Protocol of the Session on December 8, 2016

Für die Umsetzung sind alle gesellschaftlichen Schichten, auch alle staatlichen und kommunalen Ebenen gleichermaßen mitverantwortlich.

(Beifall bei der CSU – Margit Wild (SPD): Sie können doch nicht bestrafen, wenn Sie sagen, dass es die Angebote nicht überall gibt! – Hermann Imhof (CSU): Sehr gut, Tom, super!)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Gehring.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es kommt wirklich auf die Deutschkenntnisse an.

(Zuruf des Abgeordneten Tobias Reiß (CSU))

Sie sind entscheidend für Integration, das zentrale Thema, über das wir jetzt reden. Integration ist Geben und Nehmen, Fordern und Fördern, Rechte und Pflichten für beide Seiten. Allerdings besteht in diesem Artikel 4 eine große Schieflage zwischen Geben und Nehmen. Hier ist auf der einen Seite viel von Pflichten die Rede, auf der anderen Seite nur wenig von Pflichten des Staates. Von daher fördert dieser Artikel Integration tatsächlich nicht, sondern erschwert sie und macht sie letztendlich unmöglich.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Wir reden hier nur von Erwachsenen. Darauf, dass Erwachsene zu uns kommen, egal, aus welchen Gründen, die hier Deutsch lernen müssen und können, müssen wir uns in einer Einwanderungsgesellschaft einstellen; das ist aber noch nicht erreicht. Die entsprechenden Angebote müssen vorhanden sein. Artikel 4 ist sehr nebulös formuliert; das heißt: In den ersten sechs Jahren werden sie in ihrem Bemühen unterstützt, und dann wird noch auf Artikel 3 Absatz 8 verwiesen, in dem steht, dass die Maßnahmen zu befristen und mit einem Haushaltsvorbehalt zu versehen sind. Das ist nicht das, was wir brauchen! Wir brauchen tatsächlich den Aufbau eines Systems der Erwachsenenbildung, das die Erwachsenen aufnimmt und ihnen entsprechende Deutschkurse anbietet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gut sind Sie beim Thema Sanktionen für die Menschen. Hier müssen Kosten rückerstattet werden, werden Dolmetscherkosten nicht erstattet, und Angebote sind nicht flächendeckend vorhanden. Darauf hat der Kollege Huber hingewiesen. Es hängt vom Glück ab, ob jemand ein Angebot bekommt und ob die Zahl der Plätze ausreicht. Es ist nicht Pflicht des Staates, für das Vorhandensein der Angebote zu sorgen. Zum anderen sind die Begriffe völlig undefiniert, die Sanktionen nach sich ziehen sollen. Da ist die Rede von einem erwartbaren Sprachniveau oder von einer angemessenen Erstattung. Was heißt das denn, was soll denn das bedeuten? – Die Frau Ministerin hat vorhin auf die unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen hingewiesen. Manche Flüchtlinge, die zu uns kommen, sprechen vier Sprachen; sie haben ganz andere Voraussetzungen als ein Analphabet, der nur eine einzige Sprache spricht. Was ist hier jeweils erwartbar und angemessen im Sinne staatlicher Sanktionen? – Nein, hier hängt die ganze Geschichte ziemlich schief, und Artikel 4 dient nicht der Förderung der Integration von Menschen, sondern er dient der Desintegration.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Wenn wir über Erwachsenenbildung reden, müssen wir auch darüber sprechen, dass es einzelne Kurse gibt, aber keine Qualitätsstandards. Es gibt keine gute Unterstützung der Erwachsenenbildung. Bayern liegt im bundesweiten Vergleich der Zuschüsse an die Träger der Erwachsenenbildung, die Volkshochschulen, auf dem vorletzten Platz. Da finde ich es schon ziemlich stark, Kollege Huber, dass Sie von einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung reden, während der Freistaat Bayern seine Verantwortung für die Träger der Erwachsenenbildung nicht übernimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen, sieht dieser Artikel 4 die Last der Verantwortung nur bei den Zugewanderten. Er nimmt den Staat nicht in die Verantwortung; der Gesetzgeber bringt den Staat nicht in die Verantwortung. Deswegen lehnen wir Artikel 4 ab.

Wir haben in unserem Entwurf eines Integrationsgesetzes vorgeschlagen, wie so ein System der Erwachsenenbildung aussehen müsste. Das wäre ein Gesetz, das integriert, das ein Miteinander schafft. Ihr Gesetzentwurf, insbesondere der Artikel 4 dieses Gesetzentwurfs, spaltet. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gewinnen nur gemeinsam!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben eine Zwischenintervention des Kollegen Rosenthal. Herr Steiner hat sich auch gemeldet. Aber erst kommt Herr Rosenthal dran.

Herr Kollege Gehring, Sie haben die Schwächen des Artikels 4 im Gesetzentwurf zu Recht herausgearbeitet und auf Ihre Vorschläge und Ideen verwiesen. An diesem Artikel manifestiert sich besonders, wie ich glaube, dass das Fördern und Fordern eine kaum zu überbrückende Diskrepanz zum Ausdruck bringt. Damit wird bestätigt, was wir in den Grundsatzdebatten betont haben, nämlich dass die Spaltung an dieser Stelle vertieft wird. Nicht die Schwachen werden gefördert, sondern im Prinzip wird mit Sanktionsmechanismen, mit Strafen gearbeitet. Diejenigen, die Hilfe und Unterstützung brauchen, werden alleine gelassen. Stimmen Sie mir an dieser Stelle zu? – Wenn ja, frage ich Sie, welche Möglichkeiten Sie sehen, gemeinsam mit uns an dieser Stelle den gesellschaftlichen Dialog zu suchen, um diese Diskrepanz aufzuzeigen und um deutlich zu machen, dass es hier nicht um ernsthafte Integration geht, nicht darum, die gesellschaftlichen Kräfte zu bündeln, Lösungen zu erarbeiten und Menschen mitzunehmen, sondern darum, die Spaltung zu vertiefen, die Ausgrenzung an dieser Stelle im Prinzip grenzenlos zu machen, und um eine Argumentation mit Kosten statt mit Inhalten und einem demokratisch aufrechten Gang. Nein, hier wird geduckt; im Prinzip wird unterdrückt.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, vielen Dank. Sie haben das richtig angesprochen. Der Kollege Huber hat vom Motivieren der Menschen gesprochen, bei uns Deutsch zu lernen. Aber als einzige Motivation wird hier nur die Sanktion genannt, dass in ein

paar Jahren die Kosten für den Dolmetscher nicht übernommen werden. Das unterstützt die Menschen tatsächlich nicht dabei, die deutsche Sprache zu erlernen. Wir alle wissen – wir kennen das alle selber –, dass man als Erwachsener einen besonderen Schub braucht; man muss besonders unterstützt werden, um noch eine fremde Sprache erlernen zu können. Das muss didaktisch auch anders angepackt werden als in der Schule. Hierfür fehlen oft noch die Konzepte. Tatsächlich müssen die Maßnahmen insgesamt einen Sinn ergeben. Wenn wir uns anschauen, wie die Gelder vergeben werden und wie die Sprachangebote sind, stellen wir fest: Oft werden diese Kurse von Laien, von Ehrenamtlichen gehalten. Sie leisten hier Großartiges. Aber sie sind Ehrenamtliche, keine professionellen Sprachlehrer und Erwachsenenbildner; da fehlt es einfach an der Qualität. Solange der Staat diese Kurse nicht selber anbietet oder für die Qualität sorgt, indem er eine Evaluation vorsieht, sind Sanktionen einfach ein Unding, wenn die Menschen die Leistungen nicht erbringen. Das spaltet tatsächlich und wird den Menschen nicht gerecht.

Eigentlich, muss man sagen, wird mit diesem Artikel 4 die große Chance vergeben, zu sagen: Integration ist unsere gemeinsame Aufgabe; Deutsch lernen ist unsere gemeinsame Aufgabe. – Wir müssen jetzt die Möglichkeiten zur Verfügung stellen. Dann wird es uns gelingen, die Menschen in unser Land mit hineinzunehmen und sie zu integrieren, sodass sie dann mündige Bürger sind und wir uns alle in gutem Deutsch unterhalten können. Mit diesem Artikel 4 wird uns das nicht gelingen. Dieser Artikel 4 wird spalten und die Menschen nicht zusammenbringen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Danke schön. – Jetzt kommt der Kollege Steiner.

Herr Kollege Gehring, wären Sie bereit, Herrn Kollegen Rosenthal einmal zu fragen, wie die SPD in den Parallelgesellschaften in Berlin mit dem Thema "Spracherwerb" umgeht, wo man überhaupt keine Chance hat, in diese Kreise zu kommen. Das wird heute völlig ausgeblendet. Mein Punkt wäre aber die Bitte, dass man vielleicht mit Vorwürfen gegen die Staatsregierung oder gegen unsere Fraktion ein bisschen bescheidener auftritt.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Ich darf Sie, Frau Kamm, an eines erinnern; 1992 werden Sie schon auf der Welt gewesen sein. Damals hatten wir genau die gleiche Debatte über Integration, Leitkultur und Erlernen der Sprache. Die Fraktion der GRÜNEN war damals sehr massiv mit den Vorwürfen von Deutschtümelei, Anbiederung und dumpfem

Deutschtum. Sie haben über 20 Jahre gebraucht, bis Sie überhaupt kapiert haben, dass das Erlernen der deutschen Sprache ein zentrales Instrument der Integration ist. Da brauchen Sie gar nicht den Kopf zu schütteln; Sie haben sich damit nie befasst.

(Beifall bei der CSU)

Sie werden wieder 20 Jahre brauchen, bis Sie kapieren, dass die Leitkultur – der Begriff wurde übrigens von dem sunnitischen Islamwissenschaftler Bassam Tibi und nicht von uns geprägt und formuliert – ein ganz entscheidender Punkt für die Integration ist.

(Zuruf der Abgeordneten Claudia Stamm (GRÜNE) – Weitere Zurufe – Glocke der Präsidentin)

Wenn Sie das abstreiten, schauen Sie sich an, was in Berlin passiert und was in Berlin los ist. Dann schauen Sie auf die Homepage von Terre des Femmes. Dort können Sie lesen, dass derzeit 400 muslimische Frauen auf der Flucht vor ihren Familien sind und dass es Zwangsbeschneidungen, Zwangsverheiratungen usw. gibt. Das nehmen Sie in Ihrer verlogenen multikulturellen Politik alles als Kollateralschaden hin. Deshalb ärgert mich die Arroganz, mit der Sie hier auftreten, und das will ich Ihnen einmal sagen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Claudia Stamm (GRÜNE))

Herr Kollege Gehring, Sie sind an der Reihe.

Herr Kollege Steiner, Sie wissen, dass ich ein geduldiger Mensch bin. Aber das, was Sie hier abziehen, muss ich sagen, ärgert mich ganz gewaltig. Das macht mich richtig zornig.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Sie bringen immer die alten Kamellen daher.

(Widerspruch bei der CSU – Zuruf von der CSU: Unangenehm?)

Dabei ist klar, dass wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN immer für Sprachförderung standen. Sie wissen, dass ich mich, seitdem ich im Landtag bin, seit 2008, dafür ständig eingesetzt habe. Von daher ist das eine Sache von gestern, die einfach nicht mehr hierher gehört und nicht weiterführt.

(Markus Rinderspacher (SPD): Ungehörig!)

Ich habe in Berlin kein Eisen im Feuer. Die GRÜNEN regieren dort seit drei Tagen. Die CDU hat dort lange

regiert. Man findet in Berlin auch viele Menschen, die sehr gut integriert sind.

(Zuruf von der SPD: Aber zu wenige!)

Man findet dort sehr viele Migrantinnen und Migranten, die vorzügliches Deutsch sprechen, vielleicht besser als mancher hier, auch wenn er keinen Migrationshintergrund hat.

(Markus Rinderspacher (SPD): Ausgezeichnet!)

Da bauen Sie immer etwas auf, was einfach nicht richtig ist. Ich würde uns raten, dass wir zu einem etwas vernünftigeren Diskurs kommen. Wir müssen einfach anerkennen, dass wir unser Bildungssystem und unser Erwachsenenbildungssystem insgesamt noch nicht so aufgestellt haben, dass die Menschen, die zu uns kommen, so gut Deutsch lernen können, dass wir es von ihnen verlangen können. Zunächst müssen wir das Bildungssystem entsprechend aufstellen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Darum geht es!)

Wir haben seit über 40 Jahren ein Erwachsenenbildungsförderungsgesetz. Wir haben uns fraktionsübergreifend zusammengesetzt, um es zu ändern. Lassen Sie uns das also fraktionsübergreifend machen, und hören Sie auf mit alten Kamellen und zum Teil hetzerischen Aussagen. Diese sind wirklich sehr ärgerlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Fahn.

(Zurufe von der CSU: Ah! Oh!)