Zur Sache selbst: Die AfD beantragt im Konkreten, den noch laufenden Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds abzuwickeln. Dieser Fonds diente in den Jahren 2014 bis 2020 der Integration, dem Ordnungsverfahren im Asyl, aber auch der Finanzierung von Rückführungsmaßnahmen. Für Rückführungen alleine wurden von den Mitgliedstaaten in den letzten Jahren EU-Mittel in Höhe von über einer Milliarde Euro abgerufen. Da ging es um die Schulung des Personals, um Hilfen bei freiwilliger Rückkehr, um Abschiebungen und deren Förderung in Einklang mit den im Unionsrecht festgelegten Standards.
Das alles möchte die AfD heute überraschenderweise abschaffen. Die EU-Kommission plant, weiter in ein offenes und sicheres Europa zu investieren und Ordnung in die Asylpolitik auf europäischer Ebene zu bringen; denn klar ist: Wer Ordnung in der Asylpolitik propagiert, der kann nicht wie die AfD im gleichen Atemzug per Antrag Unordnung schaffen, indem man Ordnungsinstrumente und Finanzmittel dafür streicht und kaputtmacht.
Dass die Migrationsfrage keine Frage von Nationalstaaten, sondern eine Herausforderung weltweit ist und einer europäischen Abstimmung bedarf, haben meine Vorredner bereits deutlich gemacht. Gute Beispiele sind Griechenland und Italien; sie brauchen eine bessere Unterstützung bei der Bewältigung der Folgen der Mi
grationsbewegung. Und so finanziert beispielsweise – um nur ein kleines Beispiel zu nennen – der Fonds bei den Verfahren vor Ort die Abnahme und Registrierung von Fingerabdrücken von Migrantinnen und Migranten in den Aufnahmezentren. Das liegt im Interesse einer geordneten europäischen Asylpolitik, das liegt in unserem deutschen nationalen Interesse, und das liegt im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in Bayern. Ich frage mich wirklich, Herr Kollege Böhm, warum Sie die Finanzierung der Abnahme von Fingerabdrücken von Migrantinnen und Migranten in den Aufnahmezentren tatsächlich abschaffen wollen.
So muss man nüchtern festhalten: Wer für eine geordnete Asylpolitik und Migrationssteuerung in Deutschland und in Europa eintritt, der ist bei den Rechtspopulisten offensichtlich völlig falsch aufgehoben. Das Antragschaos der AfD zeigt doch nur: Die radikal Rechten beantragen ein politisches Chaos, das sie im Anschluss selbst wutbürgerlich beklagen.
Vielen Dank an die Offiziantinnen und Offizianten, auch heute wieder. – Herr Präsident! Der Kollege Rinderspacher hat es ausgeführt: Die AfD hat kein Problem damit, heute das Gegenteil von dem zu beantragen, was sie noch vor Kurzem beantragt hat. – Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Sie generell Politik machen. Ich erinnere an Ihren Rosenheimer Abgeordneten, der neulich kritisiert hat, dass in Rosenheim das Starkbierfest abgesagt wurde. Er hat es "CoronaPanik" genannt und wenige Wochen später die Stadt Rosenheim dafür verklagt, dass sie es erst drei Tage später abgesagt hat und deswegen dort ein Hotspot entstanden ist. Also, das sind intellektuelle Verrenkungen, ich weiß nicht, wie Sie das hinkriegen. Ob das am Starkbierfest liegt oder an Corona sei dahingestellt.
Wir haben heute wieder einen ähnlichen Fall: Es ist nicht klar, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie, dass wir Rückkehr fördern, oder wollen Sie, dass wir es nicht tun? Wollen Sie, dass wir gerade die europäischen Länder an der Grenze, gerade am Mittelmeer, befähigen, geregelte Asylverfahren durchzuführen, um den Leuten auf Lesbos früher die Entscheidung mitteilen zu können, ob sie anerkannt werden oder ob sie zurückgeführt werden, oder nicht? Wir alle haben in den vergangenen zehn Jahren doch gemerkt, wohin es führt, wenn wir keine europäische Asylpolitik haben. Wir haben es schon in den frühen 2010er-Jahren gemerkt, als Italien mit den Migranten über das Mittelmeer völlig überfordert war, als man sie im Stich gelassen hat. Wir selber haben es am eigenen Leib erfahren, als dann 2015 die Migranten vor unserer Tür standen und auch wir von anderen europäischen Ländern im Stich gelassen wurden. Die Lehre daraus kann für uns doch nicht sein, dass wir sagen: Ja, jedes europäische Land macht das jetzt wieder selber, wir ziehen jetzt wieder die Grenzen hoch. Das, was wir in dieser Ausnahmesituation wegen Corona gerade erleben und erleiden, nämlich dass wir wieder Grenzen zwischen Deutschland und Österreich haben, wird wieder zum Dauerzustand, wenn jedes europäische Land seine eigene Asylpolitik macht. – Das kann doch nicht Ihre Antwort auf das Dilemma sein.
Sie können doch nicht sagen: Wir streichen jetzt Italien und Griechenland und diesen Ländern die Mittel, die sie brauchen, um mit den Migrationsströmen umzugehen. – Was wird denn die Antwort dieser Länder sein? – Die Antwort wird doch nicht sein: In Ordnung, dann lassen wir die Leute einfach alle bei uns. Die Antwort wird sein, dass sie sie zu uns durchwinken, genau so, wie Italien das früher auch schon gemacht hat.
Wir brauchen mehr europäische Politik, wir brauchen mehr Anstrengungen für ein gemeinsames europäisches Asylsystem. Wir profitieren davon, wenn wir die Standards in Europa angleichen. Wir profitieren in Deutschland handfest davon. Das sind deutsche Interessen, die Sie offenbar nicht zu vertreten bereit sind.
Wir brauchen eine gemeinsame europäische Politik, auch in der Frage der Rückkehr, und wir brauchen eine gemeinsame europäische Politik in der Frage der Integration und der legalen Migration; denn Europa braucht Zuwanderung – schauen Sie sich die demografische Entwicklung an –, sogar ganz dringend. Wenn Sie keine illegale und ungeregelte Migration wollen, dann müssen Sie eine legale und geregelte Migration befördern.
Ziehen Sie also diesen Antrag zurück, wenn es Ihnen damit ernst ist, was Sie sonst sagen! Dieser Antrag ist selbst dann, wenn man das will, was Sie immer propagieren, unsinnig; für jeden klar denkenden Menschen ist er es ohnehin.
Ihr Applaus für die Offizianten, wenn sie heute zum letzten Mal die Mikrofone präparieren! Danke schön.
Herr Präsident, Hohes Haus! Der Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds – AMIF – trägt zur effizienten Steuerung der Migrationsströme und zur Weiterentwicklung der gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik bei. Die Europäische Kommission plant, diese Ziele mit dem Nachfolgefonds Asyl und Migration für die Jahre 2021 bis 2027 fortzuführen. Der Antrag der AfD verkennt den damit verbundenen europäischen Mehrwert, und er ist – wie von verschiedenen Rednern schon angesprochen worden ist – zum Teil völlig inkorrekt. Fünf Landtagsfraktionen und die Staatsregierung sind sich offenkundig darin einig, dass dieser Antrag abgelehnt werden sollte.
Durch den AMIF wird allein die legale Migration unterstützt, die illegale Migration dagegen bekämpft. Damit erfolgt in keiner Weise eine Versorgung und Ansiedlung illegaler Migranten, wie dies im Antrag der AfD-Fraktion völlig falsch dargestellt wird.
Inhaltlich beruht der AMIF sowie der künftige AMF auf vier wichtigen Säulen. Hervorzuheben ist hier insbesondere die Erleichterung der legalen Migration in den Mitgliedstaaten entsprechend deren wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen, Stichwort: Fachkräftegewinnung.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Förderung gerechter und wirksamer Rückkehrstrategien der Mitgliedstaaten im Rahmen der Bekämpfung der illegalen Einwanderung. Der AMIF schafft, völlig anders, als von der AfD behauptet, eben keinen Anreiz für Wirtschaftsmigranten. Der Fonds trennt klar zwischen legalem und illegalem Aufenthalt.
Ich begrüße die Zuständigkeit der Europäischen Union in diesem Bereich. Ein Beitrag zur effizienten Steuerung der Migrationsströme und Weiterentwicklung der gemeinsamen Asylpolitik kann nur auf der Ebene der Europäischen Union ausreichend verwirklicht werden. Dabei gilt auch hier der Grundsatz der Solidarität und der gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeit unter den Mitgliedstaaten. Die Zuständigkeit der Europäischen Union nimmt den Nationalstaaten nichts von ihrer
Kompetenz, sondern ergänzt sie in notwendiger Weise. Kein Mitgliedstaat kann in dieser Frage im Alleingang handeln und erwarten, sinnvolle und nachhaltige Ergebnisse alleine zu erzielen.
Die Länder werden bei der Verteilung der Mittel im Übrigen nicht außen vor gelassen, sondern haben bereits jetzt ein Mitspracherecht. Die Auswahl der geförderten Projekte obliegt in Deutschland dem BAMF als national zuständiger Behörde; die einzelnen Bundesländer sind in den Entscheidungsprozess eingebunden.
Ich sehe auch bei der Verteilung der Mittel keine Schieflage. Die Mittel des Nachfolgefonds AMF sollen nach derzeitigem Stand zum überwiegenden Teil den Mitgliedstaaten und ihren jeweiligen nationalen Programmen zugutekommen.
Meine Damen und Herren, die genannten Gründe belegen, dass der AMIF und ab nächstem Jahr sein Nachfolgefonds, der AMF, einen echten Mehrwert sowohl für Europa wie auch für Deutschland und für uns in Bayern haben. Deshalb sage ich hier noch einmal: Ich bitte Sie herzlich, den Antrag der AfD abzulehnen.
Danke schön. Bleiben Sie bitte noch am Rednerpult, Herr Staatsminister. – Der Abgeordnete Böhm hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Herr Böhm, bitte.
Sehr verehrter Herr Staatsminister, vielleicht erklären Sie unseren Bürgern dann, warum Ihr Kollege Seehofer unlängst expressis verbis erwähnt hat, dass Integrationsprojekte von der Förderung durch den AMIF ausgeschlossen werden sollen, wenn sich Mitarbeiter von deren Trägern dazu verdingen, Abschiebungen aktiv zu verhindern. Das muss ja irgendeinen Hintergrund haben; das hat sich unser Bundesinnenminister ja nicht aus den Fingern gesaugt. Da muss ja ein Körnchen Wahrheit drin sein. Vielleicht könnten Sie uns dazu etwas berichten.
Herr Kollege, ich kenne den speziellen Sachverhalt nicht. Aber selbstverständlich gilt für alle Themen, auf europäischer Ebene ebenso wie in unserem eigenen Land: Wenn irgendwo Missbrauch mit öffentlichen Geldern getrieben wird, ist dieser zu unterbinden.
Aber das heißt nicht – so etwas soll auch schon auf kommunaler Ebene vorgekommen sein –, dass ein Gesamtkonstrukt von vornherein falsch ist; sondern man muss es korrigieren, wenn tatsächlich im Einzelfall irgendetwas schiefläuft.
Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag der AfD-Fraktion zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion. Bitte die Gegenstimmen anzeigen! – Das sind der fraktionslose Abgeordnete Plenk, die FDP, die CSU, die FREIEN WÄHLER, die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Sehe ich keine. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben Sie gesund! Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche einen guten Abend.