Natürlich wollen die Bürger, dass sachpolitische Debatten geführt werden. Die Bürger wollen vor allem Lösungen und entsprechende Entscheidungen. Diese dürfen auch strittig sein. Wir leben nicht in einer Demokratie, in der nur ein Wort gilt und nur eine Meinung zählt. Natürlich ist es respektabel, unterschiedliche Überzeugungen zu haben. Wir dürfen uns aber nicht auf einen Wettbewerb der Beleidigungen einlassen. Wir müssen immer wieder überprüfen – das sage ich auch für uns und für mich –, ob unser Stil tatsächlich angemessen ist.
Das war auch an uns selbst gerichtet. – Ich nenne ein Beispiel für mich und eines für Sie. Ich sage für mich ganz persönlich: Ich werde das Wort "Asyltourismus" nicht wieder verwenden, wenn ich den Eindruck habe, dass es jemanden verletzt. Dazu stehe ich – ich werde es nicht wieder verwenden –, auch wenn das Anliegen ein berechtigtes ist. Ich möchte aber nicht, dass Debatten über ein Wort die sinnvolle Sachdiskussion verhindern. Ich werde es nicht mehr tun, werde mich aber weiterhin in der Sache engagieren.
Denken Sie einmal darüber nach, welche Worte heute gefallen sind und was wir in der Presse lesen. Die einen sagen, hier seien einige unanständig oder unbayerisch. Manchem wird der christliche Glaube abgesprochen. Der Glaube, ein höchstpersönliches Gut, wird einfach abgesprochen. In einigen Reden wird man in die Nähe von radikalen Gruppen gestellt. Dann wird sogar behauptet – ich habe es in der Zeitung gelesen –, einzelne Minister seien verantwortlich für 1.400 Tote im Mittelmeer. Bei aller Leidenschaft, aber wenn wir so weit gehen wie Renate Schmidt aus Nürnberg, die ich ansonsten sehr respektiere, dass wir Kolleginnen und Kollegen die Verantwortlichkeit für den Tod von Menschen zuweisen, dann sind wir auf einem Niveau, das wir nicht mehr akzeptieren können. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen.
(Florian von Brunn (SPD): Für das sollten Sie sich schämen, was Sie gerade gesagt haben! Dafür sollten Sie sich schämen!)
Herr von Brunn, hören Sie doch zu! Schon wieder schreit er dazwischen: Schämen Sie sich! Schämen Sie sich! Das ist die einzige Argumentation, die ich zu diesem wirklich sinnvollen Beitrag höre. Wenn ich an Sie und uns appelliere, dass wir uns alle und auch ich mich selber vernünftig verhalten sollen, brüllen Sie dazwischen: Schämen Sie sich! Herr von Brunn, denken Sie einmal, an wen dieser Satz gerichtet ist. – Doch eher an Sie selbst und nicht an mich.
Ich lese, was alles an persönlichen Dingen gesagt wird. "Monarch" war ja noch harmlos und freundlich, wenn ich das sagen darf. Da wird man als Diktator bezeichnet; man sei größenwahnsinnig; man sei eine Gefahr für dieses Land;
man lüge den ganzen Tag; man sei machtversessen. – Ich versuche wirklich, mir Mühe zu geben und das auch mit der entsprechenden Souveränität anzunehmen. Man muss vergleichen, wer sonst solche Worte verwendet. Ich kann Ihnen sagen: Das ist kein Einzelfall. Das ist der Grundtenor, den wir in der politischen Debatte seit Wochen und Monaten erleben.
Na gut. Da ich den Kollegen Dürr seit Jahrzehnten kenne, versuche ich, es so hinzunehmen, wie es ist. Eines sage ich Ihnen aber schon: Die Bürgerinnen und Bürger des Landes registrieren das bei jedem Einzelnen von uns
genau. Sie registrieren das. Ganz ehrlich: Wenn das der Grundtenor ist! Gerade vorhin wurde gesagt: Jawohl, die Bürger werden uns das alles zeigen. Genau mit diesem Stil erzeugt man beim Bürger nicht das gewünschte Ergebnis. Keiner soll sich bei Wahlen sicher fühlen.
Wenn ich mir die Umfragen anschaue und sie auch nur halbwegs ernst nehme, stelle ich fest: So groß war der Abstand zwischen CSU und SPD fast noch nie, meine Damen und Herren. Ich mache mir, ehrlich gesagt, Sorgen – das ist kein Hohn; das ist keine Häme. Mir wäre es lieber, wenn die SPD anstatt der AfD zweitstärkste Kraft wäre. Geben Sie sich Mühe, Herr Rinderspacher, dass Sie endlich wieder Oberhand gewinnen und vom Bürger wieder etwas Respekt bekommen.
Ich wünsche mir nicht, dass wir nicht streiten. Ich wünsche mir nicht, dass wir uns nicht leidenschaftlich befetzen – das ist schon in Ordnung. Denken wir aber alle miteinander über Respekt nach, über persönlichen Respekt vor Personen,
Respekt auch vor den Ämtern, die wir haben. Wir alle üben ein Amt aus. Abgeordneter ist ein hohes Amt. Man wird von der Bevölkerung beauftragt.
Es ist nicht möglich, fünf Sekunden zuzuhören. Das sind Entwicklungen eines Parlaments, die dieser Demokratie nicht guttun, meine Damen und Herren.
Respekt vor Ämtern, vor Abgeordneten, vor Mitgliedern dieses Hohen Hauses, wenn man es noch als solches bezeichnet, auch Respekt vor Überzeugungen. Das ist übrigens auch ganz wichtig. Wenn jemand von einer Sache überzeugt ist, sollte man zumindest versuchen, ihn mit seiner Überzeugung ernst zu nehmen, und ihm nicht von vornherein unterstellen, dass er gar keine Meinung, keine Überzeugung, kein Herzblut hat. Meine Damen und Herren, wie an
ders wollen wir erreichen, dass uns die Bürger respektieren, wenn wir das selber nicht tun? Wie wollen wir glaubhaft gegen Hate Speech im Netz vorgehen, wenn wir dafür selber ein Beispiel nach dem anderen liefern, das andere zitieren können?
Deswegen zum Schluss einfach mein Appell – ich will ihn für mich einhalten; ich will das für mich auch garantieren –, dass wir zwar leidenschaftlich streiten dürfen, aber dass es keine persönlichen Angriffe im Sinne von verletzend geben darf. Ehrverletzung ist kein Stil, den der Bayerische Landtag will.
Ehrverletzung ist kein Argument für die Demokratie. Ehrverletzung, meine sehr verehrten Damen und Herren, dürfen und können wir uns nicht leisten, wenn wir erreichen wollen, dass dieser Landtag auch in Zukunft
(Ulrike Gote (GRÜNE): Das haben wir vorher erlebt! – Gegenruf des Abgeordneten Peter Winter (CSU): Von Ihnen auch!)
Danke, Frau Präsidentin, wirklich danke; denn es ist wirklich so: Wenn das die Bürger draußen sehen und wir ihnen sagen, dass wir eine bestimmte Partei nicht im Parlament haben wollen, weil die den Parlamentsbetrieb auseinanderbringt, weil wir im Deutschen Bundestag erleben, dass sie schreien, dass sie alles kaputtmachen, dann weiß ich nicht, ob die Bürger der Meinung sind, dass das viel schlimmer wäre als das, was jetzt teilweise hier stattfindet, meine Damen und Herren. Ich glaube es nicht.
Wir halten die Verfassungsänderung für eine gute Idee; Sie lehnen sie ab. Das ist Ihr gutes Recht als Demokraten. Ich selber nehme für mich aber auch diese zehn Jahre, egal, wie es dann wird, auf jeden Fall ernst. Wir werden auch weiterhin den Dialog mit den Bürgern darüber suchen. Wir werden uns in Stil und Inhalt leidenschaftlich bewegen. Wir glauben übrigens fest daran, dass es nicht reicht, ein Thema in
der Hoffnung zu negieren, dass es beim Bürger nicht realisiert wird. Vielmehr müssen wir die Themen ansprechen, die die Bürger bewegen. Wir müssen uns selber bemühen, die Wortwahl so abzustimmen, dass wir Glaubwürdigkeit behalten und dass uns die Menschen akzeptieren. Wie gesagt: Ich für meinen Teil werde mich genau daran halten. Ich bitte Sie aber auch ganz herzlich – das ist noch nicht der letzte Teil des Parlamentarismus in dieser Legislaturperiode –, selbst zu überlegen, ob die Art und Weise der Auseinandersetzung des gesamten heutigen Tages, die Auszeit, die wir nehmen mussten, all das Ganze der Demokratie in Bayern genutzt hat oder ob wir uns nicht zum Teil etwas lächerlich gemacht haben. Ich finde, wir sollten unsere Demokratie in Bayern ernst nehmen und uns damit auch selbst ernst nehmen und uns anständig benehmen.
Verehrter Herr Ministerpräsident, ich nehme an, Sie gestatten einige Zwischenbemerkungen zur Korrektur im gegenseitigen demokratischen Respekt.