Sie haben gerade ausgeführt, warum ein Beauftragter für queere Lebensweisen nicht nötig ist. Sie haben zum Beispiel gesagt – –
Herr Unterländer, wenn Sie etwas sagen möchten, dann treten Sie ans Mikrofon. Ich habe richtig Lust, mich mit Ihnen auseinanderzusetzen. – Der Kollege Hölzl hat eben ausgeführt, dass zum Beispiel von verschiedenen Ressorts koordinierende Maßnahmen unternommen werden. Ich unterstelle dem Kultusminister Sibler und der Wissenschaftsministerin Kiechle, dass sie sich zum Beispiel in Sachen Kampf gegen Antisemitismus sehr häufig mit den einschlägigen Gruppierungen treffen. Deswegen brauchen wir keinen Beauftragten gegen Antisemitismus, sondern das ist Staatsaufgabe. Insofern ist das gerade ein grandioses parlamentarisches Highlight gewesen. Alle Argumente zur Abschaffung der Beauftragten sind gerade ausgeführt worden.
Ich möchte ganz klar darstellen, warum wir den Antrag sehr gerne unterstützen. Kolleginnen und Kollegen, am Samstag sind Natascha Kohnen und ich bei einer großen Aktion der BayernSPD dabei. Wir alle werden vornedran Wagen als Leitfiguren führen oder in Bodenmannschaften mitgehen, um den Christopher Street Day, den Tag, an dem vor vielen Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten schwulen und lesbischen Menschen sehr viel Unrecht angetan wurde, zu begehen. Am Christopher Street Day in München, Augsburg, Regensburg, Würzburg und Nürnberg wird mit Tausenden Menschen dieses Tags gedacht. Der Landtagskandidat Josef Schmid von der CSU hat übrigens schon vor drei Jahren mit einer flammenden Rede auf dem Marienplatz seine große Freundschaft zu der queeren Szene dargestellt und große Angebote gemacht. Aber Sie laufen gerne einfach nur dem bunten Wagen hinterher, unterstützen aber inhaltlichpolitisch grundsätzlich nichts.
Wir brauchen eine Koordinierung zum Beispiel zum § 175, der letztes Jahr abgeschafft wurde. Das ist der Paragraf, durch den bis in die 1990er-Jahre schwulen Männern großes Leid und große Demütigung zugefügt wurden: Ihre Pensionsgelder wurden gestrichen, sie haben Nachteile in Bezug auf die Verbeamtung gehabt. Dieses Gesetz haben wir erst letztes Jahr auf Bundesebene abgeschafft. Dafür brauchen wir im Land Bayern sehr wohl eine Kampagne zu dem statt
gefundenen Unrecht und eine Forschungseinrichtung, um dieses Unrecht aufzuarbeiten. Das muss Gegenstand einer Koordinierungsstelle sein.
Ich glaube aber, dass das nicht nur eine Stelle sein darf. Vielmehr ist eine bessere Infrastruktur, in der die Schule als Raum des Outings, des Coming-out, in den Blick genommen wird, erforderlich. Wir wissen, dass sich viele Schülerinnen und Schüler während ihrer Schulzeit outen. Sie brauchen dort einen Raum, den Raum einer echten Ansprache. Wir müssen Schule auch als Raum verstehen und ganz banale Dinge tun wie Schulbücher verändern. Tun wir doch bitte auf den Bildern in den Schulbüchern nicht so, als ob das tradierte Familienbild mit Mama, Papa und zwei Kindern noch die hauptsächliche Lebensform sei. Es gibt Regenbogenfamilien: Mama, Mama und zwei Kinder. Es gibt Papa, Papa und drei Kinder. Es gibt alle Lebensformen. Aber wir müssen im Schulraum zeigen, dass wir hier koordinierend eingreifen müssen und das Kultusministerium unterstützen wollen, diesen Job besser zu machen.
Wir haben die Ehe für alle letztes Jahr durchgebracht. Aber damit ist noch nicht alles erledigt. Das Gesetz zur Ehe für alle ist gut, aber wir stellen zum Beispiel fest, dass in den Standesämtern in Bayern immer noch "Gattin eins" und "Gattin zwei" zur Kategorisierung gebraucht werden müssen, weil die Papiere immer noch nicht umgestellt worden sind, um "Ehefrau eins/Ehefrau zwei" oder "Ehemann eins/ Ehemann zwei" zu kategorisieren. Im Adoptionsrecht ist es immer noch sehr schwer, eigene Kinder zu adoptieren. Es ist für ein schwules oder lesbisches Paar, das geheiratet hat, einfach, fremde Kinder zu adoptieren. Bei eigenen Kindern besteht eine sehr hohe Hürde.
Zum Abschluss: Sie alle kennen unsere Anträge zu "Queer Care", also zu der Idee, festzustellen, wie es als schwuler, lesbischer, bisexueller, transsexueller oder intersexueller Mensch im Alter ist, in den Alten- und Servicezentren behandelt zu werden. Kultursensible Behandlung und Kultursensitivität in den Einrichtungen von der Putzfrau oder vom Putzmann bis hoch zur Leitung sind erforderlich. Hier brauchen wir Kampagnen. All das kann nur eine Koordinierungsstelle leisten.
Herr Kollege Hölzl, Sie haben soeben ausgeführt, dass es in Bayern sieben Stellen gibt, die für die Queer-Community Ansprechpartnerinnen sind. Ich darf Ihnen dazu sagen: Die Einrichtungen in Nürnberg, in Regensburg und in München, die alle oder zumindest in der überwiegenden Anzahl sozialdemokratisch geführt sind – übrigens: Nicht ein Euro bayerisches Geld fließt in diese Einrichtungen
wie LeTRa und Sub –, sind alle städtisch. Oberbürgermeister Reiter schimpft mich immer und sagt: Liebe Isabell, ich unterstütze Sub und LeTRa sehr intensiv, aber du musst schauen, dass du im Landtag etwas erreichst. – Ich nenne das Stichwort "gleichwertige Lebensverhältnisse", Kolleginnen und Kollegen der CSU. Es gibt eben auch im Bayerischen Wald queere Menschen. Sie haben also dafür zu sorgen, dass es überall Ansprechpartner gibt. Insofern: Jawohl, der Antrag ist gut, und wir unterstützen ihn.
Danke schön. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER jetzt Frau Kollegin Schmidt. Bitte schön, Frau Kollegin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegen und liebe Kolleginnen! Der Begriff "queer" ist ein radikaler Begriff. Er wehrt sich herrschaftskritisch und bedingungslos gegen die Normen und ausgrenzenden Systeme einer heterosexuellen Matrix. So wird er erklärt, und so wird er überall dargestellt. Das betrifft eine große Gruppe von Menschen, denen Sie das an der Nase nicht ansehen und wo Sie oft auch am Verhalten niemals bemerken würden, wer betroffen ist.
Sicher wehren wir uns gegen Diskriminierung. Sicher muss die reale Lebenswelt in diesem Landtag ankommen. Liebe Claudia Stamm, ich verstehe den Auslöser. Ich verstehe es auch bei der Kollegin Zacharias. Es gibt immer noch Diskriminierung. Ich habe in meinem Umfeld selten so viel Gekicher erlebt wie hier im Landtag, wenn es um Homosexualität und Gender ging. Das ist mir hier häufig passiert. Sicher müssen wir etwas tun. Queere Menschen, wie es Judith Butler, die größte und bekannteste Schriftstellerin zu diesem Thema, schreibt, fühlen sich ausgegrenzt und normfremd und werden auch so behandelt, ob in der Politik, im sozialen Umfeld, in der Schule oder im Leben.
Liebe Claudia, wir lehnen den Antrag ab, weil ein Beauftragter, eine Person, die dafür verantwortlich ist, garantiert zu wenig ist. Viel zu wenig. Ich glaube – ich habe nachgeschaut, Herr Unterländer –, der Sozialausschuss hatte in seiner Geschichte weder einen Runden Tisch zu dem Thema noch eine Anhörung dazu – ich habe jedenfalls in den Protokollen nichts gefunden –, wo die Probleme der Betroffenen sind, wo der gesellschaftliche Niederschlag ist und erörtert wird, was wir verändern müssen. Ich bin auch immer beim CSD und gehe sogar zum Life Ball nach Wien, wo das ganz anders behandelt und die Problematik mitten in die Gesellschaft gerückt wird.
Wir stimmen deshalb gegen die Beauftragung, weil nicht nur ein Gesicht verdient hat, hier zuzuhören, sondern wir alle haben verdient, jede dieser Untergruppierungen zu hören. Ich denke, da müssen wir mit dem nächsten Landtag neu anfangen: Ohren auf, wo die Probleme sind. Viele sind hier angedeutet worden. Aber das gehört in die Breite des Parlaments und der Ausschüsse.
Vielen Dank. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Herr Kollege Hartmann, bitte. Bitte schön, Herr Kollege.
(Vom Redner nicht au- torisiert) Verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Hölzl, mir kam Ihre Rede schon etwas merkwürdig vor. Sie haben zwar erwähnt, was in München geleistet wird. Das ist richtig, aber das hat man einer jahrelangen rot-grünen Stadtregierung zu verdanken, die deutlich vorangegangen ist. Kollegin Zacharias hat es gerade angesprochen, und das halte ich für einen ganz entscheidenden Punkt: Es geht nicht um die eine Person, wie es die FREIEN WÄHLER gerade gesagt haben, sondern wir brauchen eine gewisse Koordinierung, um damit für mehr Sichtbarkeit zu sorgen und aufgrund der größeren Sichtbarkeit mehr Gleichstellung zu bekommen. An den Schulen ist dieses Thema ganz entscheidend.
Es ist noch gar nicht lange her, dass ich einmal in Augsburg war. Bei Augsburg reden wir jetzt nicht vom ländlichen Raum, darin sind wir uns, glaube ich, alle einig. In Augsburg haben wir ein Jugendzentrum, das ehrenamtlich betrieben wird und Queerbeet heißt. Dort wurde erklärt, dass sie in ganz Schwaben ehrenamtlich eine Art Feuerwehreinsatz leisten, wenn sich an irgendeiner Schule in Schwaben ein Jugendlicher outet und dort gemobbt und diskriminiert wird. Sie versuchen dann, diesen Schüler aufzufangen, aber der junge Mensch hat die Diskriminierung bereits erlebt. So weit sollte es gar nicht kommen. Und dafür brauchen wir Aktionspläne an den Schulen, um gegenzusteuern. Es kann doch nicht sein, dass wir uns auf dem Rücken der Ehrenamtlichen ausruhen, die tätig werden müssen, weil es der Staat vorher nicht hinbekommen hat.
Ich habe eine Anfrage zur Finanzierung dieser ehrenamtlichen Strukturen gestellt. LeTRa und Sub wurden bereits angesprochen. Sie werden von der Landeshauptstadt München finanziert. Ich habe einmal gefragt, ob der Freistaat die Vereine – die Einrichtungen und deren Investitionen –, die bei Jugendlichen Beratung und Aufklärung leisten und diese Art Feuerwehreinsatz an den Schulen übernehmen, finanziell unter
stützt. Da kommt eine ganz einfache Antwort in zwei Zeilen: Das existiert nicht, und das hält man auch nicht weiter für notwendig. Das ist Ihre Politik in diesem Bereich.
Wir wissen, Bayern ist nicht nur München. Diese Beratung und Aufklärung muss im ganzen Land stattfinden. Mit einem Queer-Beauftragten kann man das besser koordinieren und diese Initiativen besser miteinander vernetzen, unterstützen und wirklich daran arbeiten, und deshalb ist dieser Antrag auch berechtigt. Ich wünsche mir, dass wir hier weiterkommen und die Gleichstellung der queeren Menschen nicht nur am Samstag, dem CSD, wieder groß feiern, wo dann auch alle Parteien mit dabei sind, sondern dass konkret etwas getan wird, das auch außerhalb Münchens stattfinden kann. Hier geht es wirklich darum, in die ländlichen Räume hinauszugehen. Daran müssen wir arbeiten, und das kann ein Queer-Beauftragter machen. Wir dürfen nicht vergessen, wir haben das Jahr 2018. Im Jahr 2018 ist die Zeit für einen QueerBeauftragten im Freistaat Bayern wirklich reif.
Vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die SPD-Fraktion, die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordnete Claudia Stamm (fraktionslos). Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Die CSU-Fraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Die Herren Kollegen Muthmann (fraktionslos) und Felbinger interjection: (fraktionslos) stimmen auch dagegen. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Antrag der Abgeordneten Bernhard Seidenath, Jürgen Baumgärtner, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU) Stärkung der Heilmittelerbringer I - Direktzugang zu den Heilmittelerbringern gezielt über ein Modellprojekt prüfen (Drs. 17/22287)
Antrag der Abgeordneten Bernhard Seidenath, Jürgen Baumgärtner, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU) Stärkung der Heilmittelerbringer II - Mehr Wissen über die Heilmittelerbringer bei den Ärzten
Antrag der Abgeordneten Bernhard Seidenath, Jürgen Baumgärtner, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU) Stärkung der Heilmittelerbringer III - Leistungsgerechte Entgelte schaffen, Entwicklung ärztlicher Budgets am Bedarf orientieren (Drs. 17/22291)
Antrag der Abgeordneten Bernhard Seidenath, Jürgen Baumgärtner, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU) Stärkung der Heilmittelerbringer IV - Zulassungsbedingungen für Praxen unter Teilnahme der Heilmittelerbringer zeitgemäß anpassen (Drs. 17/22292)
Antrag der Abgeordneten Bernhard Seidenath, Jürgen Baumgärtner, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU) Stärkung der Heilmittelerbringer V - Beteiligung der Heilmittelerbringer in relevanten Gremien (Drs. 17/22293)
Antrag der Abgeordneten Bernhard Seidenath, Jürgen Baumgärtner, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU) Stärkung der Heilmittelerbringer VI - Verbesserte GKV-Fortbildung für Ärzte und medizinische Fachangestellte zur korrekten Heilmittelverordnung (Drs. 17/22294)
Antrag der Abgeordneten Bernhard Seidenath, Jürgen Baumgärtner, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU) Stärkung der Heilmittelerbringer VII - Zertifizierung der Software für die Heilmittelverordnung in Arztpraxen optimieren (Drs. 17/22295)
Antrag der Abgeordneten Bernhard Seidenath, Jürgen Baumgärtner, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU) Stärkung der Heilmittelerbringer VIII - Mehr öffentliche Wertschätzung für die Leistungen der Heilmittelerbringer (Drs. 17/22296)
Antrag der Abgeordneten Bernhard Seidenath, Jürgen Baumgärtner, Gudrun Brendel-Fischer u. a. (CSU) Stärkung der Heilmittelerbringer IX - Heilmittelwerbegesetz auf den Prüfstand stellen (Drs. 17/22297)
Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Vereinbarung im Ältestenrat 24 Minuten. Ich darf als Erstem für die CSUFraktion Herrn Kollegen Seidenath das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Gesundheitssystem ist grundsätzlich sehr gut. Auch den internationalen Vergleich muss es nicht scheuen. Wir haben eine flächendeckende, wohnortnahe und qualitativ hochwertige medizinische und pflegerische Versorgung mit ambulanten haus- und fachärztlichen Leistungen, mit stationären Leistungen, mit Leistungen von Heil- und Hilfsmittelerbringern, von Reha- und Pflegeeinrichtungen sowie von Apotheken gleichermaßen in Stadt und Land. Das soll auch so bleiben. Das ist unser Ziel.