Protocol of the Session on April 15, 2021

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Verena Osgyan von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mit meinem Vorredner Herrn Stephan Oetzinger einig: Die Wissenschaftsfreiheit ist uns wichtig. – Es gibt sehr viele Aspekte, die man dabei bedenken muss. Das sind zum Beispiel die Wissenschaftskommunikation, aber natürlich auch die Finanzierung oder die Frage, wie Checks and Balances innerhalb der Hochschulen ausgeübt werden. Darüber diskutieren wir, und darüber werden wir auch im Rahmen der Hochschulgesetzreform diskutieren.

Ich bin mir sicher, dass wir hier unterschiedliche Konnotationen haben. Es steht aber außer Frage, dass uns das Thema extrem wichtig ist, dass es Verfassungsrang hat und dass es vor allem gelebt werden muss. Darüber werden wir diskutieren, und ich glaube, dass das eine sehr fruchtbare Debatte werden wird.

Der Gesetzentwurf hingegen, den wir jetzt vor uns haben, ist kein guter Debattenbeitrag. Warum ist das so? – Er hat absurde Züge, und zwar insbesondere dann, wenn man die fragwürdige Haltung der AfD zur Wissenschaftsfreiheit, die sie immer wieder zeigt, als Maßstab nimmt. Der Klimawandel, der nahezu von allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unwidersprochen seit mittlerweile Jahrzehnten anerkannt wird, wird geleugnet. Auch wird geleugnet, dass wir uns inmitten einer Pandemie befinden.

Im Wissenschaftsausschuss hatten wir erst vor drei Wochen eine Debatte, bei der es darum ging, dass die AfD ganzen Wissenschaftsdisziplinen am liebsten das Geld entziehen würde. So viel zur Achtung der Wissenschaftsfreiheit. Das konterkariert die Krokodilstränen, die hier geweint werden, absolut.

Wenn wir Wissenschaftsfreiheit wollen, dann bedeutet das Freiheit der Wissenschaft. Die Wissenschaft muss selber entscheiden, und sie muss sich selber kontrollieren, wie geforscht wird und was wichtig ist. Die Methode besteht darin, dass Erkenntnisse gewonnen werden, bis sie falsifiziert werden können. So funktioniert Wissenschaft und nicht, indem man einfach sagt: Meinungsfreiheit bedeutet, dass Meinungen nicht widersprochen werden darf. – Das ist nämlich genau das Gegenteil von Meinungsfreiheit und von Wissenschaft.

Es kann genauso wenig bedeuten, dass Schaufensteranträge bzw. Gesetzentwürfe wie der vorliegende gestellt werden, bei denen es darum geht, dass im Prinzip lediglich da eigene, verschwörungstheoretische Weltbilder verbreitet werden. Das hat mit der Wirklichkeit in der Wissenschaftslandschaft draußen nämlich überhaupt nichts zu tun.

Wenn wir in dem Gesetzentwurf lesen, dass die freie Rede als tragendes Fundament unseres Staates an den Hochschulen nicht mehr ausgeübt werde, muss ich fragen: An welchen Hochschulen ist das der Fall? Sind das bayerische Hochschulen? Bereits im Wissenschaftsausschuss konnte die AfD kein einziges Beispiel dafür nennen, wo es an bayerischen Hochschulen diesbezüglich wirklich signifikante Vorkommnisse gegeben hat. Das zeigt: Das ist eine Geisterdiskussion über ein Problem, das in Wirklichkeit gar nicht besteht.

Jetzt wurden Beispiele vom Ethikrat genannt. Der Ethikrat hat aber nichts mit einer Professur an einer Hochschule zu tun, und das möchte ich an dieser Stelle ganz sauber unterschieden haben.

In dem Gesetzentwurf ist auch noch von Unterdrückung und Tyrannei die Rede. Angeblich können Hochschulangehörige ihre kulturellen, religiösen und politischen Überzeugungen nicht ohne Angst vor Repressionen äußern. Ich finde, das ist eine sehr starke Anschuldigung gegenüber bayerischen Hochschulen, die ich nicht mittragen kann. Es müsste benannt werden, wovon gesprochen wird, und die entsprechenden Hochschulgremien werden sich dann im Zweifelsfall damit befassen. Ich habe keine Bedenken, dass sie das nicht tun würden und am Ende zu einem guten Entschluss kommen.

Es gibt ein Recht auf freie Meinungsäußerung, und es gibt kein Recht auf eine unwidersprochene Meinungsäußerung. Auf den Rest des Geschwurbels des Gesetzentwurfs möchte ich gar nicht mehr eingehen, wobei ich zur Definition des Freiheitsbeauftragten sagen muss: Mit Diskussionskultur hat das nichts mehr zu tun, sondern das trägt Orwell‘sche Züge.

Meine Redezeit ist zwar noch nicht abgelaufen, aber auch ich finde, dass wir uns mit wichtigeren wissenschaftspolitischen oder anderen politischen Themen beschäftigen sollten. Deswegen schenke ich dem Plenum jetzt den Rest meiner Redezeit. Wir lehnen den Gesetzentwurf natürlich ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Hubert Faltermeier von der Fraktion der FREIEN WÄHLER.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes, grundgesetzlich verankertes Gut, das es zu schützen gilt. Was mit diesem Gesetzentwurf jedoch an die Wand gemalt wird, ist ein desaströses, verzerrtes und für unsere Universitäten und Hochschulen beleidigendes Bild.

Hier heißt es, die Zunahme der Intoleranz bedrohe Existenzen, Studenten würden tätlich angegriffen und Akademiker entlassen, und die Androhung von Gewalt stehe sozusagen auf der Tagesordnung; das geht an der Realität vorbei. Das ist beleidigend, und der Lösungsansatz, den Sie vorschlagen, hier einen Freiheitsbeauftragten zu schaffen, ist geradezu naiv.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU)

Ich glaube, dass die Wissenschaftsfreiheit in Bayern einen guten Platz hat. Nicht zuletzt deshalb kommen auch viele Wissenschaftler mit Freude hierher. Bei der letzten Verleihung des Nobelpreises sagte der Nobelpreisträger, dass er diese Freiheiten nur in Deutschland und in Bayern vorfinde; an vielen anderen internationalen, amerikanischen Universitäten, die stärker am Ergebnis und an der finanziellen Ausrichtung orientiert seien, hätte er das nicht vorgefunden.

Es ist die Aufgabe der Universitäten selbst, dafür zu sorgen, dass die Wissenschaftsfreiheit gewahrt wird. Darüber hinaus liegt es in der Intention des neuen Hochschulgesetzes, dass den Hochschulen zu Recht mehr Aufgaben übertragen werden.

Es bedarf auch nicht der Institution eines Beauftragten für Freiheiten; denn es gibt genügend und potente Wächter der Wissenschaftsfreiheit. In erster Linie sind das die Hochschulen selbst. Es kann hier auch nicht immer alles mit Mehrheiten und wie Sie, Frau Osgyan, es gesagt haben, Widerspruchsfreiheit diskutiert werden. Vor ein paar hundert Jahren wäre sicher eine Mehrheit dafür zustande gekommen, dass die Erde eine Scheibe ist. Dann hat sich etwas anderes herausgestellt.

Die Wächter der Wissenschaftsfreiheit sind, wie gesagt, vielfach die Hochschulen selbst, aber auch die Gerichte. Das reicht vom Verfassungsgericht über die Arbeits- und die Zivilgerichte. Nicht zuletzt kann sich auch der Wissenschaftsausschuss dieses Hauses, das Plenum und jeder Abgeordnete dafür einsetzen. In diesem Gesetzentwurf wird ein falsches Bild gezeichnet und eine falsche Schlussfolgerung gezogen. Das lehnen wir ab.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU)

Danke schön. – Der nächste Redner in der Debatte ist der Abgeordnete Prof. Dr. Ingo Hahn von der AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)

Herr Vizepräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist bezeichnend, welche Argumente aus dem Köcher gezogen werden, um Gründe zu finden, diesen Gesetzentwurf abzulehnen. Das verwundert uns aber nicht.

Bei den GRÜNEN mag vielleicht die Angst vorherrschen, dass hauptsächlich eher konservativ gestimmte Menschen geschädigt oder dann eben nicht mehr geschädigt werden, wenn wir ein solches Gesetz hätten. Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass auch Sie in Ihrer politischen Richtung nicht verschont bleiben werden, denn es ist nämlich durchaus so, dass auch eher linksorientierte Menschen in ihrer Meinungsfreiheit bedroht sind. Ich darf Herrn Prantl, der sicherlich nicht bei uns einzuordnen ist, oder die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot nennen, die Kritik an der Corona-Politik geäußert hat; sie erhielten Morddrohungen. Meines Erachtens geht das in alle politischen Richtungen.

Geschätzter Kollege, wir kennen uns aus dem Wissenschaftsausschuss. Sie haben hier das Argument der Bürokratie hervorgehoben. Was sagen Sie dann aber zum Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragten oder zum Schwerbehindertenbeauftragten, die wir schon lange haben? Sind das für Sie auch bürokratische Monster, die es vielleicht wieder zurückzudrehen gilt? Ganz genau darum geht es uns. Uns geht es eben nicht darum, Bürokratie aufzubauen. Deshalb haben wir auch gesagt, dass die Frauenbeauftragte sicherlich lange Zeit eine große Berechtigung hatte, allerdings sind wir jetzt ein gutes Stück weitergekommen. Jetzt kann man aus diesen sozusagen Ressourcen etwas machen, das wirklich zeitgemäß ist, und das ist der Freiheitsbeauftragte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Eines ist klar, Herr Kollege von der CSU: Sie wollen stattdessen den Austausch zwischen den Universitäten fördern – "stattdessen"; das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das trauen Sie sich in Zeiten von Corona hier auch noch zu sagen. Meiner Meinung nach ist das ein Treppenwitz.

Schauen Sie sich einmal an, was denn während der Corona-Zeit an den Hochschulen passiert. Die Studenten haben keinen Austausch mehr. Was ist mit den Erasmus-Programmen? Sie wollen den Austausch angeblich fördern – genau das Gegenteil machen Sie. Tagungen werden nicht mehr abgehalten, wissenschaftliche Konferenzen werden abgesagt, ja nicht einmal mehr echte Seminare kann man besuchen und diese auch nicht mehr von verschiedenen Universitäten ausrichten lassen. Das sind doch Ihre CSU-FREIE-WÄHLER-Realitäten.

Zu Frau Osgyan muss ich eines sagen: Sie unterstellen uns immer wieder, wir würden den Klimawandel leugnen. Sie sind scheinbar auf beiden Ohren taub. Ich habe Ihnen hier bestimmt schon fünfmal gesagt, dass wir den Klimawandel niemals geleugnet haben. Ich glaube, es wäre vielleicht ganz gut, wenn Sie einmal ein kleines Seminar oder ein Austauschseminar zum Thema "Zuhören" besuchten. Wir wissen, dass es schon immer Klimawandel gegeben hat. Die AfD hat auch noch niemals ein Coronavirus oder die Corona-Krise geleugnet – nein, sie ist leider sehr, sehr präsent. Genau das ist das Problem.

Geschätzter Herr Dr. Faltermeier, Sie sagen, unser Gesetzentwurf wäre naiv. Natürlich ist er das nicht. Ich spiele Ihnen den Ball zurück: Ist denn die Frauenbeauftragte, der Schwerbehindertenbeauftragte jemals naiv gewesen? Halten Sie das auch für naiv? Zu den Problemen unserer Zeit gehört, dass wir uns in einem eingeschränkten Meinungskorridor bewegen. Zur Zeit seiner Einführung war der Frauenbeauftragte sicher richtig. Heute ist es sicherlich viel wichtiger, die Meinungsvielfalt zu schützen.

Über all dem, was wir hier präsentiert haben, steht der Wunsch der AfD, endlich wieder volle Wissenschafts- und Redefreiheit an bayerischen Hochschulen zu generieren und zu garantieren.

Liebe geschätzte Kollegin Osgyan von den GRÜNEN, ich antworte Ihnen gerne mit einem Zitat des von Ihnen zitierten George Orwell:

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit.

"Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen." Das muss wieder das Motto an jeder bayerischen Hochschule werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Entschuldigung; ich habe noch eine Zwischenbemerkung. Prof. Hahn, Entschuldigung, bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. – Es gibt eine Zwischenbemerkung des Abgeordneten Stephan Oetzinger von der CSU-Fraktion, dann haben wir noch eine zweite. Bitte.

Sehr geehrter Herr Kollege Hahn, zwei Gedanken. Zum einen wissen Sie genauso gut wie ich, dass ein Austausch zwischen den Hochschulen und den Universitäten auch jetzt stattfinden kann, dass auch Tagungen virtuell stattfinden. Das wissen Sie mit Sicherheit genauso gut wie ich aus Gesprächen mit Ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen oder mit den Hochschulpräsidentinnen und -präsidenten in Bayern.

Ich habe zum Thema der Beauftragten schon noch eine Frage. Sie haben es so dargestellt, als ob man Frauen- und Schwerbehindertenbeauftragte nicht bräuchte. Habe ich Sie so richtig verstanden, dass man diese aus Ihrer Sicht abschaffen sollte?

Geschätzter Kollege Oetzinger, wenn Sie denn diesen Gesetzentwurf wenigstens anständig gelesen hätten, müsste ich Ihnen die Frage nicht beantworten.

(Dr. Stephan Oetzinger (CSU): Sie haben diese These gerade aufgeworfen!)

Ich erläutere es Ihnen trotzdem. Wir von der AfD halten natürlich den Schwerbehindertenbeauftragten und natürlich auch den Gleichstellungsbeauftragten, wenn er denn notwendig ist, für gerechtfertigt. Es sind ja auch gute Erfolge erzielt worden.

Ganz genauso wichtig ist es jetzt, die Probleme dieser Zeit, dieses Zeitalters, auch gerade jetzt in der Corona-Krise, in der sich viele Dinge nur um Corona drehen, gerade auch bei Ihrem Ministerpräsidenten, aufzugreifen, die Meinungsfreiheit herzustellen und nicht andere Themen in den Schatten zu stellen oder andere Themen zu verdrängen.

Insofern beantworte ich die Frage sehr gern: Ja, wir brauchen weiter eine berechtigte Förderung und Nichtdiskriminierung von Schwerbehinderten, von Frauen, und übrigens auch von Männern dort, wo sie in der Minderheit sind, und natürlich auch von Personen, die an den Hochschulen mit Blick auf die freie Meinungsäußerung Probleme haben.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön. Es gibt doch keine zweite Zwischenbemerkung. Sie sind fertig, Herr Dr. Hahn.

Vielen Dank, Herr Vizepräsident.

Der nächste Redner ist Herr Kollege Volkmar Halbleib von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Den Gesetzentwurf der AfD muss man sich schon auf der Zunge zergehen lassen. Man kann es als Frechheit, als Chuzpe, als Treppenwitz der Geschichte bezeichnen, dass sich genau diejenige Partei plötzlich zum Hüter der Wissenschaftsfreiheit und der Meinungsfreiheit aufschwingt, die mit Wissenschaftsfreiheit und mit Respekt vor der Wissenschaft am wenigsten in diesem Haus zu tun hat. Das stelle ich zunächst einmal fest.

(Beifall bei der SPD)