Protocol of the Session on September 27, 2018

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben zwei Zwischenbemerkungen. Zunächst Herr Kollege Stümpfig.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie erlauben mir Zweifel an Ihrer heutigen Aussage, Ihre freiwilligen Maßnahmen hätten die gleiche Verbindlichkeit wie ein Gesetz, in dem klar festgelegt ist, was Sektorziele und Zwischenziele sind und wo wir hinwollen. Verbindliche Ziele bleiben Sie schuldig. Wie wollen Sie diese Ziele erreichen? Die Bilanz wurde vorgelegt: In den letzten 25 Jahren wurden die CO2-Emissionen um 10 % gesenkt. Wir müssten im nächsten Jahr eine Reduktion von 40 % schaffen, also um 30 % in einem Jahr. Wie wollen Sie das erreichen?

Wir hatten einen gewaltigen Hitzesommer. Die Landwirtschaft klagt. Wir haben Waldschäden, die zwar noch nicht heuer, aber im nächsten Jahr feststellbar sein werden. Wir müssen Angst haben, dass unsere Wälder im großen Stil zusammenbrechen. Jetzt kommen Sie und legen für die Landwirtschaft Programme zur Bewässerung auf. Das ist kurzfristig gedacht. Sie setzen einfach fort, was in der Vergangenheit gemacht wurde. Sie haben in den letzten Jahren mehr Geld für die Reparatur der Klimaschäden als für Maßnahmen des vorbeugenden Klimaschutzes ausgegeben.

Meine Frage: Ist es sinnvoll, so weiterzumachen? Zweite Frage: Wann bilanzieren Sie die nicht energiebedingten CO2-Emissionen der Landwirtschaft, die rund zwei Tonnen pro Kopf ausmachen? Sie haben gesagt, Sie wollten eine Reduktion auf unter fünf Tonnen bis zum Jahr 2030 erreichen. Sind da die nicht

energiebedingten CO2-Emissionen dabei? Sollten sie nicht dabei sein, läge das Ziel bei sieben Tonnen. Dies wäre wirklich ein Offenbarungseid; denn dann würden wir die Klimaziele von Paris niemals einhalten.

Zunächst möchte ich auf eines hinweisen: Wenn wir uns um den Klimawandel kümmern, müssen wir alles gleichzeitig machen. Es hätte keinen Sinn, wenn wir uns nur um lokale Maßnahmen kümmern würden, die, wie das Herr Kollege Ritt gesagt hat, mit massiven Auswirkungen auf jeden einzelnen Bürger verbunden wären. Wir würden uns damit selbst kasteien, um ein Vorbild zu sein. Das macht keinen Sinn, wenn wir nicht auch andere Maßnahmen ergreifen.

Das heißt, wir werden gleichzeitig den Folgen begegnen müssen, auch wenn es mir lieber wäre, wenn wir, falls wir den Klimawandel in dieser Form nicht hätten, diese Folgen nicht bewältigen müssten.

Die Grundsatzfrage lautet: Ist ein solches Gesetz notwendig oder nicht? – Wir sind der Auffassung, dass wir mit unseren finanziell gut dotierten Maßnahmen weiter kommen als mit einem Gesetz, über das wir letztlich stolpern, weil wir es nicht erfüllen können. Es ist eine wichtige Aufgabe – darin sind wir uns sicherlich einig –, die Landwirtschaft mit ins Boot zu holen. Aber die Maßnahmen sind momentan noch nicht umgesetzt. Dieses Thema müssen wir unter Einbeziehung der vorliegenden Erkenntnisse verstärkt angehen. Die Behauptung, dass die Landwirtschaft wieder der Hauptverursacher sei, passt allerdings nicht zu laufenden Braun- und Steinkohlekraftwerken und zu einem völligen Defizit bei dezentralen Speicheranlagen. Wir werden alle diese Aspekte gleichzeitig angehen.

Sie haben auch gesagt, wir hätten möglicherweise den nicht energiebedingten Ausstoß nicht in diese Zahl eingerechnet. Aber wer sich die von uns umgesetzten Maßnahmen wie zum Beispiel Moorschutzmaßnahmen etc. ansieht, stellt fest: Das sind alles keine Erzeugerthemen, sondern Bereiche, in denen wir versuchen, auch den nicht energiebedingten Ausstoß zu reduzieren.

Ich bin mir sicher, wir können heute nicht genau sagen, was im Jahr 2030 Sache ist. Wir können nur Ziele festlegen, uns auf den Weg machen und uns mit Hunderten von Millionen Euro in diese Richtung bewegen. Aber auch die Gesellschaft muss mitmachen, weil wir das alles nicht nur durch Vorschriften regeln können.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Moment, bitte. Wir haben noch eine Meldung zur Zwischenbemerkung von Herrn Dr. Fahn vorliegen.

Ich habe mit Interesse vernommen, dass Sie gesagt haben, es werde eine sogenannte Verfassungskommission ins Leben gerufen. Auch die Aufnahme des Klimaschutzes in die Bayerische Verfassung sei ein Thema.

(Staatsminister Dr. Marcel Huber: Könnte sein!)

Das heißt, Sie stellen sich jetzt nicht mehr dagegen, sondern unterstützen so etwas. Ich darf daran erinnern, dass wir FREIEN WÄHLER zweimal einen Gesetzentwurf eingebracht haben, den Klimaschutz in die Bayerische Verfassung aufzunehmen, aber Sie das Begehren zweimal abgelehnt haben. Ich sehe, Sie haben umgelernt und stehen jetzt dieser Forderung, die wichtig ist, weil sich damit auch die Gerichte befassen, positiv gegenüber. Können Sie das hier nochmals bestätigen?

Ich habe Ihnen gesagt, dass der Ministerpräsident den Weg aufgezeigt und sich aufgemacht hat, darüber zu reden. Wir werden uns über dieses Begehren unterhalten. Zu sagen, das müssen wir unbedingt so hinbekommen, wäre eine Vorwegnahme. Aber die Bereitschaft, darüber zu reden, ist die Neuigkeit dieses Abends.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt. Ich lasse zunächst in einfacher Form über den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion und dann in namentlicher Form über den Gesetzentwurf des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN abstimmen.

Zunächst erfolgt die Abstimmung über den Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion auf Drucksa

che 17/21763.

(Unruhe)

Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit. – Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfiehlt hier die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER

und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Eine Stimmenthaltung des Kollegen Muthmann (fraktionslos). Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich komme jetzt zum Initiativgesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/21585 zurück. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Abstimmungszeit: fünf Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 16.04 bis 16.09 Uhr)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die fünf Minuten sind um. Die Abstimmung ist geschlossen. Wir zählen außerhalb des Sitzungssaals aus. Bitte nehmen Sie wieder Platz, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zum Artenschutz in Bayern - Bayerisches Artenschutzgesetz (Drs. 17/23106) - Zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache und bitte Herrn Dr. Magerl zum Rednerpult.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es trifft sich sehr gut, dass die beiden Themen Klimaschutz und Natur- und Artenschutz heute als letzte Tagesordnungspunkte dieser Legislaturperiode aufgerufen worden sind.

(Erwin Huber (CSU): Letzte Rede!)

Ja, kommt schon noch, Herr Kollege Huber. – Es trifft sich deshalb gut, weil die CSU bei diesen Themen eigentlich die größten Defizite in diesem Land hinterlässt, wenn sie am 14. Oktober ihre Niederlage erleiden wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

In keinem anderen Bereich versagen Sie so wie hier. Wer sich die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten von heute Vormittag anschaut, stellt fest, dass vorkam, den Klimaschutz noch möglicherweise in die Verfassung zu nehmen, aber beim Bereich Natur- und Artenschutz war absolut Fehlanzeige. Ich finde es skandalös, dass in einer Regierungserklärung, bei der von der Zukunft Bayerns geredet wird, der wesentli

che Bereich Natur- und Artenschutz mit keiner einzigen Silbe erwähnt worden ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Florian von Brunn (SPD))

Die CSU und die Staatsregierung lassen den Naturschutz in Bayern am ausgestreckten Arm verhungern. Sie haben versucht – das wurde heute Vormittag kurz deutlich –, sich auf den Lorbeeren der 1970er-Jahre – erstes Umweltministerium – auszuruhen. Ja, das war damals ein Fortschritt. Damals gab es in Bayern auf diesem Sektor einen Fortschritt. Aber seitdem gibt es in Bayern auf diesem Gebiet fast nur Rückschritte. Schaut man sich den Natur- und Artenschutz an, stellt man fest: Wir haben immer länger werdende Rote Listen. Die für die Tier- und Pflanzenwelt wichtigen Lebensräume schwinden immer mehr. Die Intensität der Landnutzung nimmt immer mehr zu. Die Situation ist entsprechend katastrophal. Das stellen alle Experten fest. Alle Experten, ob von der Zoologischen Staatssammlung, den Universitäten oder den Naturschutzverbänden, kommen zum gleichen Ergebnis: Die Situation ist fatal. Um den Zustand der Natur und der Arten in Bayern ist es schlimm bestellt. Absolut dringendster Handlungsbedarf besteht. Deshalb haben wir, die GRÜNEN, zum Abschluss dieser Legislaturperiode noch unseren Gesetzentwurf zum Artenschutz in Bayern mit Änderungsvorschlägen zu diversen bayerischen Gesetzen eingebracht. Ich möchte an dieser Stelle auf einige Punkte eingehen, soweit das im Rahmen der kurzen Redezeit möglich ist.

Wir, die GRÜNEN, wollen den Schutz von verschiedenen extrem gefährdeten Lebensräumen im Gesetz neu verankern und neu definieren. Ein wichtiger Aspekt ist der Schutz des Grünlandes. Dieser Lebensraum ist uns in den letzten Jahren durch die Finger geglitten. Das ist eine dramatische Entwicklung. Der Flächenverbrauch in Bayern ist mit 10 Hektar pro Tag immer noch katastrophal. Der Flächenverbrauch geht indirekt fast zu 100 % zulasten des Grünlandes. Dadurch verschwindet eine Lebensgemeinschaft, die zu den artenreichsten Lebensgemeinschaften Mitteleuropas zählt. Diese Lebensgemeinschaft wird immer kleiner und landet letztendlich auf der Roten Liste. Das gilt auch für die Flachland-Mähwiesen, die dazugehören. Dort ist es besonders dramatisch. Ich verweise hier auf ein Beispiel für Ihr Versagen im Bereich Naturschutz.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Im Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebiet Paar, welches sich über die Landkreise Schwaben und Oberbayern erstreckt, sind von den 558 Hektar Flachland-Mähwiesen, die noch vor wenigen Jahren im Standarddaten

bogen genannt worden sind, bei der Erstellung des Managementplans ganze 18,5 Hektar übrig geblieben. Innerhalb weniger Jahre ist das Gebiet von 558 Hektar auf 18,5 Hektar geschrumpft, und das trotz FFH-Status. Kolleginnen und Kollegen, das sind amtliche Zahlen. Das sind nicht meine Erhebungen. Das zeigt, wie dramatisch die Situation ist. Das zeigt, wie schlecht Sie im Bereich Naturschutz aufgestellt sind, speziell im Bereich des Personals bei den Unteren Naturschutzbehörden. Dort sitzen die Leute, die das Ganze letztendlich umsetzen sollten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir, die GRÜNEN, fordern eine deutlich schärfere Kontrolle bzw. überhaupt eine Kontrolle – von "schärfer" brauchen wir gar nicht zu reden – der Ausgleichs- und Ersatzflächen in Bayern. Die Studie zum Zustand der Ausgleichsflächen in Bayern, die das Landesamt für Umwelt hat erstellen lassen – in diesen Bereich fließen Millionenbeträge –, kommt zum Ergebnis: Nur ein Viertel der Gebiete ist gut. Ein Viertel geht so. Ein Viertel ist schlecht, und ein Viertel ist überhaupt nicht angelegt worden, da es nicht gefunden wurde. Das ist ein Skandal. Hier wird ein Gesetz nicht vollzogen. Das Bundesnaturschutzgesetz, § 15 ff., wird nicht vollzogen. Das ist in Bayern offensichtlich gleichgültig. Darum muss man sich kümmern. Die Kontrolle für diese Flächen muss im Gesetz verankert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Erfassung und die Kartierung liegen in Bayern besonders im Argen. Die Biotopkartierung und das Arten- und Biotopschutzprogramm Bayern sind im nationalen Bereich durchaus Flaggschiffe über die Grenzen Bayerns hinaus. Sie sind aber auf dem ursprünglichen Stand stehen geblieben. Viele dieser

Erhebungen befinden sich auf dem Ersterhebungsstand von vor 30 Jahren. Damit kann man nicht operieren. Ich möchte die Reaktion des Innenministeriums sehen, wenn man ihm mitteilt: "Ihr nehmt die Zahlen von vor 30 Jahren. Die tun‘s schon für euch. Damit könnt ihr eure Planungen machen." Ich möchte sehen, wie die zu toben anfangen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Erfassung der Tier- und Pflanzenarten der Roten Liste muss in wesentlich kürzeren Abständen erfolgen. In Ihrer Biodiversitätsstrategie haben Sie erklärt, die Hälfte der Arten auf der Roten Liste bis 2020 um eine Stufe verbessern zu wollen. Bis heute sind noch 95 % der Arten auf der Roten Liste auf dem Stand von 2003. Wie wollen Sie überhaupt feststellen, ob eine Verbesserung eingetreten ist, wenn die zur Verfügung stehende Rote Liste 15 Jahre alt ist? So, wie

Sie unterwegs sind, funktioniert es schlicht und ergreifend nicht.

Ich muss feststellen, dass Sie beim Natur- und Artenschutz auf der ganzen Linie versagt haben. Schlimmer könnte es nicht sein. Es geht hier um den Schutz des Lebens. Es geht um Lebewesen, die nicht mehr wiedergebracht werden können. Wenn sie ausgestorben sind, dann sind sie weg. Ausgestorben ist ausgestorben. Ausgestorbene Tierarten kann ich nicht wieder aus dem Ärmel schütteln. Sie versündigen sich an den kommenden Generationen. Die müssen dann in einer artenarmen Welt aufwachsen. Dann wird es kaum noch Vogelstimmen zu hören geben. Dann wird es kaum noch Blühpflanzen geben. Deshalb müssen wir dringend umsteuern. Das wollen wir mit diesem Gesetzentwurf erreichen. Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie dringend um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.