Protocol of the Session on December 9, 2004

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Das war doch ein Einsichtsrecht, kein Mitnahmerecht! – Senatorin R ö p k e : Nachträglich gestattet!)

Das will ich jetzt nicht beurteilen, wenn die Senatorin hier keine Einwände erhebt. Auch in diesem Schreiben kündigt die Gesundheitsbehörde an, dass wir bei einem nächsten Genehmigungsverfahren in einer ganz anderen Weise über die Antragsvoraussetzungen reden werden.

Meine Damen und Herren, ich mache keinen Hehl daraus, dass nach meiner Einschätzung nach sechs Jahren Affenversuchen deutlich geworden ist, dass diese Versuche weder unerlässlich noch ethisch vertretbar sind. Das sind die beiden Voraussetzungen, die das Tierschutzgesetz an solche Genehmigungen stellt. Ich will dafür drei Argumente nennen.

Erstens, unerlässlich ist ein Tierversuch nur dann, wenn es keine gleichwertige Alternative gibt, wenn es also keine wissenschaftliche Ersatzmethode gibt. Dass die kernspintomographische Untersuchung nicht eine solche Alternative sein kann, ist bislang überhaupt nicht plausibel gemacht worden. Die Anschaffung des Kernspintomographen und der dazugehörige Bau haben rund 3 Millionen Euro gekostet, ich habe davon gesprochen, und dieses Geld ist doch vor allem – jedenfalls aus unserer politischen Sicht – mit dem Ziel ausgegeben worden, die Primatenexperimente überflüssig zu machen.

Das zweite Argument ist: Wenn man die weitere ethische Vertretbarkeit der Affenversuche beurteilen will, dann müssen die bisherigen Ergebnisse der Versuche vorgelegt und bewertet werden. Die Frage heißt: Wo ist der relevante medizinische Nutzen, beziehungsweise wie lang wird der Zeitraum sein, um medizinisch relevante Ergebnisse zu erlangen? Es kann und darf nicht sein, und da stimme ich Frau Schön völlig zu, dass die Affenversuche zu einer Dauereinrichtung werden. Das widerspräche eklatant dem Tierschutz.

(Beifall bei der SPD)

Dritte Bemerkung, drittes Argument: Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich erheblich verändert. Es ist übrigens falsch, wenn behauptet

wird, bisher sei die Forschungsfreiheit schrankenlos gewährt gewesen.

(Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grünen]: Habe ich auch nicht gesagt!)

Nein, Sie haben es nicht behauptet, es wird von anderer Seite behauptet. Das ist falsch! Seit dem Juli 2002 aber, und das hat Frau Schön angesprochen, haben wir eine neue Vorschrift im Grundgesetz, Artikel 20 a des Grundgesetzes, und diese neue Vorschrift enthält das Staatsziel Tierschutz, und dieses Staatsziel begrenzt in neuer verfassungsrechtlicher Weise die Forschungsfreiheit.

Der ethische Tierschutz ist in den Verfassungsrang erhoben worden, und Zweck des Tierschutzes ist es, das kann man in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wunderbar nachlesen, dass aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben zu schützen ist. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden und Schäden zufügen. Diese neue Wertentscheidung des Grundgesetzes stellt ganz sicherlich höhere Anforderungen an die Unerlässlichkeit und die ethische Vertretbarkeit von Tierversuchen. Deshalb kann es nach meiner festen Überzeugung nicht angehen, dass wir über dieses Jahr hinaus Tierversuche genehmigen mit Begründungen, die seit 1997 quasi unverändert geblieben sind. Vielmehr ist eine umfassende Prüfung erforderlich.

Ich sage noch einmal, das Ergebnis einer solchen Prüfung lässt sich nicht durch politischen Beschluss festlegen, Frau Schön, das wissen Sie, dass das nicht geht.

(Glocke)

Ich persönlich habe aber die Hoffnung und die feste Erwartung, dass solche Affenversuche in Bremen keine Zukunft haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte, wenn ich darf, zwei Abschlussbemerkungen in zwei Sätzen versuchen, die eine ist: Einer der beteiligten Wissenschaftler, Herr Professor Kreiter, hat in diesem besagten Zeitungsinterview geäußert, die Rechtfertigungslast für die Fragen, über die wir hier reden, liege nicht bei den Wissenschaftlern, sondern bei denen, die die Affenversuche verhindern wollen. Meine Damen und Herren, ich sage ganz zurückhaltend, ich halte das für eine groteske Verkennung der Bedeutung der Wissenschaft und der Forschung in einer demokratischen Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zweite Abschlussbemerkung, da treffe ich mich dann doch wieder sehr mit Frau Schön: Wer behauptet, mit dem Ausstieg aus den Affenversuchen würde ein Schaden für den Wissenschaftsstandort Bremen oder für die Stadt der Wissenschaft 2005 Bremen entstehen, der liegt völlig daneben! Ich sehe es genau umgekehrt. Ich glaube, es ist kein Nachteil, sondern es ist durchaus ein Vorteil für Bremen, wenn hier tierversuchsfreie Forschung auf hohem Niveau betrieben wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Tuczek.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag, Frau Schön, den Sie uns hier heute vorgelegt haben, ist schlecht. Er ist so schlecht, dass man ihn schon aus inhaltlichen Gründen ablehnen muss, aber wenn man erst einmal einen Antrag stellt und sich dann sachkundig macht und dann die Gespräche führt, kommt so etwas dabei heraus. Wenn Sie nämlich alle Protokolle gelesen hätten über die Debatten, die hier in diesem Hause stattgefunden haben,

(Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ich habe Ihre Reden alle nachgelesen!)

hätten Sie wissen müssen, dass niemals gesagt worden ist, dass spätestens mit der Anschaffung des Kernspintomographen die Tierversuche auslaufen werden. Weder der Senat noch die SPD, noch wir haben solche Äußerungen gemacht. Selbst Ihr Kollege Dr. Kuhn hat in der Debatte vom 19. Februar 2003 festgestellt, dass nicht mit der Anschaffung des DreiTesla-Gerätes die Tierversuche überflüssig sind.

(Abg. C r u e g e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das war aber nicht Konsens!)

Professor Kreiter hat am 11. Dezember 2001 nach Paragraph 8 des Tierschutzgesetzes die weitere Genehmigung erhalten, im Rahmen des Versuchsvorhabens „Raumzeitliche Dynamik kognitiver Prozesse des Säugetierhirns bei Affen“ wissenschaftliche Versuche an lebenden Wirbeltieren vorzunehmen. Die Genehmigung war bis zum 30. November befristet. Wie wir alle wissen, kann die Genehmigung immer nur auf drei Jahre erteilt werden, und zwar aus gutem Grund. Erstens, es soll keinen Automatismus geben, und zweitens kann somit abgeglichen und ausgeschlossen werden, dass an anderer Stelle Ergebnisse erzielt wurden, die weitere Versuche überflüssig machen. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Allerdings gibt es auch nach dem Tierschutzgesetz die Möglichkeit der Verlängerung um zweimal ein Jahr, und das muss natürlich begründet werden. Professor Kreiter hat einen Antrag auf Verlängerung um ein Jahr gestellt, und aus der rechtsförmlichen und fachlichen Prüfung ist hervorgegangen, dass keine Änderungen der Genehmigungsvoraussetzungen eingetreten sind, die zu einer Ablehnung hätten führen müssen.

Wir wissen, das ist gesagt worden, dass die Genehmigung zwischenzeitlich erteilt worden ist, und nach meinen Informationen und Gesprächen mit den Mitarbeitern der Behörde unter Einbeziehung ethischer Gesichtspunkte und im Hinblick darauf, dass auch der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert worden ist, und auch unter der Voraussetzung, dass jetzt mit dem Kernspintomographen gearbeitet werden kann. Es ist allerdings auch, und das hat Herr Böhrnsen gesagt, darauf hingewiesen worden, dass diese Tierversuche, wenn sie dann weiterlaufen müssen, wahrscheinlich nur über ein neues Genehmigungsverfahren fortgesetzt werden können, wobei dann die Tierschutzkommission einbezogen werden muss.

Bei der Bewertung ist eine Abwägung zwischen Tierschutz und Freiheit von Forschung und Lehre notwendig, und die Versuche müssen unter ethischen und mit anderen Tierversuchen vergleichbaren Gesichtspunkten bewertet werden, nämlich der Notwendigkeit, Ersatzmaßnahmen, Sinn und Zweck der Versuche und welche Ergebnisse erzielt werden sollen. Wir wissen, dass hier in Deutschland über zwei Millionen Tiere zu Tierversuchen gebraucht werden, und das muss man natürlich alles im Kontext sehen.

Diese Bewertung der Tierversuche kann nicht durch die Politik erfolgen, Herr Böhrnsen hat das gesagt, sondern durch die vom Gesetz vorgegebenen Gremien. Auch Herr Kreiter kann seine Tierversuche nicht allein genehmigen. Das sind die Gremien, das ist die Tierschutzkommission, das ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die solche Versuche bewertet.

Dass das Verfahren für die jetzt einjährige Verlängerung hätte anders laufen können, dem will ich nicht widersprechen. Es hätte durchaus, und das hätte ich mir auch gewünscht, eine entsprechende Information im Sommer dieses Jahres in der Wissenschaftsdeputation geben können. Die inhaltliche Diskussion über Sinn und Zweck von Tierversuchen muss in der Wissenschaftsdeputation geführt werden, und ich erwarte schon, dass Senator Lemke dazu Stellung nimmt. Ich komme nachher noch einmal darauf.

Insbesondere an die Adresse der Grünen geht mein Hinweis, mindestens seit Juli dieses Jahres weiß jeder, auch Herr Böhrnsen, dass der Genehmigungszeitraum für die Affenversuche abläuft. Herr

Apel hat die Vorsitzenden der in der Bürgerschaft vertretenen Fraktionen zu einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema im November eingeladen, die nun zwischenzeitlich auch stattgefunden hat. Wenn es Ihnen wirklich um die Sache gegangen wäre, Frau Schön, dann hätten Sie zumindest in der Wissenschaftsdeputation oder in der Gesundheitsdeputation oder in der Bürgerschaft eine Anfrage oder einen Antrag stellen können.

(Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grünen]: Da ist die Berichtspflicht gewesen!)

Sie hätten natürlich auch eine öffentliche Diskussion initiieren können. Das alles haben Sie nicht getan.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Daher weht der Wind!)

Das haben Sie in diesem Fall nicht getan! Ich war es, Frau Schön, die in der Wissenschaftsdeputation immer wieder nachgefragt hat und immer wieder den wissenschaftlichen Dialog zum Thema Tierexperimente in der Forschung eingefordert hat, nachzulesen in den Protokollen.

Frau Schön, Sie haben sich öffentlich beschwert, dass es in der Wissenschaftsdeputation keine Informationen zu den Tierversuchen gegeben habe. Das stimmt so natürlich nicht.

(Abg. Frau S c h ö n [Bündnis 90/Die Grünen]: Doch, natürlich!)

Wir haben uns dort immer wieder mit den Tierversuchen beschäftigt, auch in dieser Periode. Im Januar dieses Jahres haben wir einen ausführlichen Bericht von Professor Kreiter zu den Vorbereitungen des Instituts für Hirnforschung und die Arbeit mit dem Kernspintomographen debattiert. Ich habe die Vorlage hier. Außerdem gibt es eine ausführliche Stellungnahme der Universität mit Bezug auf den Bürgerantrag und Nachfragen der Wissenschaftsdeputation.

Selbstverständlich haben sich die CDU-Abgeordneten vor Ort informiert, und zwar nicht erst jetzt. Wir haben uns die Tierhaltung mehrfach angesehen. Die Tiere sind wirklich außerordentlich gut untergebracht, und sie werden natürlich auch tierärztlich betreut, das wird auch von den Fachleuten bestätigt.

Wir haben nicht nur mit den Wissenschaftlern von Professor Kreiter gesprochen, sondern mit dem gesamten Sonderforschungsbereich Neurokognition und haben uns sachkundig gemacht. Ich will auch nicht noch einmal all die Debatten, die wir hier in diesem Haus seit 1997 geführt haben, wiederholen,

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Doch, das wäre ganz schön!)

ich komme gleich darauf, aber auf einige wesentliche Fakten möchte ich doch noch einmal hinweisen.

Die Einsetzung dieses Sonderforschungsbereiches ist 1997 in diesem Hause mit großer Mehrheit beschlossen worden, und jeder wusste dabei, dass es sich um Grundlagenforschung handelt. Man ist seinerzeit von einer Zeitspanne von bis zu 15 Jahren ausgegangen, um zu validen Erkenntnissen zu kommen. Die Primatenforschung an der Universität Bremen aufzubauen, war eine ausdrückliche Empfehlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die diesbezüglich ein Defizit festgestellt und auch erhebliche Mittel bereitgestellt hatte. Auch der Kernspintomograph ist darüber finanziert worden.

Die DFG ist die höchste Autorität in der Beurteilung der Wissenschaftlichkeit von Projekten. Bei diesen Versuchen geht es im Wesentlichen darum, Informationen über die Funktion des Gehirns zu erhalten. Dieses Haus hat sich auch in den Folgejahren weiterhin mit großer Mehrheit für die Fortsetzung der Primatenforschung ausgesprochen. Manche scheinen das hier vergessen zu haben, wenn ich die Presseberichte zu diesem Thema in der letzten Zeit verfolgt habe.

Der Sonderforschungsbereich Neurokognition ist als Schwerpunkt im Wissenschaftsplan 2010 ausgewiesen. Den haben wir hier auch beschlossen. Die CDU unterstützt diesen Sonderforschungsbereich, um zum einen eine Kontinuität in der Forschung zu gewährleisten und zum anderen deshalb, weil die Fachwelt die Forschungsarbeiten an der Universität Bremen positiv bewertet hat.

Die Forschungen mit Makaken sind jetzt mit einem hoch dotierten Forschungspreis der Alexandervon-Humboldt-Stiftung ausgezeichnet worden. Im Rahmen dieses Preises wird eine junge Wissenschaftlerin der Harvard University aus Amerika hier drei Jahre in Bremen bei Herrn Professor Kreiter arbeiten, und diese Wissenschaftlerin arbeitet an nichtinvasiven Versuchen. Außerdem hat Kreiter gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern ein Forschungszentrum eingeworben, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird. Das ist nicht schwarz.

Die CDU unterstützt und hat das auch immer wieder gefordert, die Zahl der Tierexperimente zu reduzieren, wo immer möglich, und dazu stehen wir auch. Nach den Aussagen der Wissenschaftler wird der Kernspintomograph dazu beitragen.

Bei der Primatenforschung an der Universität geht es darum, viele Erkenntnisse an möglichst wenigen Tieren zu gewinnen. Die Versuche im Kernspintomographen können jetzt beginnen, wodurch der zeitliche Gesamtumfang der Tierexperimente vermindert wird. Mit dem Gerät kann die Anzahl der Tierversuche, bei denen ein direkter Eingriff in den Kopf des Tieres erfolgen muss, reduziert werden. Ein

Nutzungskonzept für das Gerät ist mittlerweile auch erstellt.

Die Situation in Bremen sieht zurzeit folgendermaßen aus: Die derzeitige Genehmigung der Affenversuche erlaubt eine Haltung von 20 Tieren. Für die Tierversuche sind bis zu sieben Tiere genehmigt, gearbeitet wird an drei Tieren, und das ist das absolute Minimum, um überhaupt zu anerkannten wissenschaftlichen Ergebnissen zu kommen. Jede anerkannte wissenschaftliche Zeitschrift verlangt den Nachweis von Ergebnissen an mindestens zwei Affen. Allerdings ist auch nach übereinstimmender Meinung aller Fachleute, auch derer, die dem Tierschutz nahe stehen, für absehbare Zeit völlig ausgeschlossen, bei bestimmten Fragestellungen, die sich mit komplexen Hirnfunktionen befassen und neben der Grundlagenforschung für die angewandte Forschung relevant sein sollen, völlig auf Tierexperimente zu verzichten.