Vielen Dank. Soweit die Staatsregierung. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zu zwei namentlichen Abstimmungen. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Ich beginne mit dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11195, das ist der Antrag der CSUFraktion. Die Urnen sind bereit. Ich eröffne die Abstimmung. Wir machen fünf Minuten, meine Damen und Herren.
So, meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung. Ich bitte, wie immer, das Ergebnis außerhalb des Sitzungssaales zu ermitteln.
Wenn die Urnen wieder bereit sind, dann kommen wir jetzt zur namentlichen Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11221.
Das ist der Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Dieses Mal machen wir drei Minuten. Bitte schön.
Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung. Ich darf bitten, die Plätze wieder einzunehmen.
Vielleicht darf ich noch folgenden Hinweis auf den Fortgang der Sitzung geben: Wir haben jetzt noch einen Dringlichkeitsantrag zu behandeln. Anschließend schaffen wir nur noch einen Antrag der Tagesordnung. Das wird der Tagesordnungspunkt Nummer 10 sein "Schulbegleitung neu definieren". Anschließend ist die Zeit zu Ende, und dann werden wir die Sitzung auch beenden.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Martin Güll, Kathi Petersen u. a. und Fraktion (SPD) Verfassungsmäßigkeit des Übertrittsverfahrens überprüfen (Drs. 17/11196)
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sind wir alle froh, dass der April kalt und unwirtlich, wie er war, jetzt endlich vorbei ist.
Wir atmen alle auf. Der Mai kommt, es wird wärmer. Wir freuen uns, dass wir wieder entspannt in den Tag gehen können. So ungefähr fühlen sich am 2. Mai auch viele Schülerinnen und Schüler, viele Eltern und viele Lehrer; denn sie haben es wieder einmal geschafft. Am 2. Mai wird das Übertrittszeugnis ausgegeben, dann fällt die ganze Last ab. Für den einen ging es besser, für den anderen nicht so gut. Sprüche von Kindern wie: "Ich brauche die Sieben!" sind vorbei. Ach so, Sie wissen nicht, was das ist? – Das ist zwei plus zwei plus drei, und das ergibt die Sieben. Wenn man das teilt, dann sind das 2,33. Wenn du 2,33 hast, dann hast du es geschafft, dann kannst du auf das Gymnasium gehen, und bei 2,66 auf die Realschule.
Das ist der Kampf, der jedes Jahr von Neuem beginnt. Jedes Jahr ist es das Gleiche. Ehrlich gesagt, eigentlich bin ich es leid, jedes Jahr wieder darüber zu reden. Aber das bleibt so; denn der Druck in der Grundschule bleibt auch so.
In Wahrheit geht es nicht darum, ob die Kinder viel oder wenig lernen. Es geht einzig und allein darum, ob ich die Mittelschule vermeiden kann, ob ich aufs Gymnasium oder mindestens auf die Realschule kann. Das ist der Hintergrund. Das sage ich am Anfang, weil ich auch weiß, dass man diese Problematik nur mit dem Vorschlag der SPD, in einer integrativen Schulform länger gemeinsam zu lernen, lösen kann. Das weiß ich. Das ist auch nach wie vor das Ziel der SPD-Fraktion. Auch das sei am Anfang gesagt.
Ich will an dieser Stelle noch einmal Folgendes feststellen. Bei der Frage verbindlicher oder unverbindlicher Übertrittsempfehlungen kommt von Ihnen immer
der Einwand der sozialen Herkunft und das Argument, das könnten wir auch damit nicht lösen. Ja, das stimmt, wir werden dieses Problem mit dem Instrument allein nicht lösen können, aber wir können es eventuell abmildern. Ich bin mir ganz sicher, wir können zumindest den Druck von den Eltern nehmen. Deshalb lohnt es sich auch, über diesen Vorschlag nachzudenken. Klar ist – das wissen Sie auch –, Eltern mit einem entsprechenden Hintergrund werden über Nachhilfe oder andere Unterstützung den Weg aufs Gymnasium oder auf die Realschule finden, und wenn sie auf Privatschulen ausweichen müssen. Seien wir doch ehrlich, wir würden es auch nicht anders machen. Das ist die Realität, und deshalb müssen wir uns mit dieser Thematik beschäftigen.
Wir wollen eine rechtliche Überprüfung auch deshalb – so steht es in unserem Dringlichkeitsantrag –, weil das in Bayern gültige Regularium vorsieht, dass alleine die Noten entscheiden. Aus verschiedenen Studien, zum Beispiel der Bos-Studie oder der IGLU-Studie, wissen wir, dass Lehrer, wenn auch nicht bewusst, aber doch unterbewusst, sich bei der Notengebung durch den sozialen Hintergrund beeinflussen lassen. Wir wissen definitiv, dass die Note 2 in der Grundschule A nicht die Note 2 in der Grundschule B ist. Die Noten sind also ein denkbar schlechtes Mittel, um diese weitreichende Entscheidung zu treffen.
Wir wissen auch, dass die regionalen Disparitäten bei den Übertrittsempfehlungen extrem auseinandergehen. Im landesweiten Schnitt treten 39,1 % der Schüler ans Gymnasium über. In München Land sind es aber 61 % und in Rottal-Inn 25 %. Das kann doch wirklich nicht mit dem Verfassungsauftrag, überall gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, übereinstimmen. Auch das muss überprüft werden.
Die verfassungsrechtliche Überprüfung ist ein Teilaspekt dieses Themas. Man kann sie vielleicht auch als ein nicht so geeignetes Mittel erachten. Wir müssen sie aber auch in den Blick nehmen; denn das Kultusministerium sagt, man habe seit 2009 die Elternverantwortung in Bayern deutlich gestärkt. Was meint das Kultusministerium damit? – Die Eltern dürfen nicht mitbestimmen, solange die Note 2,3 lautet. Sie dürfen grundsätzlich auch nicht beim Probeunterricht mitbestimmen. Sie dürfen beim Probeunterricht nur dann mitbestimmen, wenn zweimal die Note 4 auftaucht. Das hat mit Elternmitwirkung gar nichts zu tun. Deshalb müssen wir auch den Blick darauf werfen.
Eltern können heute zwar korrigieren, wenn das Kind die Eignung fürs Gymnasium hat, sie es aber auf die Realschule schicken wollen. Das nennen die Verfassungsjuristen eine positive Korrektur. Deshalb stellt sich die Frage, warum die negative Korrektur nicht möglich sein soll. Warum können sich Eltern über die Note 2,33 nicht hinwegsetzen, wenn viel dafür spricht, dass ihre Kinder doch geeignet sind, den Weg aufs Gymnasium zu gehen? – Wir wollen dieses Elternrecht überprüft haben. In Artikel 6 des Grundgesetzes ist dieses Recht auch verbrieft. Deshalb lohnt es sich, auch einmal einen Blick darauf zu werfen.
Was will die SPD? – Sie wissen, dass wir immer dafür eingetreten sind, das Übertrittsverfahren, wie es jetzt besteht, abzuschaffen. Wir wollen nicht nur eine Empfehlung wie in Baden-Württemberg oder in NordrheinWestfalen, damit es nicht gleich wieder heißt, dort läuft es auch nicht so gut. Wir wollen eine professionelle Beratung für die Eltern sowohl durch die abgebende als auch die aufnehmende Schule. Wir wollen eine unverbindliche Empfehlung der Grundschule. Wir wollen aber den Elternwillen als die letztendliche Entscheidungsinstanz haben. Das ist unser Ziel, und das wollen wir erreichen. Nicht eher werden wir aufgeben. Ich bleibe dabei: Das jetzige System ist schädlich für unsere Kinder.
(Vom Redner nicht autori- siert) Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Güll, Sie reden von den Eltern und den Kindern, die massiv unter Druck stehen. Sie haben den Vater einer Tochter vor sich, der in genau dieser Situation ist. Wir warten auf das Übertrittszeugnis am 2. Mai, auf die Schulempfehlung; und ich sage Ihnen, ich bin entspannt wie nie; denn ich weiß, dass unser bayerisches Schulsystem so ausdifferenziert und ausgeklügelt ist, dass es nicht so ist, wie Sie es den Menschen sagen. Sie behaupten nämlich, dass in der vierten Klasse über die Zukunft des Kindes entschieden wird.
Wir haben im Gegenteil alle Möglichkeiten. Die Durchlässigkeit des bayerischen Schulsystems war noch nie so groß. Mit diesem Dringlichkeitsantrag betreiben Sie schlicht und ergreifend Angstmacherei. Sie versuchen, die Menschen auf irgendeine Schule zu treiben, die Sie für ideologisch am sinnvollsten halten. Das ist aber totaler Krampf. Herr Nida-Rümelin müsste Ihnen allen bekannt sein. Er warnt vor einer Akademiker
schwemme. Herr Kollege Güll, Sie brauchen den Kopf gar nicht zu schütteln. Dafür, dass Herr Nida-Rümelin auch Recht hat, will ich Ihnen ein Beispiel nennen. Sie haben nämlich vorhin gesagt, den Eltern gehe es allein darum, wie sie die Mittelschule vermeiden können.
Jetzt will ich Ihnen ein Beispiel nennen, und wenn Sie zuhören, bekommen Sie das Beispiel auch mit. Ostersonntag 2015, meine Familie und ich kommen aus dem Ostergottesdienst nach Hause, und die Heizung ist kalt. Ich bin studierter Jurist, ich stehe vor der Heizung und stelle fest, sie blinkt. Mehr kann ich nicht sagen. Verbringen wir jetzt Ostern in einem kalten Gebäude, oder was machen wir? – Ich habe meinen guten Freund angerufen. Der hat damals die Hauptschule abgeschlossen. Er kennt sich mit der Heizung aus. Er kam am Ostersonntag und hat mir die Heizung repariert. Ich bin gottfroh, dass er kein Studierter, kein Akademiker ist und dass er in der Lage war, meine Heizung zu reparieren, damit wir am Ostersonntag wieder in einem warmen Haus gesessen haben. Was tun dagegen Sie mit Ihrer Diskussion?
Ja, langsam; damit ist er eingestiegen, und darauf muss ich reagieren. – Jetzt reden Sie über die Verfassungsmäßigkeit des Übertrittsverfahrens. Ich finde die Prozentzahlen, die Sie aufgelistet haben, schon interessant. Das sind natürlich Prozentzahlen, die Sie aus einem Schuljahr herausgegriffen haben. Die Übertritts- bzw. Laufbahnempfehlungen variieren. Das wissen Sie ganz genau. Beispielsweise war Hof ein Jahr später wieder in einer ganz anderen Prozentliga. Damals lag der Anteil bei 43 %.
Ich halte es für richtig und in Ordnung, wenn wir uns damit einmal grundsätzlich beschäftigen. Aber das ist erstens kein Anlass für einen Dringlichkeitsantrag. Zweitens wäre es dann, wenn Sie diese Prozentzahlen heranziehen, wichtig, die Ursachen zu kennen. Sie sagen, laut VERA sind die Leistungen der Kinder in Bayern etwa gleich. Dazu muss ich ganz ehrlich sagen, Herr Güll: Sie kennen doch das System
VERA. Sie wissen doch ganz genau, was bei diesen Vergleichsarbeiten gemacht wird. VERA ist nicht geeignet. VERA fragt doch nicht die Wissensstände ab.