Protocol of the Session on July 12, 2016

Ich bitte doch um etwas Ruhe!

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Lesen Sie bitte vorher unseren Gesetzentwurf!)

Wollen Sie eine Antwort oder nicht?

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr (SPD))

Wollen Sie eine Antwort, oder wollen Sie keine Antwort?

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Lesen Sie vorher unseren Gesetzentwurf!)

Ich habe ihn gelesen, Frau Strohmayr. Leider. Ich muss vieles von Ihnen lesen, was vollkommen überflüssig ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Dieser Rechtsanspruch führt dazu, dass bestehende Systeme wie das der Horte den Bach hinuntergehen. Das muss ich ehrlich sagen. Sie sagten eben, dass in allen anderen Systemen außer dem gebundenen Ganztag Leute arbeiten, die pädagogisch gar nicht in der Lage dazu sind.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Das habe ich nicht gesagt!)

Das war eben Ihre Aussage.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Sie haben offenbar nicht zugehört!)

Das verbitte ich mir. Wir haben Horte, wir haben Mittagsbetreuung. Wir haben Gott sei Dank ein differenziertes System.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Scheinlösungen!)

Es ist gut, dass wir das in Bayern haben. Dieses System entspricht der Situation vor Ort. Sie haben die Landkreise ohne Ganztagsangebote angesprochen. Frau Strohmayr, egal ob das 65, 104 oder 30 Landkreise sind: Es kommt darauf an, was die Eltern und die Schulfamilien vor Ort möchten.

(Beifall bei der CSU)

Sie möchten es nicht. Ansonsten gäbe es ein solches Angebot.

Herzlichen Dank. – Nächster Redner ist Herr Professor Dr. Piazolo.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens. Ich glaube, da sind wir uns alle einig: Das Ganztagsschulangebot in Bayern muss ausgeweitet werden. Ich glaube, das ist unbestritten.

(Zuruf von der CSU: Muss?)

Ja, muss. Sehr geehrter Herr Kollege, im Grunde ist es so, dass Bayern hier – wir haben es gerade gehört – im Bundesvergleich ganz weit hinten liegt. Das ist

so. Die Eltern wollen mehr Ganztagsangebote. Aber ich nehme zur Kenntnis, dass Sie nicht mehr Ganztagsklassen wollen. Das entnehme ich Ihrer Wortmeldung. Wir wollen es. Deshalb haben wir FREIE WÄHLER eine ganze Reihe von Anträgen gestellt.

Das Wichtigste für uns ist die Erlaubnis von Klassenmehrungen. Sie machen das im Moment nicht möglich. Auch wenn viele Eltern an einer Schule ein Ganztagsangebot wollen, führen Sie es nicht ein, wenn dadurch an der Schule eine Klasse mehr entstehen sollte. Das verhindert Ganztagsunterricht in enormem Maße. Das ist ein Fehler, meine sehr verehrten Damen und Herren. Mit dieser Einstellung kommen wir mit der Schullandschaft in Bayern nicht voran.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich komme zu einem weiteren Antrag, den wir gestellt haben. Wir wollen einheitliche Qualitätsstandards. Das ist ganz wichtig. Es geht nicht nur um die Quantität, sondern auch um die Qualität.

Nun komme ich zum Gesetzestext und zum Rechtsanspruch. Ich sage es ganz offen: Wir haben in der Fraktion intensiv darüber geredet, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein Rechtsanspruch vielleicht zur Schaffung von mehr Ganztagsangeboten führt. Das ist Ihre Intention als Fraktion. Die Quintessenz aber war: Es wirkt auf uns in vielem nicht praktikabel. Zum einen, was vielleicht charakterisierend ist, gibt es kein einziges Bundesland, das das eingeführt hat, überhaupt keines, auch keines, das anders regiert wird, rot-grün oder grün-rot. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ein Rechtsanspruch im Einzelnen konkrete Schwierigkeiten bereitet. Man müsste sich überlegen, wie es ist, wenn dann ein Elternteil sagt: Ich möchte, dass mein Kind eine gebundene Ganztagsklasse besucht. Muss eine solche dann geschaffen werden? Wer schafft sie? Was ist, wenn die anderen Eltern sagen: Wir wollen ein offenes Ganztagsangebot? Das macht es im Einzelfall wahnsinnig schwierig. Die Frage ist, ob die einzelne Schule, der Landkreis oder eine andere Ebene eine Ganztagsklasse liefern muss. Wie ist dieser Anspruch ausgestaltet? Da ist noch vieles offen.

Zu den enormen Kosten gibt es bislang nur Schätzungen. Die Schätzungen belaufen sich auf jährliche Zusatzkosten von über einer Milliarde Euro und wahrscheinlich einmalig zwei Milliarden Euro, zumindest laut der Bertelsmann Stiftung. Sie selber sprechen im Entwurf von um 30 % höheren Personalkosten. Man müsste sich genau anschauen, was mit dieser Zahl gemeint ist. Sind es wirklich um 30 % höhere Perso

nalkosten? Das wäre auf die Lehrer umgerechnet eine fünfstellige Lehrerzahl.

Ein weiteres Problem wäre die Situation in Bezug auf die Gemeinden. Sie wollen eine weite Randbetreuung. Die Gemeinden müssten das übernehmen. Das ist gerade für finanzschwache Gemeinden insbesondere im ländlichen Raum kaum zu stemmen. All das sind Fragen, die uns veranlassen zu sagen: Das ist nicht der Königsweg. Dabei sind wir uns bewusst – das will ich betonen, Frau Kollegin Eiling-Hütig –, dass es einen Unterschied gibt zwischen einem Rechtsanspruch und einer Pflicht. Das ist ganz klar. Das ist gerade erklärt worden.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Ute Eiling-Hütig (CSU))

Aus dem Anspruch entsteht eben keine Pflicht, sondern dabei stellt sich nur die Frage, wie das organisiert wird. Wir als FREIE WÄHLER wollen die Kompetenzen vor Ort ausweiten. Wir wollen Bildungsregionen stärken. Wir wollen, dass die Bildungsregionen vor Ort das Angebot prüfen und es erweitern. Wir wollen passgenaue Lösungen. Wir wollen mehr Stellen und mehr Geld. Darin sind wir uns sicherlich einig. Einen Rechtsanspruch aber halten wir für nicht zielführend, weil er in seinen Einzelheiten noch nicht ausgestaltet ist. Aber wir stärken den Ansatz und das Monitum, die Sie mit diesem Gesetz verbinden. Da werden wir weiter dranbleiben. Wir brauchen in Bayern mehr Ganztagsangebote. Dafür stehen wir FREIE WÄHLER. Dafür werden wir uns einsetzen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herzlichen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Gehring.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dieser Gesetzentwurf der SPD ist der richtige Versuch, etwas dazu beizutragen, die große Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu reduzieren. Der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit betreffend die Ganztagsschulen ist in keinem Bundesland so groß wie in Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Es ist schön, dass wir nicht mehr über die Ideologie, über den Sinn von Ganztagsschulen streiten und dass dieser Streit endlich beendet ist. Auch die Staatsregierung sagt, sie wolle die Ganztagsschulen ausbauen. Aber wenn ich die Ansprüche und die Garantieerklärung des Ministerpräsidenten höre –

flächendeckend, bedarfsgerecht, für jedes Kind bis 14 bei Bedarf – und die Realität sehe – wir haben allenfalls für 11 % der Kinder ein Angebot, wenn wir alles zusammenrechnen –, muss ich fragen: Wo ist da eine Flächendeckung? Dabei geht es nicht darum, Schulen oder Klassen zu zählen; vielmehr stehen die Kinder im Mittelpunkt. Für 11 % der Schülerinnen und Schüler haben wir irgendein Ganztagsangebot. 11 % der Fläche Bayerns entsprechen etwa der Fläche von Oberfranken. Da fehlt noch viel zum ganzen Bayern. Wenn es um den Anspruch geht, ein bedarfsgerechtes Angebot zu machen, heißt das doch: Die anderen 89 % haben keinen Bedarf. Das glaubt doch kein Mensch!

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Wir sind uns über den Bedarf an Ganztagsschulen einig wie auch beim Thema Förderung der Kinder mit Migrationshintergrund. Diese Kinder sind den ganzen Tag in der Schule und bewegen sich im deutschen Sprachraum; aber auch die Sprachbildung vieler deutschstämmiger Schülerinnen und Schüler ist durchaus verbesserungsfähig. Es geht um mehr Zeit für Bildung, für das Vertiefen, für das Anwenden und das praktische Ausprobieren dessen, was man gelernt hat. Auch das ist nicht falsch. Es geht auch um mehr Zeit für musisches Lernen und für Bewegung. Ich weiß schon jetzt, dass das nächste Programm für übergewichtige Kinder kommt: In der Ganztagsschule können diese Programme realisiert werden; dort kann Sport stattfinden.

Es geht auch darum, den Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg in Bayern zu reduzieren. Nach wie vor entscheidet die Herkunft über den Bildungserfolg. Herkunft heißt: Können die Eltern zu Hause helfen, damit es in der Schule funktioniert, oder nicht? Sind die Mütter die Hilfslehrerinnen der Nation oder nicht? Nur wenn wir bessere Ganztagsangebote machen, entlasten wir die Eltern, stützen wir die Schülerinnen und Schüler.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen eingestehen, dass die Umsetzung des Ganztagsangebots in Bayern nicht recht in Fahrt kommt. Wir müssen die Frage stellen, warum wir bei den gebundenen Ganztagsangeboten nicht vorankommen, obwohl der Kultusminister und die CSUFraktion sie loben, sogar der Fraktionsvorsitzende Kreuzer lobt sie. Aber der Ausbau ist nach wie vor mau. Wir führen jetzt die offenen Ganztagsgrundschulen ein. Das ist meines Erachtens ein wichtiger Zwischenschritt, wird aber, wie es ausschaut, in der Praxis dazu führen, dass mancher gebundene

Ganztagszug an mancher Schule eingestellt wird. Schulleiter sagen uns jetzt schon: Wenn ich jetzt noch ein offenes Angebot an meiner Schule bekomme, werde ich die gebundene Ganztagsschule vermutlich einstellen. Das kann’s doch nicht sein! Das kann doch kein Erfolg des Ausbaus der Ganztagsschulen in Bayern sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir begrüßen den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht deswegen, weil er den Bürgerinnen und Bürger etwas vorschreiben will – da liegen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, vollkommen falsch –, sondern weil er den Freistaat in die Pflicht nehmen will. Wo Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinanderklaffen wie bei der CSU-Staatsregierung, brauchen wir Mittel, sie in die Pflicht zu nehmen. Deswegen unterstützen wir diesen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. – Nächster Redner ist der Herr Staatssekretär Sibler.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Der Grundfehler dieses Gesetzentwurfs ist, dass er einzig und allein die gebundene Ganztagsschule in den Mittelpunkt stellt.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Stimmt nicht!)

Sie hat ihre Vorzüge, die wir auch anerkennen; darum haben wir sie in den letzten Jahren vor allem in der Grund- und Mittelschule massiv ausgebaut. Aber sie ist nicht die einzige Betreuungsmöglichkeit, nicht die einzige Form eines Ganztagsangebots, das wir brauchen. Durch einen Rechtsanspruch käme es implizit letztlich zu einem massiven Verlust, vielleicht sogar zur Auflösung von Horten. Wir würden die Horte schwächen, die wir gerade jetzt im bestehenden System zur Abdeckung von Ferien- und Randzeiten brauchen; das ist doch gerade Ihnen ein Anliegen. Genau da haben wir ein zentrales Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir müssen zusehen, dass wir die Vielfalt, die grundsätzlich sehr, sehr gut ist, auch tatsächlich zulassen. Das politische Signal, das Sie mit diesem Gesetzentwurf geben, würde diese Vielfalt einschränken. Dadurch, dass wir nur noch das eine Modell hätten, würden wir auch gewachsene Strukturen in den bayerischen Kommunen verknappen, reduzieren und minimieren. Demgegenüber sind wir froh über und