Kurzfristig können wir uns auch noch vorstellen, dass stetige Fortbildungen von Richtern, Polizisten und Staatsanwälten stattfinden, um die Einflussnahme von kulturellen Vorstellungen oder Paralleljustiz von Schlichtungen auf Verfahren aufzuklären und die entsprechenden Personen, die damit zu tun haben, mehr zu sensibilisieren.
Lassen Sie mich ein Letztes sagen! Niedrigschwellige, wohnortnahe Beratungsstellen gerade für Migrantinnen – ich habe gerade im heutigen Bericht „Häusliche Beziehungsgewalt“ wieder gelesen, dass dort ein Bedarf besteht – sind Forderungen, die wir
Ich komme zum Schluss, weil die Zeit fehlt. Für uns ist die Verhinderung von Paralleljustiz der Schlüssel zur Integration, und insofern bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Hintergrund dieses Antrags – darauf sind Sie, Frau Piontkowski, auch eingegangen – ist das Buch von Joachim Wagner „Richter ohne Gesetz“ mit dem Untertitel „Islamische Paralleljustiz gefährdet unseren Rechtsstaat“, durch das eine Debatte in ganz Deutschland entfacht wurde. Zunächst einmal möchte ich deutlich machen, dass von einer islamischen Paralleljustiz oder gar der Einführung der Scharia in Deutschland und in Bremen durch die sogenannten Friedensrichter überhaupt nicht die Rede sein kann.
(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das hat Frau Piontkowski überhaupt nicht gesagt! – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat sie überhaupt nicht gesagt! – Abg. Ts c h ö p e [SPD]: Insofern haben beide recht!)
Die Streitschlichtung vonseiten der Friedensrichter ist derzeit kein aktuelles Problem der bremischen Justiz, das durch besondere Maßnahmen angegangen werden muss, und deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Die 16 spektakulären Fälle, auf denen Herr Wagner seine Theorien aufbaut, sind statistisch gesehen irrelevant bei den vielen Millionen Strafverfahren, die jährlich in Deutschland erledigt werden. Es liegen keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Verbreitung des Phänomens vor. Die von Herrn Wagner zusammengetragenen Fakten liefern nur ein dünnes Beweismaterial für seine Bedrohungstheorie, der Autor porträtiert oberflächlich einige Friedensrichter und schließt von ihnen auf eine allgemeine Gefahr.
Ich möchte betonen, dass Paralleljustiz kein religiöses und auch kein islamspezifisches Problem ist. Der Autor dieses Buches bleibt uns die Belege schuldig, was genau an den Praktiken, die in seinem Buch aufgeführt sind, islamisch ist, was Tradition und was kriminelle Mafiastrukturen sind. Wie Herr Wagner selbst ausführt, verfügen die sogenannten Friedensrichter überhaupt nicht über eine islamrechtliche Aus––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
bildung. Rivalisierende kriminelle Banden, die ihre Streitigkeiten mittels ihrer Anführer beilegen, sind der organisierten Kriminalität zuzuordnen; diese gibt es weltweit, überall, wo es auch Bandenkriminalität, Drogenhandel, Prostitution und so weiter gibt.
Wir haben mit unserem Koalitionspartner bereits Maßnahmen ergriffen, um diese kriminellen Banden aufzubrechen. In Bremen befasst sich eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe mit Vertretern aus den Bereichen Justiz, Soziales und Bildung unter Beteiligung der Praxis mit dem Thema der ethnisch abgeschotteten Großfamilien und den besonderen Herausforderungen, die der Gesellschaft durch mangelnde Integration einzelner Gruppen entstehen. Dabei ist entscheidend, dass wir die Integration dieser Gruppen auf allen Ebenen fördern, sowohl im schulischen als auch im sprachlichen Bereich und hinsichtlich der Akzeptanz rechtlicher Rahmenbedingungen.
Sie fordern unter anderem in Ihrem Antrag, dass Richter, Polizeibeamte und Staatsanwälte fortgebildet werden, um erkennen zu können, ob auf das Verfahren durch eine Paralleljustiz Einfluss genommen wird. Es werden bereits sehr viele Fortbildungen angeboten, und im Jahr 2010 hat eine Fortbildung zum Thema forensische Ethnologie stattgefunden, bei der sich bremische Strafrichterinnen und Strafrichter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte intensiv mit dieser Problematik befasst haben. Selbst Herr Wagner geht in seinem Buch auf die Bremer Fortbildungskurse ein und erklärt diese als sehr hilfreich, um für diese Problematik zu sensibilisieren.
Die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Gerichte nutzen selbstverständlich die Möglichkeiten, die die Strafprozessordnung ihnen bietet. Herr Wagner selbst stellt in seinem Buch weiter dar, dass ein vorbildliches Urteil in einem Fall des Bremer Landgerichts gegen zwei Messerstecher aufzeigt, dass die Strafprozessordnung genügend Handlungsmöglichkeiten bietet, um auch die Paralleljustiz zu bekämpfen. Frau Piontkowski, sicher gibt es vereinzelt Praktiken in Deutschland, bei denen Opfer unter Druck gesetzt werden, um eine Strafverfolgung zu vereiteln.
Die Grünen sind auch der Auffassung, dass diese mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen sind.
Ich habe heute Morgen in der Zeitung gelesen – Sie haben auch einen Kommentar abgegeben –, selbst Herr Müller, der Integrationsbeauftragte der Bremer Polizei, mit dem wir auch häufig Gesprächen führen, hat der Presse gegenüber heute auch erklärt, dass dieses Problem in Bremen überhaupt nicht existiert, sondern dass er im Gegenteil selbst feststellt, wie viele Frauen zu ihm oder zu anderen Polizeibeamten kommen und über ihre Probleme reden. Das wurde
heute noch einmal ganz deutlich gesagt. Die Fälle häuslicher Gewalt bei Frauen, die Sie vorhin aufgeführt haben, haben auch ganz andere Ursachen, das brauche ich Ihnen als Staatsanwältin nicht zu erzählen. Wenn man mit jemandem verheiratet ist, dann hat man auch ein Zeugnisverweigerungsrecht, und das hat überhaupt nichts mit einer Paralleljustiz zu tun.
Zum Schluss möchte ich betonen, dass der überwiegende Teil der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund das deutsche Rechts- und Justizsystem respektiert, das möchte ich jetzt hier festhalten.
Mit einigen wenigen Beispielen und ohne verlässliche Zahlen kann man nicht darauf schließen, dass die sogenannte islamische Paralleljustiz unseren Rechtsstaat gefährdet, und deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen, Frau Piontkowski. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich voranstellen, dass wir, die SPD-Fraktion, für den Fall der Fälle natürlich gegen eine Paralleljustiz sind, und wir sind für Rechtsstaatlichkeit, damit möchte ich meinen Debattenbeitrag beginnen. Auf Ihren Antrag Bezug nehmend haben wir auch beim Justizressort das Heft in der Hand.
Ich glaube auch nicht, dass es uns durch eine Paralleljustiz, die unseres Erachtens nicht besteht, aus der Hand genommen wird.
Man hat sich hier im Rahmen dieses Antrags sehr ausführlich mit dem Buch beschäftigt. Eine solche Rezension brauche ich jetzt nicht weiter zu betreiben, ich denke, jetzt wissen alle, wer es geschrieben hat.
Ich gehe einmal auf den Antrag ein. Ich möchte überhaupt nicht in Abrede stellen, dass es gut war, sich mit dem Buch insofern auseinanderzusetzen, das hat meine Kollegin mir dann abgenommen, als es offenbar Grundlage des Antrags ist. Dieser Antrag ist meines Erachtens doch sehr populistisch, weil der Hintergrund dessen, finde ich, doch eine recht populistische Publikation ist.
Meines Erachtens ist der Antrag auch sehr widersprüchlich, denn auf der einen Seite wird gesagt, dass geprüft und erforscht werden soll, aber auf der anderen Seite gibt es in diesem Antrag schon relativ konkrete Vorschläge, wie man Maßnahmen ergreifen kann gegen – –. Dann ist die Frage, wogegen, denn, wie eben schon gesagt, eine Paralleljustiz, eine richtig strukturelle Einrichtung kann ich hier nicht erkennen. Das ergibt sich auch aus einem Teil des heutigen Berichts, den wir, denke ich, alle bis zum Schluss gelesen haben, weil er nicht so lang war. Darin wird schon vermerkt, dass hier ein solches Phänomen vonseiten der Polizei nicht gesehen wird, und ich denke, dass man sich darauf auch verlassen kann.
Gewiss gibt es hier Kriminalität, insbesondere auch organisierte Kriminalität. Wir wollen hier auch nichts beschönigen, bagatellisieren oder besser machen als es ist, aber insbesondere diesem Bereich der organisierten Kriminalität soll sich natürlich völlig entzogen werden. Angesprochen wurde zum Beispiel die Rockerkriminalität. Sie wollen in dem Bereich auch keine eigene Instanz haben, vermute ich einmal, sie wollen das, was sie durch ihre Machenschaften „erwirtschaftet“ haben, schlicht und einfach behalten, sie wollen sich komplett entziehen. Das hat aber nichts mit einer Paralleljustiz zu tun, wie sie in diesem Buch beschrieben wird. Ich kann mich dort einfach einmal darauf beziehen, was meine Kollegin Frau Dogan gesagt hat, dass es hier nicht eine solche krasse Zuspitzung gibt.
Gegen Kriminalität muss vorgegangen werden, und es wird natürlich dagegen vorgegangen. Ich erlebe diesen Antrag jetzt doch viel mehr als eine sehr krasse Unterstellung, mit der zum Teil auch andere Debatten, wie sie einmal geführt wurden, wieder aufgenommen werden, unter anderem in Ziffer 2 dieses Antrags, dort geht es um strukturelle und personelle Ressourcen. Das ist für mich so eine Wiederauflage der Personaldebatte, dass gesagt wird, wir haben hier anscheinend zu wenig Personal und bekommen irgendwelche Probleme nicht in den Griff. Ich meine, dass wir schon recht erfolgreich für eine gute Ausstattung gesorgt haben, und an dem Punkt, denke ich, kann man nicht ansetzen, nicht auf der Grundlage dieses Themas!
Zum Thema Fortbildungen kann ich auch nur so weit ausführen, dass es zum einen natürlich Fortbildungen gibt. Wieder auf diesen Antrag bezogen: Wogegen oder wofür soll denn noch ausgebildet werden? Der ganze Antrag ist relativ wenig zu greifen, Sie bleiben relativ nebulös in ihren Forderungen, die
Sie jetzt aufstellen. Auf der einen Seite sagen Sie, dass es eine solche Struktur gibt, auf der anderen Seite soll sie erforscht werden, und das, finde ich, passt alles recht wenig zusammen und kann am Ende auch wirklich nicht zu einer Zustimmung zu diesem Antrag führen.
Wenn Sie dann sagen, es gibt hier Streitschlichtungen, dann ist es durchaus wahr und richtig, Mediation und Täter-Opfer-Ausgleich gibt es. Es mag auch von Vorteil sein, wenn der eine oder andere Mitarbeiter mit Migrationshintergrund hinzukommt, wobei ein Teil des Problems auch darin besteht, dass wir es mit unterschiedlichen kulturellen – –. Zum Teil ist auch diese Vielfalt das Problem, und wenn Sie jetzt jemanden mit einem Migrationshintergrund mit einem Menschen konfrontieren und die beiden dann auch wieder nicht harmonieren, dann ist das für mich auch nicht wirklich der Schlüssel zum Glück, es ist nicht die abschließende Wahrheit.
Wichtig finde ich nur, wenn Sie sagen, dass diese Streitschlichtung gelenkt werden soll. Nehmen wir einmal an, es gäbe eine Paralleljustiz, dann hielte ich ein solches Denken für ziemlich naiv, wenn wir meinen, dass wir eine solche Paralleljustiz, eine richtige Struktur so lenken könnten. Ich streite weiterhin ab, dass es eine solche verfestigte Struktur hier gibt.
Eine spezielle Beratungsmöglichkeit hier aufzulegen, finde ich, entspricht eher nicht dem Gedanken der Integration, sondern ist dem eher völlig abträglich, denn dann bewegt man sich wieder nur in einem Bereich, und das soll hier gerade nicht passieren. Dem wirken wir entgegen, darauf hat Frau Dogan sich auch bezogen.
Ich meine im Ergebnis, dass ein solcher runder Tisch, der unter Ziffer 6 gefordert wird, nicht erforderlich ist, und so leid es mir tut, auch der gesamte Antrag nicht. Deswegen versagen wir dem Ganzen auch unsere Zustimmung. Damit möchte ich schließen. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch DIE LINKE hält diesen Antrag der CDU für populistisch. Ich glaube, man sieht das eigentlich sehr deutlich daran, wenn Sie in Ihrem Antrag auf der einen Seite fordern, dass man eine Dunkel- und Hellfeldforschung durchführen soll, aber gleichzeitig ein paar Zeilen darunter dann schon sehr detaillierte Forderungen stellen, was denn dagegen zu tun sei. Ich finde, das ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
passt nicht zusammen. Wenn man erst einmal erforschen will, was dort eigentlich los ist, dann muss man wenigstens einmal die Forschungen abwarten, und dann kann man Forderungen daraus ableiten, und nicht umgekehrt oder beides zusammen.
Ich kann mich, glaube ich, ohne Probleme auch meinen Vorrednerinnen und Vorrednern anschließen. Ich denke einfach, natürlich, die Gefahr besteht, dieses Buch von Herrn Wagner hat es zumindest gezeigt, wenn man sich die Überschrift anschaut, ist sie sehr reißerisch, im Text ist er dann insgesamt eher ein bisschen vorsichtiger. Deshalb sage ich einfach, es ist gut, wenn man das hier einmal diskutiert und weiter beobachtet, aber der Antrag der CDU ist einfach ein bisschen zu viel des Guten. – Danke!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe natürlich das Buch auch noch einmal mitgebracht. Wenn Sie sagen, dass es kein Problem in Bremen gibt, dann möchte ich nur einmal aus dem Buch zitieren. Auf Seite 49 steht ausdrücklich: „Dem Bremer Strafverteidiger Erich Joester“ – uns allen bekannt als Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer – „sind einmal 20 000 Euro für die Adresse eines Mandanten angeboten worden, der wegen Notwehr von einer Anklage wegen Totschlags freigesprochen worden war. Hinter dem Geldangebot stand vermutlich der Plan, Blutrache verüben zu wollen, weil die Familie des Opfers das Urteil des deutschen Gerichts als ungerecht empfand.“ Im weiteren Verlauf des Buches oder vorher noch steht – –.
Ich zitiere nur aus dem Buch, das muss doch einmal möglich sein, wenn Sie sagen, dass es hier kein Problem gibt!