Ja, das ist schwierig. Das ist ein Thema, bei dem meine Emotionen hochkochen. Wir geben für so viele Vorhaben Geld aus – warum dann nicht für ein Vorhaben, das so wichtig ist? Wir dürfen junge Menschen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind, nicht allein lassen. Es gibt zwar schon entsprechende Beratungsstellen in kommunaler Hand, aber diese brauchen noch viel mehr Unterstützung. Die Stellen, die es bereits gibt, und die, die – hoffentlich – noch geschaffen werden, bedürfen der Koordinierung.
Ich komme auf Ihre Auffassung zurück, das sei Privatsache. Das ist okay. Ich akzeptiere, wenn in der CSU und bei den FREIEN WÄHLERN das Familienmodell "Mutter – Vater – Kind" vorherrscht und dass Sie darauf Ihre Politik gründen. Ich kann daher auch akzeptieren, dass Sie zum Beispiel den Familienbund fördern – wir sind uns einig, dass die Broschüre, die er herausgegeben hat, nicht im Sinne des Ministeriums ist –, um Ihr Bild von Familie zu verbreiten. Ich verstehe allerdings nicht, warum Sie Minderheitenvorstellungen nicht fördern wollen. Gerade insoweit sind doch Aufklärung und Unterstützung dringend notwendig.
Die Frau Ministerin hat mir auf meine Anfrage geantwortet, dass nicht beabsichtigt sei, einen Leitfaden herauszubringen, und dass im Sinne der weiteren Unterstützung von Transgender, Lesben und Schwulen nichts geplant sei. Warum nicht? Warum beschränken Sie Aufklärung auf den Bereich des Mainstreams?
Meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich gegen Diskriminierung und für die Selbstbestimmung und die Akzeptanz sexueller Vielfalt einsetzen, dann geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie dem GRÜNEN-Antrag auf Einrichtung einer Beratungsstelle für queere Persönlichkeiten zu.
Danke schön, Herr Dr. Förster. Bleiben Sie bitte noch. Es gibt eine Zwischenbemerkung von Kollegen Freller. Bitte schön.
Herr Kollege, ich nehme das Thema außerordentlich ernst. Der Antrag hat auch was; das will ich durchaus sagen.
Aber eines nehme ich auch ernst – dazu haben Sie nichts gesagt –: die Einstellung des Islam zur Homosexualität. Es würde mich schon interessieren, wie wir Ihrer Einschätzung nach diesem Problem begegnen wollen. In Saudi-Arabien wird Homosexualität nicht
nur abgelehnt, sondern dort steht auf Homosexualität die Todesstrafe. Wie wollen Sie erfolgreich der Ablehnung von Homosexualität im Islam entgegentreten?
Herr Kollege Freller, da ich Sie seit vielen Jahren kenne, auch aus gemeinsamer Arbeit im Bereich der Jugendpolitik, fasse ich Ihre Frage so auf: Stimme ich Ihnen zu, dass es zusätzliche Aufgaben geben wird, die zusätzliche Kräfte binden werden, um Meinungen, die wir sicherlich nicht haben wollen, die aber in unsere Gesellschaft einströmen, zu begegnen? – Dass es diese zusätzlichen Aufgaben geben wird, will ich gar nicht leugnen. Daher brauchen wir erst recht jemanden, der die Koordinierung übernimmt. Deswegen danke ich Ihnen für Ihre Anregung, dieses Argument mit aufzunehmen.
Danke schön, Herr Kollege Dr. Förster. – Aber Sie müssen leider noch einmal nach vorn kommen. Es gibt eine weitere Zwischenbemerkung, diesmal von Kollegin Stamm. Bitte schön.
Herr Dr. Förster, es ist spannend, dass jedes Mal, wenn es um den Islam geht, ausgerechnet der CSU die Forderung nach Gleichstellung, Toleranz und Akzeptanz von Homosexualität einfällt.
Gleichzeitig verweigert die CSU in diesem Hohen Haus jedem Antrag, der der Gleichstellung von queeren Lebensweisen entsprechen würde, die Zustimmung. Das ist das eine.
Das Zweite ist: Ich sehe es so wie Sie; man muss das differenziert sehen. Angesichts anderer Wertvorstellungen gibt es sicherlich noch mehr Bedarf an einer queeren Koordinierungsstelle. Die CSU hat heute die Chance zuzustimmen. Kollege Freller hat das Argument schlechthin gebracht, warum wir diese Koordinierungsstelle brauchen. Vielen Dank, Herr Freller!
Liebe Kollegin Stamm, auch Sie haben sicherlich gehört, dass Herr Kollege Freller in seinen einleitenden Worten betont hat, dass er die
ses Thema sehr ernst nehme und dass er ihm sehr wohl etwas abgewinnen könne. Eine historische Betrachtung zeigt, dass es für die CSU sicherlich nicht leicht gewesen ist, den einen oder anderen Schritt in diese Richtung zu gehen. Aber die CSU ist diese Schritte gegangen. Ich bin zuversichtlich, dass die Kolleginnen und Kollegen von der CSU genau dieses Argument für die Koordinierungsstelle vermisst haben, was sicherlich dazu führen wird, dass der eine oder andere Kollege dem Antrag der GRÜNEN zustimmen wird.
Danke schön, Herr Kollege Dr. Förster. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Gottstein. Bitte schön.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte anders beginnen. Aber nach Ihren Ausführungen, lieber Kollege Dr. Förster, muss ich schon sagen: Dass Sie hier eine Lagerbildung vorgenommen und das Familienbild der CSU und der FREIEN WÄHLER als altmodisch bezeichnet haben – Sie sprachen von "Vater – Mutter – Kind" –, finde ich schwach.
(Dr. Linus Förster (SPD): Ich habe nicht "altmodisch" gesagt! Ich habe gesagt, dass ich das akzeptiere!)
Ich kann nur für meine Fraktion, die der FREIEN WÄHLER, sprechen. Schauen Sie bitte nach, was Sie über unser Familienbild finden. Wir sprechen von "Familiensplitting", nicht von "Ehegattensplitting". Wir sagen: Familie ist dort, wo Kinder sind. – Das kann man in vielen unserer Publikationen nachlesen. Uns in eine Schublade zu stecken, finde ich nicht in Ordnung. Das ist durch Ihre Bemerkung leider geschehen. Aber wir brauchen hier kein Denken in Schubladen. Wenn das doch geschieht, dann finde ich das schade.
Der Antrag enthält wichtige, durchaus sinnvolle Forderungen. Ich möchte für die Fraktion der FREIEN WÄHLER klar feststellen: Es geht hier nicht darum, Lebensweisen moralisch zu bewerten. Wir sind als Gesetzgeber tätig. Natürlich kann jede Lebensform so gelebt werden, wie der Betroffene das wünscht. Der Staat hat sich insoweit nicht einzumischen.
Ich möchte ein Zweites anmerken: Es ist bedauerlich und erschreckend, feststellen zu müssen, welchen Anfeindungen manche Menschen und Gruppierungen im Jahr 2015 – wir haben fast das Jahr 2016 erreicht – in Deutschland, in Bayern immer noch ausgesetzt
sind. In dieser Einschätzung sind wir uns sicherlich alle einig; das ist ein weiteres Argument gegen den Versuch von Herrn Dr. Förster, uns in eine Schublade zu stecken.
Natürlich ist es auch Aufgabe der Politik, in einem bestimmten Prioritätengefüge sinnvolle Lösungen zu suchen. Auch wir sehen diese Koordinierungsstelle nicht in erster Priorität als sinnvoll an. Wir als FREIE WÄHLER sind für dezentrale Lösungen. Ich glaube, Kollege Huber hat vorher gut dargelegt, dass wir drei verschiedene Ebenen haben. Auch wir glauben nicht, dass eine weitere bürokratische Ebene nötig ist.
Wir sind der Meinung, dass es wesentlich wichtiger ist – diesbezüglich müssen wir über das Geld sprechen –, die Kommunen so auszustatten, dass sie auch in diesem Bereich ihre Beratungstätigkeit besser ausüben können. Wir glauben aber nicht, dass eine weitere bürokratische Stelle das richtige Mittel ist, weil unser Bayern letztendlich zu groß ist. Es handelt sich – der Begriff ist schon gefallen – eindeutig um eine Querschnittsaufgabe. Deshalb ist es unserer Meinung nach wesentlich sinnvoller, die entsprechenden Ministerien, vor allem im Bereich Kultus, und das Personal, die Lehrer usw. zu sensibilisieren.
Liebe Kollegin Stamm, Claudia, du weißt, wie sehr ich dich schätze. Ich finde es aber in dieser Diskussion nicht fair, mit der Selbstmordrate von Kindern und Jugendlichen letztlich so emotional zu argumentieren. Wenn wir von der Selbstmordrate von Kindern und Jugendlichen reden, dann müssen wir auch noch über ganz andere Sachen reden, zum Beispiel über Schuldruck, familiäre Verhältnisse usw. Hier speziell auf diese Gruppe zu fokussieren, ist falsch und entspricht auch nicht der Realität.
Ich kenne die Zahlen anderer Bereiche. Deshalb erwarte ich auch den Einsatz für diese anderen Bereiche, bei diesen anderen Problemen, wo wir Kinder und Familien allein lassen. Dazu höre ich aber leider nicht so viel.
Das ist der Grund, warum wir meinen, dass man über Forderungen sicher sprechen kann. Der Lösungsansatz ist für uns aber verkehrt. Deswegen lehnen wir den Antrag ab.
Bleiben Sie bitte noch am Rednerpult, Frau Gottstein. Kollege Dr. Förster hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. – Bitte schön.
Frau Kollegin, ich wollte Sie etwas fragen. Ich war überzeugt davon, dass ich gesagt habe, dass Ihre Fraktion mehrheitlich dieses Familienbild vertritt. Ich habe nicht gesagt, dass dies in Ihrem Parteiprogramm steht. Deswegen wollte ich Sie fragen: Habe ich "mehrheitlich" gesagt? – Falls nein, tut es mir leid. Ich wollte nicht alle Mitgliedern der FREIEN WÄHLER in ein pauschales Familienbild unterstellen. Falls ja, falls ich "mehrheitlich" gesagt habe, wollte ich Sie fragen: Sehen Sie das nicht so? Stehen die FREIEN WÄHLER nicht mehrheitlich für dieses Familienbild?
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die SPD wird auch nicht 100 : 0 hinter einem bestimmten Bild stehen!)
Ich habe davor gewarnt, in Schubladen einzuordnen. Das Familienbild der FREIEN WÄHLER, so wie die Fraktion es nach außen trägt, für das wir als Abgeordnete der FREIEN WÄHLER stehen, ist wie folgt definiert: Familie ist dort, wo Kinder sind. Dazu stehen wir. In verschiedenen Gesetzentwürfen usw. kann man überall nach Kleinigkeiten suchen. Das Familienbild ist: Familie ist dort, wo Kinder sind. Deswegen fordern wir zum Beispiel das Familiensplitting.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema ist ernst, das Thema berührt uns, und das Thema ist wichtig. Deshalb passen irgendwelche Schwarz-Weiß-Malereien oder hämische Schärfe überhaupt nicht zu diesem sensiblen Thema.
Grundsätzlich halte ich persönlich sexuelle Identität selbstverständlich für den privatesten, intimsten Bereich, den ein Mensch haben kann. Es geht um den Schutz dieses persönlichsten und intimsten Lebensbereiches. – Ist das so lächerlich, Herr Kollege Pfaffmann?
Lasst uns dieses wichtige Thema ernst nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich meine es ernst. Deshalb verstehe ich Ihr komisches Lächeln überhaupt nicht.