Frau Präsidentin, was Thomas Huber zu Artikel 4 gesagt hat, ist richtig: Deutschkurse sind der zentrale Bestandteil auch einer Integration. Das ist ganz wichtig. Er hat von einer Bringschuld gesprochen. Da sage ich auch: okay. Aber es sind zwei Seiten zu beachten: Es gibt nicht nur eine Bringschuld der Migranten, sondern es gibt natürlich auch eine Bringschuld des Staates, und das möchte ich ganz kurz erläutern.
Es geht natürlich auch um die angekündigten Sanktionierungen. Das ist zunächst nachvollziehbar – das ist ganz klar –, aber in der Praxis ist das oft schwer zu bewerkstelligen. Bevor man aufgrund von Sprachdefi
ziten bestraft wird, muss man in die Lage versetzt werden, die deutsche Sprache zu erlernen. Wir begrüßen es zwar, dass der Freistaat Bayern auf freiwilliger Basis Deutschkurse für Asylbewerber organisiert; doch ist das leider nicht flächendeckend der Fall. Ich habe nämlich eine Schriftliche Anfrage gestellt, wie es damit steht, und da kam zum Beispiel heraus, dass es mehrere Landkreise – Deggendorf, Fürth, Neustadt an der Aisch, Bayreuth, Coburg und Kronach – gibt, wo keine im Hauptamt erteilten Sprachkurse für Asylbewerber im Rahmen des Modellprojekts durchgeführt werden. Das ist – das muss man schon sagen – ein Defizit.
Wir hatten im Bayerischen Landtag beschlossen, dass Deutschkurse flächendeckend angeboten werden müssen. Selbstverständlich – das wissen wir auch – ist die Bereitstellung von Deutschkursen für Flüchtlinge vor allem eine Aufgabe des Bundes. Solche Kurse gab es auch. Aber auch hier hat sich gezeigt, dass einige Landkreise – ich nenne sie: Neustadt an der Waldnaab, Hof und Landshut – nicht mit Deutschkursen versorgt werden. Es ist, meine ich, schwierig und ungerecht, Migranten wegen nicht vorhandener Sprachkenntnisse durch den Staat zu bestrafen, wenn sie gar nicht die Möglichkeit hatten, an Sprachkursen teilzunehmen. Ich meine, Fordern und Fördern gehören zur Gerechtigkeit; aber dann müssen die Migranten auch die entsprechende Möglichkeit haben.
Auch bei den angekündigten Sanktionen bleibt vieles sehr im Argen. So heißt es zum Beispiel im Entwurf: "Wer aus selbst zu vertretenden Gründen das im Rahmen einer gewährten Förderung mindestens erwartbare Sprachniveau nicht erreicht, kann … zur angemessenen Erstattung von Förderkosten verpflichtet werden." Hier drängen sich natürlich Fragen auf: Was genau ist das "mindestens erwartbare Sprachniveau"? Wie lässt es sich messen? Wer kontrolliert die jeweiligen Sprachniveaus der Schüler? Und wer kommt finanziell für die Kontrollen auf? Da sind wir gleich wieder bei den Kommunen. Müssen das die Kommunen machen, oder gibt es eine "Sprachpolizei"? Das ist ein Punkt, der noch nicht geklärt ist. Auch in den verschiedenen Ausschüssen wurde gefragt: Sind hier wieder die Kommunen diejenigen, die das konkret überprüfen müssen?
Man kann das ja verbessern. Wir sagen nicht wie der Vorredner, dass der Artikel eine Spaltung herbeiführt. Nein, das meinen wir nicht. Wir meinen aber, er ist noch stark verbesserungswürdig. Das kann man noch nachholen. Deswegen wollen wir das auch an dieser Stelle bringen; denn wenn er so vage formuliert ist, braucht man wieder Verordnungen, Bestimmungen
Nach wie vor besteht auch im diesbezüglichen Personalbereich ein starker Mangel. Das haben wir auch schon einmal in der Enquete-Kommission besprochen. Es fehlt vor allem an Lehrkräften für Deutsch als Zweitsprache. Wenn wir sie nicht haben und diesen Bereich nicht massiv flächendeckend ausbauen, können wir dieses Angebot nicht bereitstellen; das muss man ganz klar sagen. Wenn es die Lehrer für Deutsch als Zweitsprache nicht gibt, kann man nicht sagen: Die Migranten sind in der Bringschuld. Auch der Freistaat – darauf weisen wir hin – hat hier eine Bringschuld. Er muss seine Hausaufgaben erledigen und genügend Lehrer für Deutsch als Zweitsprache zur Verfügung stellen. Dann ist es in Ordnung, und das ist wichtig.
Auch bezüglich des Sprachniveaus besteht für die Behörden ein gewisser Spielraum. Manchmal wird ja gesagt, dass es ein Migrant überhaupt nicht hinbekommt, nichts kann und es nicht schafft. Dann wird gesagt: Das erwartbare Niveau ist nicht erreicht. So steht es im Entwurf. Aber die Erklärung "er bekommt es nicht hin" reicht nicht, um zu sagen, er hat das Niveau nicht erreicht.
Ein letzter Punkt. Es ist problematisch, den Migranten die Kosten für die Heranziehung eines Dolmetschers aufzubürden. Das ist eben die Frage. Hierzu erklärte das Sozialministerium: Wenn jemand längere Zeit in Deutschland ist, so wird eben erwartet, dass er im Verwaltungsverfahren bestehen wird. Aber das ist für viele schwierig. Das ist für viele ein Problem.
– Frau Präsidentin, das tue ich. – Der Abend ist noch lang. Der Artikel 4 ist vielleicht ein Anfang, er muss aber noch verbessert werden. Da haben alle eine Bringschuld.
Herr Kollege Dr. Fahn, Sie können noch zweimal zwei Minuten draufsetzen. Erst kommt Frau Kollegin Zacharias und dann Herr Kollege Weidenbusch.
Herr Kollege Fahn, Ihr Fraktionsvorsitzender sprach von einer "parlamentarischen Quasselbude", weil die SPD und auch die GRÜNEN für sich in Anspruch nehmen, einen der
größten und schlechtesten Gesetzentwürfe der Staatsregierung hier lange zu debattieren. Sie haben jetzt zu dem, wie ich finde, entscheidenden Artikel, nämlich zu Artikel 4, gesprochen. Hier geht es um den Spracherwerb. Ich möchte von Ihnen ganz konkret wissen, ob Sie hier eine Einzelmeinung in Ihrer Fraktion vertreten oder ob es die Fraktionsmeinung der FREIEN WÄHLER ist, dass der Spracherwerb sehr wichtig und der Schlüssel zur Integration ist. Es geht auch darum, die eigene Muttersprache nicht nur zu intensivieren, sondern sie auch beschult zu wissen; denn wir alle wissen aus großen wissenschaftlichen Untersuchungen, dass der Erwerb einer ersten Fremdsprache, in diesem Fall Deutsch, nur dann gut gelingen kann, wenn man die eigene Muttersprache gut sprechen kann.
Ich möchte von Ihnen wissen: Wie sind die konkreten Vorschläge in Ihrer Fraktion zu erweiterten Kursen zum Spracherwerb und zum muttersprachlichen Ergänzungsunterricht, und wie wollen Sie die Kosten regeln, damit Dolmetscher nicht von den Menschen bezahlt werden müssen, wenn sie keine Sprachkenntnisse erreichen, um auf einem Amt Gespräche führen zu können? Ich möchte von Ihnen ganz genau wissen, wie Sie sich das vorstellen und wie sich die Fraktion, der Sie angehören, dazu stellt.
Danke schön für Ihre Frage. Ja, ich gehöre zu dieser Fraktion. Frau Zacharias, ich möchte Ihnen sagen: Natürlich sind wir in der Fraktion insgesamt für diese Deutschkurse. Wir haben sogar im Jahr 2013 einen Antrag gestellt, der vom Landtag einstimmig angenommen wurde. Darin ging es um flächendeckende Sprachkurse. Da haben Sie mitgestimmt und andere auch. Das ist der erste Punkt.
In der heutigen Zeit sind wir noch genauso dafür. Das ist doch ganz wichtig. Das ist der Schlüssel dafür. Sie glauben, ich würde hier meine Einzelmeinung bringen. Ich bin von der Fraktion ausgewählt worden, die Position darzustellen. Das ist die Meinung der Fraktion. Mehr sage ich dazu nicht.
Herr Kollege Fahn, ich höre Ihnen sorgfältig zu. Wir dürfen hier auch einmal etwas recherchieren. Sie haben vorhin behauptet,
über 60 % der bayerischen Bevölkerung seien in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe. Auf Nachfrage haben Sie gesagt, das sei wissenschaftlich erwiesen. Ich muss Ihnen sagen: Das ist schlicht unwahr. Das ist einfach nicht wahr.
Jetzt haben Sie gesagt, in Hof gäbe es keine Deutschkurse für Migranten. Das ist auch frei erfunden. Ich bleibe gerne hier und höre der Diskussion bis zum Ende zu. Aber ich erwarte von jedem Kollegen, dass er nicht einfach etwas erfindet, sondern bei der Wahrheit bleibt.
Sie meinen, Sie könnten mich jetzt beeindrucken. Da muss ich Sie leider voll enttäuschen. Das wird Ihnen nicht gelingen.
Das stimmt doch gar nicht! Dann müssen Sie das der Staatsregierung vorhalten! Ich habe eine Schriftliche Anfrage eingebracht. In der Antwort auf diese Schriftliche Anfrage – die schicke ich Ihnen persönlich zu – waren genau diese Landkreise genannt.
Das ist nicht von mir. Ganz klar. Ich arbeite mit Schriftlichen Anfragen. Das möchte ich Ihnen klar sagen.
Tut mir leid, dass Sie das ärgert. Aber das ist nicht von mir. Das ist von Frau Prof. Kals aus Eichstätt. Ich habe das selbst beim Runden Tisch Ehrenamt mitbekommen. Das war am 12.11. Ich schicke Ihnen das zu. Ich sage nur Dinge aus Schriftlichen Anfragen, die stimmen und die wahr sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Heute ist ja immer wieder auf die große Bedeutung der Aufgabe der Integration hingewiesen worden und auf die vielfältigen Aufgabenstellungen, die für uns daraus resultieren.
Bei dem Artikel zur deutschen Sprache haben wir eine andere Auffassung davon, was in ein solches Gesetz eigentlich hineingehört. Das beginnt schon mit dem allerersten Satz: "Nur wer deutsch spricht, kann sich vollumfänglich in das öffentliche Leben und Arbeiten einfügen." Das ist so nicht richtig. Wir sind uns zwar alle einig, dass das Erlernen der deutschen Sprache sehr wichtig und ein Schlüssel zu Bildung und Integration ist. Es ist aber nicht so, dass man mit einem solchen Satz etwas gewinnen würde; denn auch Leute, die Englisch sprechen, können sich bei uns vollumfänglich integrieren. Das gilt auch für Menschen, die aufgrund einer Behinderung gar nicht sprechen können. Auch diese können sich bei uns Gott sei Dank vollumfänglich integrieren.
Jetzt ist die Frage: Warum schreibt man dann einen solchen Satz in das Gesetz hinein? Wenn man in die Begründung zu diesem Gesetzestext schaut, liest man, dass es sich dabei nur um einen Programmsatz handelt. Das heißt auf gut Deutsch: Das haben wir nur einmal so gesagt. Ich frage mich: Wir reden doch hier über einen Gesetzestext. Muss das denn sein? Mit dieser Rhetorik geht es in diesem Gesetz leider weiter.
Wir haben im sozialpolitischen Ausschuss eine umfangreiche Anhörung durchgeführt. Die Vertreter aller Fachverbände, die dort zu Wort kamen, waren sich einig und haben moniert, dass die Formulierung eines "mindestens erwartbaren Sprachniveaus" zumindest schwurbelig ist; denn wir alle wissen, dass Ausdrucksweisen sehr individuell sind. Das hilft uns nicht wirklich weiter. Auch in der Begründung zum Gesetzentwurf steht, dass sich die Sprache rein faktisch der unmittelbaren staatlichen Regelung entzieht. Deswegen wird auch keine Verpflichtung ausgesprochen.
Das "mindestens erwartbare Sprachniveau" ist eine ausgesprochen unklare Formulierung. Auch in der langen Debatte, die wir mit Herrn Dr. Gruber im sozialpolitischen Ausschuss geführt haben, ist nicht wirklich klarer geworden, was ein "mindestens erwartbares Sprachniveau" ist. Sie nehmen diesen Begriff immerhin als Grundlage zur Erstattung von Förderkosten. Dann muss das schon ein belastbarer Begriff sein.
Der Artikel 4 befasst sich des Weiteren damit, dass notwendige Kosten zur Heranziehung eines Dolmetschers durch Behörden dann auferlegt werden können, wenn wegen fehlerhafter Übersetzung gegen die Behörden Haftungsansprüche bestehen. Also sollen Haftungsansprüche ausgeschlossen werden. Das hat einen sehr stark repressiven Charakter; schließlich handelt es sich um notwendige Kosten. Schließlich ist es die Behörde, die den Dolmetscher in eigenem Er
messen heranzieht. Wenn die Behörde der Meinung ist, der Migrant könne nicht gut genug Deutsch, zieht sie einen Dolmetscher heran. Dann hat die Behörde aber auch die Verpflichtung und die Verantwortung, einen Dolmetscher heranzuziehen, der das auch kann und in der Lage ist, den vielleicht gar nicht so einfachen deutschen Gesetzestext inhaltlich zu übermitteln.
Wenn die Behörde einen Dolmetscher erwischt, der das nicht kann, der also auf Deutsch einen "Schmarrn" erzählt, dann können doch nicht die Kosten für die Folgen, die daraus resultieren, dass etwas Unzutreffendes gesagt wurde, dem Migranten in Rechnung gestellt werden. Schließlich geht es hier oft um Förderbescheide, also um Geld. Der Migrant, wegen dem der Dolmetscher da ist, kann nicht gut genug Deutsch. Er versteht gar nicht, dass ihm Unsinn erzählt worden ist. Wie soll dieser Migrant überprüfen, ob er mit der richtigen Darstellung bedient worden ist? Das ist ein logischer Fehler in diesem Gesetzestext. Hier geht es darum, Haftungsansprüche gegen eine Behörde in Fällen auszuschließen, wo das offenbar noch nicht lückenlos geregelt ist. So steht es auch in der Begründung zum Gesetz.
Es ist aber nicht die Aufgabe eines Integrationsgesetzes, Haftungsansprüche gegen eine Behörde auszuschließen, sondern es geht vielmehr darum, die Grundlagen zu schaffen, damit die Integration gelingen kann und dass der Erwerb der deutschen Sprache gelingen kann. An dieser Stelle wäre es die Aufgabe, für eine Infrastruktur zu sorgen, damit wir genügend geeignete Dolmetscher haben. Wir brauchen viele Dolmetscher, die sehr unterschiedliche Sprachen gut können. Dabei geht es nicht nur um ein Alltagssprachniveau. Für einen Behördengang brauchen wir Leute, die Rechtsbegriffe verstehen, übersetzen und verständlich machen können. Das ist ein ziemlich hohes Niveau. Wir müssten erst einmal anfangen, eine geeignete Infrastruktur aufzubauen.
Aus dem Alltag der Behörden wissen wir doch, wie schwer es ist, geeignete Dolmetscher heranzuziehen. Das ist schwer. Ich verstehe, dass daraus Schwierigkeiten für die Behörden resultieren. Noch mehr Schwierigkeiten resultieren daraus aber für die betroffenen Migranten. Wir können die Ursache des Problems nicht umkehren, indem wir am Ende ihnen die Kosten aufbürden und in das Gesetz einen Haftungsausschluss aufnehmen. Ich halte das jedenfalls für ausgesprochen bedenklich. Wenn man einen Fehler macht, dann haftet man halt dafür. Wir dürfen nicht einfach in das Gesetz schreiben, dass dieser Grundsatz im vorliegenden Fall nicht gelten soll. Das wäre zumindest gesetzeslogisch außerordentlich schwierig. – Vielen Dank.