Protocol of the Session on December 14, 2016

(Beifall bei der SPD)

Es gibt noch folgenden weiteren interessanten Beitrag, warum bei Ihnen keine ausreichende empathische Heranführung von Strafgefangenen an ein Leben in Freiheit möglich ist. "Gnadenbringende Weihnachtszeit" stand in der Zeitung. In fast allen Bundesländern werden die Leute etliche Wochen vorher entlassen, in Bayern wartet man dagegen offensichtlich auf den Tag vor Heiligabend. Das heißt, die Leute werden in einem Moment entlassen, in dem sie zum Beispiel bei der Wohnungssuche und bei Behördengängen keine Ansprechpartner mehr finden. Fast die ganze Republik macht das anders. Nur in Bayern und Sachsen geht man davon aus, dass der Entlassungstermin einen Tag vor Weihnachten ausreichend sei. Das ist eine traurige Geschichte. Diesbezüglich wird zu Recht ein großer Jurist, nämlich Gustav Radbruch, genannt, der diesen Weg der Gnade ein "gesetzloses Wunder" innerhalb der juristischen Gesetzeswelt nennt. Dieses Wunder der Gnade ist in Bayern offensichtlich nicht vorgesehen.

Diese Praxis bringt viele unnötige Härten mit sich. Kein Mensch nimmt diese Härten wahr, nur die paar Betroffenen. Aber es ist eigentlich eine bittere Geschichte; denn die Leute kommen heraus, aber Sie tun nichts für die Entlassenenfürsorge. Wir haben dazu Anträge gestellt. Es wird viel zu wenig Nachsorge betrieben. In den ersten Wochen und Monaten ist die Zahl der Rückfälle und der Gefährdungen der Entlassenen am höchsten. Aber von Ihnen wird nichts getan. Ein Übergangsmanagement wäre notwendig, das gibt es aber nicht.

Ein besonders trauriges Kapitel ist der Opferschutz. Aus gut erwogenem Grund haben wir uns im Ausschuss sehr genau über Stalking unterhalten und darauf hingewiesen, dass nicht nur Strafrechtsänderungen, sondern auch Beratungsstellen notwendig sind. Wir haben momentan allenfalls auf ehrenamtlicher Basis eine Beratung für Stalking-Opfer. Diese Stellen müssen sich jeden Euro mühsam zusammenkramen. Daher haben wir zu wenig Beratung und Hilfe, was für die Opfer schrecklich ist; denn die Folgen der Tat sind nach der Verurteilung des Täters nicht aus der Welt geschafft. Oft werden gerichtliche Auflagen nicht eingehalten und geht die Belästigung weiter, verbunden mit schweren psychischen Belastungen. Überall da werden die Entlassenen und die Beratungsstellen, die momentan ehrenamtlich und freiwillig ohne entsprechende Hilfe arbeiten, allein gelassen.

Wir haben es hier mit einer Deliktform zu tun, die in ihrer Dimension und neuen Form durchaus in die höchste Gefährlichkeitsstufe hochgerutscht ist, weil es dort bereits zu Totschlagsdelikten gekommen ist. Dort wollen wir deutlich mehr machen als Sie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich am Ende noch auf ein paar Kleinigkeiten zu sprechen kommen, die mir auffallen. Auch im Bereich der Forschung, in dem Sie die Justiz ein Stück weit voranbringen könnten, haben Sie alles abgelehnt. Wir haben bei gerichtlichen Verfahren, etwa bei vormundschaftlichen Verfahren an Familiengerichten, ein Gutachterunwesen. Die Pressemeldungen überschlagen sich: Verfahren sind zu schnell, Gutachten zu schludrig und teilweise falsch erstellt. Zu sagen, da sind wir nicht zuständig, ist, ehrlich gesagt, zu kurz gegriffen.

(Zuruf von der SPD: Das ist dringend notwendig!)

Wir haben beantragt, die Richter und Staatsanwälte auf diesem Gebiet zu schulen und Forschungsvorhaben in Gang zu bringen, damit alle diese Fehlurteile, die auf Fehlgutachten zurückzuführen sind, endlich angegangen werden. Wir haben für den Strafvollzug die Evaluierung von Jugendarresten und Alternativen

zum Jugendstrafvollzug angemahnt. Aber bei Ihnen stößt so eine Forderung prinzipiell auf taube Ohren.

Die Frage, was mit Ersatzfreiheitsstrafen geschieht, ist ebenfalls ein ziemlich trauriges Kapitel, weil es vor allem diejenigen trifft, die niemanden im Hintergrund haben, um Geldstrafen zu zahlen. Die Technik "Schwitzen statt Sitzen" ist eine vernünftige Sache. Aber dazu bedarf es gemeinnütziger Träger, die Mittel brauchen. Wenn dafür keine Mittel bereitgestellt werden, fehlen diese Träger. Dann ist das Verfahren, das wir planen und Sie mittragen, nicht möglich; dann läuft das Ganze ins Leere. Auch dazu haben Sie unsere Anträge ohne Not und ohne Sinn abgelehnt.

Lassen Sie mich schließlich Folgendes sagen: Der Ministerpräsident hat am Anfang dieser Legislaturperiode in seiner Regierungserklärung angekündigt, im Dialog mit der Justiz ein Gesetz zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren vorzulegen. Vielleicht können Sie uns erklären, was er damit gemeint hat und was Sie gedenken, da auf den Weg zu bringen. Das kann allenfalls eine Bundesratsinitiative sein. Wir können uns nicht vorstellen, wohin diese Reise gehen soll. Das ist ein Versprechen ohne Basis.

Herr Minister, lassen Sie mich auch noch sagen, dass in Ihrem Haus die Prüfung von Gesetzen offensichtlich nicht ordnungsgemäß stattfindet. Da haben Sie meines Erachtens eine ganz persönliche Verantwortung.

Herr Kollege, nicht ich arbeite gegen Sie, sondern die Uhr.

Dies sind meine letzten Bemerkungen, dann komme ich zum Ende.

Packen Sie es dann in die Antwort auf eine Zwischenbemerkung.

Genau. – Sie haben bei der Bürgerbefragung ein verfassungswidriges Gesetz nicht entsprechend beanstandet, und Sie haben gegen das Integrationsgesetz, das nicht nur von seinen Motiven und Zielen her fragwürdig, sondern wahrscheinlich auch in seiner Machart sogar teilweise verfassungswidrig ist, kein Veto eingelegt. Das ist Ihre persönliche Verantwortung.

Der vorgelegte Haushalt dieser Regierung enthält in diesem Bereich einige Verbesserungen. Alles andere wäre auch ein Skandal. Die Zustimmung der CSUFraktion zu unseren Anträgen hätte den Einzelplan Justiz zu einem guten Haushalt gemacht. Sie haben wieder einmal eine Chance vertan.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Guttenberger hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bevor man das Rednerpult verlässt, ist es vielleicht gut, darauf zu achten, ob eine Zwischenbemerkung ansteht. Darauf wollte ich hinweisen. – Frau Kollegin Guttenberger, bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Kränzlein, ist Ihnen bekannt, dass Stalking-Opfer bei der Polizei eine Beratungsstelle vorfinden, die mit Fachbeamtinnen und Fachbeamten ausgestattet ist? – Dort wird eine Beratung angeboten.

Frau Kollegin, ich bin gerne und oft bei Polizeiinspektionen zu Gast und weiß, wie deren Personalausstattung aussieht. Ich weiß, dass dort die notwendige Beratungsleistung bei Weitem nicht gewährleistet ist. Das sieht die Polizei selber. Opfer sollten nicht erst ab dem Moment, in dem ein Schaden bereits eingetreten ist, beraten werden. Fachveröffentlichungen ist zu entnehmen, dass die Betroffenen schon zu Beginn, wenn sie den Eindruck haben, dass demnächst etwas passiert, bestimmte Informationen erhalten sollten, mit denen ihnen bestimmte Wege aufgezeigt werden. Übrigens erkennen die Täter sehr wohl im Vorfeld, dass sie krankhafte Neigungen haben. Deshalb ist es wichtig, den Tätern anonymisierte Anlaufstellen zur Verfügung zu stellen, damit man so auf sie einwirken kann.

Schauen Sie sich bei der Polizei um. Wenn Sie glauben, dass reicht, was hier bisher geschieht, haben Sie die Probleme bisher nicht hinreichend erkannt. Das tut mir leid.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Kränzlein. Jetzt darf ich für die Fraktion der FREIEN WÄHLER Herrn Kollegen Streibl das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Minister, werte Kolleginnen und Kollegen! Das Recht ist die in der staatlichen Gemeinschaft herrschende Ordnung. Unsere Ordnung in Bayern ist die Demokratie. Die Demokratie baut auf der Freiheit und der Gleichheit des Menschen auf. Die Freiheit ist ein Wesensmerkmal des Menschen und der Sinn der Politik. Diese Grundlagen müssen in einer Demokratie verteidigt und geschützt werden. Wir brauchen eine wehrhafte Demokratie in Bayern, gerade in diesen Zeiten. Garant für diese Grundlagen unserer gesellschaftlichen Ordnung und damit Garant für die Demokratie ist letztendlich das Recht. Die Hü

terin unserer Werte ist am Ende die Justiz. Daher möchten wir als FREIE WÄHLER all denjenigen, die sich in der Justiz verdient machen, dort arbeiten und unter der hohen Arbeitsbelastung leiden, ein herzliches Dankeschön sagen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Tagtäglich setzen sich unzählige Richter, Staatsanwälte, Servicekräfte, Rechtspfleger, Justizfachwirte, Justizwachtmeister, Gerichtsvollzieher, Bewährungshelfer, Sozialhelfer, aber auch Rechtsanwälte für unsere rechtliche Ordnung in Bayern ein. Ihnen allen gilt ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der Dank allein genügt nicht. Wir in diesem Haus müssen ebenfalls klare Signale im Haushalt setzen. Wir müssen die Wertschätzung zur Geltung kommen lassen und eine Personalmehrung in der Justiz vornehmen. Herr Justizminister, die 397 Stellen, die neu geschaffen werden, sind alle ehrenwert und richtig. Das geht in die richtige Richtung. In den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten hat man jedoch Stellen abgebaut und eingespart. Das muss man langsam wieder aufholen. Wir müssen auf einem Personalstand kommen, mit dem man vernünftig arbeiten kann.

Bei genauer Betrachtung des Doppelhaushalts sieht man, dass der Schwerpunkt eindeutig auf der Terrorismus- und Extremismusbekämpfung liegt. Das erkennen wir an. Das halten wir angesichts der Anschläge in Würzburg und Ansbach für notwendig. Wir müssen terroristischer Bedrohung durch den Rechtsstaat Grenzen setzen und einschreiten. Meine Damen und Herren, das ist für uns der richtige Weg. Diesen Bereich darf man nicht aus den Augen verlieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Darüber hinaus muss die Personalsituation noch deutlicher verbessert werden. Nach der Personalbedarfsberechnung aus dem Jahr 2015 fehlten bayernweit immer noch 366 Staatsanwälte und Richter. Es hat Auswirkungen auf das Strafrecht und das Zivilrecht, wenn Verfahren und Prozesse überlang dauern. Das beschädigt letztendlich auch den Wirtschaftsstandort Bayern. Wenn ein Handwerker, eine Firma oder ein Unternehmer Recht sucht und lange warten muss, bis Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen werden, ist das ein Malum für unseren Standort. Deshalb brauchen wir mehr Richter und Staatsanwälte.

Darüber hinaus müssen unsere Richter weitergebildet werden. Sie benötigen weitere Fortbildungen, damit sie einer zunehmend erstarkenden Fachanwaltschaft adäquat entgegentreten können. Derzeit wird be

obachtet, dass aufgrund des häufigen Richterwechsels in verschiedenen Ressorts die Qualität leidet. Die Qualität in der Rechtsprechung fehlt, wenn den Richtern hochausgebildete und fortgebildete Fachanwälte gegenüberstehen. Unserer Meinung nach muss man an dieser Stelle nachbessern. Aus diesem Grund sind 12 Stellen für Richter und 20 Stellen für Staatsanwälte unserer Meinung zu wenig. Wir fordern deshalb 100 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir fordern ebenfalls Stellenhebungen bei den Justizfachwirten. Zu den 80 neuen Anwärterstellen, die Sie für die Rechtspfleger schaffen, fordern wir 20 weitere Stellen; denn nach der derzeitigen Berechnung fehlen in Bayern 271 Rechtspfleger. Das sind ungefähr 15 %. Sie sind für die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte zuständig. Diese müssen die Rechtspfleger betreuen. Auf die Rechtspfleger kommt somit eine Mehrbelastung zu. Deshalb brauchen wir mehr Rechtspfleger, die diese Arbeit leisten können. Sonst gerät der Justizapparat ins Stocken. Das darf unserer Meinung nach nicht passieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir sind außerdem der Ansicht, dass die Zahl der Bewährungshelfer erhöht werden muss. Wir brauchen 40 zusätzliche Stellen, um ein Übergangsmanagement zu schaffen, das den Namen verdient. Wir hoffen, dass die Staatsregierung das umsetzt. Auf diese Weise können die Rückfallquoten vermindert werden.

Die Schaffung von mehr Sicherheit in den Gerichtsgebäuden ist Gott sei Dank in Angriff genommen worden. Die Sicherheit in den Gerichtsgebäuden sollte jedoch in staatlicher und nicht in privater Hand liegen. Deshalb brauchen wir mehr Justizwachtmeister. Wir fordern 90 zusätzliche Stellen.

Darüber hinaus fordern wir weitere Stellen für Sozialpädagogen in den Justizvollzugsanstalten. Derzeit ist ein Sozialpädagoge für 100 Gefangene zuständig. Von einer Resozialisierung kann man in diesem Fall nicht sprechen. Deshalb brauchen wir 30 weitere Stellen.

Meine Damen und Herren, obwohl ein großer Schwerpunkt auf das Personal in der Justiz gelegt worden ist, muss ich sagen: Die Justiz lebt nicht nur vom Personal. Man darf die Sachmittel nicht aus den Augen verlieren. Wenn man so manchen Gerichtssaal im Bayern betritt, fühlt man sich in die lauschigen Fünfzigerjahre zurückversetzt. Der Zustand der Justizgebäude ist Ausdruck der Wertschätzung des Staates gegenüber der Justiz als dritter Gewalt. Außerdem

ist er ein Zeichen an den Bürger, der dort Recht sucht. Wenn der Bürger in einen fast historischen Gerichtssaal kommt, entsteht nicht unbedingt der Eindruck, dass unsere Justiz modern, schlagkräftig und bürgernah ist. Deshalb sind mehr Mittel für Nachbesserungen erforderlich. Im Zusammenhang mit den E-Akten möchte ich darauf hinweisen, dass wir insbesondere in den Sitzungssälen beispielsweise das BayernWLAN zur Verfügung stellen sollten, damit Richter, Staatsanwälte und die Anwaltschaft auf das WLANNetz zugreifen können. Ihre Arbeit verlagert sich immer mehr ins Elektronische. Herr Minister, ich hätte hier eine ganz große Bitte, die auch von der Anwaltschaft geäußert wurde: Sorgen Sie bitte für eine ausreichende Zahl von Steckdosen in den Gerichtssälen, damit die dort Arbeitenden, auch die Staatsanwaltschaft und die Richter, Computer und Laptops anschließen können, die sie für ihre Arbeit brauchen. Das ist ein ganz großer Malus. Sie könnten hier mit einer kleinen Geste und wenig Einsatz sehr viel für die Justiz in Bayern bewirken.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

WLAN und ein Breitbandnetz müssen in Bayern flächendeckend vorhanden sein. Das ist auch für eine funktionierende Justiz erforderlich. Im großstädtischen Raum funktioniert dies bereits. Wir brauchen aber auch auf dem Land, wo viele Anwälte leben und arbeiten, ein schnelles Internet, damit der Rechtsverkehr funktionieren kann.

Der § 147 StPO gewährt einem Angeklagten oder einem Untersuchungshäftling die Möglichkeit der Akteneinsicht, um sich auf den Prozess vorzubereiten. Nicht dienlich ist es aber, wenn dem Angeklagten die Akten in Form von CDs gegeben werden, er aber kein Lesegerät besitzt, um diese Akten lesen zu können. Hier müsste Abhilfe geschaffen werden, damit diese Personen die Möglichkeit haben, sich adäquat verteidigen zu können.

Die genannten Punkte sind für mich Ausdruck für die Wertschätzung der Justiz, aber auch Ausdruck für eine moderne und funktionierende Justiz. Herr Minister, unsere Bitte lautet: Bessern Sie hier nach! Teilweise geht es nur um Kleinigkeiten, die aber für einen funktionierenden Justizapparat absolut notwendig und zeitgemäß wären.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank. – Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Gote das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Zeiten, in denen wir fast täglich in Öffentlichkeit, Medien und Politik den so fatalistischen Satz hören müssen, die Welt sei aus den Fugen geraten, ist es gut, sich zu vergewissern, in welcher Welt wir hier in unserem Lande leben können. Ich halte diesen Satz übrigens für falsch. Nein, die Welt ist nicht aus den Fugen geraten. Wir sind dem Erstarken der Rechtspopulisten und der Demokratiefeinde, der Bedrohung durch Terror, dem Armuts- und Flüchtlingselend, der Klimakatastrophe und den Kriegen nicht hilflos ausgeliefert.