heißt, ein kleines Kind kann extrem viel aufnehmen, während man leider, je älter man wird, nicht mehr massiv viel dazulernen kann, das nämlich bedeutet, dass es für das Lernen ganz bestimmter Dinge im menschlichen Gehirn Fenster gibt, die bedient werden müssen. In der Entwicklung eines kleinen Kindes ist es also wichtig, dass bestimmte Dinge abgerufen werden, damit die Entwicklung des Gehirns angestoßen wird. Wenn diese Fenster nicht bedient werden, dann wird die Entwicklung in der Zukunft auf diesem Gebiet immer schwieriger. Ich glaube aber, das ist allen bekannt, das muss ich nicht noch weiter ausführen.

Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse können wir nur sagen, dass wir die frühkindliche Bildung im Elementarbereich deutlich umstellen müssen, indem wir berücksichtigen, was die Kinder in diesem Bereich lernen und aufnehmen können, das bedeutet, frühkindliche Bildung also hier gezielt einzusetzen. Wichtige Ziele in der frühkindlichen Bildung müssen Sprache, Teilhabe, Raumwahrnehmung, Sozialisation, Emotion, Demokratisierung und weitere für das Leben, für das Erlebte wichtige Dinge sein. Es wird nicht gelernt, sondern erlebt und somit tief verinnerlicht. Das kann bei den Kindern zu einer guten Resilienz und zu einer Verstehenskultur in der Ge

sellschaft führen. Diese Form des Erlebens muss meines Erachtens auch in die Schule Eingang finden, daher brauchen wir einen gemeinsamen Rahmenbildungsplan.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Schule muss eine Willkommenskultur entwickeln, in der jedes Kind da, wo es steht, abgeholt wird, und wir haben in Bremen schon einige Modelle, die aber sicher und unbedingt in die Fläche entwickelt werden müssen. Der Übergang von der Kita in die Schule ist als eine Form von Kultur unverzichtbar. Damit ein Kind nicht an dem Übergang zur Schule Schiffbruch erleidet, muss zum Beispiel eine Pädagogin in die Kita gehen können und dort mit den Pädagogen, mit den Eltern und mit dem Kind in Kontakt kommen und besprechen, wie der Übergang in die Schule funktionieren kann, auch das wird in Bremen an sehr wenigen Stellen schon durchgeführt.

Wir haben in einigen Bundesländern schon Rahmenbildungspläne. Wenn sie jedoch überprüft werden und das sehr gut gemacht wird, stellt man fest, es haben sich im Bereich der Elementarbildung und im Bereich der Schule gewisse Rahmenpläne entwickelt, die dann zwar zusammen geschrieben, aber nie zusammen gelebt worden sind. Ich hoffe und erwarte bei unserem Rahmenbildungsplan, den wir in Bremen entwickeln, dass ein Miteinander unbedingt möglich ist.

Frühe pädagogische Maßnahmen müssen sich natürlich auch nach der Lernfähigkeit der Kinder ausrichten, und die Lernmöglichkeit in den Kitas muss so sein, dass pädagogische Maßnahmen für Kinder so ergriffen werden, dass auch die Bildung berücksichtigt wird. Wir wollen kein Gedächtnistraining oder Auswendiglernen in Kitas, diese Problematik führt, denke ich, genau wieder dazu, dass nicht das Leben der Mittelpunkt des Lernens ist, sondern die Aufgabe selbst.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Für das Leben zu lernen ist ein wichtiger Punkt in dem Rahmenbildungsplan.

Ein weiterer Aspekt ist die immer stärker zunehmende Verarmung von Kindern in Bremen.

(Glocke)

Durchschnittlich stammen die armen Kinder – ich komme gleich zum Ende – aus benachteiligten Familien oder aus Familien mit Migrationshintergrund. Das bedeutet, dass wir den Rahmenbildungsplan auch hierauf ausrichten müssen. Es ist wichtig, dass wir eine Bildungsgerechtigkeit schaffen, und das geht nur, wenn wir die Kita und die Grundschule zusammen denken. – Ich danke Ihnen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schmidtke.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte jetzt einmal mit einem versteckten Augenzwinkern auf die Worte von Herrn Dr. vom Bruch eingehen.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Ent- schuldigung!)

Das macht nichts, ich entschuldige gern! Herr Dr. vom Bruch, kennen Sie das Warum-Alter bei Kindern?

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Eben musste ich schon Latein können! – Heiter- keit)

Sie armes Kind! Die Kinder, die etwa drei Jahre alt sind, haben ein entsetzliches Alter, sie Fragen nämlich immer nach dem Warum. Warum ist das so? Warum ist das grün, und warum ist das nicht rot? Warum ist der Baum so hoch? Warum kann der Vogel fliegen?

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Lang- sam komme ich an meine Grenzen!)

Ich habe noch nie ein Kind im Alter von drei Jahren, also im Kindergartenalter, fragen hören: Mama, warum ist drei mal vier gleich zwölf? Das ist völlig absurd. Kinder fragen altersgerecht und entwicklungsgemäß.

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Ist ja auch logisch!)

Ja, natürlich ist das logisch! Ein verkopftes Lernen in die Kindergärten zu tragen – das wäre eben das Wissen, dass drei mal vier gleich zwölf ist –, wäre falsch. Deswegen habe ich in meinem ersten Redebeitrag sehr viel Wert darauf gelegt, dass den Kindern im Rahmen des geforderten Rahmenbildungsplans für die Kita und die Grundschule alters- und entwicklungsgemäße Aufgaben und Ziele genannt werden. Ich finde, das ist sehr wichtig, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass Kinder jede einzelne individuelle Stufe adäquat durchlaufen müssen, sonst geschieht ein Bruch.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön! Ach Gott!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Warum?)

Warum? Wer ist jetzt gerade drei Jahre alt gewesen?

Mir ist das wichtig, weil ich ehrlich sein möchte, Herr Dr. vom Bruch, vor allem auch mit Ihnen!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Nicht mit jedem, aber mit ihm schon! – Abg. H i n - n e r s [CDU]: Das machen auch nicht alle hier im Parlament!)

Herr Röwekamp, Sie haben es verstanden, mit Herrn Dr. vom Bruch schon! Ich möchte Ihnen nicht vorgaukeln, dass ich das Ziel habe, dass mit einem gemeinsamen Rahmenbildungsplan bereits in der Kita mit schulischem Lernen begonnen werden soll, das würde ich ablehnen! Eine Kita ist eine Kita, ein Kindergartenkind ist ein Kleinkind, und ein Schulkind ist ein Schulkind. Die Pläne müssen aber aufeinander abgestimmt und aufeinander aufbauend sein, das ist meine Erwartung, und das halte ich für einzig richtig. Ich hoffe, Herr Dr. vom Bruch, dass ich Ihre Zustimmung damit nicht riskiere. Es würde mir leidtun, denn ich bin ungeheuer stolz darauf, dass wir diesen Antrag einstimmig verabschieden können.

Eines noch zu Ihrer vielleicht nicht ganz ernst gemeinten Ohrfeige für den Senat, weil wir gut dreieinhalb Jahre mit dieser Anfrage gewartet haben! Im Schulentwicklungsplan 2008 haben wir alle gemeinsam die Rahmenbildungspläne eingefordert und auf den schulischen Konsens aufgebaut, auf den die ganze Bundesrepublik neidisch schaut. Ich habe die ganzen fünf Jahre darauf gewartet, dass die CDU fragt, wo die Rahmenbildungspläne bleiben. Fünf Jahre musste ich warten, aber ich war nicht ungeduldig, weil ich wusste, dass im Bildungsbereich die Inklusion in Angriff genommen worden ist und im Kitabereich die umfangreiche Einrichtung der Kita-Plätze. Das sind so viele Dinge, die vorbereitet sein müssen und die ich ordentlich vorbereitet wissen möchte.

Ich möchte damit sagen, dass die Ressorts Bildung und Soziales mit vielen neuen Aufgaben reichlich angefüllt waren, deswegen dachte ich, nicht das Recht zu haben, ungeduldig zu sein. Verstehen kann ich Ihre Frage, aber das war meine Antwort: Ich habe so sehr auf Sie gewartet. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Frehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Kitas sind längst, Herr Dr. vom Bruch,

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Ich bin wirklich prominent! Wie gut, dass ich hier sitze!)

im Bildungssystem angekommen. Sie definieren sich nicht in Abgrenzung gegenüber der Schule, sondern

als erste Stufe in der wichtigen Bildungsbiografie der Kinder, aber diese Stufe soll nicht – und da finde ich es wichtig, was Frau Schmidtke und Herr Dr. Schlenker noch einmal betont haben – als Verschulung der Kitas, sondern als Einrichtung für ein kindgerechtes Lernen verstanden werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Einverstanden!)

Für den Elementarbereich und dem Grundschulbereich gibt es in der Tat immer noch zwei Rahmenbildungspläne. Diese stehen aber nicht unvermittelt nebeneinander, sondern sie haben zahlreiche Bezugspunkte, sie ergänzen sich und organisieren das Miteinander. Es ist dennoch richtig, dass wir dazu einen Rahmenbildungsplan entwickeln wollen. Wenn hier kritisiert wird, dass man das schon lange hätte machen sollen und können, dann bitte ich doch zu berücksichtigen, dass wir in dem einen Bereich einen riesigen Kita-Ausbau bewältigen und im Bildungsbereich die Inklusion weiterentwickeln mussten, sodass wir mit den realen Aufgaben so umfangreich befasst waren, dass uns diese Zusammenfassung bisher nicht gelungen ist.

Wir haben in der Praxis dennoch schon in der letzten Legislaturperiode das Projekt Transkids entwickelt, das den Übergang aus dem Kindergarten in die Grundschule organisiert. Wir haben Frau Professor Dr. Sasse von der Humboldt-Universität eine Expertise erstellen lassen, Empfehlungen für ein übergreifendes Bildungsverständnis für Kinder von null bis zwölf Jahren und damit eine Grundlage geschaffen, die jetzt für einen solchen Rahmenbildungsplan verwendet werden kann.

Angesichts dieser Voraussetzungen können wir den Rahmenbildungsplan dann auch relativ schnell entwickeln. Es kommt allerdings darauf an, alle mitzunehmen, denn ein solcher Rahmenbildungsplan ist das Papier, auf dem er geschrieben ist, nicht wert, wenn er nicht alle Bezugsgruppen einbezieht und wenn es nicht gelebte Realität wird. Was nützt es, einen gemeinsamen Rahmenbildungsplan zu haben, wenn diese Expertise nicht von den Fachkräften umgesetzt wird? Deswegen brauchen wir einen Prozess, den wir jetzt beginnen werden. Wir werden diesen Antrag noch einmal als Aufforderung wahrnehmen, diesen Prozess jetzt zu beginnen. Ob wir ihn im April schon abgeschlossen haben, das müssen wir, denke ich, noch einmal gemeinsam überdenken, denn ich glaube, ein solcher Prozess, der die Fachkräfte in ihrer Stellung einbezieht und ein umfassendes gemeinsames Bildungssystem organisiert, der bedarf seiner Zeit. Die Zusammenführung in einem Ressort ist dann nicht zwingend erforderlich.

Ich möchte jetzt noch einmal etwas zur Kooperation sagen. Ich glaube, es gibt selten eine so gute Kooperation wie die gegenwärtige zwischen Bildung und Soziales.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Da habe ich etwas anderes gehört!)

Staatsrat Kück und ich haben regelmäßige Termine, an denen wir uns austauschen und überlegen, wie wir die Arbeit noch besser koordinieren können, wie wir Projekte initiieren können, die wir gemeinsam abarbeiten. Ich denke, das, was hier unterstellt worden ist, was in der Vergangenheit vielleicht auch Realität war, trifft nicht zu. Wir werden diesen Rahmenbildungsplan gemeinsam erarbeiten, und ich freue mich auf diese Zusammenarbeit.

(Glocke)

Herr Staatsrat, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Vogt?

Ja!

Bitte, Frau Vogt!

Ich habe das ja nicht gesagt, um hier irgendjemanden zu echauffieren oder zu beleidigen, ich glaube auch nicht, dass das Problem bei den Staatsräten liegt, aber wir haben einen Ausschuss, in dem Bremer Sachverständige bemängelt haben, dass die Kooperation zwischen Bildung und Soziales einfach nicht gut läuft und man da wirklich nachstellen muss. Die Frage an Sie wäre: Wenn Sie das nicht so sehen, wie man dann das lösen soll, was hier zu recht immer bemängelt worden ist, gerade bei der Verzahnung von Kita und Bildung? Das war keine Kritik an die Staatsräte.