Gesetzentwurf der Abgeordneten Prof. Dr. Ingo Hahn, Katrin EbnerSteiner, Ferdinand Mang u. a. und Fraktion (AfD) zur Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes und des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes Wahrung der Wissenschafts- und Redefreiheit (Drs. 18/14910) - Zweite Lesung
Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 54 Minuten. Ich eröffne die Aussprache und rufe als ersten Redner Herrn Prof. Ingo Hahn auf.
Wertes Präsidium, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist schon wieder eine ganze Weile her, dass wir unseren Gesetzentwurf hier im Plenum in Erster Lesung vorstellen durften, und ja, wir greifen die Kritik der anderen Parteien auf, wir würden nur Spiegelfechterei betreiben und es gäbe doch im besten Bayern aller Zeiten gar keine derartigen Probleme an den Hochschulen. Ja, wir haben den Entwurf tatsächlich noch einmal geprüft und weiterhin für gut befunden.
Herr Dr. Oetzinger hat in seiner Rede vom 15. April dankenswerterweise auf die verehrte Frau Bauernfeind vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten, dem RCDS hingewiesen. Ich darf die Dame kurz zitieren. Sie sagte: "Uns sind Fälle bekannt, in denen Studenten an anderen Hochschulen durch Prüfungen gefallen sind, weil sie nicht gegendert haben." Stellen Sie sich vor: Solche Zustände werden auch heute aus Bayern berichtet.
Von der Dame ist es dann übrigens nicht mehr weit zu Sebastian Mathes, der Bundesvorsitzender des RCDS und zugleich Mitglied im CDU-Bundesvorstand ist. Herr Mathes äußert sich wie folgt:
Sprache wird hier zur politischen Umerziehung durch links-grüne Ideologen unter dem Deckmantel der Gleichstellungspolitik missbraucht. Studenten dürfen nicht zum Gendern gezwungen werden. Schon gar nicht darf die sogenannte gendergerechte Sprache zum Bewertungskriterium in Klausuren erhoben werden.
Man höre und staune! Doch kaum einer der Studenten findet den Mut aufzubegehren. Der RCDS will nun alle Fälle sammeln und dokumentieren, in denen Studenten diskriminiert werden, weil sie eine korrekte Form des Deutschen verwendet haben. Sollte das nicht ein Alarmzeichen für die CSU hier in Bayern sein, meine Damen und Herren?
Wer die Gesellschaft verändern will, der muss an die Schulen und Universitäten gehen. Dort findet er junge Menschen vor, die gerade ihr Wertesystem aufbauen, die offen sind für neue Einflüsse, die nach Orientierung und Anleitung suchen. Umso größer ist die Verantwortung derer, welche junge Menschen dort erziehen und bilden; umso größer ist auch die Gefahr, dass dies missbraucht wird; denn Schüler und Studenten stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Lehrern und Dozenten. Ideologen machen sich dies zunutze.
Wie aber verhält es sich denn bei den Hochschullehrern selbst? Wie sieht es denn hier mit der Wissenschafts- und der Redefreiheit aus, Herr Minister Sibler? Den Fall des Herrn Prof. Lütge brauchen wir hier nicht mehr gesondert zu behandeln; der Fall ist bekannt. Herr Söder schmiss ihn einfach mir nichts, dir nichts aus dem Ethikrat, weil er eine falsche Meinung hatte. Ich darf an dieser Stelle kurz sein neues Buch erwähnen; es hat nämlich den Titel – ich zitiere –: "Und die Freiheit? Wie die Corona-Politik und der Missbrauch der Wissenschaft unsere offene Gesellschaft bedrohen". Herzlichen Glückwunsch! – Herr Minister Herrmann, Sie lachen, aber das wäre eigentlich zum Weinen. Ich meine, der Titel allein spricht für sich.
Auch die Konfuzius-Institute üben in Bayern einen unbotmäßigen Einfluss auf die Rede- und die Wissenschaftsfreiheit an Universitäten aus. Als wir das Problem im Ausschuss behandelten, guckten fast alle betreten zur Seite und schwiegen. Niemand von den Altparteien hat sich getraut, gegen den chinesischen Einfluss hier einmal Stellung zu beziehen. Die Staatsregierung möchte allenfalls ein "prüfendes Auge" auf die Konfuzius-Institute werfen; aber handeln möchte sie nicht.
Meine Damen und Herren, auch die Allgemeinheit ist betroffen. Die Ergebnisse einer Allensbach-Umfrage dokumentieren, wie tief die Gräben im Kulturkampf mittlerweile geworden sind. 44 % der Deutschen geben an, dass man seine Meinung hierzulande nicht mehr frei äußern könne. Das ist die Hälfte der Bevölkerung – und ein großer Erfolg jener, leider, die in den vergangenen Jahren ein Überwachungssystem aufgebaut haben, das mit Ausgrenzung und Diffamierung funktioniert. Orwell – Ihnen bekannt – benennt in seinem Werk "1984" solche Gedanken übrigens als "Thought Crime", als Gedankenverbrechen. Viele dieser Missstände könnte man mit der Schaffung eines Freiheitsbeauftragten tatsächlich effektiv bekämpfen, meine Damen und Herren.
Aber man will es nicht, die Staatsregierung will es nicht. Warum nicht? Möchte man die Gedanken und Meinungen der Studenten und Dozenten gerne kontrollieren?
Herr Oetzinger nannte in seiner Rede im April den Freiheitsbeauftragten ein "bürokratisches Monstrum". Warum eigentlich? Was sind denn die anderen Beauftragten an den Hochschulen: der Gleichstellungsbeauftragte, der Beauftragte für Menschen mit Behinderung und der Beauftragte für Datenschutz? Auch Monstren? Zähnefletschende, geifernde und menschenverschlingende Ungeheuer? – Mitnichten! Sie sind integraler Bestandteil der Hochschullandschaft geworden und heutzutage nicht mehr wegzudenken.
Genauso wird es mit dem Freiheitsbeauftragten sein, wenn Sie hier zustimmen. Er wird ein scharfes Schwert gegen das Monster der Unfreiheit, gegen das Monster der Political Correctness und gegen das Monster der Cancel Culture sein, meine Damen und Herren, das Schwert gegen die Tyrannis der Zensur.
Leider scheint der Schwertarm des Staates – ich muss sagen: auch der Staatsregierung – erschlafft zu sein. Er scheint zu schwach zu sein, die Klinge zu ergreifen, die ihm hier dargeboten wird. Jetzt könnten Sie Mut beweisen, meine Damen und Herren, und unsere Hochschulen beschützen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.
Danke, Herr Prof. Hahn. – Als nächsten Redner rufe ich Herrn Dr. Stephan Oetzinger, CSU-Fraktion, auf.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Bereits in der Ersten Lesung und in der Ausschussdebatte wurde deutlich – jedenfalls fast allen im Hohen Haus –, dass das Recht der Wissenschaftsfreiheit ein sehr hohes Gut ist. Es ist ein so hohes Gut, dass es durch die Verankerung der Freiheit von Forschung und Lehre im Grundgesetz und in der Bayerischen Verfassung auch einen verfassungsrechtlichen Schutzstatus erhalten hat.
Meine Damen und Herren, der wissenschaftliche Disput, der Kampf der Ideen, der besseren Thesen, der Meinungen und am Ende des Tages auch die Falsifikation überholter Thesen gehören seit jeher zum wissenschaftlichen Diskurs an mitteleuropäischen Universitäten.
Was den AfD-Gesetzentwurf angeht, lieber Herr Prof. Hahn, so ist festzustellen, dass Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen mit diesem Wettstreit offensichtlich nichts anfangen können. Ich glaube, das sollte man an dieser Stelle deutlich unterstreichen.
Der wissenschaftliche Wettstreit um die eigene Idee und um die bessere Meinung im Diskurs unterliegt eigenen Gesetzmäßigkeiten, wie sie die Universitäten und Hochschulen bei uns seit jeher praktizieren. Sie brauchen eben keinen Oberschiedsrichter, den die AfD-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf den "Freiheitsbeauftragten" nennt.
Bereits in der Ersten Lesung und in der Ausschussberatung wurde von mehreren Kolleginnen und Kollegen, auch von mir, darauf verwiesen, dass wir an unseren Hochschulen und Universitäten mehrere Elemente haben, um die Freiheit von Forschung und Wissenschaft zu gewährleisten: Zu nennen sind die universitären Gremienstrukturen, die einschreiten können. Zu nennen ist das Hausrecht der Präsidentinnen und Präsidenten. Es geht bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung, wenn das Ganze in den Extremfall mündet.
Der Ansatz, den Sie wählen – Sie haben es heute wiederholt getan, lieber Herr Prof. Hahn –, besteht darin, den "Freiheitsbeauftragten" in einen Topf mit anderen,
etablierten Beauftragten an unseren Hochschulen und Universitäten zu werfen. Ihr Gesetzentwurf sieht insbesondere vor – meine Damen und Herren, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, dass sich der neue Beauftragte die Mittel mit denen der Gleichstellungsbeauftragten teilen soll. Damit würde die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten nachhaltig unterminiert. Dieser Vorschlag zeigt deutlich, wes Geistes Kind Sie sind und welche Klischees Sie bedienen wollen, meine Damen und Herren von der AfD.
Ich betone an dieser Stelle ausdrücklich, dass wir als CSU-Fraktion die Problematik der Wissenschaftsfeindlichkeit und die Tendenzen zur Cancel Culture, die es mit Sicherheit auch an deutschen Hochschulen gibt, nicht negieren. Das tun wir keineswegs. Allerdings bleibe ich dabei, Herr Prof. Hahn: Es ist ein bürokratisches Monstrum, das Sie hier schaffen wollen. Das wäre der falsche Weg.
Vor einigen Monaten haben wir unter der Federführung des Kollegen Prof. Bausback einen eigenen Antrag zum Thema Wissenschaftsfreiheit eingereicht. Damit verbinden wir das Ziel, die Wissenschaftsfreiheit zu stärken. Wir wollen die Hochschulen und Universitäten dafür sensibilisieren und den Austausch von Best-Practice-Beispielen fördern, um am Ende des Tages eine Stärkung der Wissenschaftsfreiheit und der Wissenschaftskommunikation zu erreichen.
Meine Damen und Herren, deshalb ist es uns auch in der aktuellen Diskussion um das Hochschulinnovationsgesetz ein Anliegen, gerade diese Themen prominent zu platzieren. Wenn man den Entwurf, der vor wenigen Wochen das Kabinett passiert hat, betrachtet, dann sieht man an prominenter Stelle, nämlich in den Artikeln 2 und 20, genau diese Themen platziert.
Wie aber dieser Schutz vor Ort erfolgt – auch das ist, glaube ich, ein wesentlicher Punkt, den man erwähnen muss –, das ist Teil der Wissenschaftsfreiheit. Auch die Hochschulen und Universitäten selbst gewährleisten den Schutz der Freiheit von Forschung und Lehre.
Genau dieses neue Gesetz, lieber Herr Prof. Hahn, wäre die richtige Adresse gewesen, sich dieses Themas anzunehmen und sich einzubringen, nicht aber mit einem halbseidenen Gesetzentwurf, wie Sie ihn hier vorgelegt haben. Dieser leistet mit Sicherheit keinen Beitrag dazu, die Wissenschaftsfreiheit und die Redefreiheit an unseren Hochschulen und Universitäten zu stärken. Deshalb lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
Geschätzter Dr. Oetzinger, ich halte Ihnen hier verschiedene Dinge entgegen. – Leider werden wir ja in Deutschland immer schlechter. Das betrifft nicht nur den Fußball, sondern auch die Wissenschaftsfreiheit. Die Briten sind uns voraus. Früher hieß es: Deutschland gewinnt immer! – Mittlerweile verlieren wir gegen die Briten nicht nur im Fußball, sondern auch auf anderen Gebieten. Wenn Sie die internationale Diskussion mitbekommen haben, wissen Sie, dass die Briten kürzlich einen Free Speech and Academic Freedom Champion etabliert haben. Sie haben nämlich genau das Problem erkannt: dass man sich eben nicht mehr traut, an Hochschulen frei zu sprechen, dass es Gedankenrestriktionen gibt. Wenn die Briten mit gutem Beispiel vorangehen, warum sollten wir das nicht auch machen?
Im Übrigen haben Sie die Frauenbeauftragten genannt und gesagt, wir wollten von ihnen Mittel abziehen. Es ist doch aber so, dass auf diesem Gebiet seit Jahrzehnten die richtigen Maßnahmen – ich sage: die richtigen Maßnahmen, nämlich für die Gleichstellung – getroffen werden. Warum soll man jetzt nicht auch die richtigen Maßnahmen für ein freies Wort an den deutschen Universitäten und Hochschulen ermöglichen?
Lieber Herr Prof. Hahn, es ist schon interessant, dass ausgerechnet Sie hier das angelsächsische System, das Sie ansonsten bei jeder Gelegenheit kritisieren, als Vorbild nennen.
Zu den Erfolgen der Gleichstellungsbeauftragten bzw. der Frauenbeauftragen frage ich Sie: Warum brauchen wir dann hier in einem neuen Gesetz ein Kaskadenmodell? Warum ist die Frauenquote, das heißt der Anteil von Frauen in den unterschiedlichen Statusgruppen an Hochschulen und Universitäten, nach wie vor so gering, wenn die bisherigen Bemühungen angeblich so erfolgreich waren, wie Sie es hier darzustellen versuchen?
Vielen Dank, Herr Kollege Oetzinger. – Nächste Rednerin ist die Abgeordnete der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verena Osgyan.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich habe jetzt wirklich darauf gewartet, welche Argumente wieder ausgegraben werden, um dieses Phantom der Repression an bayerischen Hochschulen, dieses Schreckensszenario, zu belegen. Ich habe tatsächlich keine neuen Argumente gefunden. Aber nachdem wir jetzt zum dritten Mal darüber reden, wiederholen wir halt unsere Aussprache vom letzten Mal und im Ausschuss. Ich muss wirklich sagen, das ist ein absonderlicher Vorschlag mit der Behauptung, an bayerischen Universitäten herrsche mittlerweile – ich zitiere aus dem Gesetzentwurf – ein Klima der Angst. Repression, Bedrohung und tätliche Angriffe gegen Studierende, Entlassungen von Akademikerinnen und Akademikern wären die Spitze des Eisbergs.
Ich finde es interessant, dass weder unsere Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner an Hochschulen noch die Presse von irgend so etwas bis jetzt berichtet haben. Die Sachverständigen in der Anhörung zum Hochschulgesetz, zur Hochschulreform, bei der wir zwei Tage diskutiert haben, haben auch nichts Entsprechendes berichtet. Aus Sicht der AfD haben sie wahrscheinlich zu viel Angst gehabt, um davon zu berichten; wobei ich glaube, dass unsere Präsidentinnen und Präsidenten es schon sagen würden, wenn sie in einem Klima der Angst arbeiten müssten.
Nichts dergleichen haben wir gehört. Ironie mal beiseite: Wo sind denn bitte die Belege für entsprechende Dinge? In der Ersten Lesung haben wir Sie danach gefragt. Im Ausschuss haben wir das gefragt. Es kommt nichts Neues, nur irgendwelches Raunen. Jetzt wird plötzlich die Gleichstellung herangezogen. Dazu können wir später noch mehr sagen.
Die angeblichen Vorkommnisse an Hochschulen, die Sie anführen, sind halt einfach alternative Fakten. Fakt ist: Sie konnten bisher noch keinen einzigen konkreten Fall berichten, bei dem an bayerischen Hochschulen Wissenschafts- und Redefreiheit bedroht waren.
Ich habe schon darauf gewartet, dass in der Märchenstunde jetzt wieder der Prof. Lütge kommt. Das finde ich spannend.
Er ist ja schließlich aus dem Ethikrat rausgeworfen worden, mit Gründen oder auch Nichtgründen. Das möchte ich jetzt nicht bewerten. Aber ist der Ethikrat ein universitäres Gremium? – Nein, das ist er nicht. Und soweit ich weiß, forscht Prof. Lütge immer noch völlig unbehelligt an der TUM an seinem Lehrstuhl. Man kann von dem Lehrstuhl halten, was man will. Ich finde das Sponsoring durch Facebook nicht ganz ideal. Er bewegt sich auch bei Corona weit außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses. Aber genau das ist doch eigentlich ein wunderbares Argument, dass die Rede- und Wissenschaftsfreiheit an bayerischen Hochschulen offensichtlich funktioniert. Man muss dazu noch sagen: Redefreiheit heißt nicht Recht auf unwidersprochene Rede. Das macht eigentlich den Diskurs, die Debatte, die Meinungsfreiheit erst aus.