Jetzt komme ich zum Parteitag der Jungen Union. Dort haben viele fränkische Parteifreundinnen und freunde von Ihnen argumentiert. In Ihrer eigenen Community wurde dieses Thema nicht so eindeutig diskutiert. Ich konzediere, 57 % waren gegen die Ehe für alle, aber umgekehrt waren 43 % dafür. Mit anderen Worten: Auf der Eisscholle wird es wärmer. Die Substanz schwindet. Irgendwann müssen Sie sich entscheiden: Bleibe ich Eisbär, oder passe ich mich den Verhältnissen, die in der Gesellschaft herrschen, an? Sie sagen, das wäre kalter Kaffee. Ich sage: Steter Tropfen höhlt den Stein. Hier ist es notwendig, dass Sie diese Erfahrung selber machen.
Meine lieben Kollegen, Herr Kollege Zellmeier, der Bundesrat hat in seiner 936. Sitzung am 25. September 2015 beschlossen, den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Per
sonen gleichen Geschlechts gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen. Sie haben auf den Bundestag abgehoben. Das ist auch ein Gesetzgebungsorgan. Der Bundesrat hat das aber schon getan. Das haben Sie hier geflissentlich unterschlagen. Bereits am 22. März 2013 hat der Bundesrat beschlossen, einen gleichartigen Gesetzentwurf einzubringen. Dieser ist allerdings der Diskontinuität anheimgefallen.
Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Allerdings wird der Schutz der Ehe durch Artikel 6 Absatz 1 nicht abstrakt gewährleistet, sondern in der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung. Sie haben schon gesagt, wie das in der herrschenden gesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommt und den Anschauungen entspricht. Danach schützt das Grundgesetz die Ehe anders als die Weimarer Verfassung, die die Ehe als Grundlage der Familie verstand und die Fortpflanzungsfunktion per se hervorhob, als Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft unabhängig von der Familie. Deshalb fällt logischerweise die kinderlose Familie auch unter den Schutz nach Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich darauf hingewiesen, dass die leibliche Elternschaft gegenüber der sozialfamiliären Elternschaft keinen Vorrang mehr hat. Viele Kinder würden in Familien aufwachsen, in denen nicht beide Elternteile leiblich seien. Es lässt sich daher auch nicht behaupten, dass sich dies in jedem Fall negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirkt. Wenn das in diesem Zusammenhang gilt, gilt es auch in Bezug auf das Geschlecht der Eltern bzw. der Familienangehörigen.
Im Übrigen gibt es einen Wandel des Eheverständnisses. Der Gesetzgeber hat das Gesetz zur Änderung des Transsexuellengesetzes vom 17. Juli beschlossen. Durch dieses Änderungsgesetz wurde die Vorschrift des § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Transsexuellengesetzes ersatzlos gestrichen, die das Bundesverfassungsgericht zuvor für nichtig erklärt hat. Nach dieser Vorschrift war es nämlich so, dass für gleichgeschlechtliche Elternteile die Adoption erst dann möglich war, wenn sich die Eltern vorher scheiden ließen. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass diese Scheidung dem Sinn und Zweck des Artikels 6 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht gerecht wird. Deshalb hat es diesen Artikel für nichtig erklärt. Die Änderung war folgerichtig.
Noch einmal: Sie treiben weiter und immer schneller auf den Äquator zu. Ihre Eisscholle schmilzt dahin, da Ihnen sogar durch die rechtlichen Grundlagen, die der
Ich weise darauf hin, dass wir heute nicht darüber diskutieren, ob die Ehe für alle moralisch oder sittlich verwerflich ist. Der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Herr Prof. Dr. Peter Dabrock, hat deutlich gemacht, dass die Öffnung des Ehe-Begriffs mit allen Optionen mittlerweile auch für gleichgeschlechtliche Paare geboten ist. Die Ethik ist das eine. In Bayern haben wir aber auch eine gemeinsame Wertekultur. Deshalb ist auf solche Leute zu hören.
Falls Sie eine kirchliche Stimme zu diesem Thema hören wollen: Herr Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm – er ist der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und hier in Bayern auch noch der erste Protestant – hat deutlich gesagt, dass gleichgeschlechtliche Verbindungen in theologischer Hinsicht als gleichwertig anzusehen sind. Ziehen Sie gleich, stoppen Sie Ihre verhängnisvolle Schmelzfahrt und stimmen Sie diesem Antrag zu! Zeigen Sie, dass Sie inmitten der Zeit und inmitten der Gesellschaft stehen!
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lange Zeit habe ich die Auffassung vertreten, dass Diskriminierung nicht sein dürfe, aber dass nicht unbedingt alles gleichgestellt werden müsste. Ich bin von dieser Auffassung abgekommen. Ich stimme diesem Antrag zu.
Lieber Herr Kollege Zellmeier, das Bundesverfassungsgericht hält in der Tat vordergründig wegen des durch Artikel 6 des Grundgesetzes garantierten Schutzes der Ehe daran fest, dass die Ehe eine Verschiedenheit der Geschlechter voraussetzt. Dieser Auffassung ist das Bundesverfassungsgericht auch heute noch. Das ist auch klar; denn die Verfasserinnen und Verfasser des Grundgesetzes konnten sich vor knapp 70 Jahren eine gleichgeschlechtliche Ehe einfach nicht vorstellen. Das aber, meine Damen und Herren, ist heute grundlegend anders. Große Teile der Bevölkerung unterscheiden heute nicht mehr zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft. In beiden Fällen wird vom Heiraten gesprochen. Und das geht in Bayern schon bei Lebenspartnerschaften mittlerweile sogar vor dem Standesamt. Das war ja am Anfang auch anders.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besagt: Die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft ist eine der Ehe im Wesentlichen gleichartige, institutionell stabilisierte Verantwortungsbeziehung.
Das heißt auf Deutsch, wir haben eine Pflicht zur Gleichstellung, wenn das Wesen der Ehe, also die Anlage der Beziehung auf Dauer und insbesondere auch die gegenseitige Beistandspflicht, vorliegt und berührt ist.
Meine Damen und Herren, was wurde schon alles abgeräumt. Die Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses vom Ehegattensplitting, Unterscheidungen zur Erbschafts- und zur Schenkungsteuer und bei der Grunderwerbsteuer, das alles ist vom Bundesverfassungsgericht schon abgeräumt. Die Sukzessivadoption ist mittlerweile vom Bundesverfassungsgericht erledigt. Offen ist noch die Volladoption. Die Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sind in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen worden; da hat der EuGH nachgeholfen. Es steht aber schon seit 2005 im Sozialgesetzbuch.
Liebe Kollegen von der CSU, wir haben im Ausschuss für den öffentlichen Dienst am 13. April 2010 – ich habe im Protokoll nachgesehen – einstimmig die Anwendung der Vorschriften über Ehegatten auf Lebenspartner, über Witwen und Witwer auf hinterbliebene Lebenspartner und über Eheschließung auf Begründung einer Lebenspartnerschaft beschlossen. Das Transsexuellengesetz hat der Kollege Arnold gerade genannt. Jetzt frage ich Sie: Was außer der Volladoption fehlt noch? – Das mit der Volladoption wäre übrigens gleich erledigt, wenn wir die Gleichstellung vollziehen würden. Ich frage Sie: Worin liegt die von Artikel 6 des Grundgesetzes verbotene Benachteiligung der Ehe? Die Benachteiligung ist verboten. Worin liegt die Benachteiligung der Ehe, wenn wir ihr die gleichgeschlechtliche Ehe gleichstellen? Das erschließt sich mir mittlerweile nicht mehr.
Ist das Grundgesetz wirklich so unflexibel, dass der Ehebegriff nicht einer Wandlung in der Akzeptanz in der Zivilgesellschaft unterliegen könnte?
Wir haben gestern im Rechtsausschuss über die von Ihnen so heiß geliebte Leitkultur gesprochen. Selbst bei der Leitkultur haben Sie konzediert, dass sie dynamisch ist und weiterentwickelt werden kann. Warum soll sich dann das Grundgesetz nicht weiterentwickeln können? Der einzige Unterschied liegt in dem Merkmal der Gleichgeschlechtlichkeit.
Im Bundestag liegt der Antrag der GRÜNEN seit über einem Jahr. Ich kann Ihnen berichten – das habe ich nachgelesen –, dass die CDU-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein für die Gleichstellung der Ehen stimmt. Meine Damen und Herren, das ist nicht unmöglich. Ministerpräsident Seehofer hat in den ver
gangenen Jahren immer wieder ganz pragmatisch vorgetragen, dass er ein einfaches "Geht nicht" nicht akzeptiert. Ich habe den Eindruck, dass Sie einfach bei dem "Geht nicht" bleiben. Natürlich geht es; man muss nur wollen und nicht ideologisch Nein sagen.
Wenn es gesetzlich geht, also ein Verstoß gegen Artikel 6 des Grundgesetzes nicht vorliegt, dann machen wir es halt. Das ist wirklich kein großer Schritt mehr. Wenn es verfassungsrechtlich wirklich noch Widerstände gibt – wir Abgeordnete sind gewählt worden, um Probleme zu lösen –, dann prüfen Sie ernsthaft, was verfassungsrechtlich wirklich noch entgegensteht, und suchen Sie dann im Bundestag gemeinsam eine Lösung. Dafür sind die Kollegen im Bundestag auch gewählt worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Arnold, das Bild des Eisbären ist mir persönlich gar nicht so unsympathisch. Der Eisbär ist eine wundervolle Kreatur, die vor Stärke strotzt.
Er steht auch, glaube ich, in der Arktis an der Spitze der Nahrungskette. Außerdem ist nachgewiesen, so habe ich nachgelesen, dass eine Eisbärin um die 700 Kilometer geschwommen ist und danach noch 1.500 Kilometer gelaufen ist. Das Bild mit der Eisscholle kann uns also eigentlich, so gesehen, nicht schrecken.
Aber zum Thema, meine Damen und Herren. Es ist keine Frage für uns: Wenn Menschen in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft füreinander einstehen und Verantwortung füreinander übernehmen, verdient dies Anerkennung, Respekt und Wertschätzung. Es geht auch nicht um eine Diskriminierung – das ist richtig –, wenn wir gleichgeschlechtliche Partnerschaften in vielen einzelnen Fragestellungen der Ehe gleichsetzen. Aber ich bleibe dabei: Man muss nicht Ungleiches gleich benennen. Eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften kommt für die Bayerische Staatsregierung nicht in Betracht.
Für gleichgeschlechtliche Beziehungen haben wir einen stabilen rechtlichen Rahmen. Es gibt keine wirklichen Benachteiligungen; der Kollege Zellmeier hat das aufgeführt. Die Gleichstellung ist möglich, ohne
dass es dazu der Öffnung der Ehe bedürfte. Herr Kollege Meyer hat ja auch schon Beispiele genannt, die zeigen, dass es eben keine ungerechtfertigte Diskriminierung gibt. Unter dem Deckmantel der Beseitigung von Diskriminierungen, Frau Kollegin Stamm, wird letztlich ein ideologisch begründeter Angriff auf das Institut der Ehe geführt.
Man will nicht anerkennen, dass die Ehe in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in ganz spezifischer Art und Weise definiert ist. Die Verfassung schützt eben die Ehe und die Familie als besondere Institute, und daran werden wir nicht rütteln lassen. Ich bitte darum, den Antrag abzulehnen.
Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich eröffne die Stimmabgabe. Fünf Minuten.
Wir schließen die Abstimmung und zählen außerhalb des Saales aus. Wir unterbrechen kurz die Sitzung und geben dann das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt.
Wir eröffnen die Sitzung wieder und geben das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Abgeordneten Claudia Stamm und anderer (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) betreffend "Ehe für alle" auf Drucksache 17/12326 bekannt. Mit Ja haben 49 gestimmt, mit Nein haben 71 gestimmt. Es gab eine Stimmenthaltung. Damit ist der Antrag abgelehnt.